Entscheidungsdatum
27.06.2019Norm
AlVG §10Spruch
W209 2209743-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele STRAßEGGER und Erwin GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Dr. Herbert POCHIESER, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße vom 26.07.2018 betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit von 28.05.2018 bis 08.07.2018 gemäß §§ 38 und 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) nach Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2018, GZ: 2018-0566-9-002309, und am 24.06.2019 durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
beschlossen:
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 11.06.2018 stellte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) den Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers mit 01.06.2018 ein, worüber der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, dass er das Recht habe, innerhalb von vier Wochen ab Erhalt des Schreibens einen Bescheid zu verlangen, schriftlich verständigt wurde.
2. Mit Schreiben vom 18.06.2018 stellte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen entsprechenden Bescheidantrag, aufgrund dessen das AMS am 02.07.2018 einen Bescheid erließ, mit dem der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers mit 01.06.2018 mit der Begründung, dass gegen den Beschwerdeführer die Verhängung einer Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG geprüft werde, vorläufig eingestellt wurde.
3. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde wurde der Bescheid vom 02.07.2018 mit Beschwerdevorentscheidung von 27.09.2018 (ersatzlos) behoben. Begründend führte das AMS aus, dass mittlerweile ein gesonderter Bescheid ergangen sei, mit dem gemäß §§ 38 und 10 AlVG für die Zeit von 28.05.2018 bis 08.07.2018 (6 Wochen) der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe ausgesprochen wurde.
4. Gegen den Bescheid vom 26.07.2018, der damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer die Annahme bzw. das Zustandekommen einer ihm zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung als Transitarbeitskraft bei der Firma XXXX mit möglichem Arbeitsantritt am 28.05.2018 ohne triftigen Grund ausgeschlagen habe und keine Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen vorlägen bzw. berücksichtigt werden hätten können, richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der vorgebracht wurde, dass das AMS die Frist zur Erlassung eines Bescheides binnen 4 Wochen ab dem vom Beschwerdeführer gestellten Begehren versäumt habe und die Nachholung des Bescheides, der innerhalb von 4 Wochen zu erlassen gewesen wäre, unzulässig sei. Es liege res iudicata vor. Auf allfällige andere Rechtsgrundlagen zur Hintanhaltung der dem Beschwerdeführer zustehenden Notstandshilfe habe sich das AMS nicht berufen. Die Entscheidung sei daher wegen Verletzung des § 24 Abs. 1 4. Satz AIVG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Darüber hinaus sei das AMS seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen und es sei schlichtweg falsch und widerspreche der Aktenlage, dass dem Beschwerdeführer eine zumutbare Beschäftigung mit möglichem Arbeitsantritt am 28.05.2018 angeboten worden sei. Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen sowie dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der dem Beschwerdeführer entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen.
5. Mit Parteiengehör vom 03.10.2018 brachte das AMS dem Beschwerdeführer das Ergebnis des bisherigen Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und bot ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
6. In seiner Stellungnahme vom 18.10.2018 brachte der Beschwerdeführer zur Feststellung des AMS, dass der Beschwerdeführer seit 15.06.2001 nur 74 Tage vollversichert beschäftigt gewesen sei und dem im Zeitraum von 16.06.2001 bis 02.07.2018 ca. 6.000 Tage des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gegenüberstünden, vor, dass nicht relevant sei, wie lange er bereits arbeitslos sei und es sich dabei offensichtlich nur um "Stimmungsmache" handle. Es stimme auch nicht, dass er seit 15.06.2001 nur 74 Tage vollversichert beschäftigt gewesen sei. Die entsprechende Darstellung sei tendenziös. Das AMS sei zu 100% unfähig gewesen, dem Beschwerdeführer eine Beschäftigung zu vermitteln. Der Beschwerdeführer sei über 50 Jahre alt. Aufgrund seines Alters sei die Erlangung einer Beschäftigung praktisch ausgeschlossen (dies sei mittlerweile Allgemeinwissen). Er habe mehr als 3.740 Bewerbungen verfasst und 146 Vorstellgespräche geführt und sei daher arbeitswillig. Der Vorhalt stelle eine unsachliche Entgleisung eines befangenen Organwalters dar, der vom Verfahren abzuziehen sei, weil ansonsten das Verfahren mit Mangelhaftigkeit behaftet sei. Darüber hinaus seien aus dem Einladungsschreiben Textpassagen unvollständig und tendenziös nachteilig zitiert worden. Aus einer übergangenen Textpassage gehe hervor, dass keine konkrete Beschäftigung angeboten worden sei. Bei dem Termin sei nur eine Kursmaßnahme angeboten worden, wie sie der Beschwerdeführer bereits Sonderzahl genossen habe. Schlichtweg falsch sei auch die Behauptung des AMS, dass er kein Interesse an einer "Kooperation" gehabt hätte, weswegen er auch nicht bereit gewesen sei, dies zu unterschreiben. Richtig sei vielmehr, dass man ihm nur eine Unterstützung bei der Jobsuche angeboten habe. Schließlich habe man ihm auch versichert, dass er die Maßnahme ablehnen könne. Eine Sanktion sei ihm nur im Falle der Nichtteilnahme an der Informationsveranstaltung angedroht worden. Soweit im Einladungsschreiben mit "möglicher Vermittlung" gemeint gewesen sei, dass ihm irgendwann in der Zukunft ein Job vermittelt werden könnte, habe es sich hierbei jedenfalls nicht um ein konkretes Jobangebot gehandelt. Bei der dem Beschwerdeführer angebotenen Maßnahme handle es sich um einen unzulässigen Versuch, Menschen in einer Kursmaßnahme "einzuparken" bzw. in eine solche auszulagern. Das sei eine unzulässige Umgehung des vom AMS auszuübenden Vermittlungsauftrags, wozu der Verwaltungsgerichtshof, auch wenn dies schon länger zurückliege, mehrfach Stellung genommen habe.
7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2018 wies das AMS die Beschwerde ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das AMS den Beschwerdeführer in der im wechselseitigen Einvernehmen am 03.05.2018 erstellten Betreuungsvereinbarung sowie im Einladungsschreiben für die Veranstaltung ganz klar über eine mögliche Arbeitsaufnahme informiert habe. Auch dem im Rahmen der Informationsveranstaltung ausgefüllten Dokument (Anm.: in welchem dem Beschwerdeführer mangelnde Kooperation vorgeworfen wurde) sei eindeutig zu entnehmen, dass ein Dienstverhältnis begründet werden hätte sollen, weswegen die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei. Der Beschwerdeführer habe eine neue, die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung bislang nicht aufgenommen. Sonstige Nachsichtsgründe gebe es nach der Aktenlage nicht.
8. Aufgrund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages des Beschwerdeführers, in dem erneut beantragt wird, dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der dem Beschwerdeführer entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen, legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 20.11.2018 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
9. Am 24.06.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sowie eine Vertreterin des AMS teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde jener Mitarbeiter von
XXXX , der die beschwerdegegenständliche Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer kein Interesse an einer Kooperation mit XXXX habe, ausgestellt hat, als Zeuge einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Der Beschwerdeführer steht seit 16.12.2006 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug und bezog zuletzt seit 28.05.2018 Notstandshilfe.
Er hat die Höhere Technische Bundeslehranstalt Wien X, Abt. Elektrotechnik, abgeschlossen und Berufserfahrung als Lagerleiter (Verwaltung Magazin/Lager) und Einkäufer.
Mit Schreiben vom 16.05.2018 wurde der Beschwerdeführer für den 23.05.2018, 13:00 Uhr, zur Veranstaltung "Info Galerie - Aktion Erfolg der Beratungs- und Betreuungseinrichtung XXXX " eingeladen. Unter "Inhalt der Veranstaltung" ist in der Einladung angeführt, dass XXXX die Teilnehmer in ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis, ein sogenanntes Transitarbeitsverhältnis, übernimmt und sie für maximal neun Monate an individuell ausgesuchte gewinnorientierte Unternehmen vermittelt. Neben einer näheren Beschreibung des Inhalts des Transitarbeitsverhältnisses ist auch angeführt, dass unter Umständen ein vorhergehender Besuch einer XXXX -Vorbereitungsphase für die spätere Vermittlung notwendig ist. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass - sofern keine wichtigen Gründe vorliegen - die Verweigerung der Teilnahme an der Veranstaltung zum Verlust des Leistungsanspruchs für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer von sechs Wochen - führen kann.
Der Beschwerdeführer erschien zur Infoveranstaltung. Dort wurde ihm auf verschiedenen Stationen die Beratungs- und Betreuungseinrichtung (BBE) von einer Mitarbeiterin der BBE vorgestellt und angeboten, als Vorbereitung auf ein Transitarbeitsverhältnis in die BBE einzutreten, wobei ausdrücklich die Freiwilligkeit des Eintritts betont wurde. Als sich der Beschwerdeführer entschloss, nicht in die BBE einzutreten, da er seiner Ansicht nach alle im Vorfeld vorgesehenen Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bereits absolviert hatte, wurde mit ihm noch ein Einzelgespräch mit einem Trainer der BBE ( XXXX ) geführt, in welchem es dann zur Ausstellung einer (vom Beschwerdeführer nicht unterfertigten) Bestätigung kam, die in der Folge an das AMS übermittelt wurde. Aus dieser Bestätigung geht u.a. hervor, dass der Beschwerdeführer darüber aufgeklärt wurde, "dass die Teilnahme an der BBE, die Vorbereitung auf ein Transitdienstverhältnis bei dem Sozialökonomischen Überlassungsprojekt SÖBÜ ist" und der Beschwerdeführer "kein Interesse an einer Kooperation" hat.
In der zwischen dem Beschwerdeführer und dem AMS am 03.05.2018 (mit Gültigkeit bis 03.11.2108) abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung geht hervor, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, sich auf alle zumutbaren Stellen zu bewerben, dies auch Hilfstätigkeiten umfasst und auch von seitens des AMS eine Vermittlung in alle gemäß § 9 AlVG zumutbaren Beschäftigungen stattfinden kann.
Der Beschwerdeführer hat seither kein arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr aufgenommen.
2. Beweiswürdigung:
Der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers, seine Ausbildung und Berufserfahrung und der Erhalt des Einladungsschreibens stehen auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.
Der Inhalt des Einladungsschreibens ergeht aus einer Kopie des Schreibens, welche von Amts wegen eingeholt wurde, da es in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten war.
Der Inhalt der Bestätigung der BBE ergeht aus der in der Beschwerdevorentscheidung zitierten Bestätigung, die auch als Kopie vorliegt.
Dass dem Beschwerdeführer der Eintritt in die BBE als Vorbereitung auf ein Transitarbeitsverhältnis angeboten wurde, ist der oben angeführten Bestätigung zu entnehmen. Dies wurde auch von jenem Mitarbeiter der BBE, der mit dem Beschwerdeführer das Einzelgespräch führte, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Schließlich räumte auch der Beschwerdeführer ein, dass ihm bekannt war, dass er (nach Absolvierung der Vorbereitungsphase) in ein Transitarbeitsverhältnis übernommen werden sollte.
Dass seitens der BBE die Freiwilligkeit der Teilnahme betont wurde, wie die Beschwerde ausführte, hat der oben angeführte Mitarbeiter der BBE in der mündlichen Verhandlung bestätigt, indem er angab, dass er sich zwar nicht genau an das Gespräch erinnern kann, aber seitens der BBE auf die Freiwilligkeit immer großen Wert gelegt wird und dies gegenüber den potenziellen Teilnehmern auch so kommuniziert wird.
Der Inhalt der Betreuungsvereinbarung vom 03.05.2018 geht aus einer in den Verwaltungsakten enthaltenen Kopie der Vereinbarung hervor.
Die Nichtaufnahme eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses seit Verhängung der Sperrfrist ergeht aus einem von Amts wegen eingeholten Versicherungsdatenauszug des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen 0sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Im gegenständlichen Fall gelangen folgende maßgeblichen Bestimmungen des AlVG zur Anwendung:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist (u.a.) arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung unter anderem dann zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
Gemäß § 9 Abs. 7 AlVG gilt als Beschäftigung, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Verlust des Anspruches ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen (§ 10 Abs. 3 leg.cit.).
Nach § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Dem Beschwerdevorbringen, im vorliegenden Fall liege res iudicata vor, weil das AMS aufgrund des Bescheidantrages des Beschwerdeführers nicht binnen vier Wochen einen Bescheid erlassen habe, geht ins Leere, weil das Vorliegen einer entschiedenen Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG das Vorliegen eines der Berufung (Beschwerde) nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides voraussetzt. Ein solcher rechtskräftiger Bescheid liegt aber gegenständlich nicht vor, weil der (angeblich verspätete) Bescheid vom 02.07.2018 mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.09.2018 ersatzlos behoben wurde.
Verfahrensgegenständlich sind somit vorliegend ausschließlich der Bescheid vom 26.07.2018 betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe gemäß §§ 38 und 10 AlVG und die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung vom 30.10.2018.
Dem hierzu ergangenen Beschwerdevorbringen, dass dem Beschwerdeführer vom AMS gar keine konkrete Beschäftigung angeboten worden sei und daher keine Arbeitsvereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG vorliegen könne, ist Folgendes entgegenzuhalten:
Den Feststellungen zufolge wurde der Beschwerdeführer verpflichtend zur Teilnahme an einer Informationsveranstaltung über den Eintritt in eine Beratungs- und Betreuungseinrichtung (BBE) zur Vorbereitung auf die Übernahme in ein Transitarbeitsverhältnis eingeladen. Der Beschwerdeführer kam der Einladung nach und nahm an der Veranstaltung teil. Dort wurde den potenziellen Teilnehmern - so auch dem Beschwerdeführer - angeboten, in die BEE einzutreten, nachdem der Inhalt der BBE sowie die Möglichkeit, im Anschluss daran in ein Transitarbeitsverhältnis übernommen zu werden, erläutert wurden. Nachdem seitens der BBE betont wurde, dass der Eintritt auf Freiwilligkeit basiert, entschloss sich der Beschwerdeführer, nicht in die BEE einzutreten, weil er seiner Ansicht nach alle (in der Vorbereitungsphase für die Übernahme in ein Transitarbeitsverhältnis) vorgesehenen Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bereits absolviert hatte.
Das AMS stützte die Verhängung der Ausschlussfrist darauf, dass der Beschwerdeführer die Annahme bzw. das Zustandekommen einer ihm zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung als Transitarbeitskraft bei der Firma XXXX mit möglichem Arbeitsantritt am 28.05.2018 ohne triftigen Grund ausgeschlagen habe. Damit übersieht es aber, dass dem Beschwerdeführer gar kein konkretes Beschäftigungsverhältnis angeboten wurde. Wie aus dem Einladungsschreiben und der Bestätigung der BEE hervorgeht, wurde lediglich der Eintritt in die BBE mit der Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt in ein Transitarbeitsverhältnis übernommen zu werden, angeboten. Der Beschwerdeführer hat aber durch den Nichteintritt in die BBE mit der anschließenden Möglichkeit der Übernahme in ein Transitarbeitsverhältnis von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht (vgl. VwGH 22.02.2012, Zl. 2009/08/0077).
In § 10 AlVG ist die sich "sonst bietende Arbeitsmöglichkeit" zwar nicht explizit angeführt, sie wird nur in § 9 Abs. 1 AlVG genannt. Aus dem systematischen Zusammenhang dieser beiden Bestimmungen ergibt sich jedoch ebenso wie aus dem Zweck dieser Regelungen, Leistungsbezieher zu verhalten, ehestmöglich durch die Aufnahme einer Beschäftigung aus dem Leistungsbezug wieder auszuscheiden, dass die in § 10 AlVG vorgesehenen Sanktionen auch bei der Ausschlagung einer "sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit" in Frage kommen (VwGH 07.05.2008, Zl. 2007/08/0163).
Mit BGBl I 2007/104 wurde in § 9 Abs. 7 AlVG normiert, dass - unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall - als Beschäftigung auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP) gilt, soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 AlVG im Hinblick auf einen Sozialökonomischen Betrieb kann daher zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen (vgl. VwGH 29.01.2014, Zl. 2013/08/0265).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität im Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl. u.v. VwGH 11.09.2008, 2007/08/0111, m.w.N.).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Annahme der Kausalität aus, dass durch das Verhalten des Arbeitslosen die Chancen für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verringert wurden (vgl. VwGH 13.11.2013, 2013/08/0020, = ARD 6383/14/2014). Dies ist im gegenständlichen Fall zu bejahen, zumal ein Mitarbeiter der BBE in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - versicherte, dass alle Teilnehmer nach der Vorbereitungsphase in ein Transitarbeitsverhältnis übernommen werden, so sie es wünschen, und es daher nur am Beschwerdeführer selbst gelegen ist, von dieser sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen, indem er in die BBE eintritt.
Auch der erforderliche (bedingte) Vorsatz ist gegeben, weil der Beschwerdeführer durch die Weigerung, in die BBE einzutreten, in Kauf genommen hat, nicht in ein Transitarbeitsverhältnis übernommen zu werden. Der Umstand, dass seitens der BBE die Freiwilligkeit des Eintritts betont wurde, schließt das Verschulden des Beschwerdeführers nicht aus. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, gewusst zu haben, dass es sich bei den Mitarbeitern der BBE nicht um Mitarbeiter des AMS handelt. Insofern konnte er daher trotz der betonten Freiwilligkeit auch nicht darauf vertrauen, bei Nichteintritt in die BEE vom AMS nicht mit einer Sanktion gemäß § 10 AlVG belegt zu werden, zumal er sich in der zwischen dem Beschwerdeführer und dem AMS am 03.05.2018 (mit Gültigkeit bis 03.11.2108) abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung verpflichtete, sich auf alle zumutbaren Stellen zu bewerben. Auf einen Rechtsirrtum kann er sich unter diesen Umständen nicht berufen (vgl. VwGH 21.06.2017, Ro 2016/03/0011).
Einer besonderen Rechtsbelehrung seitens des AMS bedurfte es nicht. Bei der Zuweisung einer zumutbaren Beschäftigung durch das AMS ist - anders als bezüglich der Einhaltung von Kontrollterminen und bei Zuweisungen zu Schulungen und Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt - keine vorgängige besondere Rechtsbelehrung über die Rechtsfolgen (des § 10 AlVG) bei einer Weigerung oder Vereitelung vonnöten, da die Bereitschaft zur Annahme einer zumutbaren Beschäftigung von vornherein Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld ist (vgl. § 7 AlVG) und es einer weitergehenden Information des Arbeitslosen über die Erforderlichkeit der Annahme einer entsprechenden Beschäftigung somit nicht bedarf (VwGH 17.10.2007, 2006/08/0329).
Auch eine Belehrung über die Gründe für die Zuweisung des Eintritts in die BBE war nicht erforderlich, weil im Beschwerdefall keine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG zu beurteilen ist, sondern eine sich dem Beschwerdeführer bietende Beschäftigungsmöglichkeit (vgl. erneut VwGH 07.05.2008, Zl. 2007/08/0163).
Einwendungen gegen das konkret zu beurteilende Transitarbeitsverhältnis - etwa im Hinblick auf Entlohnung, Arbeitszeiten und gesundheitliche Zumutbarkeit - hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Dass das Transitarbeitsverhältnis den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards nicht entsprochen hätte, wurde ebenfalls nicht vorgebracht, und finden sich hierfür auch keine Anhaltspunkte.
Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. Der Beschwerdeführer hat bislang kein neues arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen. Anhaltspunkte für sonstige Nachsichtgründe wurden nicht vorgebracht und sind auch aufgrund der Aktenlage nicht evident.
Damit ist festzuhalten, dass das AMS gemäß § 38 iVm § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG berechtigt war, den beschwerdegegenständlichen Anspruchsverlust auszusprechen, weswegen die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.
Hinsichtlich des Begehrens, dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der dem Beschwerdeführer entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen, ist darauf hinzuweisen, dass das VwGVG mit Ausnahme des § 35 VwGVG zur Kostentragung keine Regelung enthält, wodurch die Parteien des Verfahrens die Kosten selbst zu tragen haben (Eder/Martin/Schmid, Das Verwaltungsverfahren der Verwaltungsgerichte2 § 49 VwGVG E 1).
Der Antrag auf Kostenersatz war daher als unzulässig zurückzuweisen.
B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Kostenersatz, Notstandshilfe, Vereitelung, zumutbare Beschäftigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2209743.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.08.2019