TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 L504 2208737-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2208737-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , XXXX alias XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 17.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Mosul stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

" Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?

Meine ganze Familie ist von der IS verschleppt worden. Ich weiß nicht, ob sie noch leben. Auch ich war ein Jahr in Gefangenschaft der IS. Ich konnte flüchten, habe jetzt aber Angst um mein Leben und daher musste ich das Land verlassen".

Im Falle einer Rückkehr befürchte die bP eine neuerliche Verschleppung durch den IS und die Tötung. Von staatlicher Seite hätte sie bei einer Rückkehr keinerlei Sanktionen zu befürchten.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP im Wesentlichen vor:

"[...]

F: Nennen Sie bitte Ihre Namen, Geburtsdatum und Geburtsort!

A: Ich heiße XXXX . Ich wurde am XXXX in Mossul, Irak geboren.

[...]

F: Nennen Sie bitte die Namen und Geburtsdaten sowie den Aufenthaltsort Ihrer Eltern und Geschwister.

Anm.: Die Angaben stimmen mit denen aus der Erstbefragung überein. Sie sind alle in Mossul, Irak aufhältig.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern und Ihren Geschwistern?

A: Nein, wir haben keinen Kontakt.

F: Warum haben Sie jetzt keinen Kontakt zu Ihnen?

A: Unser Haus wurde im Krieg zerstört. Seitdem lebt meine Familie lebt in einem Flüchtlingsheim außerhalb von Mossul. Dort gibt es kein Internet.

F: Wie hat Ihnen Ihr Bruder dieses Video geschickt, wenn es kein Internet dort gibt?

A: Er schickte mir dieses Video, als er in Erbil gewesen ist.

F: Wie ging es Ihren Eltern und Ihren Geschwistern zu diesem Zeitpunkt?

A: Es geht ihnen schlecht. Mein Vater ist ein alter und querschnittsgelähmter Mann. Meine Mutter ist eine ältere Dame.

F: Wie finanzieren sich Ihre Eltern und Ihre Geschwister den Lebensunterhalt im Irak?

A: Meine Schwester XXXX arbeitet als Arztgehilfe. XXXX ist bei der irakischen Polizei angestellt. Sie finanzieren den Lebensunterhalt der Familie.

F: Haben Sie weitere Verwandte im Irak?

A: Ich hatte schon seit meinen Jugendjahren keinen Kontakt zu meinen Verwandten. Ich weiß nichts über sie.

[...]

F: Haben Sie sich in Ihrem Heimatland religiös oder politisch betätigt?

A: Nein.

F: Haben sich Ihre Familienangehörigen jemals religiös oder politisch in Irak betätigt?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Irak jemals Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Irak jemals persönlich Probleme aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit?

A: Nein.

F: Wo waren Sie zuletzt in Ihrem Heimatland wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?

A: In Mossul. Ich habe seit meiner Geburt bis zu meiner Ausreise in Mossul gelebt.

F: Wann konkret haben sie den Entschluss gefasst, den Irak zu verlassen?

A: Das war am 13.09.2015.

F: Wann konkret haben Sie Irak zuletzt verlassen bzw. wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Den Irak habe ich am 17.09.2015 verlassen und nach Österreich bin ich am 17.10.2015 eingereist.

[...]

F: Auf Ihrer Durchreise haben Sie viele sichere Staaten durchquert. Warum stellten Sie erst und gerade in Österreich einen Asylantrag?

A: Weil Österreich ein schönes Land ist. Das österreichische Volk ist sehr freundlich.

[...]

FLUCHTGRUND

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe? Schildern Sie bitte detailliert und lebensnah!

A: Ich wurde von der Terrormiliz IS am 09.10.2014 inhaftiert. Am 13.09.2015 wurde ich aus der Haft entlassen. Ich wurde wegen meines Berufes als XXXX in der XXXX in Mossul verhaftet. Zwei meiner Kollegen wurden erschossen. Ich und ein weiterer Kollege wurden verhaftet. Nach meiner Entlassung habe ich mich entschieden das Land sofort zu verlassen. Ich habe einen Schlepper gesucht und ihm €

1.000,- bezahlt. Er brachte mich dann in die Türkei.

Der zweite Grund ist, dass ich bei der Mossuler XXXX beschäftigt war. Nach dem Fall Mossuls hat mein Chef eine militante Miliz aus der XXXX gegründet, mit dem Ziel gegen den IS zu kämpfen. Er schrieb meinen Namen auf die Liste der Abwesenden und übergab diese den irakischen Streitkräften. Er vermutete, dass ich auf der Seite des IS kämpfen würde. Diese militanten Milizen wurden in Erbil gegründet. Ich war zu dieser Zeit in Gefangenschaft beim IS und konnte mich deshalb den Milizen nicht anschließen.

Der dritte Grund ist mein Schwager. Er arbeitet als medizinischer Assistent in der irakischen Armee. Wir verstehen uns nicht gut. Ich habe Probleme mit ihm. Seit 2009 habe ich immer wieder Probleme mit ihm. Sein Vater wurde vom IS ermordet. Seitdem verbreitet er auf seinem Facebook Profil Lügengeschichten über mich, weil er mich hasst.

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Haben Sie keine weiteren Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Hat Sie Ihr Schwager jemals persönlich bedroht?

A: Ja.

F: Wann hat er Sie bedroht?

A: Im Jahr 2010. Befragt gebe ich an, dass er mich seitdem nie wieder bedroht hat.

F: Woher wissen Sie, dass Ihr ehemaliger Chef von der Mossuler XXXX Ihren Namen auf irgendeine Liste gesetzt und diese Liste den irakischen Streitkräften übergeben hat?

A: Ich habe das in den Nachrichten erfahren.

F: Wann konkret haben Sie das erfahren?

A: Das habe ich nach meiner Einreise nach Österreich erfahren. Ich habe immer die Nachrichten verfolgt.

F: In welchen Nachrichten haben Sie das erfahren?

A: Ich habe das von der Livesendung des AlMossul-TV im Internet erfahren. Ich werde auch von den irakischen Polizisten gesucht.

F: Wie genau wurden Sie in diesen Nachrichten erwähnt?

A: Jede Person welche nicht gegen den IS gekämpft hat muss vor Gericht gestellt werden.

Wiederholung der Frage! Wie genau wurden Sie in diesen Nachrichten erwähnt?

A: Diese Aussage gilt für mich und für alle Abwesenden.

F: Wie kann eine unbeteiligte Person, die Sie nicht kennt, wissen, dass diese Aussage auf Sie zutrifft?

A: Mein Bruder XXXX , der in der irakischen Polizei beschäftigt ist, wurde wegen mir einvernommen. Sie wollten wissen, wo ich mich aufhalte.

F: Was hat Ihr Bruder dazu gesagt?

A: Er sagte, dass ich vom IS verhaftet wurde. Sie haben ihm nicht geglaubt. Sie teilten ihm mit, mir mitzuteilen, dass ich nach Erbil fahren und mich den Milizen anschließen soll.

F: Wann genau wurde Ihr Bruder von den irakischen Streitkräften einvernommen?

A: Das genaue Datum fällt mir jetzt nicht ein. Es war entweder der Januar, oder Februar 2017.

F: Sie behaupten keinen Kontakt zu Ihrer Familie im Irak zu haben. Woher wissen Sie das alles so genau?

A: Mein Bruder hat mir ein Video geschickt von Erbil aus. Er hat mir alles erzählt. Er war alleine in Erbil.

F: Wann war das? Wann hat er Ihnen dieses Video geschickt?

A: Das war vor ca. 8 Monaten.

F: Haben Sie dieses Video noch?

A: Ja, ich habe es in meinem Telefon.

Anm.: AW zeigt Fotos vom Flüchtlingslager, wo seine Familie untergebracht ist.

F: Haben sie das Video in dem Ihnen Ihr Bruder erzählt was alles passiert ist, wie er einvernommen wurde und wie nach ihnen gesucht wird?

A: Nein. Er hat mir das nicht per Video mitgeteilt, sondern am Telefon. Er hat mich angerufen.

F: Wo hat er Ihre Telefonnummer Ihre her?

A: Ich weiß es nicht.

F: Wie heißt die Miliz, die von Ihrem ehemaligen Chef gegründet wurde?

A: XXXX .

F: Wie heißt Ihr ehemaliger Chef?

A: XXXX .

F: Weswegen wurden Sie vom IS verhaftet?

A: Weil ich als Wächter der XXXX tätig war.

F: Was wollten die Kämpfer des IS von Ihnen?

A: Zwei Wächter wurden getötet. Ich habe von18:00 bis 06:;00 gearbeitet.

Wiederholung der Frage! Was wollten die Kämpfer des IS von Ihnen?

A: Ich wurde verhaftet, weil ich ein XXXX war.

F: Wie haben Sie das eine Jahr in Gefangenschaft verbracht?

A: Ich wurde krank. Wir wurden gefoltert. Erschießungsurteile wurden vor allen Inhaftierten vollstreckt.

F: Die Kämpfer des IS haben Ihnen etwas zum Essen und zum Trinken gegeben. Das haben sie bestimmt nicht umsonst getan. Was haben Sie in diesem einen Jahr Gefangenschaft getan?

A: Wir waren 500 gefangene. Ich habe mir den Tod gewünscht.

F: Woher wissen Sie, dass es 500 Gefangene gewesen sind?

A: Das Gefängnis besteht aus 4 Hallen. In jeder Halle sind 120 Personen untergebracht gewesen.

F: Wie hat der Alltag in dieser Gefangenschaft ausgesehen?

A: Die Hallen waren getrennt. Die Jugendlichen waren in einer Halle. Ca. 60 ältere Menschen sind während dieser Haft gestorben.

Wiederholung der Frage! Wie hat der Alltag in dieser Gefangenschaft ausgesehen?

A: Sie kamen in der Früh und haben mit ihren Maschinengewehren in die Wände bzw. in die Luft geschossen. Dann sind wir in den Hallen geblieben. Ich selber wurde nicht vor ein IS Gericht gestellt.

F: Ist das alles was Sie zum Alltag während Ihrer Gefangenschaft beim IS sagen können?

A: Ich habe gesagt, in der Früh wurden wir mit Gewalt aufgeweckt. Dann verteilte einer von uns das Frühstück. Dann haben wir gebetet. Wer nicht gebetet hat wurde ausgepeitscht. Die Wache rief 10 Gefangen auf und teilte sie für verschiedene Arbeiten ein. Währenddessen wurden auch mindestens zwei Gefangene getötet. Ich habe in Angst und Schrecken gelebt. Ich habe mir gewünscht dass dieses Gefängnis von den Flugzeugen bombardiert wird.

F: Wurden auch neue Gefangene ins Gefängnis gebracht?

A: Ja.

F: Wenn das was Sie behaupten stimmt und jeden Tag mindestens 2 Menschen getötet wurden, dann wurden in einem Jahr über 700 Menschen getötet. Ihren Angaben nach beherbergte dieses Gefängnis ca. 500 Menschen. Warum sind Sie noch am Leben?

A: Sie haben nicht jeden Tag getötet. Das war nicht der Fall. 2 Personen wurden vielleicht jede Woche getötet. An einem Tag wurden jedoch 1500 Personen vom IS getötet.

F: Warum wurden Sie dann freigelassen?

A: Ich und meine Kameraden wurden am gleichen Tag freigelassen.

Wiederholung der Frage! Warum wurden Sie dann freigelassen?

A: Wir waren eine Gruppe von ca. 200 Gefangenen. Wir wurden vom IS entlassen. Sie sagten, wir sollen nicht in unsere Häuser zurückkehren und unsere alten Posten nicht wieder besetzen. Uns wurde angeboten beim IS in Mossul zu arbeiten.

[...]

F: Wohin sind Sie gegangen, nachdem Sie vom IS freigelassen wurden?

A: Ich habe in Gefangenschaft einen Mann kennengelernt, dessen Bruder Schlepper war. Ich bin mit diesem Mann gemeinsam zu ihm nachhause gegangen.

F: Wie lange hat es dann gedauert, bis Sie aus Irak ausgereist sind?

A: Ich habe am selben Tag, am 13.09.2015 den Irak verlassen. Am 17.09.2015 war ich bereits in Syrien.

F: Werden Sie von den irakischen Behörden gesucht?

A: Ja.

F: Gibt es einen Haftbefehl gegen Sie?

A: Ja.

F: Woher wissen Sie das?

A: Nach meiner Entlassung haben Wachen mit den Milizen des IS zusammengearbeitet.

F: Welche Wachen haben mit dem IS zusammengearbeitet?

A: Andere ehemalige Gefangene, ehemalige Wachkollegen von mir, haben mit dem IS zusammen gekämpft und ihre Gehälter vom IS bekommen.

F: Woher wissen Sie das?

A: Das ist eine große Gruppe von ca. 200 Personen, die entlassen wurde. Vor der Entlassung haben sie mit uns gesprochen, wer in Mossul bleiben kann und wer zu seiner Familie gehen kann.

F: Woher wissen Sie, wer mit dem IS zusammen gekämpft hat?

A: Ja ich weiß es.

Wiederholung der Frage! Woher wissen Sie, wer mit dem IS zusammen gekämpft hat?

A: Ich habe es selber gesehen. Ich war ein Jahr lang in Haft. Ich kann die Gesichter wiedererkennen.

F: Woher wissen Sie, dass es im Irak einen Haftbefehl gegen Sie vonseiten der Irakischen Behörden gibt?

A: Der IS kam nach Mossul. Sie nahmen Mossul ein. Die zwei Wachen haben sie ermordet. Mehrere Transportwagen haben sie auch beschlagnahmt.

F: Wiederholung der Frage! Woher wissen Sie, dass es im Irak einen Haftbefehl gegen Sie vonseiten der Irakischen Behörden gibt?

A: Der IS hat mir das mitgeteilt. Sie haben mir gesagt, wenn ich überlaufe, werde ich vom irakischen Militär getötet.

F: Was befürchten Sie im Fall der Rückkehr nach Irak?

A: Lieber sterbe ich hier, als in den Irak zurückzukehren. Ich bin sicher, im Falle dass ich zurückgeschoben werde, werden sie mich töten.

F: Sie haben viele Kopien von verschiedenen Unterlagen aus dem Irak vorgelegt. Wo haben Sie diese her?

A: Ich habe diese vor ca. 8 Monaten von meinem Bruder bekommen.

[...]"

Am 25.04.2018 wurden die bP neuerlich vor dem BFA, Außenstelle Wien, einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"[...]

F: Nennen Sie bitte Ihre Namen, Geburtsdatum und Geburtsort!

A: Ich heiße XXXX . Ich wurde am XXXX in Mossul, Irak geboren.

[...]

F: In welchem Zusammenhag stehen die soeben von Ihnen vorgelegten Kopien der Dokumente aus dem Jahr 2009 mit Ihrem aktuellen Fluchtvorbringen?

A: Mein Schwager hat mich das erste Mal verhaftet. In den letzten zwei Monaten habe ich 6 Anrufe von meinem Bruder bekommen. Mir wurde mitgeteilt, dass der Schwager mich wieder sucht und dass er bei uns zuhause im Camp war und nach mir gesucht hat.

[...]

F: Nennen Sie bitte die Namen und Geburtsdaten sowie den Aufenthaltsort Ihrer Eltern und Geschwister.

Anm.: Die Angaben stimmen mit denen aus der Erstbefragung überein. Sie sind alle in einem Camp in der Nähe von Mossul, Irak aufhältig. Nur meine Schwester XXXX ist verheiratet und sie lebt mit Ihrem Ehemann in Mossul.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern und Ihren Geschwistern?

A: Sie haben mich in den letzten zwei Monaten ca. 6 Mal angerufen, zuletzt vor einer Woche. Befragt gebe ich an, nur mit meinem Bruder zu kontaktieren. Er kontaktiert mich über das Internet (Facebook), wenn er in Mossul ist. Er arbeitet dort als Polizist.

F: Wie geht es Ihren Eltern und Ihren Geschwistern im Irak?

A: Nicht so gut.

F: Was ist unter "nicht so gut" zu verstehen?

A: Es geht um den Bruder. Sie haben versucht ihn zu entführen. Ich weiß nicht wann das genau gewesen ist, aber ich wurde vor ca. einer Woche angerufen.

Anm.: AW zeigt auf seinem Smartphone einige Fotos von einem gelben Wagen mit einem Frontschaden. Des Weiteren zeigt er ein Foto eines uniformierten und bewaffneten Mannes, sitzend in einem Raum, und behauptet, dass der Bruder dieses Mannes vom IS getötet worden wäre und der Mann glauben würde, dass der AW seinen Bruder getötet hätte. Der Bruder des AW hätte deswegen eine Anzeige erstattet, wonach Milizen zu ihm in die Arbeit gekommen wären und er von den Milizen bedroht worden wäre. Dabei hätte man von ihm verlangt die Anzeige zurückzuziehen.

[...]

F: Wie haben Sie sich im Irak den Lebensunterhalt verdient?

A: Ich habe als XXXX in Mossul gearbeitet.

F: Wie lange haben sie diesen Job ausgeübt?

A: Ich habe 4 jahre lang als XXXX gearbeitet, von 2010 bis 2014.

F: An wie vielen Tagen in der Woche haben Sie gearbeitet?

A: Ich habe täglich bis um 06:00 in der Früh gearbeitet.

Vorhalt: Sie haben gerade angegeben bis 2013 ganztägig in die Schule gegangen zu sein. Jetzt behaupten Sie von 2010 bis 2014 als XXXX täglich bis 06:00 in der Früh gearbeitet zu haben. Ihr Vorbringen ist nicht glaubhaft, weil daraus nicht ersichtlich ist wann Sie geschlafen haben. Was sagen Sie dazu?

A: Wir sind immer zu zweit gewesen. Ich habe immer von 18:00 bis Mitternacht gearbeitet und ab Mitternacht bis um 06:00 in der Früh habe ich geschlafen. Der Kollege hat weitergearbeitet. Danach bin ich in die Schule gegangen.

F: Haben Sie immer mit demselben Kollegen in der Schicht zusammengearbeitet?

A: Ja. Ich habe immer mit demselben Kollegen 4 Jahre lang in der Schicht zusammengearbeitet.

F: Wo waren Sie zuletzt in Ihrem Heimatland wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?

A: In Mossul, Bezirk XXXX (phonetisch). Ich habe seit meiner Geburt bis zu meiner Ausreise in Mossul gelebt. Früher habe ich im Zentrum von Mossul gelebt.

F: Wo genau in Mossul haben Sie gelebt? Wie lautet Ihre Wohnadresse in Mossul (Straße, Bezirk)?

A: Früher lebte ich in Mossul Zentrum, in XXXX . Die Straße kann ich nicht benennen. Zuletzt lebte ich im Bezirk XXXX (phonetisch). Dieser befindet sich in einem Vorort von Mossul, namens XXXX (phonetisch)

[...]

F: Können Sie nicht sagen, ob sich der Flughafen im Norden, Westen, Süden oder Osten der Stadt Mossul befindet?

A: Nein, ich kann nicht sagen, wo der genau liegt. XXXX , wo ich gewohnt habe ist nördlich von der Stadt Mossul und der Flughafen liegt in ca. 30-40 Minuten von XXXX entfernt. XXXX ist ca. 10 Minuten vom Flughafen entfernt.

[...]

F: Verfolgen Sie regelmäßig irakische Nachrichtensendungen (Radio, Fernsehen, Internet)?

A: Ja, das mache ich. Ich informiere mich über Mossul allgemein.

FLUCHTGRUND

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe? Schildern Sie bitte detailliert und lebensnah!

A: Ich wurde vom IS am 09.10.2014 entführt. Bis 13.09.2015 wurde ich gefangen gehalten. An diesem Tag haben sie mich wieder gehen lassen. Sie haben mich entführt, will ich als XXXX gearbeitet habe. Sie haben zwei andere XXXX umgebracht. Ich bin mit einem anderen Arbeitskollegen inhaftiert gewesen. Mein Arbeitgeber hat eine Miliz gegründet, damit sie gegen den IS kämpfen. Danach hat er eine Liste mit allen vermissten Mitarbeitern gemacht und diese Liste der Polizei gegeben, weil er geglaubt hat, dass wir mit dem IS mitgekämpft haben.

Mein Schwager ist ein Arzthelfer beim Militär im Irak. Seit 2009 haben wir Probleme miteinander. Er hat mich 2009 entführt, weil er geglaubt hat, dass ich beim IS mitmache. Deswegen bin ich auch im Gefängnis gewesen. Ab 2010 hat er mich in Ruhe gelassen und hat keine Probleme mehr gemacht. 2014 wurde sein Vater vom IS getötet. Er glaubte, dass ich seinen Vater getötet habe. Als mich mein Bruder vor 2 Wochen angerufen hat, hat er mir mitgeteilt, dass der Schwager und das Militär auf der Suche nach mir wären. Mein Bruder XXXX bekommt sehr viele Probleme, weil ich nicht mehr dort bin. Sie wollten ihn auch entführen. Mein anderer Bruder, XXXX , wurde auch verhaftet und ca. eine Woche lang festgehalten und dabei befragt, wo ich bin. Im Jänner oder Februar 2017 haben die Polizisten XXXX wieder befragt und sie haben ihn einen Zettel unterschreiben lassen, dass falls ich zurückkommen sollte, ich mich bei den Milizen melden soll.

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Gibt es keine weiteren Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Ihr Vorbringen ist vage und unkonkret. Was war das fluchtauslösende Motiv?

A: Ich bin wegen der IS ausgereist. Ich hatte keine Wahl. Ich musste entweder mitmachen, oder sie hätten mich getötet. In diesem Jahr, als ich bei denen war, habe ich mir mehrmals den Tod gewünscht. Ich werde das, was da passiert ist, mein ganzes Leben nicht vergessen. Ich denke oft abends darüber nach und das macht mich psychisch fertig.

F: Sie haben gesagt, dass Sie vom IS freigelassen wurden. Warum haben Sie dann den Irak verlassen, statt zu Ihrer Familie zu gehen bzw. Unterstützung bei der irakischen Regierung zu suchen?

A: Sie werden mir nicht glauben, weil mein Chef eine Liste mit den Namen der Vermissten der Polizei gegeben hat. Die Regierung glaubt deswegen, dass ich mit dem IS zusammengearbeitet habe und deswegen ist es gefährlich für mich. Wir wurden auch vom IS bedroht. Sie sagten uns, wir sollen nicht hier bleiben, sonst werden wir getötet. Wenn wir bleiben wollen, sollen wir in Mossul bleiben und wenn wir arbeiten wollen, können wir für sie arbeiten. Die Milizen arbeiten auch mit der Regierung zusammen.

F: Was war der konkrete Grund für Ihre Ausreise aus dem Irak?

A: Ich hatte Angst vor der Regierung, vor den Milizen und vor meinem Schwager.

F: Der Kern Ihres Fluchtvorbringens ist die Verfolgung durch die irakischen Milizen weil Ihnen vorgeworfen wird, dass Sie mit dem IS zusammengearbeitet haben. Ist das richtig?

A: Ja, das ist richtig.

F: Wann haben Sie davon erfahren, dass Ihnen irakische Milizen vorwerfen, mit dem IS zusammengearbeitet haben?

A: Ich habe 2015 davon erfahren.

F: Wann genau haben Sie davon erfahren?

A: Das war ca. 4 Monate bevor mich der IS freigelassen hat.

F: Wie genau haben Sie davon erfahren?

A: Durch einen Bekannten, der auch ein XXXX war. Er hat es gewusst. Die IS hat selber gesagt, dass sie uns nicht freilassen werden, da wir sonst zu den Milizen gehen und gegen sie kämpfen würden.

F: Warum wurden Sie vom IS verhaftet? Was wollten Kämpfer des IS von Ihnen?

A: Weil ich als XXXX gearbeitet habe. Sie haben mich wegen meinem Job verhaftet.

F: Was wollten Kämpfer des IS von Ihnen?

A: Die IS wollte den Platz wo ich gearbeitet habe, bombardieren. Die anderen Kollegen haben das gemeldet und deswegen ist der IS zu uns gekommen und hat die Leute die das gemeldet haben sofort getötet und die anderen für ein Jahr festgenommen.

F: Warum wurden Sie festgehalten? Was wollten die IS Kämpfer von Ihnen?

A: Sie haben mich befragt weil ich für die Stadt als XXXX gearbeitet habe. Sie haben uns befragt warum wir dort arbeiten und was wir für die Stadt machen. Ich habe denen gesagt, dass ich arbeite, damit ich mein Leben finanzieren kann. Sie haben gemeint, dass dies eine Sünde wäre und ich nicht für die Stadt arbeiten soll.

F: Wann genau wurden Sie bei der XXXX angestellt?

A: 2010.

[...]

F: Welche Waffe haben Sie getragen?

Anm.: AW hat zuerst auf seinen Oberarm gedeutet um die Länge der Waffe zu zeigen. Danach hat er etwas Unverständliches von sich gegeben, worauf ihn der Dolmetscher aufgefordert hat dies zu wiederholen.

A: Klaschnikof (phonetisch)

F: Wie lange haben Sie diese Waffe getragen?

A: Die ganze Zeit. 4 Jahre lang.

F: Machen Sie bitte Angaben zu dieser Waffe!

A: Es sind 60 Schüsse drinnen. Sie ist schwarz. Ganz normal wie eine Waffe. Sie hat einen Träger, damit wir sie tragen können. Wir hatten auch einen gelben Gurt, damit die Polizei weiß, dass wir XXXX sind und nicht erschossen werden.

F: Können Sie keine detaillierten Angaben zur Waffe machen?

A: Nein.

[...]

F: Beschreiben Sie den Alltag während der von Ihnen behaupteten Gefangenschaft beim IS?

A: In der Früh kommen sie zu uns und wecken uns mit Schüssen in die Luft auf. Dann verteilen sie das Frühstück. Die jungen wurden von den älteren getrennt. Wir mussten alle beten. Wer nicht gebetet hat, wurde geschlagen oder ausgepeitscht. Sie nehmen täglich 10 Leute und verteilen denen Aufgaben, wie Putzen oder Bauen. Ich habe mir dort gewünscht, dass ich sterbe. Sie haben wöchentlich ca. 2 Menschen getötet. 60 Menschen sind gestorben.

F: Wo sind Sie, während Ihrer behaupteten Gefangenschaft beim IS, untergebracht gewesen?

A: In XXXX .

F: Beschreiben Sie die Unterkunft!

A: Das war ein Militärplatz in der Nähe des Flughafens. Es war der zweitgrößte ehemalige Militärtrainingsplatz in Mossul.

F: Können Sie keine weiteren Details dazu nennen?

A: Nein.

[...]

F: Wurden Sie während der von Ihnen behaupteten Gefangenschaft von jemandem bedroht?

A: Nein.

F: Sie wurden verpflegt und wurden zum Beten aufgefordert. Warum haben Sie sich dann gewünscht zu sterben?

A: Ich habe Angst vor der Regierung. Nicht dass sie etwas anderes glauben und mich töten. Weil ich beim IS ein Jahr lang gewesen bin, werden sie glauben, dass ich ein Mitglied bin.

F: Haben Sie an irgendwelchen Kampfhandlungen mit dem IS teilgenommen?

A: Nein. Hätte ich das gemacht, hätte ich eine Wohnung bekommen und wäre in Sicherheit. Sie hätten mich beschützt.

F: Wurden Sie aufgefordert an Kampfhandlungen teilzunehmen?

A: Ja, sie haben das angeboten. Ich habe es aber abgelehnt. Sehr viele sagen aber zu und gehen mit.

F: Wo war Ihre Familie in der Zeit, als Sie Ihren Angaben nach entführt gewesen sind?

A: Sie sind ganz normal zuhause in Mossul gewesen.

F: Heißt das, dass Ihre Familie frei in Mossul gelebt hat und vom IS in Ruhe gelassen wurde?

A: Während ich dort war, sind mein Bruder und meine Schwester weg vom IS gegangen, aus Angst dass denen etwas passiert.

F: Wohin sind Ihr Bruder und Schwester gegangen?

A: Sie sind in ein Flüchtlingscamp gegangen. Ich weiß nicht wie dieser Camp heißt.

F: Hat der Rest der Familie frei in Mossul gelebt?

A: Ja.

F: Sind Sie, nachdem Sie vom IS freigelassen wurden, zu Ihrer Familie gegangen?

A: Ja, ich war aber ca. eine Stunde zuhause. Mein kleiner Bruder hat mir die Haare geschnitten. Ich habe Geld von meiner Mutter bekommen und bin gleich danach weggegangen.

Vorhalt: Sie sind ein junger, kräftiger Mann. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie vom IS ein Jahr lang, ohne jegliche Konsequenzen festgehalten wurden. Ist Vorbringen ist nicht glaubhaft. Was sagen sie dazu?

A: Ich habe mir sehr oft gewünscht, dass ich sterbe. Sie haben uns jedoch auswählen lassen. Ich wollte wirklich sterben. Ich habe ein Jahr lang nur geputzt. Ich hatte auch Angst vor der Regierung. Alle IS Mitglieder sind jetzt in Mossul und leben dort. Ich wollte sterben, ich wollte diesen ganzen Stress nicht.

F: Woher wissen Sie, dass die IS-Mitglieder frei in Mossul leben?

A: Mein Bruder hat es mir erzählt. Es sind Milizen. Sie haben meinen Bruder nach mir gefragt.

F: Was wollten diese Leute von Ihrem Bruder genau wissen?

A: Sie wollten ihn umbringen. Ich habe vorher das Foto vom kaputten Auto gezeigt. Es gibt auch eine Anzeige in der Polizeistation in XXXX . Er wurde danach von den Milizen bedroht, damit er die Anzeige zurückzieht.

F: Sie haben gerade behauptet, dass ehemalige Kämpfer des IS frei in Mossul leben würden. Sie hätten Milizen gegründet. Diese Milizen hätten Ihren Bruder nach Ihnen gefragt. Was wollen diese Leute von Ihnen?

A: Sie wollen mich töten.

F: Warum wollen diese Leute sie töten?

A: Der Bruder eines von den XXXX wurde von den IS getötet und sie glauben, dass ich das war.

F: Werden Sie sonst von irgendjemandem, abgesehen von diesen Leuten, im Irak bedroht?

A: Nein.

F: Heißt das, dass Sie von einer bestimmten Miliz aus Mossul bedroht werden?

A: Ja.

F: Welche Miliz ist das?

A: XXXX .

F: Seit wann bedroht Sie diese Miliz?

A: Ich kann kein Datum nennen.

F: Seit wann werden Sie von dieser Miliz bedroht?

A: Seit ca. 2015.

F: Wo operiert diese Miliz?

A: Überall in Mossul.

F: Wo operiert diese Miliz sonst, abgesehen von Mossul?

A: Überall im Irak.

F: Wann und wie genau haben Sie davon erfahren, dass diese Miliz nach Ihnen suchen würde?

A: Im Jänner oder Februar 2017 wurde mein Bruder von ihnen entführt, um ihn zu befragen, wo ich bin.

F: Heißt das, dass Sie im Jänner oder Februar davon erfahren haben, dass diese Miliz nach Ihnen sucht?

A: Ja. Außerdem verfolge ich im Radio und im Fernsehen immer die Nachrichten.

F: Was können Sie über diese Miliz sagen?

A: Der Chef heißt XXXX . Die Mitglieder dieser Miliz sind viele XXXX , die damals zusammen mit mir gearbeitet haben.

F: Wie viele Mitglieder hat diese Miliz?

A: Ich weiß es nicht genau. Es sind sehr viele. Sie sind mächtig. Sie sind mächtiger als die Regierung.

F: Können Sie keine weiteren Details zur Miliz XXXX nennen?

A: Ich schaue nur auf mein Handy was sie alles machen. Ich sehe, dass sie Leute verbrennen, Menschen umbringen.

F: Wann genau wurde diese Miliz gegründet?

A: Sie wurde im jahr 2015 gegründet.

F: Wer war der Gründer der XXXX ?

A: XXXX .

F: Können Sie keine weiteren Details zur Miliz XXXX nennen?

A: Nein.

[...]

Ergänzung durch AW zur ersten Frage auf der Seite 12:

F: Beschreiben Sie den Alltag während der von Ihnen behaupteten Gefangenschaft beim IS?

Ergänzung durch AW: An einem Tag wurden dort 1500 Menschen getötet. Das habe ich im Fernsehen gesehen.

Gemäß einer Meldung der LPD Wien-LKA wurde die bP am 03.09.2019 auf frischer Tat bei der Begehung einer Straftat nach dem Suchtmittelgesetz betreten. Am selben Tag wurde über sie die Untersuchungshaft verhängt.

Am 19.09.2018 wurde die bP aus der Untersuchungshaft in der JA Josefstadt zu einer Einvernahme durch das BFA überstellt. Im Rahmen dieser Einvernahme machte sie nachfolgende Angaben:

"[...]

F: Nennen Sie bitte Ihre Namen, Geburtsdatum und Geburtsort!

A: Ich heiße XXXX . Ich wurde am XXXX in Mossul, Irak geboren.

[...]

F: Stimmen die Angaben, die Sie bis jetzt im Verfahren gemacht haben?

A: Alles ist richtig. Aber der Dolmetscher war ein Ägypter, mein Onkel, der seit 30 Jahren in Österreich ist, hat gesagt, das das nicht gescheit ist, ich soll einen Iraker nehmen. Das mit dem Onkel sage ich jetzt auch zum ersten Mal. Befragt gebe ich an, dass der Onkel XXXX , er wohnt im 10. Bezirk, eine Station nach dem Reumannplatz wo es die Gemeindewohnungen gibt. Ich habe es bis jetzt verschwiegen weil ich keinen Kontakt zu ihm habe.

F: Wurden Ihnen die Einvernahmen jeweils rückübersetzt?

A: Ja und auch die Fehler, die ich gefunden habe wurden korrigiert. Aber der Refernt hat mir nicht geglaubt, dass ich beim IS war.

F: Möchten Sie zu den Dokumenten etwas sagen, die Sie eingereicht haben?

A: Nein, diese habe ich eingebracht. Die Dokumente im Original Briefe oder Bestätigungen als Foto.

F: Erzählen Sie mir etwas über die Arbeit im Irak?

A: Ich begann im Jahr 2009, da war ich 3 Monate in Haft. Mein Schwager war beim Militär, er hat mich festgenommen weil wir miteinander Probleme hatten. Er heißt XXXX . Er arbeitet beim Militär. Das mit dem Festnehmen geht ganz einfach bei uns. Nach meiner Entlassung hatte ich Angst zuhause zu übernachten, daher habe ich eine Stelle als XXXX angetreten. Wir schützen die Behörde bzw. Banken. Wir sind bewaffnet gewesen. Mir wurde eine Stelle zu bewachen, ein freien Park, ähnlich Prater (Anm: Dolm. nannte Spielsachen für Kinder). Den musste ich bewachen. Ich begann damit im Oktober 2009. Ich habe den Ausweis eingereicht.

F: Wie haben Sie sich vorgestellt, was sagten Sie, welche Unterlagen gaben Sie ab?

A: Ich war Student und habe von Leuten gehört bzw. ein Freund arbeitet dort. Dann war ich dort und habe mich vorgestellt. Persnalausweis, Staatsbürgerschaftsausweis, Grundversorgungskarte und die grüne Karte (Esensmarken). Man muss um dorthin gehen zu dürfen zwei Bürgen bringen, die viel Einkommen haben müssen. Ich habe meine Schwester, Ärztin und Assistentin, sowie meinen anderen Bruder XXXX , Polizist gebracht. Die mussten mit mir hingehen. In den Unterlagen stand dann: Ich bin für alles verantwortlich, vor allem die Autos, die LKW¿s und ich wurde zu einer Abteilung namens XXXX versetzt.

F: Erzählen Sie mir über die Arbeit!

A: Meine Schicht begann um 18;:00 bis Mitternacht. Um 12:00 Uhr kam ein Freund, der übernimmt die Schicht und ich gehe schlafen. Er macht die Schicht von Mitternacht bis in der Früh. Für die Wachen gab es ein Zimmer. Ein Mal übernachte ich dort, zwei Tage übernachte ich nicht, so ist das Dienstrad. Manchmal übernahm ich auch den Dienst von Kollegen. Bei Prüfungen ist es umgeklehrt. Wir haben uns gut verstanden.

[...]

F: Nennen Sie bitte die Namen und Geburtsdaten sowie den Aufenthaltsort Ihrer Eltern und Geschwister.

Anm.: Die Angaben stimmen mit denen aus der Erstbefragung überein.

Sie sind alle in einem Camp in der Nähe von Mossul, Irak aufhältig. Das Gebiet gehört zu Kurdistan, ich habe den Namen vergessen. Nur meine Schwester XXXX ist verheiratet und lebt in Mossul.

F: War Ihre Familie in Mossul immer zusammen, außer XXXX ?

A: Ja, befragt gebe ich an, dass auch nie jemand entfernt war oder auf Reisen oder auch sonst nichts.

F: Wie lautete die Adresse, wie lange lebte die Familie dort?

A: Ich lebte immer an der Adresse XXXX (Bezirk), XXXX (Straße)

Anm: der AW wird nach der Hausnummer gefragt, schaut am Boden und denkt lange nach.

A: Ich habe das vergessen. Das ist schon lange her. Eine Kreuzung in der Nähe heißt XXXX .

Vorhalt: Sie lebten rund 18 Jahre dort und merken sich die Nummer nicht!

A: Ich lebt nicht immer dort.

Anm: der AW wird damit konfrontiert, dass er zuvor betonte, immer dort gewesen zu sein.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern und Ihren Geschwistern?

A: Jetzt ja, früher nicht.

F: Wann ungefähr musste Ihre Familie das Haus in Richtung Flüchtlingscamp verlassen?

A: Da gibt es noch etwas was ich sagen muss: Im Jahr 2009 übersiedelten wir zum Stadtteil XXXX . Dort lebten wir so lange bis Mossul vom IS gestürmt wurde. Befragt gebe ich an, dass das im 6. Monat 2014. Das war vor Ramadan.

[...]

F: Erzählen Sie über die Zeit von Daesh!

A: Als Daesh gestürmt hat gab es keine Schule mehr und ich habe meine Schicht gewechselt, immer Nachtschicht gemacht. Etwas später, etwa 2014 sind wir immer zu viert gesessen und haben ein Meeting gemacht. Bis zu diesem Moment waren alle Autos, LKW¿s und Waffen in dieser Behörde.

F: Erzählen Sie mir über die Behörde!

A: Sie ist im Vergnügungspark und ist für die Bepflanzung von ganz Mossul zuständig. Ich war die XXXX dort, aber die Behörde gehört zum XXXX , ich war Angestellter nur von der Behörde für Parkbewirtschaftung. Ich war aber nur XXXX und kein XXXX .

F: Nennen Sie mir den genauen Namen der Behörde!

A: XXXX .

F: Erzählen Sie weiter!

A: Mitten in einem Garten im Vergnügungspark sind kleine Zimmerchen. Eines für den Chef, eines für Mitarbeiter usw. Der Park ist 24 Stunden geöffnet. Befragt gebe ich an, dass wir Waffen bekamen damit wir etwas mehr nach XXXX aussehen. Polizisten hätten uns ja auch nicht erkannt wenn sie im Park sind und Leute mit Waffen kommen auf sie zu. Daher die Kleidung und die Dienstwaffe. Auch hat die Polizei unsere Namen bekommen. Sie hätten uns ja sonst für Terroristen gehalten.

F: Erzählen Sie vom Meeting!

A: Wir haben uns überlegt, zu flüchten. Da wir für die Stadt gearbeitet haben sind wir verfolgt vom IS. Der Vorgesetzte befand sich in Erbil, er hieß XXXX . Wir haben keinen Lohn mehr bekommen. Ca. zwei Monate später, September und Oktober kam der IS und verhaftete uns. In der Nacht haben sie mich und einen Freund mitgenommen. Sie hatten eine Liste und fragten auch nach anderen.

Vorhalt: Sie schildern alles sehr sprunghaft, reißen Themen nur an und geben keine kompletten Sachverhalte zu Protokoll. Erzählen Sie von dem Meeting!

A: Wir haben eine Flucht überlegt. 4 Monate nach dem Sturz von Mossul wurden wir verhaftet.

Vorhalt: Erneut schweifen Sie ab!

A: Zwei Monate nach dem Sturz von Mossul wollten wir flüchten, wir haben keinen Lohn mehr bekommen.

Vorhalt: Zeitlich stimmt das nicht mit den vorher getätigten Angaben überein.

A: Mossul fiel. Zwei Monate danach haben wir überlegten 3 Kollegen und ich zu flüchten. Am 6. Juni fiel Mossul. Im September wurden wir inhaftiert.

Vorhalt: Wieder sagen Sie die gleichen 3 Sätze. Was wurde beim Meeting besprochen?

A: Wir haben einen Plan gemacht. Unsere Regierung war weg. Der IS würde uns umbringen weil wir die Behörde schützten. Wir riefen das Militär wenn der IS mit Bomben kam. 2012 oder 2013 war ein großes Fest im Park. Da haben wir mal verhindert, dass der IS eine Bombe in Mitten der Leute platziert. Gesagt haben sie aber, dass sie Polizei sind. Wir sagten Ihnen, dass das nicht sein kann weil keine Polizei reinkommen darf, nur Militär. Unser Kontakt ist immer das Militär. Sie haben die vier dann verhaftet, im Fernsehen wurde das dann gezeigt, dass die zwei für den IS gearbeitet haben. Ich habe eine Belohnung und ein Zertifikat bekommen.

Vorhalt: Ihr Vorbringen ist vage und enorm widersprüchlich. Sie widersprechen sich nicht nur zwischen den unterschiedlichen Einvernahmen, sondern auch innerhalb. Auch heute sind die Schilderungen nicht stimmig. Zuletzt als Sie einerseits angeben, dass Polizei im Park ist (Frage zur Ausstattung Seite 5) und nun, dass nur das Militär hinein darf.

A: Ich habe Polizei gesagt, aber Militär gemeint. Alle dürfen hinein. Aber sie müssen in Uniform sein.

F: Erzählen Sie von Ihrer Verhaftung?

A: Sie haben uns alle 4 verhaftet. Die gleichen 4 Personen, die wir 2012 bei dem Fest verraten haben, haben eine Einvernahme mit uns gemacht und uns festgenommen. Sie haben uns wiedererkannt. Wir wurden befragt. Sie fragten alles zum Dienst, wann warum wir arbeiten usw. Auch, dass es nicht gut ist, wenn wir für die Stadt arbeiten. Ich sagte, dass ich für meine Familie arbeite, Student bin. Daesh hat auch Richter. Ich und meine drei Freunde wurden nicht zum Richter gebracht. Sie haben uns einfach in ein Zimmer gesperrt. Die zwei vom Tagdienst wurden zum Tode verurteilt weil sie angeblich Kollegen verraten hätten. Sie wurden erschossen. Ich war in Haft. Wir waren krank. Wir meinten immer, dass wir bombardiert werden. Wir haben ihnen beim Essen die Füße geküsst und gefleht, dass Sie uns töten.

F: Nennen Sie Fakten zur Inhaftierung!

A: In einer Kaserne namens XXXX , das ist in der Nähe vom Flughafen. Es gibt in Mossul nur zwei Kasernen. Die andere ist XXXX . (Muasker bedeutet Kaserne).

F: Haben irakische Kasernen auch Lagerhallen? Aus wie vielen Gebäude besteht so eine Kaserne?

A: Das weiß ich nicht. Es gibt Speisesäle. Wir haben nach draußen nicht viel gesehen. Wir haben aber einige Zeit eine Mauer gebaut. Da sieht man aber nichts. Der Flughafen ist in der Nähe.

F: Fiel Ihnen noch etwas auf als Sie diese Mauer bauten?

A: Ich hatte Kreislaufprobleme. Ich habe aber Gebäude gesehen.

F: Warum nennen Sie nicht Ihren richtigen Namen?

A: Ich habe Ihnen den richtigen Namen gegeben. Sie haben ja alle Ausweise.

Vorhalt: Die Namen decken sich aber nicht mit Ihren Angaben!

A: Sie können gerne in Mosul fragen, wie ich heiße. Auch beim Führerschein hatte ich Probleme. Mein Problem ist, dass ich der Polizei auf Nachfrage nach dem Nachnamen XXXX sagte. Jetzt macht mir das Probleme. Ich habe das so angegeben als ich das erste Mal nach Österreich.

F: Wie haben Sie den Irak verlassen? Schildern Sie ab dem Zeitpunkt als Sie vom IS weggingen.

A: Ich werde wegen der Freilassung verfolgt. Man versteht nicht, warum zwei umgebracht wurden und ich nicht. Daher heißt es, ich sei Daesh Anhänger. Ich habe jetzt mehr Probleme. Sie wollen dass ich für Sie arbeite. Wir würden auch Lohn bekommen. Die irakische Regierung würde uns sowieso verfolgen.

F: Bitte antworten Sie auf die Frage!

A: Mehrere wurden entlassen. Auch mein Freund. Alle 10 Tage kam ein Richter von denen. Er sprach mit uns über Religion über Islam, dass wir dazugehören. Er sagte uns er sei aus Mossul. Man müsse entweder kämpfen oder sterben.

F: Schildern Sie bitte die Freilassung!

A: Ich uns 200 andere Personen erfuhren, dass wir entlassen werden. Man fragte uns, was wir machen würden. Uns wurde erklärt, dass wir rasch umgebracht werden würden weil wir in Mossul verblieben waren. Jeder der in Mossul bleibt wird als Daesh bezeichnet. Daher dachten wir nach, nach Syrien zu flüchten, dann Türkei. Der Bruder meines Freundes ist der Schlepper gewesen. Meine Brüder haben mich noch schnell hergerichtet, Bart rasiert etc.,

Vorhalt: Wenn man den IS fürchtet, warum geht man von Mossul dann nach Syrien, wo unmittelbar IS Territorium an das irakische Staatsgebiet anschließt.

A: Das ist logisch. Von Mossul nach Rakka kann man spazieren. Keiner fragt etwas. IS weiß, dass es ein Fluchtweg ist, sagen aber nicht. IS Soldaten gehen in die Türkei zur Behandlung. Ich habe dort viele gesehen am Weg von Rakka in die Türkei. Auch Familien. Man wird dort auch bombardiert. Alle aus Mossul gehen über Rakka. In die Kurdenzone konnte ich nicht. Viele Exmitarbeiter gingen zur freien irakischen Armee. Das wurde auch in den Nachrichten gezeigt.

F: Ich beende jetzt die Einvernahme. Hatten Sie ausreichend Möglichkeiten Ihr Vorbringen darzulegen? Möchten Sie noch etwas angeben oder korrigi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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