TE Dsk BescheidBeschwerde 2018/12/7 DSB-D123.193/0003-DSB/2018

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Veröffentlicht am 07.12.2018
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Norm

DSG §24 Abs5
GewO 1994 §152
IO §256 Abs1
IO §256 Abs2 Z4
DSGVO Art5 Abs1 litb
DSGVO Art6 Abs1 litf
DSGVO Art17 Abs1 lita
DSGVO Art17 Abs1 litd
DSGVO Art58 Abs2 litc

Text

GZ: DSB-D123.193/0003-DSB/2018 vom 7.12.2018

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde der Adelheid A*** (Beschwerdeführerin) vom 11. Juli 2018 gegen die N*** Wirtschaftsauskunftsdienst GmbH (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Löschung wie folgt:

1.   Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Löschung verletzt hat, indem sie die bereits mit 27. Februar 2013 beglichene Forderung in der Höhe von 497,07 Euro nicht aus ihrer Bonitätsdatenbank gelöscht hat.

2.   Die Beschwerde wird hinsichtlich einer behaupteten Verletzung im Recht auf Löschung in Bezug auf die am 15. April 2018 beglichene Forderung in der Höhe von 481,34 Euro sowie die in der Datenbank der Beschwerdeführerin aufscheinenden Informationen aus der Insolvenzdatei (Ediktsdatei) abgewiesen.

3.   Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution dem Löschungsbegehren der Beschwerdeführerin Folge zu leisten und die in Spruchpunkt 1 genannten Daten zu löschen.

Rechtsgrundlagen: § 24 Abs. 1 und 5 des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 5 Abs. 1 lit. b, 6 Abs. 1 lit. f, 17 Abs. 1 lit. a und lit. d, 58 Abs. 2 lit. c der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO, ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016, S. 1.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Mit verfahrenseinleitendem Schreiben vom 11. Juli 2018 behauptete die Beschwerdeführerin eine Verletzung im Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO und führte dazu im Wesentlichen aus, sie habe am 11. Juni 2018 einen Antrag auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten an die Beschwerdegegnerin gestellt. Da die aufgelisteten Daten nicht mehr aktuell seien, beantrage sie, dass alle bonitätsrelevanten Daten, mit Ausnahme des Namens, Geburtsdatum und der aktuellen Wohnadresse gelöscht werden. Sie habe ihre Schulden im Rahmen eines Zahlungsplanes zu 100% getilgt und möchte nun wirtschaftlich – in aller Vernunft von vorne beginnen. Die Beschwerdegegnerin habe mit Schreiben vom 12. Juni 2018 geantwortet und mitgeteilt, dass in Bezug auf die gegenständlichen Eintragungen keinerlei Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Eintragung oder die Unzulässigkeit der Verarbeitung gefunden habe werden können. Nach den Bestimmungen der DSGVO habe daher keine Löschung oder Richtigstellung der Daten zu erfolgen.

2. Mit Stellungnahme vom 27. August 2018 führte die Beschwerdegegnerin zusammengefasst aus, das „sehr kuriose“ Löschungsbegehren der Beschwerdeführerin könne nur dahingehend verstanden werden, dass diese meine, die personenbezogenen Daten seien für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet worden seien, nicht mehr notwendig (Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO) oder die personenbezogenen Daten würden unrechtmäßig verarbeitet werden (Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO).

Datenschutzrechtliche Rechtgrundlage der Verarbeitung bonitätsrelevanter personenbezogener Daten in Identität- und Bonitätsdatenbank der Beschwerdegegnerin seien überwiegende berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Die überwiegenden berechtigten Interessen lägen hierbei auf Seiten Dritter vor, nämlich der in Vorleistung tretenden Unternehmen der Kreditwirtschaft. Grundsätzlich speichere die Beschwerdegegnerin personenbezogene Daten nur so lange ein legitimer Zweck für ihre Verarbeitung bestehe. Solange die Daten daher für die Beurteilung der Identität oder der Bonität von Belang seien, bestehe der Verarbeitungszweck fort. Je länger ein Zahlungserfahrungseintrag in der Vergangenheit liege, je geringer der Betrag sei und je weniger sonstige Zahlungserfahrungsdaten zu einer Person vorliegen würden, desto eher sei davon auszugehen, dass sich dem konkreten Eintrag keine bonitätsrelevanten Aussagen (mehr) ableiten ließen. Auch bereits beglichene („positiv erledigte“) Forderungen würden bonitätsrelevante Daten darstellen. Der Umstand, dass eine Forderung erst nach qualifizierter Mahnung bzw. Betreibung durch Inkassoinstitute oder Rechtsanwälte beglichen worden sei, bedeute einen zumindest temporären Zahlungsausfall und resultiere damit in einem Kreditierungsrisiko bezüglich künftiger Rechtsgeschäfte. Um ein sachlich richtiges und vollständiges Bild der zu einer Person gespeicherten, bonitätsrelevanten Daten zu vermitteln und damit dem Grundsatz der Datenrichtigkeit nach Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO Genüge zu tun, sei es daher wichtig, dass auch bereits bezahlte Forderungen in der N***-Datenbank verblieben.

Zu den gespeicherten Zahlungserfahrungsdaten der Beschwerdeführerin führte die Beschwerdegegnerin im Detail aus: Die Forderung über 4.007,97 Euro (Herkunft: B*** Mobilfunk GmbH) sei zwischenzeitlich als „positiv erledigt“ (= bezahlt) vermerkt. Aufgrund eigener, mit der Forderungsgläubigerin B*** Mobilfunk GmbH vereinbarten Löschregeln, sei diese Forderung mittlerweile gelöscht worden. Darüber hinaus bestehe noch eine Forderung über 481,34 Euro (Herkunft: C*** Inkasso Gesellschaft m.b.H.), die ebenso zwischenzeitlich als „positiv erledigt“ bestätigt worden sei. Ebenso bestehe eine Forderung über 497,07 Euro (Herkunft: D*** Inkasso GmbH & Co KG), die ebenfalls als „positiv erledigt“ in der Datenbank aufscheine. Auf die letzten zwei Forderungen würden die Standard-Löschregeln der Beschwerdegegnerin zur Anwendung kommen. Dies bedeute, dass die Forderungen aufgrund ihrer doch beträchtlichen Höhe nach wie vor als bonitätsrelevant zu betrachten seien. Es sei daher ein aufrechter Verarbeitungszweck vorhanden, weshalb weder nach Art. 17 Abs. 2 lit. a noch nach lit. d DSGVO eine Löschung zu erfolgen habe. Sonstige Löschungsgründe seien seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden und würden auch nicht vorliegen.

Ausweichlich des § 256 Abs. 1 Z 4 IO seien in der Ediktsdatei gespeicherte Informationen zu einem Schuldenregulierungsverfahren noch ein Jahr ab Ablauf der im Zahlungsplan vorgesehenen Zahlungsfirst einsehbar. Laut Ediktsdatei sei im Schuldenregulierungsverfahren zu AZ *6 S *4/13x, BG H***stadt, ein Zahlungsplan mit Ende der Zahlungsfrist am 15. April 2018 beschlossen worden. Sohin sei selbst in der voraussetzungslos einsehbaren Ediktsdatei das gegenständliche Schuldregulierungsverfahren noch bis Ablauf des 15. April 2019 aufrufbar. Dieser Umstand öffentlicher Einsehbarkeit sei in der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO jedenfalls zu berücksichtigen: Ein Interesse, dass Daten, die von jedermann online abgerufen werden könnten, nicht auch von der Beschwerdegegnerin verarbeitet werden dürften, sei nicht erkennbar.

Auch nach Ablauf des 15. April 2019 liege hinsichtlich der Daten aus genannten Schulderegulierungsverfahren Verarbeitungszweck und Rechtsgrundlage vor: Auch ein historisches Schuldenregulierungsverfahren stelle eine gewisse Zeit lang ein bonitätsrelevantes Datum dar, da sich aus dem bisherigen finanziellen Gebaren einer Person Rückschlüsse auf künftiges Zahlungsverhalten ziehen lassen könne.

Die Beschwerdegegnerin erkläre sich bereit, die Beschwerdeführerin lediglich mit ihrer aktuellen Meldeadresse sowie mit korrektem Geburtsdatum und vollständigem Namen zu speichern. Als Name werde „Adelheid Lina A***“ und als Geburtsdatum *3.*1.19** beibehalten, wie in der von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. April 2018 übermittelten Ausweiskopie ersichtlich. Als aktuelle Meldeadresse werde die im ZMR ausgewiesene verwendet.

3. Die Beschwerdeführerin hat sich zu den weiteren Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens trotz Aufforderung im Rahmen des Parteiengehörs nicht mehr geäußert.

B. Beschwerdegegenstand

Aufgrund des oben geschilderten Verfahrensganges ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin durch die gänzliche Abweisung des Antrages auf Löschung der Zahlungserfahrungsdaten (Bonitätsdaten) die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Löschung verletzt.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Die Beschwerdegegnerin betreibt eine Identitäts- und Bonitätsdatenbank. Die Daten bezieht sie aus öffentlich verfügbaren Quellen bzw. bekommt sie Daten von Adressverlagen und Informationen zu Zahlungserfahrungen von einer Vielzahl an Unternehmenskunden sowie von über 60 Inkassopartnern übermittelt.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2018 beantragte die Beschwerdeführerin die Löschung ihrer personenbezogenen Daten mit der Begründung, dass die aufgelisteten Daten nicht mehr aktuell seien, da sie die Schulden im Rahmen eines Zahlungsplanes zu 100% getilgt habe. Sie beantragte die Löschung aller bonitätsrelevanten Daten, mit Ausnahme ihres Namens, Geburtsdatums und ihrer aktuellen Wohnadresse.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 wurde der Antrag auf Löschung seitens der Beschwerdegegnerin abgewiesen.

Die Forderung über 4.007,97 Euro der B*** Mobilfunk GmbH wurde aus der Datenbank der Beschwerdegegnerin gelöscht. Zum Stichtag 22. August 2018 sind noch folgende Informationen zur Beschwerdeführerin in der Datenbank der Beschwerdegegnerin gespeichert:

[Anmerkung Bearbeiter: Der an dieser Stelle im Original als Scan wiedergegebene Ausdruck von Daten aus Datenverarbeitungen der Beschwerdegegnerin kann mit vertretbarem Aufwand nicht pseudonymisiert wiedergegeben werden. Er enthält Daten, bezeichnet als „Zahlungserfahrungsdaten“, zu zwei als „positiv erledigt“ vermerkten Forderungen gegen die Beschwerdeführerin über 481,34 Euro bzw. 497,07 Euro sowie in der Rubrik „gerichtliche Publikationen“ detaillierte Daten zum durchgeführten Schuldenregulierungsverfahren im Umfang der vom Gericht veröffentlichten Verfahrensedikte. Weiters enthalten sind drei Sätze mit Namens- und Adressdaten sowie dem Geburtsdatum der Beschwerdeführerin.]

Ein Schuldenregulierungsverfahren betreffend die Beschwerdeführerin als Schuldnerin wurde am 28. Jänner 2013 zur GZ *6 S *4/13x am Bezirksgericht H***stadt bekannt gemacht. Mit 24. April 2013 wurde der Zahlungsplan rechtskräftig bestätigt und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben. Das Ende der Zahlungsfrist wurde mit 15. April 2018 bestimmt.

In der Ediktsdatei ist folgender Eintrag ersichtlich (zuletzt aufgerufen am 6.12.2018):

[Anmerkung Bearbeiter: Der an dieser Stelle im Original als Scan wiedergegebene Ausdruck von Daten aus der Ediktsdatei der Justiz kann mit vertretbarem Aufwand nicht pseudonymisiert wiedergegeben werden.]

Beweiswürdigung: Die Feststellungen beruhen auf dem übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin in ihren Schreiben an die Datenschutzbehörde sowie den beigelegten Unterlagen. Die Feststellungen betreffend die zur Beschwerdeführerin gespeicherten Daten in der Datenbank der Beschwerdegegnerin ergeben sich aus der Beantwortung des Auskunftsersuchens der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22. August 2018. Aus dieser Auskunft ist auch ersichtlich, dass die Forderung über 4.007,97 Euro der B*** Mobilfunk GmbH in der Datenbankabfrage der Beschwerdegegnerin gelöscht ist. Die Beschwerdeführerin hat die Richtigkeit der Auskunft nicht bestritten und sich auch sonst nicht im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs geäußert. Die Feststellungen dazu, aus welchen Quellen die Beschwerdegegnerin ihre Daten zur Verfügung gestellt bekommt, stammen aus den „Allgemeine(n) Informationen und Verarbeitungszwecke“, der Beschwerdegegnerin.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Im vorliegenden Fall verlangte die Beschwerdeführerin entsprechend Art. 17 Abs. 1 DSGVO die unverzügliche Löschung ihrer personenbezogenen Daten, ausgenommen ihres Namens, Geburtsdatums und der aktuellen Wohnadresse

2. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, dass sie aufgrund der beglichenen Forderung einerseits gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO den Wegfall der Zwecke, für welche ihre personenbezogenen Daten erhoben wurden, und andererseits dadurch auch eine unrechtmäßige Verarbeitung ihrer Daten durch die Beschwerdegegnerin gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO behauptet.

3. Eingangs ist festzuhalten, dass die Verarbeitung bonitätsrelevanter Daten durch eine Kreditauskunftei iSd § 152 Gewerbeordnung Deckung in eben dieser Bestimmung findet und die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung dieser Daten folglich nicht von der vorherigen Einwilligung eines Betroffenen abhängt. Auch ist davon auszugehen, dass durch die gesetzliche Verankerung dieser Tätigkeit der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser gewerblichen Tätigkeit ausgeht, sodass es zur Verarbeitung dieser Daten eine rechtliche Befugnis geben kann. Da die Ausübung dieser gewerblichen Tätigkeit ohne Sammlung, Aufbewahrung und Weitergabe von entsprechenden Daten nicht sinnvoll vorstellbar ist, muss auch angenommen werden, dass der Gesetzgeber in bestimmten Fallkategorien ein die Betroffeneninteressen überwiegendes berechtigtes Interesse dieser Gewerbetreibenden an einer Verwendung von Daten über „Kreditverhältnisse“ als gegeben erachtete (vgl. dazu die Empfehlung der Datenschutzkommission vom 7. Mai 2007, GZ K211.773/0009-DSK/2007; vgl. auch OGH vom 21. Jänner 2015, GZ 17 Os 43/14y).

4. Mangels Spezialregeln für Kreditauskunfteien sind die allgemeinen Grundsätze der DSGVO anzuwenden, wonach u.a. personenbezogenen Daten nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhobene werden dürfen (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO). Demnach ist im vorliegenden Verfahren zunächst festzuhalten, dass die Zwecke der Datenverarbeitung in der Datenbank der Beschwerdegegnerin darin bestehen, jenen Unternehmen einen Zugriff auf die Daten zu ermöglichen, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ein Kreditrisiko etwa bei der Lieferung ihrer Waren oder Dienstleistungen eingehen (z.B. Lieferung auf offene Rechnung). Unter bestimmten Voraussetzungen ist damit die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu bejahen.

5. Verfahrensgegenständlich stellt sich jedoch die Frage, wie lange Zahlungserfahrungsdaten nach Begleichung der Forderung noch bei der Beschwerdegegnerin gespeichert werden können, ehe sie für die Zwecke der Verarbeitung (Gläubigerschutz) nicht mehr notwendig sind; nur wenn die personenbezogenen Daten noch bonitätsrelevant sind, besteht ein Verarbeitungszweck gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO.

Eine gesetzlich normierte Frist, wie lange Einträge in Datenbanken von Kreditauskunfteien gespeichert werden dürfen, besteht nicht.

Die Datenschutzkommission hat im Bescheid GZ K600.033-018/0002-DVR/2007 zur „Kleinkreditevidenz (Konsumentenkreditevidenz) zum Zweck des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung“ zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO bezüglich der Löschung aller Eintragungen im Zusammenhang mit einem konkreten Kreditschuldverhältnis u.a. die Auflage erteilt, dass eine solche sieben Jahre nach Tilgung der Schuld oder Eintritt eines sonstigen schuldbefreienden Ereignisses zu erfolgen hat.

Schließlich ergibt sich gemäß § 256 Abs. 1 Insolvenzordnung (IO), dass jene Daten in die Ediktsdatei aufzunehmen sind, die nach der IO öffentlich bekannt zu machen sind (Insolvenzdatei). § 256 Abs. 2 IO hält darüber hinaus fest, dass die Einsicht in die Insolvenzdatei dann nicht mehr zu gewähren ist, wenn ein Jahr vergangen ist seit

-    der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach §§ 123a, 123b und 139 (Z 1),

-    dem Ablauf der im Sanierungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist, wenn dessen Erfüllung nicht überwacht wird (Z 2),

-    der Beendigung oder Einstellung der Überwachung des Sanierungsplans (Z 3),

-    dem Ablauf der im Zahlungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist (Z 4) oder

-    der vorzeitigen Einstellung oder Beendigung des Abschöpfungsverfahrens (Z 5).

Darüber hinaus ist auf Antrag des Schuldners die Einsicht in die Insolvenzdatei auch dann nicht mehr zu gewähren, wenn der rechtskräftig bestätigte Sanierungsplan oder Zahlungsplan erfüllt worden ist (Abs. 3 leg. cit.).

Gemäß § 256 Abs. 4 IO ist die Einsicht in die Eintragung der mangels kostendeckenden Vermögens oder wegen Vermögenslosigkeit nach § 68 nicht eröffneten Insolvenzverfahren drei Jahre nach der Eintragung nicht mehr zu gewähren

5. Ein einheitlicher Maßstab, aus dem sich eine generelle Frist zur Löschung der bonitätsrelevanten Daten aus der Datenbank einer Kreditauskunftei nach Tilgung der Schulden ergibt, ist nicht zu erkennen. Vielmehr scheint eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erforderlich zu sein.

Für die Beurteilung maßgeblich können dabei folgende Umstände sein:

-    die Höhe der einzelnen Forderungen,

-    das „Alter“ der Forderungen (sohin das Datum der Eintragung in die Datenbank),

-    Anzahl der im Wege eines Inkassounternehmens eingetriebenen Forderungen,

-    die Zeit, die seit Begleichung einer Forderung verstrichen ist.

Ebenso zu berücksichtigen ist die Herkunft der Daten.

Werden Informationen aus einem öffentlichen Register, wie der Insolvenzdatei, in der Datenbank der Kreditauskunftei verarbeitet, wird zu berücksichtigen sein, wie lange diese Informationen im jeweiligen öffentlichen Register aufscheinen müssen und können jeweilige Spezialbestimmungen einen Anhaltspunkt für die Speicherdauer der Daten liefern.

Die aus historischen „Zahlungserfahrungsdaten“ (Negativeintragungen) herrührende vermeintlich schlechte Bonität der Betroffenen soll durch die Möglichkeit einer zeitnahen Löschung nach Begleichung aller Forderungen hintangehalten werden. Insbesondere soll vermieden werden, dass Betroffene, die nach Aufhebung eines Schuldenregulierungsverfahrens oder nach Zahlung ihrer Schulden außerhalb des Insolvenzverfahrens wieder eine solide finanzielle Basis erlangt haben, im geschäftlichen Verkehr neuerlich mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, weil ihre Kreditwürdigkeit durch diese Negativeintragungen vermindert wird. Eine generelle Löschung der bonitätsrelevanten Daten erst sieben Jahre nach Tilgung der Schuld wird im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, vor allem aber im Hinblick auf die seit dem Zeitpunkt der Erlassung des oben zitierten Bescheides der Datenschutzkommission geänderte Rechtslage (vgl. dazu die zitierten Bestimmungen der IO) jedenfalls nicht verhältnismäßig sein.

Die Datenschutzbehörde sieht sich daher veranlasst, von ihrer u.a. im Bescheid GZ K600.033-018/0002-DVR/2007 zur „Kleinkreditevidenz (Konsumentenkreditevidenz) zum Zweck des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung“ geäußerten Rechtsansicht zur Aufbewahrungsdauer abzugehen.

6. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies Folgendes:

Von der Beschwerdeführerin sind zwei „Zahlungserfahrungsdaten“ in der Datenbank der Beschwerdegegnerin gespeichert. Dabei handelt es sich um Forderungen in der Höhe von 481,34 Euro und 497,07 Euro, welche als „positiv erledigt“ in der Datenbank aufscheinen. Die Forderungen wurden im Juni und Juli 2010 eröffnet. Die Forderung über 481,31 Euro wurde am 15. April 2018 geschlossen; die zweite Forderung am 27. Februar 2013. Darüber hinaus scheint in der Datenbank auch das gerichtliche Schuldenregulierungsverfahren der Beschwerdeführerin auf, das die Informationen aus der Ediktsdatei abbildet. Die Eintragungen sind jedoch nicht ident, da die Insolvenzdatei keine Auflistung der einzelnen Forderungen („Zahlungserfahrungsdaten“) beinhaltet. Die Negativeintragungen über die genaue Höhe der Forderungen stammen auch nicht aus der Insolvenzdatei des Bundes.

Zu Spruchpunkt 1:

Die Forderung in der Höhe von 497,07 Euro wurde mit 7. Juni 2010 eröffnet und mit 27. Februar 2013 positiv erledigt. Zwar ergibt sich aus dem Verfahrensakt, dass die Beschwerdeführerin über drei Eintragungen aus „Zahlungserfahrungsdaten“ in der Datenbank der Beschwerdegegnerin verfügt hat, jedoch kann aufgrund der geringen Höhe der Forderung sowie der Begleichung der Schuld vor über fünf Jahren nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung dieser Daten noch bonitätsrelevant und somit für die berechtigten Interessen der Gläubiger noch von Interesse sind. In diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung nicht mehr zur Wahrung der berechtigten Interessen der Gläubiger erforderlich ist bzw., dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Beschwerdeführerin überwiegen.

Zu Spruchpunkt 2:

Die Forderung in der Höhe von 481,34 Euro stammt zwar auch aus dem Jahr 2010, wurde aber erst am 15. April 2018, somit mit Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens geschlossen, d.h. positiv erledigt. Zu berücksichtigen ist daher in Bezug auf diese Eintragung sowie der gerichtlichen Publikation in der Insolvenzdatei, dass gemäß dem bereits oben zitierten § 256 Abs. 2 Z 4 IO die Einsicht in die Insolvenzdatei noch bis 15. April 2019 möglich ist, sofern die Beschwerdegegnerin nicht die vorzeitige Löschung aus dieser beantragt.

Doch auch, wenn die Beschwerdeführerin die Löschung aus der Insolvenzdatei beantragt hätte bzw. die Daten mit 15. April 2019 aus dem öffentlichen Register gelöscht sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Daten jedenfalls auch aus Datenbank der Beschwerdegegnerin zu löschen sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass an die öffentliche Bekanntmachung in der Insolvenzdatei unterschiedliche Rechtsfolgen, wie etwa die Rechtswirksamkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Ladung der Gläubiger sowie die Anmeldung der Forderungen geknüpft sind und sich nicht primär an dem Gläubigerschutz bei bereits getilgten Forderungen orientiert. Die Publizität der Insolvenzdatei dient zwar auch dem Gläubigerschutz, jedoch kann nicht bestritten werden, dass auch nach Ende der Veröffentlichung des Schuldenregulierungsverfahren in der Insolvenzdatei Informationen über dieses im Hinblick auf den Gläubigerschutz noch bonitätsrelevant sein können. Auch in diesem Fall liegt es damit an der Kreditauskunftei die Beurteilung vorzunehmen, ob diese Daten nach wie vor eine Aussage zur Bonität des Betroffenen treffen und diese damit weiterhin verarbeitet werden können.

Daraus folgt für das vorliegende Verfahren, dass die Negativeintragung in der Höhe von 481,34 Euro sowie die Information aus der Ediktsdatei zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt noch in der Datenbank der Beschwerdegegnerin belassen werden können. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Forderung über 481,34 Euro zu löschen ist, wenn diese erst im April dieses Jahres beglichen wurde, auch wenn diese Forderung keinesfalls in „beträchtlicher Höhe“ ist, wie dies die Beschwerdegegnerin vermeint.

Zu Spruchpunkt 3:

Da die Beschwerdegegnerin die Löschung der bereits im Februar 2013 beglichenen Forderung in der Höhe von 497,07 Euro (Herkunft: D*** Inkasso GmbH & Co KG) verweigert hat, war die Beschwerdegegnerin gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. c DSGVO anzuweisen, dem Antrag der Beschwerdeführerin zu entsprechen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Löschung, Umfang des Löschungsrechts, Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Wirtschaftsauskunftei, Gläubigerschutz, Insolvenzdaten, Inkassodaten, Speicherdauer, Interessenabwägung, Einzelfallentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2018:DSB.D123.193.0003.DSB.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2019
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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