TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/27 I403 2216383-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.03.2019
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Entscheidungsdatum

27.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2216383-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Niger, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2019, Zl. 1077879609/150859764, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird teilweise Folge gegeben und die Dauer des Einreiseverbotes auf 6 (sechs) Jahre reduziert.

III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Verlust des Aufenthaltsrechtes am 11.01.2017 eingetreten ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger des Niger, stellte am 14.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion XXXX am 26.07.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er aus Agadez stamme, Christ sei und dass seine Muttersprache Hausa sei. Er habe den Niger 2012 wegen des Bürgerkriegs verlassen; sein Vater sei von den Rebellen getötet worden, er selbst sei zweimal von ihnen bedroht worden. In Deutschland sei sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen worden. Zuvor habe er sich auch in Spanien aufgehalten.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 04.02.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen und Spanien für zuständig erklärt. Der Bescheid wurde allerdings wegen Zeitablaufs der Zuständigkeit Spaniens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.03.2016, Zl. W175 2122234-1/4Z behoben.

3. Am 20.02.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch die belangte Behörde einvernommen. Der Beschwerdeführer wiederholte, dass er von den Rebellen bedroht werde.

4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 11.03.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Niger abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Niger zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 05.09.2017 verloren habe (Spruchpunkt VIII.).

5. Dagegen wurde am 18.03.2019 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch den Verein Menschenrechte Österreich vorgelegt. Der Bescheid wurde seinem vollen Umfang nach angefochten. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.03.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen: 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger des Niger; seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer verließ den Niger im Jahr 2012 und hielt sich zunächst in Spanien und Deutschland auf. In Deutschland wurde sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Seit Juli 2015 befindet er sich in Österreich, wo er am 14.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer gehört zur Volksgruppe der Hausa, stammt aus Agadez und bekennt sich zum christlichen Glauben. Der Beschwerdeführer leidet an keinen gesundheitlichen Einschränkungen.

Der Beschwerdeführer besuchte keine Schule, arbeitete vor seiner Ausreise in Agadez aber als Maler und Fliesenleger. Die kranke Mutter des Beschwerdeführers sowie sein Bruder und seine Schwester leben noch in Agadez, sein Vater ist verstorben. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit seinem Bruder.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in einer Justizanstalt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.02.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG sowie nach § 27 Abs. 1 Ziffer 1 1. und 2.Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Mildernd wurden sein Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren bei Tatbegehung und die Sicherstellung des Suchtgiftes gewertet, erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, zwischen Oktober 2015 und Jänner 2017 Cannabiskraut zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen zu haben und am 09.01.2017 einer anderen Person im öffentlichen Raum Kokain verkauft zu haben.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.01.2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 8.Fall SMG, Abs. 3 SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Mildernd wurden sein reumütiges Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, und die Sicherstellung des Suchtgiftes gewertet, erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die mehrfachen Tathandlungen im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, zwischen November und Dezember 2018 anderen Kokain verkauft zu haben und am 10.12.2018 versucht zu haben, Heroin und Kokain zu verkaufen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wird im Niger nicht aufgrund seiner Verwandtschaft zu seinem Vater von Rebellen verfolgt. Dieses Vorbringen ist nicht glaubhaft.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Niger in der realen Gefahr wäre, sich seine grundlegende Existenz nicht sichern zu können oder Opfer willkürlicher Gewalt oder einer sonstigen unmenschlichen Behandlung oder Folter zu werden. Sein Leben ist für den Fall einer Rückkehr in den Niger nicht bedroht.

1.3. Zur Situation im Niger:

Im angefochtenen Bescheid wurden auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 20.07.2018 die folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen zur Lage im Niger getroffen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt:

Politische Lage

Niger ist eine semi-präsidentielle Republik. Der Präsident ist Staatschef und der Premierminister Chef der Regierung, die Legislative stellt die Nationalversammlung (Assemblée National) dar. Die Judikative ist formell unabhängig von den anderen beiden Staatsgewalten. Die Abgeordneten der Nationalversammlung werden für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt, ebenso wie der Präsident. Der Premierminister wird vom Präsidenten ernannt. Im Laufe der Demokratisierung haben sich im Niger etliche Parteien herausgebildet, die in der Nationalversammlung vertreten sind (GIZ 6.2018a).

Der seit 2011 die Geschicke des Landes lenkende Staatspräsident Issoufou Mahamadou wurde am 2.4.2016 für eine zweite (und letzte) fünfjährige Amtszeit wiedergewählt. Zum Premierminister ernannte er erneut den Tuareg Brigi Rafini. Issoufous Amtsvorgänger Tandja war im Februar 2010 vom Militär gestürzt worden, nachdem er sich über eine Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit zu verschaffen versucht hatte (AA 4.2018a; vgl. GIZ 6.2018a). Die Absetzung Tandjas und die Auflösung der von ihm geschaffenen politischen Institutionen, die neue semi-präsidiale Verfassung nach frz. Vorbild und die damit einhergehende Entpolitisierung der Verwaltung sowie die Sicherung der Pressefreiheit markierten einen demokratischen Neuanfang, der bis heute für relative innenpolitische Stabilität sorgt (AA 4.2018a). Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Jahr 2016 sind friedlich verlaufen, obwohl der primäre Herausforderer von Präsident Issoufou seine Kampagne vom Gefängnis aus führen musste, nachdem er wegen noch nicht bewiesener Anschuldigungen inhaftiert worden war. Nach seiner Evakuierung nach Frankreich aus gesundheitlichen Gründen stand dem Sieg Issoufous nichts mehr im Weg. Die Wahlen 2016 können nicht als Fortschritt in demokratischer Hinsicht gesehen werden (BS 2018).

Bei den am 21.2.2016 durchgeführten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen konnte die PNDS (Parti Nigérien pour la Démocratie et le Socialisme) des Amtsinhabers ihre Position als stärkste Partei weiter ausbauen (AA 4.2018a; vgl. GIZ 6.2018a). Zusammen mit den Abgeordneten der Klientelparteien verfügte das nach dem Wahlsieg neu aufgelegte Regierungsbündnis (Mouvement pour la Renaissance du Niger - MRN) und dessen weitere Verstärkung durch die bisherige Oppositionspartei MNSD im August 2016 über eine Zweidrittelmehrheit (AA 4.2018a).

Die Regierung von Präsident Issoufou hatte sich bereits in der ersten Mandatsperiode ehrgeizige Entwicklungsziele gesetzt. Ihre Prioritäten sind die Stärkung der demokratischen Institutionen der Republik, eine Verbesserung der Regierungsführung, die Fortführung der Dezentralisierungspolitik, die Stabilisierung der Sicherheitslage sowie wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung und Ernährungssicherheit. Die Umsetzung blieb bislang jedoch hinter den Erwartungen zurück. Mitursächlich hierfür ist sicher auch die verschlechterte regionale Sicherheitslage, die es nötig machte, erhebliche Mittel für den Sicherheitsbereich umzuwidmen, auf den 2017 21% des Budgets entfielen. Diese Ziele bleiben auch für die zweite Mandatsperiode weitgehend bestehen, ergänzt um die Vorgabe einer "Kulturellen Wiedergeburt" und "Sozialen Modernisierung". Neu ist die Einrichtung eines Ministeramts für die demographische Entwicklung; Präsident Issoufou sieht in der Begrenzung des weltweit höchsten Bevölkerungszuwachses eine Voraussetzung für die sozio-ökonomische Entwicklung des Landes (AA 4.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2018a): Niger - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/niger-node/-/226404, Zugriff 13.7.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Niger, Country Report,

https://www.bti-project.org/es/berichte/laenderberichte/detail/itc/NER/, Zugriff 13.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Geschichte & Staat,

http://liportal.giz.de/niger/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018

Sicherheitslage

Nach einer Phase politischer Instabilität wird die Republik Niger seit 2011 von einer demokratisch gewählten Regierung geführt. Dennoch bleibt die Sicherheitssituation fragil, denn Niger liegt in einer Krisenregion: Wegen Konflikten in den Nachbarländern Libyen, Mali und Nigeria flüchten viele Menschen nach Niger oder innerhalb Nigers (GIZ o.D.).

Im Niger herrscht Frieden (GIZ 6.2018a). Allerdings besteht im ganzen Land ein sehr hohes Risiko von Terroranschlägen (EDA 13.7.2018; vgl. AA 13.7.2018, GIZ 6.2018a). Seitens des BMEIA gilt eine Reisewarnung mit Sicherheitsstufe 6 für das ganze Land. Das bedeutet, das BMEIA sieht ein Gefährdungspotenzial wie bei (bürger)kriegsähnlichen Zuständen, verhängtem Kriegsrecht, Krieg, Bürgerkrieg (BMEIA 19.7.2018). Das französische Außenministerium rät in großen Teilen des Landes von jeglichen Reisen ab. Nur die südlichen Landesteile um die Städte Niamey, Maradi und Zinder können bereist werden, falls zwingende Gründe vorliegen (FD 19.7.2018).

Niger hat aufgrund der politischen Entwicklungen in der Region (Libyen, Mali, Nigeria- Boko Haram, Al Qaida im islamischen Maghreb) mit erheblichen Sicherungsproblemen zu kämpfen. Die 5.700 km lange Grenze kann schwerlich überall überwacht werden. Hinzu kommen der Drogen- und Waffenhandel, der von den 'menschenleeren' Gebieten profitiert; Niger ist das bevorzugte Transitland für die Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika. Diese und andere Probleme stellen erhebliche Anforderungen an die staatliche Sicherheit; Kooperationspartner unterstützen die Sicherheitsorgane darin ihre Effizienz zu verbessern (GIZ 6.2018a). Im Sahel-Sahara-Gebiet sind bewaffnete Banden aktiv, die vom Schmuggel mit Drogen und Waffen sowie Entführungen leben. Sie sind gut organisiert und haben Verbindungen zu islamistischen Terroristen (EDA 13.7.2018).

In den an Mali grenzenden Departements der Regionen Tillabéri und Tahoua wie auch im gesamten Länderdreieck Mali-Burkina Faso-Niger, die sog. "Liptako Gourma"-Region, kommt es vermehrt zu dschihadistischen Übergriffen (AA 13.7.2018). Das Risiko von terroristischen Anschlägen besteht besonders in den Regionen Diffa, Tahoua und Tillabéry, wo der Ausnahmezustand in Kraft ist (EDA 13.7.2018). In der Region Diffa sind im Grenzgebiet zu Nigeria weiterhin Anschläge und Übergriffe der islamistischen Terrororganisation Boko Haram zu verzeichnen (AA 13.7.2018). Im Südosten kommt es regelmässig zu bewaffneten Zusammenstössen zwischen der nigrischen Armee und terroristischen Gruppierungen. Zum Beispiel wurden im Jänner 2018 in Toumour, in der Region Diffa, mehrere nigrische Armeeangehörige getötet (EDA 13.7.2018).

Gegen die Regierung gerichtete Kundgebungen haben insbesondere in Reaktion auf das Haushaltsgesetz vom Herbst 2017 zugenommen. In Niamey wie in anderen größeren Städten kommt es vereinzelt zu Demonstrationen der Zivilgesellschaft, von Studenten und anderen Gruppen. Auch wenn diese meist friedlich verlaufen, sind sie in ihrer Dynamik schwer einzuschätzen (AA 13.7.2018).

Generell ist ein Anstieg der Kriminalität nach dem zweiten Tuareg-Aufstand und dem Einfluss von AQMI zu verzeichnen, die man regional nicht eingrenzen kann. Besonders in der Region Agadez, hier vor allem im Air-Gebirge, ist nach der Abgabe der Waffen durch die drei Tuareg-Bewegungen aufgrund sozialökonomischer Probleme eine besonders erhöhte Kriminalität festzustellen. Opfer sind in erster Linie Ausländer, die von bewaffneten Banden entführt und Terrororganisationen wie AQMI zum Zwecke der Erpressung übergeben werden (GIZ 6.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (13.7.2018): Niger - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/NigerSicherheit_node.html, Zugriff 13.7.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (19.7.2018): Reiseinformation - Niger, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/niger/, Zugriff 19.7.2018)

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.7.2018): Reisehinweise für Niger, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/niger/reisehinweise-fuerniger.html, Zugriff 13.7.2018

-

FD - France Diplomatie (19.7.2018): Conseils aux Voyageurs - Niger,

https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/niger/, Zugriff 19.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (o.D.): Niger, https://www.giz.de/de/weltweit/315.html, Zugriff 13.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018a): Geschichte & Staat,

http://liportal.giz.de/niger/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Mindeststandards einer Demokratie werden zwar im Niger erreicht, aber die Rechtsstaatlichkeit ist nicht vollständig gesichert (GIZ 6.2018a). Eine unabhängige Rechtsprechung ist in der Verfassung festgeschrieben, jedoch ist das Justizsystem zeitweise dem Einfluss der Exekutive ausgesetzt (USDOS 20.4.2018). Vor 2011 war die Justiz häufig Einflussnahme seitens der Exekutive ausgesetzt. Danach wurde nicht mehr von solchen Vorfällen berichtet, aber es gab für die neue Regierung auch keinen Grund hierfür. Die Justiz hielt sich seit 2011 mit Ansuchen zur Neuüberprüfung von Gesetzen zurück (BS 2018). Einige Richter wurden wegen ihrer Entscheidungen auf minderwertige Posten versetzt. Korruption im Justizwesen bleibt ein Problem, verstärkt durch einen Mangel an entsprechender Ausbildung und durch niedrige Gehälter (USDOS 20.4.2018).

Je nach Rechtsfall kommen unterschiedliche Rechtssysteme zur Anwendung: das traditionelle Recht, das nationale Recht und islamische Rechtsprechung (im Niger sind Staat und Religion getrennt) (GIZ 6.2018a). Traditionelle Gerichte, die vorwiegend nach islamischem Recht entscheiden, können in zivilrechtlichen Fällen herangezogen werden. Daneben existiert die Möglichkeit der Mediation durch lokale Stammesführer (USDOS 20.4.2018).

Es gilt die Unschuldsvermutung und Verfahren sind öffentlich. Angeklagte haben das Recht auf einen Anwalt, der bei Minderjährigen oder Bedürftigkeit auch auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird. Gesetzlich muss der Angeklagte sofort über die Gründe der Anklage informiert werden, er hat Zugang zu allen Beweismitteln und angemessene Zeit, seine Verteidigung vorzubereiten. Weit verbreitete Unkenntnis bezüglich dieser gesetzlichen Regelungen führt jedoch dazu, dass viele Angeklagte nicht in den vollen Genuss dieser Rechte kommen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Niger, Country Report,

https://www.bti-project.org/es/berichte/laenderberichte/detail/itc/NER/, Zugriff 13.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018a): Geschichte & Staat,

http://liportal.giz.de/niger/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 13.7.2018

Sicherheitsbehörden

Die dem Innenministerium untergeordnete nationale Polizei ist für die Strafverfolgung im städtischen Gebiet zuständig und die dem Verteidigungsministerium untergeordnete Gendarmerie trägt die Hauptverantwortung für die Sicherheit im ländlichen Bereich. Die Nationalgarde, dem Innenministerium untergeordnet, ist für die innere Sicherheit und für den Schutz hochrangiger Beamter und von Regierungsgebäuden zuständig. Die Streitkräfte sind für die äußere Sicherheit und - in einigen Teilen des Landes - auch für die innere Sicherheit verantwortlich (USDOS 20.4.2018).

Die Zivilbehörden üben generell eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus, obwohl einzelne Soldaten und Polizisten zeitweise unabhängig von der Befehlsstruktur agieren. Die Polizei ist aufgrund mangelnder Ausbildung und Ausstattung jedoch nicht sehr effektiv; so haben nur spezielle Polizeieinheiten Grundfertigkeiten im Umgang mit Waffen. Truppen der Nationalgarde werden ohne spezifische Ausbildung als Gefängniswärter eingesetzt. Die Gendarmerie ist für die Untersuchung von Fällen von Amtsmissbrauch bei der Polizei zuständig, dennoch stellt Straflosigkeit ein verbreitetes Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 20.4.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und Bestrafung. Es gibt jedoch Berichte, denen zufolge Sicherheitskräfte Zivilisten misshandeln. Es gibt keine Berichte über außergerichtliche Tötungen oder Verschwindenlassen durch die Sicherheitskräfte. Bewaffnete Gruppen wie Boko Haram sind allerdings für Morde an Zivilisten verantwortlich (USDOS 20.4.2018). Es gibt Berichte über Masseninhaftierungen von Terrorverdächtigen (FH 2018).

Quellen:

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2017 - Niger, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/niger, Zugriff 13.7.2018

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 13.7.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsproblemen gehören Angriffe durch bewaffnete Gruppen, die zu Todesfällen, Verschwinden und Missbrauch führen; willkürliche Inhaftierungen von Terrorverdächtigen oder anderer Kämpfer durch Regierungskräfte;

harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; Inhaftierung von Oppositionspolitikern; Einschränkungen der Versammlungsfreiheit;

weit verbreitete behördliche Korruption; Mangel an Strafverfolgung in Fällen von Gewalt gegen Frauen und Kinder inkl. Vergewaltigung und FGM; Menschenhandel; kasten-basierte Sklaverei und Zwangsarbeit (USDOS 20.4.2018).

Die Verfassung gewährleistet Meinungsfreiheit, aber fallweise bedroht und inhaftiert die Regierung Journalisten. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die Verfassung und andere Gesetze gewährleistet, jedoch löst die Regierung manchmal Demonstrationen unter Anwendung von Gewalt auf. Vereinigungsfreiheit wird üblicherweise auch in der Praxis respektiert (USDOS 20.4.2018).

Sklaverei ist im Niger ein brisantes Thema. Die NGO Timidria setzt sich intensiv für die Befreiung von Sklaven im Niger ein und hat mit Erfolg die Sklaverei im Niger zum Thema gemacht. Dadurch wurde erreicht, dass Sklaverei im Strafgesetz definiert und im Jahr 2003 unter Strafe verboten wurde (GIZ 6.2018a).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018a): Geschichte & Staat,

http://liportal.giz.de/niger/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 13.7.2018

Religionsfreiheit

Der Islam wird von mehr als 98% der Bevölkerung praktiziert, davon sind 95% Sunniten und 5% Schiiten. Christen - Katholiken und Protestanten - machen weniger als 2% der Bevölkerung aus. Es gibt einige Tausend Baha'is, vor allem in Niamey. Die Verfassung und andere Gesetze gewährleisten den Schutz der Religionsfreiheit und -ausübung (USDOS 29.5.2018). Der Islam im Niger ist als gemäßigt zu bezeichnen und die Toleranz gegenüber anderen Religionen ist sehr groß (GIZ 6.2018b). Die Republik Niger ist säkular und der Islam ist juristisch vom Staat getrennt (GIZ 6.2018b, vgl. USDOS 29.5.2018), politische Parteien auf Basis der Religion sind verboten (USDOS 29.5.2018). Einige islamisch orientierte Projekte werden vom Staat gefördert; so wurde die Einrichtung der Islamischen Universität in Say finanziell unterstützt. Der Islam im Niger ist, wie in vielen (west-)afrikanischen Ländern, synkretistisch geprägt und weist einige Elemente traditioneller Religionen und des Volksglaubens auf. Im Niger sieht man wenige mit einer Burka völlig verschleierte Frauen und wenn, dann in den Städten. Traditionell tragen die meisten verheirateten Frauen (und Mädchen) ein Kopftuch (GIZ 6.2018b). Islamische Repräsentanten haben Befürchtungen geäußert, dass der Einfluss des Wahhabismus in Niger steigt (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018b): Gesellschaft,

https://www.liportal.de/niger/gesellschaft/, Zugriff 16.7.2018

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USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1436811.html, Zugriff 16.7.2018

Ethnische Minderheiten

Niger ist ein multi-ethnischer Staat. Von anderen (west-)afrikanischen Staaten unterscheidet den Niger, dass hier weniger verschiedene Ethnien leben. Die vier bevölkerungsreichsten ethnischen Gruppen sind Hausa (53%), Djerma/Songhai (21%), Fulbe (10%), Tuareg (10%) (GIZ 6.2018a).

Ein Nigrer fühlt sich in erster Linie dem eigenen Volk bzw. der Untergruppe, dem Stamm oder Clan zugehörig: z. B. Tuareg Kel Ewey, Fulbe Woodaabe Djidjiru. Die meisten nigrischen Ethnien sind nicht auf die (künstlichen) nationalstaatlichen Grenzen festgelegt, es existieren grenzüberschreitende alte Verbindungen, sowohl bei Haussa (gen Nigeria), Songhai (gen Mali), Tuareg als auch Fulbe, um nur die vier bevölkerungsreichsten Ethnien zu nennen. Da eine gemeinsame Sprache mit regionalen Unterschieden gesprochen wird, kann man miteinander kommunizieren; denn Sprache ist nicht nur ein verbindendes, sondern auch identitätsstiftendes Kriterium. Das Nationalgefühl ist im Niger nicht sehr stark ausgeprägt, sondern zeigt sich eher, wenn Nigrer im Ausland in der Diaspora leben (GIZ 6.2018a).

Angehörige de Buduma und Bororo Fulani Minderheitengruppen sind staatlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, weil ihnen seitens großer Bevölkerungsgruppen unterstellt wird, die Aktivitäten von Boko Haram zu unterstützen oder zu fördern (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018b): Gesellschaft,

https://www.liportal.de/niger/gesellschaft/, Zugriff 16.7.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 13.7.2018

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, und die Regierung respektiert diese Rechte zumeist auch in der Praxis. Sicherheitskräfte überwachen an Checkpoints den Personenverkehr und den Transport von Gütern, besonders in der Nähe von größeren Städten, und fordern an diesen Checkpoints manchmal auch Bestechungsgelder. Transportgesellschaften und zivile Vereinigungen kritisieren diese Praxis (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Niger, https://www.ecoi.net/en/document/1430131.html, Zugriff 13.7.2018

Grundversorgung

Der Niger steht gemäß der Rangfolge nach dem Bruttoinlandsprodukt 2017 auf Platz 143 von 192 Ländern (GIZ 7.2018); das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt 374 US-Dollar (GIZ 7.2018; vgl. AA 4.2018b) und ist eines der weltweit niedrigsten (AA 4.2018b). Gut 60% der Population lebt unterhalb der Armutsgrenze und 44% von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag. Der MPI (Multi-Dimensional-Poverty Index) weist dem Niger den letzten Rang 186 zu. Mit einem Gini-Koeffizient von 43,9 hat der Niger eine besonders ungleiche Einkommensverteilung (GIZ 7.2018). Die Wirtschaftsstruktur des Niger ist zwar landwirtschaftlich geprägt, aber der Export wird dominiert durch Uran (GIZ 7.2018; vgl. AA 4.2018b).

Die Landwirtschaft, (mobile) Tierhaltung und Acker- bzw. Feldbau (als Regenfeldbau) ist in höchstem Maße von den Umweltbedingungen und dem Klima abhängig (GIZ 7.2018; vgl. AA 4.2018b). Dies sind in erster Linie die Niederschläge; aber auch andere Faktoren wie Heuschreckeneinfälle, Buschfeuer oder Hochwasser beeinflussen die landwirtschaftliche Produktion und Produktivität. Das Einkommen der Landbevölkerung - etwa 83% der Bevölkerung - ist somit äußerst variabel (GIZ 7.2018). Der Großteil der nigrischen Bevölkerung lebt von der Subsistenzwirtschaft - sowohl Tierhaltung als auch Feldbau - oder versucht mit Tätigkeiten im informellen Sektor und im Handwerk zu überleben. Menschen vom Land ziehen mit der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen und der Aussicht auf Arbeit in die Städte des Landes. Die Urbanisierung nimmt rapide zu - besonders in Krisenzeiten - und liegt mittlerweile bei über 19%. Die Analphabetenquote auf dem Land beträgt etwa 90%. Lohnarbeit zu finden, ist im Niger extrem schwierig; die Industrie ist wenig ausgebaut und die meisten Arbeitssuchenden auch nicht ausgebildet. Arbeit in der Industrie oder im Dienstleistungsgewerbe zu finden, gelingt nur wenigen, da diese Sektoren zudem nur schwach entwickelt sind. In einem Land mit einem drastischen Bevölkerungsanstieg und immer wiederkehrenden Dürren ist insbesondere der Gesundheitszustand von Kleinkindern kritisch. Mangel-, Fehl- und Unterernährung sind keine Seltenheit (GIZ 6.2018b).

Viele Nigrer zieht es als Arbeitsmigranten in die Nachbarländer, bevorzugt sind Nigeria und Libyen. Die Rücküberweisungen an ihre Familien sind nicht unbedeutend. Durch die Unruhen in Libyen und die angespannte Situation in den nördlichen Landesteilen Nigerias wurden viele gezwungen, wieder in den Niger zurückzukehren (GIZ 6.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2018b): Niger - Wirtschaftspolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/niger-node/wirtschaft/226386, Zugriff 13.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018b): Gesellschaft,

https://www.liportal.de/niger/gesellschaft/, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018): Wirtschaft,

https://www.liportal.de/niger/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.7.2018

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und / oder hygienisch hoch problematisch. Die ärztliche Versorgung in Niamey ist begrenzt (AA 13.7.2018). Die Bevölkerung des Niger ist von vielfältigen Krankheiten geplagt wie z.B.: Malaria, Gelbfieber, Tuberkulose, Meningitis, Lepra, Typhus, Noma, Brucellose, Hepatitis, Bilharziose und HIV/Aids. Im Niger ist ein Arzt statistisch für 9.000 Menschen zuständig; empfohlen von der WHO sind max. 600 Patienten pro Arzt. Nach einem WHO-Bericht existieren 42 Krankenhäuser, knapp 600 Gesundheitszentren und gut 1.000 medizinische Stationen. Krankenhäuser gibt es in größeren Städten wie Niamey, Tahoua, Maradi und Zinder. Sie sind in der Regel staatlich geführt; an einigen wirken gut ausgebildete kubanische Ärzte unterstützend mit. Daneben gibt es private Krankenhäuser, Medizinstationen oder niedergelassene Ärzte mit ambulanten Kliniken - zum Teil auch unter europäischer Führung. Im November 2017 wurden 14 private Gesundheitsversorgungsinstitutionen vom Gesundheitsministerium geschlossen und für andere stehen Auflagen für erhebliche Verbesserungen an. Die allgemeine Gesundheitssituation von Müttern und Kindern im Niger ist schlecht (GIZ 6.2018b).

Eine Gesundheits-/Krankenkasse gibt es zwar, aber außer einigen Angestellten in formellen Arbeitsverhältnissen und Beamten sind wenige Menschen darüber hinaus versichert - "Sozialversicherung" ist die Familie. Bei einem Krankenhausbesuch müssen für den Großteil der Bevölkerung zunächst die Mittel der Finanzierung der Behandlung vorgewiesen werden. Medikamente müssen ebenfalls selbst gekauft werden. Die stationäre Behandlung setzt in vielen Fällen voraus, dass Verwandte den Patienten mit Essen versorgen. Wer über gute finanzielle Möglichkeiten verfügt, kann sich natürlich auch eine gute medizinische Versorgung leisten. Unter einem Spezialprogramm wurden bis 2010 u.a. 1.000 Gesundheitszentren und Schulen gebaut, nur fehlt es oft an (qualifiziertem) Personal, Ausstattung und Medikamenten (GIZ 6.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (13.7.2018): Niger - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/NigerSicherheit_node.html, Zugriff 13.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018b): Gesellschaft,

https://www.liportal.de/niger/gesellschaft/, Zugriff 16.7.2018

Rückkehr

Im Jahr 2017 hat IOM Niger mehr als 10.000 Migranten bei der Rückkehr nach Hause unterstützt. Davon waren 3.500 Rückkehrer aus Libyen nach Niger und mehr als 7.000 Rückkehrer von Niger in subsaharische Drittstaaten (IOM 16.1.2018).

IOM Niger hat ein Informationsbüro für Migranten in der nigrischen Stadt Agadez eröffnet. Zielsetzung des Büros ist es, den Kenntnisstand von Migranten in Bezug auf die Gefahren und Risiken von irregulärer Migration zu verbessern und ihnen aufzuzeigen, wie Migration auf eine sichere und reguläre Art stattfinden kann. Kontaktperson für weitere Informationen ist Linda Cottone von IOM

Niger. Tel: +227 89 31 16 45, Email: rcottone@iom.int (IOM 4.5.2016).

Quellen:

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IOM - International Organization for Migration (16.1.2018): UN Migration Agency in Niger Helps Over 10,000 Migrants Return Home in 2017,

https://www.iom.int/news/un-migration-agency-niger-helps-over-10000-migrants-return-home-2017, Zugriff 16.7.2018

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IOM - International Organization for Migration (4.5.2016): IOM Niger Opens Migrant Information Office in Agadez, https://www.iom.int/news/iom-niger-opens-migrant-information-office-agadez, Zugriff 20.7.2018

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Die Feststellung über die Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich und den im Akt einliegenden Strafurteilen.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der Erstbefragung.

Die Feststellung betreffend die Religionszugehörigkeit und der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und im Rahmen der Erstbefragung.

Der Beschwerdeführer gab nie an, gesundheitliche Beeinträchtigungen zu haben. Auch aus der Aktenlage bzw. aus dem Beschwerdeinhalt sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellungen zum Beruf und zur Familie des Beschwerdeführers im Niger ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und im Rahmen der Erstbefragung.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 25.03.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Verfahren vor, wegen Rebellen aus dem Niger geflüchtet zu sein. Konkret gab er in seiner Einvernahme vor dem BFA am 20.02.2019 zu Protokoll: "Im Niger gibt es Rebellen. Mein Vater wurde auch von Rebellen getötet. Mein Vater hat auch viele Rebellen getötet, er was Soldat bei der Armee der Republik Niger. Mein Vater wurde im Jahr 2007 oder 2008 getötet. In diesem Jahr wurden ich und meine Familie auch von den Rebellen bedroht. Sie sagten zu uns, wir würden getötet werden. Die Rebellen kennen alle. Die Rebellen kamen dann eines Tages uns als mein Bruder und ich die Rebellen sahen, liefen wir weg. Später gingen wir dann wieder zurück in unser Haus. Ich sprach dann mit meiner Mutter über dieses Problem. Meine Mutter sagte, es wäre kein Problem, wenn ich nach Europa gehe, aber mein Bruder solle bei ihr bleiben. Mein Bruder blieb dann auch und ich verließ das Land."

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers rund um seine Flucht äußerst vage und nicht nachvollziehbar war. Nach Durchsicht des Einvernahmeprotokolls vom 20.02.2019 ist der belangten Behörde darin zuzustimmen; nach seiner bereits zitierten Aussage wurde vom Einvernahmeleiter versucht, nähere Angaben vom Beschwerdeführer zu bekommen. Wie der folgende Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll zeigt, war der Beschwerdeführer aber nicht in der Lage, konkrete Angaben zu machen, irgendein konkretes Bedrohungsszenario oder eine Verfolgungshandlung zu schildern. Ebenso wenig konnte der Beschwerdeführer nachvollziehbare Angaben zum Tod seines Vaters, für den angeblich die Rebellen verantwortlich wären, machen:

"Frage (F): Was würde Sie jetzt konkret erwarten, wenn Sie in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren würden?

Antwort (A): Ich habe Angst vor den Rebellen

F: Wie oft kamen die Rebellen zu Ihnen?

A: Die Rebellen kommen immer wieder.

F: Um wen handelt es sich bei den Rebellen konkret?

A: Sie haben keinen Namen. Es sind einfach Rebellen.

F: In welchem Zeitraum wurden Sie von den Rebellen bedroht?

A: Sie kamen immer wieder bis zu meiner Ausreise.

F: Kamen Sie je persönlich in Kontakt/Konflikt mit den Rebellen?

A: Nein. Das nicht. Aber sie bedrohen Leute, welche Angehörige haben, die für die Armee gearbeitet haben.

F: Wie meinten Sie dann "Sie wären von den Rebellen weggelaufen"?

A: Wir haben aus der Ferne die Rebellen gesehen und sind weggelaufen.

F: Wurde Ihr Bruder nach Ihrer Ausreise noch bedroht?

A: Ja, ja. Immer.

F: Kam Ihr Bruder oder jemand Ihrer Angehörigen je persönlich in Kontakt/Konflikt mit den Rebellen?

A: Nein.

F: Wie können Rebellen wissen, dass Ihr Vater Soldat war?

A: Agadez ist eine kleine Stadt. Die Rebellen wissen alles. Sie bedrohen das ganze Land.

Vorhalt: Laut meines Wissens hat Agadez über 100.000 Einwohner und ist die Hauptstadt der Republik Niger.

A: So groß ist Agadez nicht.

F: Warum, denken Sie, wurde Ihre Familie bedroht?

A: Weil mein Vater Soldat war.

F: Wie und wann ist Ihr Vater gestorben?

A: Das weiß ich nicht."

Diese Aussagen zeigen, dass der Beschwerdeführer weder in der Lage war, Angaben zum Tod seines Vaters zu machen, noch wie er von den Rebellen bedroht wurde noch um welche Rebellen es sich überhaupt handelt. Es ist amtsbekannt, dass es im Niger in den Grenzregionen Probleme mit Boko Haram gibt, doch davon scheint der Beschwerdeführer nicht zu sprechen, wenn er angibt, dass sein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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