TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/16 LVwG-2011/27/3170-15

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Veröffentlicht am 16.07.2019
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Entscheidungsdatum

16.07.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die nunmehr als Beschwerde zu wertende Berufung des Arbeitsinspektorats Z, Adresse 1, Z (Zl *****), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.11.2011, Zl *****, wegen Übertretung nach dem Arbeitszeitgesetz, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung,

zu Recht:

1.       Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt:

Mit dem angefochtene Bescheid wurde das gegen Herrn AA dringende Verwaltungsstraferfahren wegen des Verdachts der Übertretungen nach § 28 Abs 2 Z 1 AZG iVm § 9 Abs 1 VStG sowie § 28 Abs 2 Z 3 iVm § 12 Abs 1 AZG gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Arbeitsinspektorat festgestellten und angezeigten Dienstzeiten nicht zwischen hauptamtlichen Dienst (im Rahmen der 40-Stunden-Woche) und freiwilligem Dienst unterscheiden würden, die freiwilligen Dienste jedoch einen wichtigen Teil der beim Verein XX, Landesverband Tirol, Bezirksstelle Y geleisteten Arbeit darstellen würden. Die Tätigkeit der hauptamtlichen Mitarbeiter im Rahmen ihrer Normalarbeitszeit (40-Stunden-Woche) sei strikt von den geleisteten freiwilligen Diensten zu trennen und würden auch die freiwilligen Dienste der hauptamtlichen Mitarbeiter ebenso wie die freiwilligen Dienste der „Mitarbeiter mit anderem Brotberuf“ anzusehen seien und seien die Bestimmungen des AZG nicht anwendbar bzw dürften diese Dienste nicht mit der normalen Arbeitszeit zusammengerechnet werden.

Dagegen hat das Arbeitsinspektorat Z fristgerecht Rechtsmittel erhoben und darin ausgeführt, wie folgt:

„Begründung:

1. Bisheriger Verfahrensgang:

Im Rahmen einer Kontrolle von Arbeitszeitaufzeichnungen des Vereines „XX, Landesverband Tirol, Bezirksstelle Y, Adresse 2, Y (im folgenden: Bezirksstelle), stellte Arbeitsinspektor BB Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes - AZG, BGBl.Nr.461/1969, fest, und zwar der §§ 9 Abs. 1 (Tagesarbeitszeit) sowie 12 Abs. 1 (tägliche Ruhezeit).

Diese Übertretungen zeigte das Arbeitsinspektorat Z mit Schreiben vom 15.07.2011, GZ *****, bei der Bezirkshauptmannschaft Y an.

Die Bezirkshauptmannschaft Y stellte das daraufhin eingeleitete Strafverfahren mit Bescheid vom 08.11.2011, GZ *****, ein und begründete dies im wesentlichen damit, dass die von der Bezirksstelle als freiwillig bezeichneten Dienste, die die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen neben ihren hauptamtlichen erbringen, tatsächlich als freiwillig anzusehen seien und daher auf diese das AZG nicht anzuwenden sei.

2. Zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt:

Zunächst wird auf folgendes hingewiesen: Die Ortstellen des Vereines XX sind lediglich organisatorische Untergliederungen der jeweiligen Bezirksstelle.

Dass die von der Bezirksstelle als freiwillig bezeichneten Dienste, die die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen neben diesen hauptamtlichen erbringen, tatsächlich freiwillig erbracht wurden, wird ausdrücklich bestritten.

Dies ergibt sich aus der Einvernahme von vier Arbeitnehmern der Bezirksstelle, darunter Bezirksgeschäftsführer CC, als Zeugen, die die erstinstanzliche Behörde – nicht auf Antrag beziehungsweise Anregung des Arbeitsinspektorates - vornahm:

Dabei ist nicht einmal der Aussage von Bezirksgeschäftsführer CC widerspruchsfrei zu entnehmen, dass die „freiwilligen“ Dienste der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen tatsächlich freiwillig erbracht würden, räumt dieser doch ein, dass diese „freiwilligen“ Dienste von den Ortsstellen verlangt werden. Da, wie bereits oben ausgeführt, die Handlungen der Ortsstellen als organisatorische Untergliederungen der Bezirksstelle dieser zuzurechnen sind, ergibt sich nicht einmal aus der Zeugenaussage des Bezirksgeschäftsführers die tatsächliche Freiwilligkeit dieser Dienste.

Vielmehr zu beachten sind jedoch die im wesentlichen übereinstimmenden Zeugenaussagen der drei neben Bezirksgeschäftsführer CC einvernommenen Arbeitnehmer:

Aus ihnen geht übereinstimmend hervor, dass diese Dienste nicht freiwillig erbracht werden. So sagten diese aus, sie betrachteten diese nicht als freiwillig, ihnen würde „nahegelegt“, die „freiwilligen“ Dienste abzuleisten, weiters liegt die Aussage vor, sie würden sich nicht zu diesen „freiwilligen“ Dienste melden sondern vielmehr eingeteilt, sie rechneten mit Konsequenzen, sollten sie diese Dienste nicht leisten und es würden „fehlende freiwillige Stunden“ vom Urlaub abgezogen.

Schon letztere Aussage, wonach der Arbeitgeber ein „zu wenig“ an „freiwilligen“ Dienste mit einem weniger an Urlaub im Rahmen der hauptberuflichen Tätigkeit sanktionierte, belegt für sich alleine eindeutig den in Wirklichkeit gegebenen Zusammenhang zwischen hauptberuflicher Tätigkeit und den „freiwilligen“ Diensten. Erhöht wird dabei der Druck auf die Arbeitnehmer/innen noch dadurch, dass diese gerade in ihrer Branche nicht die Möglichkeit haben, ihre Tätigkeit für einen anderen Arbeitgeber zu erbringen, somit ist eine wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben, die über die normale einem Arbeitgeber gegenüber gegebene noch hinausgeht.

Zu hinterfragen wäre betreffend die „Freiwilligkeit“ der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der nicht die vereinbarten 20 „freiwilligen“ Dienste pro Jahr leistete und dem daraufhin die fehlenden Stunden vom Urlaub abgezogen wurden, nun nicht mehr Arbeitnehmer der Bezirksstelle ist.

Diese Aussagen belegen somit eindeutig den Druck, den der Arbeitgeber beziehungsweise die ihm zuzurechnenden Ortsstellen auf die Arbeitnehmer ausüben, die „freiwilligen“ Dienste zu leisten.

Weiters besteht insofern keine faktische Trennung zwischen hauptamtlicher und „freiwilliger“ Tätigkeit, als die Arbeitnehmer auch zu letzterer im Rahmen der regulären Erstellung des Dienstplans eingeteilt werden. Dass sie diese „freiwilligen“ Dienste tauschen können, spricht auch nicht für deren tatsächliche Freiwilligkeit, da es Tausch von Diensten auch im Rahmen von Dienstverträgen gibt, beispielsweise sei der sachlich verwandte Bereich der Dienste von Spitalsärzten angeführt. Somit ist keine grundsätzliche Trennung zwischen haupt- und ehrenamtlicher Tätigkeit gegeben, insbesondere stehen die Arbeitnehmer auch im Rahmen der „freiwilligen“ Dienste im persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber.

Aus alldem folgt, dass die „freiwilligen“ Dienste nicht freiwillig erbracht wurden und es sich bei der angeblich ehrenamtlichen Tätigkeit in Wahrheit um eine Tätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses handelt.

3. In rechtlicher Hinsicht:

Da, wie bereits oben ausgeführt, die Ortstellen des Vereines XX lediglich organisatorische Untergliederungen der jeweiligen Bezirksstelle sind, der Handlungen und Unterlassungen der Ortstelien daher zuzurechnen sind, ist bei den von der Bezirksstelle als freiwillig bezeichneten Diensten von hauptberuflich für sie tätigen Mitarbeiter/Innen daher nicht von Belang, ob diese von der Bezirksstelle oder deren Ortstellen eingeteilt wurden.

Da die „freiwilligen“ Dienste in Wahrheit im Rahmen des Dienstverhältnisses erbracht wurden, sind die Arbeitnehmerschutzbestimmungen, insbesondere die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sowie des Arbeitsruhegesetzes, auf die von der Bezirksstelle als freiwillig bezeichneten Dienste anzuwenden.

Zum Einwand, Verein XX könne zur Erbringung seiner Dienste nicht auf Freiwillige, und damit auch nicht auf die „freiwilligen“ Dienste der hauptberuflichen Mitarbeiter verzichten, ist festzuhalten:

Kontrollen aller Tiroler Bezirksstellen des Vereines XX im ersten Halbjahr 2011 durch das Arbeitsinspektorat haben einerseits ergeben, dass in der überwiegenden Anzahl der Tiroler Bezirksstellen hauptberufliche Mitarbeiter zu ehrenamtlichen Tätigkeiten angehalten werden. Dass die Aufgaben des Vereines XX jedoch auch ohne „freiwilligen“ Dienste hauptberuflicher Mitarbeiter erbracht werden können, ergibt sich daraus, dass diese Kontrollen andererseits ergeben haben, dass in einer geringeren Anzahl der Bezirksstellen keine „freiwilligen“ Dienste von hauptberuflichen Mitarbeiter erbracht werden. Um darüber nähere Auskünfte geben zu können, müsste jedoch eine Entbindung vom Amtsgeheimnis seitens des Zentralarbeitsinspektorates erfolgen.

Jedoch sind auch im Fall, dass die als freiwillig bezeichneten Dienste tatsächlich freiwillig erbracht wurden, Arbeitszeit- sowie Arbeitsruhegesetz auf die summierte Dauer von hauptberuflicher und ehrenamtlicher Tätigkeit anzuwenden:

Der Schutzzweck von Arbeitszeit- sowie Arbeitsruhegesetz besteht darin, Arbeitnehmer/innen vor körperlichen und psychischen Belastung in einem längeren als dem gesetzlich bestimmten zeitlichen Ausmaß zu schützen. Zur Gewährleistung der Effektivität dieses Schutzes ist von folgendem auszugehen: Werden zusätzlich zu den im Rahmen eines Arbeitsvertrages erbrachten Tätigkeiten für den gleichen Arbeitgeber freiwillige, zumal gleichartige, Tätigkeiten erbracht, ist hinsichtlich des Arbeitnehmer/innenschutzes, insbesondere des von Arbeitszeitgesetz sowie Arbeitsruhegesetzes vorgegebenen zeitlichen Rahmens, nicht auf den rechtlichen Charakter von Tätigkeiten abzustellen, die über diesen Rahmen hinausgehen, sondern auf die faktische Belastung der Arbeitnehmer/innen durch diese Tätigkeiten, ist es doch für das zu schützende Gut Gesundheit nicht von Belang, in welcher rechtlichen Konstellation

ein Arbeitgeber dieses gefährdet, der Arbeitgeber darf daher auch keine „freiwilligen“ Leistungen annehmen, die das zu schützende Gut Gesundheit gefährden.

Zum Ausmaß der Belastung und damit Relevanz des Schutzzweckes im gegenständlichen Fall wird darauf hingewiesen, dass bei einem wesentlichen Teil der betroffenen Arbeitnehmer häufig Tagesarbeitszeiten von 17 Stunden festgestellt wurden oder anstelle einer täglichen Ruhezeit von mindestens elf Stunden lediglich eine Ruhepause von sieben Stunden. An dieser Belastung und deren Schädlichkeit für die Gesundheit ändert es auch nichts, wenn eine Tätigkeit aus einer idealistischen Motivation erbracht wird. Betreffend die Belastung ist im Vergleich mit den nicht hauptamtlich beschäftigten Rettungssanitätern dabei zu beachten, dass letztere einen anderen Beruf ausüben, der in den meisten Fällen weniger belastend ist als die Tätigkeit beim Verein XX, jedenfalls ist jedoch die Tätigkeit beim Verein XX für diese Personen eine wesentlich andere als die berufliche. Sie ist daher nicht einfach „mehr vom gleichen“ und kommt so als Belastung nicht einfach zum Brotberuf hinzu sondern ist als Ausgleich zu sehen.

Weiters ist zu beachten: Die Bestimmungen von Arbeitszeit- sowie Arbeitsruhegesetz sind zwingend und stehen daher auch nicht zur Disposition des Arbeitnehmers. Beruft sich ein Arbeitgeber beispielsweise auf die Freiwilligkeit und Eigeninitiative von Arbeitnehmern, auf welche die Arbeit während der Wochenendruhe zurückzuführen sei, entbehrt dies der rechtlichen Relevanz (Verwaltungsgerichtshof vom 09.07.1992, Geschäftszahl 91/19/0270). Bei Berücksichtigung der oben beschriebenen Effektivität des Schutzzweckes muss dies umso mehr gelten, wenn der Arbeitgeber wie im Fall der „freiwilligen“ Dienste beim Verein XX diese Leistungserbringung in vollem Bewusstsein entgegennimmt, vorausschauend in seiner Planung berücksichtigt und somit sogar eine Vereinbarung mit den Arbeitnehmern trifft.

Es wird schließlich hingewiesen auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs 91/08/0077 und 99/08/0125, die sich - zwar unter dem Aspekt der Sozialversicherungspflicht - mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer neben seinem Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber auch noch einen Werkvertrag beziehungsweise einen freien Dienstvertrag haben kann. Der VwGH geht davon aus, dass dies zwar nicht ausgeschlossen ist. Für die Bejahung einer rechtswirksamen Trennung solcher Rechtsverhältnisse kommt es aber entscheidend auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und Überlegungen unter dem Gesichtpunkt arbeitsrechtlicher Schutzprinzipien an. Die Trennbarkeit - im vorliegenden Fall von Arbeitnehmereigenschaft und freiwilliger ehrenamtlicher Tätigkeit für den Arbeitgeber – ist nach Ansicht der Arbeitsinspektion dann nicht gegeben, wenn die identen Tätigkeiten erbracht werden und es zu überlangen Arbeitszeiten kommt.

4. Anträge

Es werden sohin gemäß § 11 Absatz 3 ArbIG folgende

A n t r ä g e

gestellt:

I.       Den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.11.2011, *****, ha. eingelangt am 14.11.2011, zu beheben,

II.      die Personalia des Arbeitnehmers, der laut Zeugenaussage des Arbeitnehmers der Bezirksstelle DD nicht die vereinbarten 20 „freiwilligen“ Dienste pro Jahr leistete, dem daraufhin die fehlenden Stunden vom Urlaub abgezogen wurden und der nun nicht mehr Arbeitnehmer der Bezirksstelle ist, zu erheben, ihn als Zeugen zu laden und zu den Beweisthemen

?    ob und in welcher Form die Bezirksstelle Druck auf ihre Arbeitnehmer ausübt, neben der hauptberuflichen Tätigkeit „freiwillige“ Dienste zu leisten,

?    ob ihm auf Grund des Umstandes, dass er nicht die vereinbarten 20 „freiwilligen“ Dienste pro Jahr leistete, die „fehlenden“ Stunden vom Urlaub abgezogen wurden oder ihm sonst nachteilige Konsequenzen angedroht wurden oder er solche in Kauf nehmen musste,

?    ob die Auflösung seines Dienstverhältnisses mit der Bezirksstelle deswegen erfolgte oder sonst in einem Zusammenhang steht mit dem Umstand, dass er nicht die vereinbarten 20 „freiwilligen“ Dienste pro Jahr leistete,

zu vernehmen,

III.     den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen wegen Übertretung des § 9 Abs. 1 AZG BGBl.Nr. 461/1969 gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 AZG im Fall von

EE                                  mit einer Geldstrafe von         215 €

FF                                  mit einer Geldstrafe von         125 €

DD                                  mit einer Geldstrafe von         330 €

GG                                  mit einer Geldstrafe von         125 €

JJ                                  mit einer Geldstrafe von         215 €

KK                                  mit einer Geldstrafe von         125 €

LL                                  mit einer Geldstrafe von         215 €

MM                                  mit einer Geldstrafe von         215 €

NN                                  mit einer Geldstrafe von         390 €

OO                                  mit einer Geldstrafe von         410 €

PP                                  mit einer Geldstrafe von         215 €

                                    somit insgesamt                 2.580 €

zu bestrafen,

IV.      den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen wegen Übertretung des § 12 Abs. 1 AZG gemäß § 28 Abs. 2 Z 3 AZG im Fall von

EE                                  mit einer Geldstrafe von         180 €

FF                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

DD                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

GG                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

JJ                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

KK                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

LL                                  mit einer Geldstrafe von         190 €

MM                                  mit einer Geldstrafe von         190 €

NN                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

OO                                  mit einer Geldstrafe von         190 €

PP                                  mit einer Geldstrafe von         110 €

                                    somit insgesamt                  1.520 €

zu bestrafen.“

Mit Berufungserkenntnis vom 10.01.2013, Zl *****, hat der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol die Berufung des Arbeitsinspektorates Z als unbegründet abgewiesen.

Dagegen hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 15.10.2015, Zl 2013/11/0079-6, den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt, dass ein nebeneinander bestehen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses und eines freien Dienstverhältnisses nicht schlechthin ausgeschlossen sei. Für die Bejahung einer rechtswirksamen Trennung solcher Rechtsverhältnisse komme es entscheidend auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und Überlegungen und zu dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Schutzprinzipien an. Für eine objektive Trennbarkeit sei nicht nur von Bedeutung, ob eine Verschränkung in zeitlicher Hinsicht ausgeschlossen sei, sondern auch wesentlich, ob sich die im Rahmen des Dienstverhältnisses erbrachten Arbeitsleitungen von der selbstständigen Tätigkeit trennen lassen. Entscheidend sei auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und arbeitsrechtliche Schutzprinzipien abzustellen, wobei bei der vorzunehmenden Beurteilung nicht allein auf die vertragliche Gestaltung Bedacht zu nehmen, vielmehr primär die tatsächliche Gestaltung der Rechtsbeziehungen entscheidend und das Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigungen maßgebend sei. Dieser Maßstab sei auch in Fällen, in denen zu prüfen sei, ob freiwillige Leistungen dem Arbeitsverhältnis zuzurechnen oder getrennt von diesen zu beurteilen seien, anzuwenden. Es sei zu prüfen, ob die Vereinbarung freier Mitarbeit nicht etwa nur zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen oder zur Verschleierung eines Arbeitsverhältnisses gewählt worden sei.

Dem Beschwerdeführer wurde laut Anzeige des Arbeitsinspektorates Z vom 15.07.2011, Zl *****, zur Last gelegt, dass dieser es zu verantworten habe, dass in 22 Fällen ArbeitnehmerInnen über die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit hinaus eingesetzt und in 15 die tägliche Ruhezeit nicht gewährt worden sei. Die Übertretungen seien zwischen 04.04.2011 und 31.05.2011 begangen worden.

Der Beschuldigte, vertreten durch QQ, RR, Rechtsanwälte, Adresse 3, Z, hat sich im Verfahren ausführlich geäußert und betont, dass es eine strikte und saubere Trennung von Beruf und Ehrenamt geben würde. Niemals sei ein Angestellter Sanitäter vom Beschuldigten oder vom Vereinsgeschäftsführer zu einem ehrenamtlichen Dienst und Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen gedrängt worden. Der Brauch unter dem hauptamtlichen Sanitätern in der Bezirksstelle Y, 20 ehrenamtliche Dienste jährlich zu leisten, entspringe einem Beschluss unter den angestellten Sanitätern selbst, ohne Einwirkung des Beschuldigten oder Geschäftsführers.

Der Beschuldigte sei im Übrigen seit 29.03.2019 nicht mehr Obmann bzw Bezirksstellenleiter des Vereins XX, Landesverband Tirol, Bezirksstelle Y.

Seitens des zwischenzeitig zuständig gewordenen Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurde am 12.12.2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei welcher der Beschuldigte sowie die Zeugen CC, FF, DD, LL und JJ einvernommen wurden. Die Zeugen GG und EE sowie OO und NN sowie PP waren urlaubsbedingt bzw arbeitsbedingt nicht zur Verhandlung erschienen.

Aus der Einvernahme des Beschwerdeführer und der Zeugen hat sich ergeben, dass es Dienstpläne für hauptamtliche Mitarbeiter des Vereines XX und getrennt davon auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter gab. Der Dienstplan für die hauptamtlichen Mitarbeiter wurde vom Bezirksgeschäftsführer des Vereins gemeinsam mit einem Mitarbeiter erstellt und gab es eine fixe Diensteinteilung, sodass man sich aussuchen konnte, wann man Dienst hat. An jeder Dienststelle gab es Freiwilligenausschüsse, die die Dienstpläne für die ehrenamtlichen Mitarbeiter erstellt haben. Dabei war es auch manchmal so, dass sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter selbst in den Dienstplan eintragen konnten. Hinsichtlich der ehrenamtlichen Tätigkeit war es so, dass der Bezirksgeschäftsführer damit nichts zu tun hatte, sondern dies über den Freiwilligenausschuss erfolgte.

Für den hauptamtlichen Dienst war es so, dass drei Personen als „Springer“ zur Verfügung standen, sodass damit allfällige Krankenstände oder ähnliches abgedeckt werden konnte.

Bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten konnten bzw mussten die betreffenden Personen selbst ihre Dienste tauschen oder Ersatz suchen konnten oder mussten.

Es war für eine Anstellung als hauptamtlicher Mitarbeiter nie Kriterium, dass freiwillig zusätzliche Dienste gemacht werden müssten. Ehrenamtliche Mitarbeiter werden durch den Ortsausschuss aufgenommen und betreut und war derartiges beim Bezirksgeschäftsführer kein Thema und dieser diesbezüglich nicht involviert.

Überstundenanträge betrafen Überstunden, die im hauptamtlichen Dienst durchgeführt wurden.

Es war nie so, dass es berufliche Konsequenzen gegeben hätte oder derartige Konsequenzen angedroht worden wären, wenn ein hauptamtlicher Mitarbeiter keine amtlichen Dienste übernehmen würde.

Bei den einvernommenen Zeugen FF, DD, LL und JJ war es jeweils so, dass diese bereits längst ehrenamtliche Mitarbeiter des Vereines XX waren, bevor sie hauptamtliche Mitarbeiter wurden.

Im Jahr 2008 haben sich diejenigen Personen, die als hauptamtliche Mitarbeiter tätig waren darauf geeinigt, dass sie freiwillig eine bestimmte Stundenanzahl (20 Stunden) als ehrenamtliche Tätigkeit übernehmen wollen. Dies galt jedoch nur für Y und war ein Zwang damit nicht verbunden. Es handelte sich vielmehr um eine Übereinkunft zwischen den hauptamtlichen Beschäftigten selbst.

II.      Beweiswürdigung:

Die vorerwähnten Feststellungen konnten aufgrund des behördlichen Aktes sowie der angeführten Zeugenangaben getroffen werden. Die Zeugen haben alle bestätigt, dass sie bereits seit langem ehrenamtlich für XX tätig waren, bevor sie hauptamtliche Mitarbeiter wurden. Weiters haben sie bestätigt, dass sie jeweils die ehrenamtlichen Tätigkeiten freiwillig durchgeführt haben und es keinen diesbezüglichen Zwang zur Übernahme irgendwelcher Dienste gegeben habe. Für die Stelle Y gab es nach den Zeugenaussagen der Zeugen CC und JJ eine Abmachung unter den hauptamtlichen Mitarbeitern, dass sie zusätzliche ehrenamtliche Dienste übernehmen wollten. Damit war der Beschuldigte AA jedoch nicht betraut, wie sich auch aus dessen Einvernahme ergibt. Die Zeugen bestätigten, dass man ehrenamtliche Dienste selbstständig tauschen konnte.

III.     Rechtslage:

§ 45. VStG

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

2.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;“

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG ist die Einstellung eines Strafverfahrens zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

Im vorliegenden Fall ist gemäß § 31 Abs 2 VStG Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

Der als Beschwerde zu wertenden Berufung des Arbeitsinspektorats Z wäre jedoch unabhängig davon keine Folge zu geben gewesen, da sich aus dem Verfahren ergeben hat, dass tatsächlich die hauptamtliche und ehrenamtliche Tätigkeit voneinander getrennt waren. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen oder eine Verschleierung von Arbeitsverhältnissen konnte ebenfalls nicht erkannt werden.

Bei den einvernommenen Zeugen hat sich vielmehr ergeben, dass diese bereits seit langem ehrenamtlich beim Verein XX tätig waren und erst später hauptamtliche Mitarbeiter wurden. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie es selbst als wichtig und richtig angesehen haben, dass sie neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit auch noch ehrenamtlich weiterhin Dienste verrichten würden. Ein Zwang, diese ehrenamtlichen Dienste tatsächlich neben den hauptamtlichen Diensten abzulegen, konnte nicht festgestellt werden. Insbesondere konnte diesbezüglich auch nicht darauf rückgeschlossen werden, dass der Beschuldigte diesbezüglich eine Kontrollpflicht gehabt haben sollte. Aufgrund der Zeugenaussagen konnte festgestellt werden, dass die Mitarbeiter die ehrenamtlichen Dienste selbst eingeteilt haben und diese auch untereinander tauschten, wenn eine Verhinderungen vorlag, sodass auch insofern kein Hinweis darauf gegeben ist, dass Zwang ausgeübt worden wäre und erst recht nicht, dass der Beschuldigte dafür verantwortlich gewesen wäre.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Ehrenamtliche Tätigkeit;
Hauptamtliche Tätigkeit;
Ermahnung;
Arbeitsinspektorat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2011.27.3170.15

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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