TE Vwgh Beschluss 1998/11/26 98/16/0166

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Veröffentlicht am 26.11.1998
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Index

E1E;
E6J;
L34008 Abgabenordnung Vorarlberg;
L37018 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

11992E005 EGV Art5;
11992E177 EGV Art177 Abs3;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61982CJ0199 San Giorgio VORAB;
61985CJ0309 Barra VORAB;
61990CJ0208 Emmott VORAB;
61992CJ0410 Johnson VORAB;
61993CJ0062 BP Soupergaz Anonimos Etairia Geniki VORAB;
61993CJ0312 Peterbroeck Van Campenhout VORAB;
61996CJ0260 Spac SpA VORAB;
AbgVG Vlbg 1984 §82 Abs1 idF 1992/003;
AbgVG Vlbg 1984 §82 Abs2 idF 1992/003;
AbgVG Vlbg 1984 §82 Abs3 idF 1992/003;
B-VG Art129;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §1;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §2;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §3;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §4;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §5 idF 1994/061;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §6 idF 1994/061;
GetränkesteuerV Bludesch 1993;
GetränkesteuerV Dornbirn 1994;
GetränkesteuerV Lochau 1994;
GetränkesteuerV Lochau 1998;
GetränkesteuerV Rankweil 1993;
VwGG §38a;

Beachte

* EuGH-Zahl: C-437/97 * EuGH-Zahl: EU 97/0170 15. März 2000 * Führender Vorabentscheidungsantrag:97/16/0221 B 18. Dezember 1997 * Übersendung der EuGH-Entscheidung durch Kanzler des EuGHEuGH 61997CJ0010 22. Oktober 1998 EuGH 61996CJ0260 15. September 1998 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/16/0185 98/16/0354 98/16/0204 Siehe:2000/16/0171 E 11. Juli 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, in den Beschwerdesachen der S Gesellschaft m.b.H. & Co in E, vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in Feldkirch, Johannitergasse 6/II, gegen die Bescheide der Vorarlberger Landesregierung 1) vom 17. März 1998, Zl. IIIa-230/117 (mitbeteiligte Partei: Stadt Dornbirn), 2) vom 26. Juni 1998, Zl. IIIa-230/135 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Bludesch), 3) vom 22. Juli 1998, Zl. IIIa-230/137 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Rankweil) und 4) vom 28. Mai 1998, Zl. IIIa-230/122 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Lochau), alle betreffend Getränkesteuer 1995, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird für den Fall, daß er die an ihn mit dem hg. Beschluß vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221 und 0021, (do. Rechtssache C-437/97; Registernummer 564.977) gerichteten Fragen wenigstens teilweise bejaht, folgende weitere Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht § 82 Abs. 2 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. Nr. 23/1984 idF LGBl. Nr. 3/1992, welche Bestimmung dem Abgabepflichtigen die Berichtigung einer Erklärung gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. nur innerhalb eines Monates ab deren Einreichung gestattet und die auch einen Antrag des Abgabepflichtigen auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung zur Abänderung der selbst bemessenen Abgabe (mit Ausnahme des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens) mit einem Monat ab Einreichung der Erklärung befristet, der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93 Peterbroeck, Van Campenhout & CieSCS gegen Belgischer Staat, Slg. I-4615) und damit der Anwendung des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere der Durchführung des in Art. 177 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens entgegen?

Begründung

1) Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin stellte mit Eingaben vom 4. August 1997 an die mitbeteiligten Parteien je den Antrag, die für das Jahr 1995 erfolgten Getränkesteuererklärungen vom 25. April 1996 bzw. 7. Februar 1996 bzw. 7. Februar 1996 bzw. 30. April 1996 in Höhe von S 1,469.930,-- bzw. S 559.835,-- bzw. S 1,060.740,-- bzw. S 528.108,-- auf Grund des Verstoßes "gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft" bescheidmäßig mit Schilling Null festzusetzen und (in den ersten beiden Beschwerdefällen) die Getränkesteuer zurückzuzahlen, bzw. wurde (für den dritten Beschwerdefall) ein Abzug des Guthabens bei der nächsten Getränkesteuerzahlung angekündigt.

Diese Anträge wurden mit Bescheiden der Bürgermeister der mitbeteiligten Parteien vom 25. September 1997 bzw. 29. Oktober 1997 bzw. 25. September 1997 und 6. Oktober 1997 je mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, die Frist des § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz sei zur Zeit der Antragstellung schon abgelaufen gewesen.

Die gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen blieben ohne Erfolg, worauf die Beschwerdeführerin gegen die abweislichen Berufungsbescheide Vorstellungen an die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde erhob.

Die belangte Behörde wies die Vorstellungen je als unbegründet ab und (in den ersten beiden Beschwerdefällen) die Anträge auf Rückzahlung der Getränkesteuer bzw. im dritten Beschwerdefall den in der Berufung gestellten Antrag, die Getränkesteuer für 1995 mit Bescheid festzusetzen, als unzulässig zurück, wobei auch die belangte Behörde sich auf die Verfristung der Anträge gemäß § 82 Abs. 2 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes stützte.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen, vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden (im ersten und vierten Beschwerdefall wurde die Beschwerde ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhoben und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten) je wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer bzw. auf Nichterhebung der Getränkesteuer verletzt, wobei sie u.a. die Meinung vertritt, die auf den Ablauf der Einmonatsfrist gemäß § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfassungsgesetz gestützte Zurückweisung ihrer Anträge sei mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar, weshalb sie dazu die Einholung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 177 EGV anregte.

Die belangte Behörde legte (in den ersten drei Beschwerdefällen) die Akten der Verwaltungsverfahren vor; sie und die im dritten Beschwerdefall mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen je die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet begehrt wird. Über den vierten Beschwerdefall wurde (aus verfahrensökonomischen Gründen) noch kein Vorverfahren eingeleitet.

2) Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes lauten:

Art. 5 EGV: "Die Mitgliedsstaaten treffen alle geeignete Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.

Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten."

Art. 177 EGV: "Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

a)

über die Auslegung dieses Vertrags,

b)

über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB,

              c)              über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit diese Satzungen dies vorsehen.

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedsstaates gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß eines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet."

Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-312/93, Peterbroeck, Van Campenhout & CieSCS gegen Belgischer Staat vom 14. Dezember 1995, Slg. I-4599, ergeben sich u.a. folgende Leitsätze:

"Die nationalen Gerichte haben aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht aus Artikel 5 des Vertrags den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt. Die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sind mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten. Jedoch dürfen diese Verfahren nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Eine Vorschrift des nationalen Rechts, die der Durchführung des in Artikel 177 des Vertrags vorgesehenen Verfahrens entgegensteht, muß dabei unangewendet bleiben.

Jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens."

Ebenso das Urteil des EuGH vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93 BP Soupergaz Anonimos Etairia Genik:

Empouiki-Viomichaniki kai Antiprosopeion gegen Griechischer Staat, Slg. I-1907 Rz 41.

"Zwar kann die Erstattung nur im Rahmen der in den jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen betrieben werden, doch dürfen diese Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für die Klagen, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichteshofes ergibt (vgl. u.a. Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Urteil Barra, a.a.O., Randnr. 18, und Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90, Emmott, Slg. 1991, I-4269, Randnr. 16, und vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-410/92, Johnson, Slg. 1994, I-5483, Randnr. 21), nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet werden, daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen."

Zuletzt hat der EuGH im Urteil vom 15. September 1998 (Spac SpA), Rechtssache C-260/96, zu Recht erkannt:

              "1.              Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, sich gegenüber Klagen auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben worden sind, auf eine dreijährige nationale Ausschlußfrist zu berufen, die von der in der allgemeinen Regelung der Klagen gegen Private auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge vorgesehenen günstigeren Frist abweicht, wenn diese Ausschlußfrist in gleicher Weise auf alle Klagen auf Erstattung von Abgaben unabhängig davon angewandt wird, ob sie auf das Gemeinschaftsrecht oder auf das innerstaatliche Recht gestützt werden.

              2.              Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens verwehrt das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht, sich gegenüber Klagen auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen eine Richtlinie erhoben worden sind, auf eine nationale Ausschlußfrist, die vom Zeitpunkt der Entrichtung der fraglichen Abgabe an läuft, zu berufen, selbst wenn die Richtlinie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt worden war."

              3)              Die für den Beschwerdefall einschlägigen Vorschriften des österreichischen Rechtes lauten:

              a)              Vorweg wird zur Vermeidung von Wiederholungen betreffend die österreichische Rechtslage auf dem Gebiete der Getränkesteuer auf Punkt 3 der Begründung des hg. Beschlusses vom 28. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221, 0021, verwiesen.

              b)              Vorarlberger Landesrecht:

              aa)              Das Gesetz über die Einhebung einer Gemeindeabgabe von Getränken und Speiseeis (Getränkesteuergesetz) LGBl. Nr. 51/1993 idF LGBl. Nr. 61/1994 lautet auszugsweise:

"§ 1

Allgemeine Bestimmungen

(1) Gemeinden, die aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Ermächtigung Abgaben auf die entgeltliche Lieferung von Getränken und Speiseeis ausschreiben, haben diese Gemeindeabgabe (Getränkesteuer) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben.

(2) In der Verordnung der Gemeindevertretung über die Erhebung der Getränkesteuer ist auszusprechen, ob die Getränkesteuer von allen Getränke- bzw. Speiseeisarten erhoben wird oder ob einzelne ausgenommen sind. Es ist unzulässig, einzelne Teile des Gemeindegebiets oder einzelne Betriebe oder bestimmte Arten von Betrieben, mit Ausnahme von öffentlichen oder gemeinnützigen Anstalten, von der Getränkesteuer auszunehmen.

(3) Die an den Bodensee angrenzenden Gemeinden werden ermächtigt, auf die entgeltliche Lieferung von Getränken und Speiseeis auf Schiffen auf dem Bodensee die Getränkesteuer zu erheben, sofern diese Schiffe ihren Standort in der Gemeinde haben.

§ 2

Steuergegenstand

(1) Der Getränkesteuer unterliegt die entgeltliche Lieferung von

a)

Getränken

b)

Speiseeis, einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verarbreichter Früchte,

einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs.

(2) Ausgenommen von der Besteuerung sind

a)

Lieferungen von Milch,

b)

Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1972, in der Fassung BGBl. Nr. 660/1989, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung oder Versendung vorliegt (Weinabhofverkauf).

              c)              Lieferungen zur unmittelbaren Konsumation in Verkehrsmitteln an die Fahrgäste oder das Personal, soweit nicht die vom Verkehrsmittel zurückgelegte Strecke überwiegend in derselben Gemeinde liegt,

              d)              Lieferungen für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit,

              e)              mitverkaufte Umschließungen, die eine selbsätndige Ware darstellen oder gegen Rückerstattung eines gesondert in Rechnung gestellten Entgelts zurückgenommen werden.

(3) Getränke sind alle üblicherweise dem Stillen des Durstes oder der Befriedigung eines geschmacklichen Bedürfnisses dienenden Flüssigkeiten. Akoholfreie Getränke sind solche mit einem Alkoholgehalt in Volumenteilen von 0,5 v.H. Volumen oder weniger.

(4) Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer einen Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann vom Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.

(5) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Wird der Gegenstand einer Lieferung zum Abnehmer oder in dessen Auftrag zu einem Dritten befördert oder an diesen versendet, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Versenden liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter zu einem Dritten befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen läßt. Bei Lieferungen auf Schiffen auf dem Bodensee ist Lieferort der Standort des Schiffes.

(6) Unternehmer ist, wer Getränke oder Speiseeis im Rahmen einer nachhaltigen selbständigen Tätigkeit an einen Abnehmer liefert. Abnehmer ist jeder, an den die Lieferung nicht zum Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt.

(7) Im Zweifel ist anzunehmen, daß

a)

die Lieferung entgeltlich und an den Abnehmer erfolgt,

b)

die Verfügungsmacht am Sitz des Unternehmens an den Abnehmer übergeht.

§ 3

Bemessungsgrundlage

(1) Die Getränkesteuer wird vom Entgelt gemessen.

(2) Entgelt ist alles, was der Abnehmer oder ein Dritter aufwendet, um die Lieferung zu erhalten. Entgeltlichkeit liegt auch vor, wenn die Gegenleistung einer Lieferung in einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung besteht.

(3) Die Getränkesteuer, die Umsatzsteuer und das Bedienungsgeld sind von der Bemessungsgrundlage auszunehmen.

(4) Ist in einem Preis ein steuerfreies und ein steuerpflichtiges Entgelt zusammengefaßt (z.B. beim Frühstück in gastgewerblichen Betrieben), so ist Bemessungsgrundlage nur jenes Entgelt, das anteilsmäßig auf das Getränk oder Speiseeis entfällt. Sofern es der Verwaltungsvereinfachung dient und der Steuerertrag nicht wesentlich verändert wird, kann die Behörde mit dem Steuerpflichtigen auch eine pauschale Festsetzung vereinbaren.

§ 4

Steuersatz und Steuerschuldner

(1) Die Höhe der Getränkesteuer beträgt bei

a)

alkoholhältigen Getränken und Speiseeis 10 v.H.,

b)

alkoholfreien Getränken 5 v.H.

des Entgelts.

(2) Steuerschuldner ist der Unternehmer.

§ 5

Entstehung und Fälligkeit der Steuerschuld

(1) Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt der Lieferung des Getränks bzw. Speiseeises an den Abnehmer.

(2) Die Getränkesteuer ist vom Steuerschuldner für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und innerhalb eines Monats und 15 Tagen nach Ablauf des Monats, in dem die Lieferung erfolgte, zu entrichten.

(3) Erweist sich die Selbstberechnung des Steuerschuldners als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Getränkesteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Getränkesteuerbescheid zu erlassen.

§ 6

Ermittlung der Steuerschuld,

Getränkesteuererklärung

(1) Der Steuerschuldner hat über alle von ihm in einem Kalendermonat an den Abnehmer erfolgten Lieferungen von Getränken und Speiseeis sowie über die daraus erzielten Erlöse Aufzeichnungen zu führen und danach die Steuerschuld zu ermitteln.

(2) Auf Antrag des Steuerschuldners kann die Gemeinde diesem die Ermittlung der Steuerschuld aufgrund des in einem Kalendermonat erfolgten Wareneinsatzes oder Wareneingangs bewilligen. Diese Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn dadurch die Ermittlung und Einhebung der Steuer einfacher und das Steuerergebnis nicht wesentlich verändert wird. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist die Bewilligung zu widerrufen. Der Steuerschuldner darf für Schwund und bei vorgesehenem Eigenverbrauch je 2 v.H. der Bemessungsgrundlage außer Ansatz lassen. Ist der Steuerschuldner ein Gastgewerbetreibender, so darf er für Schwund weitere 2 v.H. der Bemessungsgrundlage außer Ansatz lassen. Darüber hinausgehender Schwund oder Eigenverbrauch ist vom Steuerschuldner glaubhaft zu machen.

(3) Über die gemäß Abs. 1 und 2 ermittelte Steuerschuld hat der Steuerschuldner für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis zum 30. Juni des folgenden Jahres bei jener Gemeinde, in deren Gebiet die Lieferung ausgeführt wurde, eine nach Kalendermonaten aufgegliederte Getränkesteuererklärung über die Berechnungsgrundlagen sowie die Steuerschuld, getrennt für alkoholhältige und alkoholfreie Getränke sowie für Speiseeis, abzugeben. Im Fall der Aufgabe des Unternehmens ist die Getränkesteuererklärung binnen drei Monaten ab Aufgabe abzugeben. Auf Antrag des Steuerschuldners können diese Fristen von der Gemeinde im erforderlichen Ausmaß verlängert werden."

bb) mit folgenden Verordnungen haben die mitbeteiligten Parteien die Erhebung der Getränkesteuer ausgesprochen:

-

die Stadt Dornbirn mit VO vom 20.12.1994;

-

die Gemeinde Bludesch mit VO vom 27.9.1993 idF der VO vom 20.12.1994;

-

die Marktgemeinde Rankweil mit VO vom 29.3.1993 idF der VO vom 24.11.1994;

-

die Gemeinde Lochau mit VO vom 16.12.1994 (jetzt VO vom 28.4.1998).

cc) § 82 Abs. 1 bis 3 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes LGBl. Nr. 23/1984 idF der Novelle LGBl. Nr. 3/1992 lautet:

"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.

(2) Der Abgabepflichtige kann eine Erklärung gemäß Abs. 1 innerhalb eines Monats ab deren Einreichung berichtigen. Innerhalb dieser Frist kann er zur Abänderung der selbst bemessenen Abgabe auch einen Antrag auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung stellen. Nach Ablauf der Frist darf er einen solchen Antrag nur noch stellen, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die er bei der Einreichung der Erklärung ohne sein Verschulden nicht geltend machen konnte. Der Antrag ist zudem nur zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller nachweislich von den Tatsachen oder Beweismitteln Kenntnis erlangt hat, nicht mehr als ein Monat vergangen ist und die Bemessungsverjährung (§ 83 Abs. 2) noch nicht eingetreten ist. Die Umstände, die solchen Anträgen zugrunde liegen, hat der Abgabepflichtige zu beweisen.

(3) Die Abgabe ist von Amts wegen mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als zu niedrig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung kann abgesehen werden, wenn der Abgabepflichtige die Mängel behebt."

Mit Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1997, G 438/97-6, wurde § 82 Abs. 2 und 3 des Abgabenverfahrensgesetzes LGBl. Nr. 23/1984, idF LGBl. Nr. 3/1992 als verfassungswidrig aufgehoben (kundgemacht mit LGBl. Nr. 19/1998), wobei ausgesprochen wurde, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1998 in Kraft tritt.

Damit sind die Bestimmungen des § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz auf die Beschwerdefälle, die nicht Anlaßfälle des zitierten verfassungsgerichtlichen Verfahrens waren, anzuwenden (Art. 140 Abs. 7 B-VG).

4) Voraussetzungen der Vorlage:

Dem Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 129 B-VG) auch die Sicherung der Konformität der österreichischen Verwaltung mit dem Gemeinschaftsrecht übertragen (vgl. Jabloner, Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und Verwaltungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1995, 922). Gemeinschaftsrecht, welchem unmittelbare Anwendbarkeit und Geltung zukommt, ist insofern "Gesetz" im Sinne der "Gesetzmäßigkeit" nach Art. 129 B-VG (vgl. Öhlinger, Unmittelbare Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts und die Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem in FS Rill, Wien 1995, 377).

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

Wie der EuGH im Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff, ausgesprochen hat, hat ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt, diese dem EuGH vorzulegen, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Der EuGH führt zum Fehlen vernünftiger Zweifel aus, das innerstaatliche Gericht dürfe nur dann davon ausgehen, daß ein solcher Fall für das Gericht vorliege, "wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde". Eine derartige Gewißheit besteht für den Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht (s. dazu unten).

5) Erläuterungen zur Vorlagefrage:

In den oben unter 2) angeführten Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften wird unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der nationalen Gerichte gemäß Art. 5 EGV im Sinne des sog. Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes (vgl. dazu z.B. Geiger, EG-Vertrag2 Rz 22 zu Art. 5 EGV und die dort referierte Judikatur) u.a. klargestellt, daß nationale Verfahrensvorschriften, die die Anwendung des Gemeinschaftsrechtes unmöglich machen oder übermäßig erschweren, unangewendet bleiben müssen, insbesondere wenn sie die Durchführung des im Art. 177 EGV vorgesehenen Verfahrens verhindern.

Dabei ist nach der Rechtsmeinung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften die Stellung der betreffenden nationalen Vorschrift im nationalen Recht zu prüfen und es sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und jener des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens.

Für die zur Entscheidung stehenden Beschwerdefälle bedeutet das nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof folgendes:

Wenn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die mit dem hg. Beschluß vom 28. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221 und 0021, gestellten Fragen wenigstens teilweise bejahen sollte, stellt sich für die Beschwerdeführerin die Frage, ob auch sie sich auf die damit vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (ganz oder teilweise) festgestellte Unvereinbarkeit des österreichischen und damit auch des vorarlberger Getränkesteuerrechtes mit Erfolg berufen kann.

Da in den Beschwerdefällen jeweils die Monatsfrist ab Einreichung der Abgabenerklärungen abgelaufen war, würde die auf die Beschwerdefälle anzuwendende vorarlberger Rechtslage in Gestalt der durch § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz normierten Monatsfrist die Anwendung des durch eine (wenigstens teilweise) positive Antwort des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf die mit dem hg. Beschluß vom 28. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221 und 0021, gestellten Fragen geprägten Gemeinschaftsrechtes auf die Fälle der Beschwerdeführerin unmöglich machen.

Da die Bestimmung des § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz lediglich dem Grundsatz der Verfahrensökonomie dient und eine längerfristig zulässige Korrektur der Abgabenerklärung durch den Abgabenpflichtigen mit dem Zweck verhindern will, Verfahren (abgesehen vom Vorliegen von Wiederaufnahmsfällen) endgültig abzuschließen, stehen nach Ansicht des vorlegenden Verwaltungsgerichtshofes tragende Grundsätze des österreichischen und vorarlberger Abgabenverfahrensrechtes einer Anwendung der Leitsätze des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nicht entgegen. Im Gegenteil: Das Aufgreifen eines allfälligen Widerspruches des nationalen Getränkesteuerrechtes mit dem Gemeinschaftsrecht auch nach Ablauf der in § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz normierten Monatsfrist dient in besonderer Weise dem Schutze der Verteidigungsrechte des Abgabenpflichtigen und wird hiedurch das Prinzip des ordnungsgemäßen Ablaufs des inländischen Abgabenverfahrens sowie das der inländischen Rechtssicherheit keineswegs so strapaziert, daß es gerechtfertigt wäre, deshalb eine Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften mit der Frage eines Widerspruches der in den jetzt vorliegenden Beschwerdefällen im Verwaltungsverfahren angewendeten Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu verneinen. Allerdings ist zu bedenken, daß nach Ablauf der in § 82 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz geregelten Monatsfrist, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorliegt, in das durch die vorrangige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes eingegriffen werden könnte.

6) Gemäß Art. 177 EGV war daher die im Spruch formulierte Frage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wien, am 26. November 1998

Gerichtsentscheidung

EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
EuGH 61982CJ0199 San Giorgio VORAB;
EuGH 61985CJ0309 Barra VORAB;
EuGH 61990CJ0208 Emmott VORAB;
EuGH 61992CJ0410 Johnson VORAB;
EuGH 61993CJ0062 BP Soupergaz Anonimos Etairia Geniki VORAB;
EuGH 61993CJ0312 Peterbroeck Van Campenhout VORAB;
EuGH 61996CJ0260 Spac SpA VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998160166.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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