TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/4 Ro 2018/01/0012

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/02 Gerichtsorganisation
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art132 Abs2
GOG §1 Abs1
GOG §4
GOG §4 Abs1
GOG §6
SPG 1991 §15a
SPG 1991 §15a Abs1
SPG 1991 §15a Abs2
SPG 1991 §15a Abs3
SPG 1991 §29
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs1
VwGG §53 Abs1
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2018/01/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. des V E, vertreten durch Dr. A P, Rechtsanwalt in W, 2. des A P, gegen das Erkenntnis vom 25. Oktober 2017, Zl. W195 2163064-1/9E, betreffend Maßnahmenbeschwerden in einer Angelegenheit nach § 15a SPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Revision des Erstrevisionswerbers wird als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Revision des Zweitrevisionswerbers wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Bund jeweils zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 553,20 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber ist Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei des Zweitrevisionswerbers.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Maßnahmenbeschwerde des Erstrevisionswerbers hinsichtlich der bekämpften Anordnung, den von ihm mitgeführten Koffer zur Durchsuchung zu übergeben, sowie hinsichtlich der versuchten Durchsuchung dieses Koffers und der (behaupteten) Durchsuchung seines Kleidersacks als unbegründet ab (A. I.). Die vom Zweitrevisionswerber erhobene Maßnahmenbeschwerde wies das (BVwG) als unzulässig zurück (A. II.). Weiters sprach das BVwG aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei (B). 3 Das BVwG legte seiner Entscheidung - zusammengefasst - nachstehenden Sachverhalt zu Grunde:

4 Der Zweitrevisionswerber sei am 1. Juni 2017 als Parteienvertreter in einer Asylangelegenheit vor der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Außenstelle Klagenfurt, geladen gewesen. Der Erstrevisionswerber sei in dieser Angelegenheit als substitutionsberechtigter Rechtsanwaltsanwärter für den Zweitrevisionswerber eingeschritten. 5 Der Erstrevisionswerber sei im Einvernahmezimmer von einem Beamten ("Sicherheitsbeauftragten") der belangten Behörde aufgefordert worden, sein mitgebrachtes Gepäck, nämlich einen Koffer, eine Tragetasche sowie einen Kleidersack im Rahmen einer Sicherheitskontrolle durchsuchen zu lassen. Weiters sei ihm mitgeteilt worden, er könne bzw. solle seine Gepäckstücke in Verwahrung geben. Der Erstrevisionswerber habe dieser Anordnung keine Folge geleistet. Der Sicherheitsbeauftragte habe daraufhin eine Durchsuchung der Gepäckstücke durchführen wollen, dies habe der Erstrevisionswerber jedoch verweigert, indem er sich "mit abwehrenden Händen" vor seine Gepäckstücke gestellt habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Koffer des Erstrevisionswerbers berührt bzw. der Kleidersack des Erstrevisionswerbers - wie von diesem behauptet: 15 bis 20 cm - geöffnet worden sei. Die Einvernahme sei ohne Einsatz von Zwangsgewalt fortgesetzt worden, der Sicherheitsbeauftragte habe den Raum ohne Durchsuchung der Gepäckstücke verlassen. 6 In rechtlicher Hinsicht bejahte das BVwG den normativen Charakter der an den Erstrevisionswerber ergangenen Anordnung, sich der Sicherheitskontrolle (durch Untersuchung der mitgebrachten Gepäckstücke) zu unterziehen, zumal diesbezüglich keine "bloße Einladung" an den Erstrevisionswerber, sich kontrollieren zu lassen, vorliege.

7 Mit der Präventions-Novelle 2016, BGBl. I Nr. 61, sei - so das BVwG weiter - die Bestimmung des § 15a SPG und damit ein grundsätzliches Waffenverbot eingeführt worden. Gemäß dessen Wortlaut sei kein Personenkreis von der grundsätzlichen Verpflichtung, eine Sicherheitskontrolle zu dulden, ausgenommen. Es werde im § 15a SPG zwar auf § 1 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) Bezug genommen, nicht jedoch auf andere Paragraphen, insbesondere nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 4 GOG. Eine Anordnung an diesen Personenkreis - zu welchem auch der Erstrevisionswerber zähle -, sich einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen, sei somit zulässig und die Maßnahmenbeschwerde des Erstrevisionswerbers daher abzuweisen gewesen. Der Zweitrevisionswerber sei mangels persönlicher Anwesenheit nicht Adressat der in Beschwerde gezogenen Maßnahmen, weshalb die von ihm erhobene Beschwerde mangels Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes zurückzuweisen gewesen sei.

8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gebe, wie die Bestimmung des § 15a SPG hinsichtlich des Umfanges der eingeräumten Kompetenzen - insbesondere des im Sinne des § 4 Abs. 1 GOG von Sicherheitskontrollen ausgenommenen Personenkreises - auszulegen sei.

9 Dagegen erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Beschwerdebehandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 4243/2017-11, ablehnte und die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 21. Juni 2018, E 4243/2017- 13, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

10 In der Folge erhoben die Revisionswerber die gegenständliche Revision, in der zur Zulässigkeit insbesondere vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob nach § 15a SPG Kontrollen von "besonders schutzwürdigen Personen" in analoger Anwendung des § 4 GOG untersagt seien bzw. bereits das Verhältnismäßigkeitsgebot des § 29 SPG derartige Kontrollen verbiete.

11 Das BFA erstattete in dem vom BVwG durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 § 15a Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. I Nr. 566/1991 idF

BGBl. I Nr. 61/2016 (SPG), lautet (auszugsweise):

"Sicherheit in Amtsgebäuden

§ 15a. (1) Gebäude und Räumlichkeiten, die zur Nutzung durch das Bundesministerium für Inneres und die diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen gewidmet sind, dürfen mit einer Waffe (§ 1 Abs. 1 Gerichtsorganisationsgesetz - GOG, BGBl. Nr. 217/1896) nicht betreten werden. Wer eine Waffe mit sich führt, hat sie beim Betreten zur Verwahrung zu übergeben und ist nachweislich über die maßgebenden Umstände für die Ausfolgung (§ 6 GOG) in Kenntnis zu setzen. Dies gilt nicht für Personen, die auf Grund ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen bestimmter Waffen ermächtigt sind, hinsichtlich jener Waffen, die ihnen auf Grund ihres öffentlichen Amtes oder Dienstes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffen zugeteilt worden sind (...) es sei denn, dies wäre auf Grund bestimmter Umstände für die Gewährleistung der Sicherheit erforderlich.

(2) Personen, die ein Gebäude oder eine Räumlichkeit gemäß Abs. 1 betreten oder sich darin aufhalten, haben sich auf Aufforderung einer Kontrolle zu unterziehen, ob sie eine Waffe bei sich haben (Sicherheitskontrolle). Die Sicherheitskontrolle kann unter Verwendung technischer Hilfsmittel durchgeführt werden. Unter möglichster Schonung des Betroffenen ist auch eine Durchsuchung von mitgeführten Behältnissen sowie der Kleidung zulässig; eine Durchsuchung der Kleidung soll nach Möglichkeit von einer Person desselben Geschlechts vorgenommen werden.

(3) Personen, die es zu Unrecht ablehnen, sich einer Sicherheitskontrolle (Abs. 2) zu unterziehen oder eine von ihnen mitgeführte Waffe verwahren zu lassen, sind aus dem Gebäude oder der Räumlichkeit gemäß Abs. 1 wegzuweisen. Im Fall der Nichtbefolgung der Wegweisung ist die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und die Wegweisung bei Erfolglosigkeit der Androhung mit angemessener unmittelbarer Zwangsgewalt unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzusetzen.

(4) (...)"

14 Das Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 idF BGBl. Nr. 760/1996 (GOG), lautet auszugsweise:

"Verbot der Mitnahme von Waffen in Gerichtsgebäude

§ 1. (1) Gerichtsgebäude dürfen mit einer Waffe nicht betreten werden; ...

(...)

Ausnahmen von der Sicherheitskontrolle

§ 4. (1) Vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 sind Richter, Staatsanwälte, sonstige Bedienstete der Gerichte und staatsanwaltschaftlichen Behörden und des Bundesministeriums für Justiz, Bedienstete anderer Dienststellen, deren Dienststelle im selben Gebäude wie das Gericht untergebracht ist, sowie Funktionäre der Prokuratur, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Verteidiger, qualifizierte Vertreter nach § 40 Abs. 1 Z 2 ASGG, Rechtsanwaltsanwärter, Notariatskandidaten und Patentanwaltsanwärter keiner Sicherheitskontrolle nach § 3 Abs. 1 und 2 zu unterziehen, wenn sie sich - soweit erforderlich - mit ihrem Dienst- beziehungsweise Berufsausweis ausweisen und erklären, keine oder nur eine Waffe bei sich zu haben, deren Mitnahme ihnen gestattet wurde (§ 2 Abs. 2 und 3); ...

(2) Hegt ein Kontrollorgan bei einer im Abs. 1 genannten Person trotz ihrer Erklärung nach Abs. 1 den begründeten Verdacht, dass sie doch unerlaubt eine Waffe bei sich hat, so ist sie ausnahmsweise auch einer Sicherheitskontrolle nach § 3 Abs. 1 und 2 zu unterziehen.

(3) Liegen besondere Umstände vor, so können Kontrollorgane angewiesen werden, daß auch jede Person des im Abs. 1 genannten Personenkreises einer Sicherheitskontrolle nach § 3 Abs. 1 und 2 zu unterziehen ist. ...

(...)

Ausfolgung übergebener Waffen

§ 6. (1) Die nach § 1 Abs. 2 übergebene Waffe ist dem Besitzer auf sein Verlangen möglichst beim Verlassen des Gerichtsgebäudes auszufolgen. ...

(...)"

15 Die Gesetzesmaterialien zu § 15a SPG (RV 1151 BlgNR, 25. GP., S. 2) lauten auszugsweise:

"Zu Z 7 (§ 15a):

Zum Zweck der Erhöhung der Sicherheit der vom Bundesministerium für Inneres sowie den diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen genutzten Gebäude und Räumlichkeiten ist es angezeigt, ihr Betreten unter Mitnahme von Waffen zu untersagen und dies auch zu kontrollieren. Zum Zweck der Erhöhung der Sicherheit der vom Bundesministerium für Inneres sowie den diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen genutzten Gebäude und Räumlichkeiten ist es angezeigt, ihr Betreten unter Mitnahme von Waffen zu untersagen und dies auch zu kontrollieren. Hierzu ist es jedoch nicht ausreichend, nur im Rahmen der Hausordnung das Verbot, Waffen in ein Gebäude mitzunehmen, auszusprechen. Weigert sich jemand, sich der Hausordnung zu unterwerfen, kann ihm gestützt auf das Hausrecht zwar das Betreten des Gebäudes untersagt und die Person weggewiesen werden; dies führt allerdings zu einem Spannungsverhältnis, wenn der Weggewiesene aufgrund einer öffentlich rechtlichen Verpflichtung, bspw. einer behördlichen Ladung, vor der Behörde erscheinen und damit das Amtsgebäude betreten muss. Aus diesem Grund wurden für den Bereich der Justiz bereits entsprechende Regelungen im Gerichtsorganisationsgesetz (§§ 1 ff GOG) normiert. Mit dem gegenständlichen Entwurf soll eine entsprechende Regelung für vom

Bundesministerium für Inneres ... sowie von diesem organisatorisch

nachgeordneten Dienststellen (z.B. den Landespolizeidirektionen, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) genutzte Gebäudes und Räumlichkeiten implementiert werden, unabhängig von den jeweiligen Eigentumsverhältnissen am Gebäude bzw. der Räumlichkeit.

Demnach soll es künftig öffentlich rechtlich untersagt sein, bestimmte Gebäude und Räumlichkeiten mit einer Waffe zu betreten.

...

(...)

Abs. 2 hält fest, dass zur Einhaltung dieses Verbots Sicherheitskontrollen durchgeführt werden dürfen. Zur Durchführung der Sicherheitskontrollen können auch technische Hilfsmittel wie Torsonden, Metalldetektor-Torrahmen, Durchleuchtungsgeräte oder Handsuchgeräte herangezogen werden. Die Sicherheitskontrollen werden primär durch Bedienstete des Bundesministeriums für Inneres sowie diesem organisatorisch nachgeordneter Dienststellen durchgeführt. ...

Die Vornahme der Sicherheitskontrolle gemäß Abs. 2 darf nicht erzwungen werden. Personen, die es allerdings zu Unrecht ablehnen, sich einer solchen Kontrolle zu unterziehen, oder eine Waffe verwahren zu lassen, sollen gemäß Abs. 3 aus dem Amtsgebäude weggewiesen werden und gelten für die sie betreffende Amtshandlungen als unentschuldigt säumig. Im Fall der Nichtbefolgung der Wegweisung ist die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und bei Erfolglosigkeit der Androhung die Wegweisung mit angemessener unmittelbarer Zwangsgewalt unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzusetzen."

Zum BFA als belangte Behörde:

16 § 15a SPG verfolgt den Zweck, zur Erhöhung der Sicherheit der vom Bundesministerium für Inneres sowie den organisatorisch nachgeordneten Dienststellen genutzten Gebäude und Räumlichkeiten, das Betreten dieser Objekte "unter Mitnahme von Waffen zu untersagen und dies auch zu kontrollieren."

17 Die Bestimmung orientiert sich - ausweislich der zitierten Gesetzesmaterialien - am Vorbild der "entsprechenden Regelungen" des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG). Damit ist klargestellt, dass durch § 15a SPG für die dort genannten Gebäude und Räumlichkeiten - wie für Gerichtsgebäude - die "auf dem

sogenannten ,Hausrecht' beruhenden Hausordnungen ... gesetzlich

abgesichert werden" (so die Gesetzesmaterialien zum GOG, RV 253 BlgNR 20. GP, S. 8; vgl. auch VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0051, Rz 19, zu den entsprechenden Bestimmungen im BVwGG; vgl. zur Ausübung des Hausrechts im Zusammenhang mit einer Personenkontrolle nach dem GOG auch OGH 25.8.2015, 20 Os 7/15b). In diesem Sinn weist auch die belangte Behörde in der Revisionsbeantwortung darauf hin, dass § 15a SPG insofern eine "lex fugitiva" darstellt, als die Bestimmung "nicht nur Angelegenheiten der Sicherheitsbehörden, sondern Sicherheitskontrollen bei sämtlichen dem Bundesministerium für Inneres nachgeordneten Dienststellen" regelt.

18 Mit dem Wesen der Ausübung hausrechtlicher Befugnisse steht auch die Intention des Gesetzgebers in Einklang, wonach die Sicherheitskontrollen nach § 15a SPG "primär" durch Bedienstete des Bundesministeriums für Inneres sowie diesem organisatorisch nachgeordneter Dienststellen durchgeführt werden sollen. 19 Im Revisionsfall erfolgte die mit Maßnahmenbeschwerde - die vom BVwG vorgenommene Qualifikation als "Maßnahme" blieb in der Revisionsbeantwortung unwidersprochen - bekämpfte Aufforderung gemäß § 15a Abs. 2 SPG an den Erstrevisionswerber, sich einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen, durch einen Beamten ("Sicherheitsbeauftragten") der belangten Behörde, der diese Maßnahme nach dem Obgesagten daher auch zuzurechnen ist. Zum Erstrevisionswerber:

20 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 21 Die Bestimmung des § 15a Abs. 1 SPG sieht ein generelles Verbot des Tragens von Waffen in Gebäuden und Räumlichkeiten, die zur Nutzung durch das Bundesministerium für Inneres und dessen nachgeordnete Dienststellen gewidmet sind, vor. Ausgenommen von diesem Verbot sind lediglich Personen, die auf Grund ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen einer Waffe ermächtigt sind, in Bezug auf ihre Dienstwaffen (es sei denn, das Waffenverbot wäre auf Grund besonderer Umstände für die Gewährleistung der Sicherheit auch in Bezug auf diese Personen erforderlich). 22 Der Effektuierung dieses Verbots dient die in § 15a Abs. 2 SPG normierte Sicherheitskontrolle, die auch die im letzten Satz dieser Bestimmung geregelte, unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzuführende, Durchsuchung von mitgeführten Behältnissen sowie der Kleidung umfasst.

23 Für den Fall, dass eine Person die Durchführung der Sicherheitskontrolle bzw. die Inverwahrungnahme der mitgeführten Waffe zu Unrecht ablehnt, sieht Abs. 3 leg. cit. die Wegweisung dieser Person aus dem Gebäude oder den Räumlichkeiten iSd Abs. 1 vor. Im Fall der Nichtbefolgung der Wegweisung ist die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und die Wegweisung bei Erfolglosigkeit der Androhung mit angemessener unmittelbarer Zwangsgewalt unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzusetzen.

24 Die Bestimmung des § 15a Abs. 1 SPG sieht - mit Ausnahme der erwähnten Personen des öffentlichen Dienstes (hinsichtlich ihrer Dienstwaffen) - seinem Wortlaut nach keine Einschränkung des persönlichen Geltungsbereichs für das dort normierte Waffenverbot bzw. die Sicherheitskontrolle vor. Insbesondere ist der in § 4 Abs. 1 GOG genannte Personenkreis nicht ausgenommen. § 15a SPG ist dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber eine abschließende Regelung für die Amtsgebäude bzw. -räumlichkeiten des Innenministeriums und seiner nachgeordneten Dienststellen getroffen hat. Eine analoge Anwendung des § 4 GOG kommt demnach - entgegen der Revisionsauffassung - mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke (vgl. zu dieser etwa VwGH 18.1.2018, Ro 2016/16/0008) nicht in Betracht. Aus dem Umstand, dass in § 15a Abs. 1 SPG lediglich auf die Bestimmung des § 1 Abs. 1 und § 6 GOG verwiesen wird, folgt vielmehr - e contrario -, dass der Gesetzgeber den Norminhalt sonstiger Bestimmungen des GOG, so auch dessen § 4, gerade nicht in das Regelungsregime des § 15a SPG übernehmen wollte. Diese Auffassung wird im Übrigen auch durch die - von der Revision selbst ins Treffen geführte - Stellungnahme des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK) im Begutachtungsverfahren (19/SN-195/ME 25. GP, S. 4) - gestärkt, welche unter Bezugnahme auf § 4 GOG explizit die Empfehlung enthielt, den vorgeschlagenen § 15a SPG "entsprechend zu ergänzen, wonach Rechtsanwälte nur unter den Voraussetzungen des GOG einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen sind." Dieser Empfehlung wurde bei Beschlussfassung des § 15a SPG eben nicht entsprochen (vgl. demgegenüber den Pauschalverweis auf die §§ 1 bis 14 und 16 GOG in § 3 Abs. 5 BVwGG, sowie hiezu VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0051; vgl. weiters die diesbezüglichen Verweisungsbestimmungen des § 9a VwGG und § 3a VfGG). 25 Ausgehend von dieser eindeutigen Rechtslage kann entgegen der Auffassung des Erstrevisionswerbers eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 15a SPG (für Angehörige rechtsvertretender Berufe) auch aus dem (allgemeinen) Verhältnismäßigkeitsgebot des § 29 SPG nicht abgeleitet werden (vgl. zu § 29 SPG etwa VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0373, mwN).

26 Demgemäß erfolgte die Aufforderung an den Erstrevisionswerber, sich in den Räumlichkeiten der belangten Behörde (des BFA) einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen - und zwar unbeschadet seiner Eigenschaft als Rechtsanwaltsanwärter bzw. als subsititutionsberechtigter Vertreter eines Rechtsanwaltes - gemäß § 15a Abs. 2 erster Satz SPG zu Recht. 27 Gemäß § 15a Abs. 2 letzter Satz SPG konnte die Sicherheitskontrolle zulässiger Weise auch die Durchsuchung der mitgebrachten Gepäckstücke (Koffer, Kleidersack) des Erstrevisionswerbers umfassen. Durch die Aufforderung, sich der Sicherheitskontrolle zu unterziehen bzw. die Durchsuchung der mitgebrachten Gepäckstücke vornehmen zu lassen, wurde der Erstrevisionswerber daher insofern nicht in seinen Rechten verletzt.

28 Aus § 15a Abs. 3 SPG ergibt sich weiters, dass im Fall der Ablehnung der Gestattung der Sicherheitskontrolle die Vornahme derselben bzw. eine Durchsuchung von mitgeführten Behältnissen oder der Kleidung durch Ausübung von Zwangsgewalt nicht zulässig ist (vgl. idS die zitierten Gesetzesmaterialien). Als Sanktion sieht das Gesetz diesfalls vielmehr die Wegweisung des Betreffenden aus dem Gebäude oder der Räumlichkeit vor, die ihrerseits durch Androhung bzw. in letzter Konsequenz durch Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt durchsetzbar ist. 29 Nach dem vom BVwG festgestellten Sachverhalt wurden - nach der Weigerung des Erstrevisionswerbers, die genannten Gepäckstücke durchsuchen zu lassen - diese weder zwangsweise durchsucht, noch der Erstrevisionswerber aus dem Gebäude bzw. den Räumlichkeiten der belangten Behörde weggewiesen.

30 Soweit der Erstrevisionswerber in diesem Zusammenhang die nicht erfolgte Einvernahme eines beantragten Zeugen (als "antizipierende Beweiswürdigung") zum Beweis für seine Behauptung, die Sicherheitskraft habe den Zippverschluss des Kleidersacks "maximal 15 bis 20 cm" geöffnet, rügt, wird die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht dargetan, zumal das BVwG die genannte (Negativ-)Feststellung beweiswürdigend auf die übereinstimmenden Aussagen der drei von ihm einvernommenen Zeugen stützte.

31 Eine Verletzung des Erstrevisionswerbers in seinen Rechten kommt sohin auch unter dem Aspekt des § 15a Abs. 3 SPG nicht in Betracht.

32 Das BVwG hat die Maßnahmenbeschwerde des Erstrevisionswerbers sohin zu Recht abgewiesen.

Zum Zweitrevisionswerber:

33 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nur derjenige zur Erhebung einer Beschwerde nach Art. 132 Abs. 2 B-VG legitimiert, der durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen subjektiven Rechten verletzt sein kann. Dies trifft regelmäßig nur auf den Adressaten der Maßnahme als unmittelbar davon Betroffenen zu (vgl. dazu u.a. VwGH 9.3.2018, Ra 2017/03/0054, mwN).

34 Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers nicht vor, wurde doch dieser den maßgebenden Feststellungen des BVwG zufolge der bekämpften Sicherheitskontrolle nicht unterzogen. Er war am Vorfallsort zur Vorfallszeit auch nicht anwesend. Darüber hinaus war es dem ihn vertretenden Erstrevisionswerber trotz der Kontrolle möglich, seiner Vertretungstätigkeit am BFA uneingeschränkt nachzukommen. Ausgehend davon ist eine Verletzung des Zweitrevisionswerbers in subjektiven Rechten nicht ersichtlich (vgl. auch dazu den - den Zweitrevisionswerber in einer vergleichbaren Konstellation betreffenden - Beschluss VwGH Ra 2017/03/0054).

35 Das BVwG hat die Maßnahmenbeschwerde des Zweitrevisionswerbers sohin zu Recht zurückgewiesen. 36 Eine Verletzung des Zweitrevisionswerbers im Recht auf Entscheidung in der Sache kommt von vornherein nicht in Betracht (vgl. VwGH 30.4.2018, Ro 2016/01/0013).

Ergebnis

37 Die Revision des Erstrevisionswerbers war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, jene des Zweitrevisionswerbers gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 38 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff (hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers insbesondere auf § 51) VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. 39 Haben zwei Revisionswerber in einer Revision dieselbe Entscheidung angefochten, so haben sie im Falle der Kostenersatzpflicht die Aufwendungen der obsiegenden Behörde - hier: den Schriftsatzaufwand für eine Revisionsbeantwortung - je zur Hälfte zu ersetzen (vgl. VwGH 24.6.2016, Ro 2014/02/0125, mwN).

Wien, am 4. April 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018010012.J00

Im RIS seit

21.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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