TE Vwgh Beschluss 1988/10/18 88/07/0023

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Veröffentlicht am 18.10.1988
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Index

Verfahren vor dem VwGH

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §63 Abs1
AVG §66 Abs4
AVG §69 Abs4
AVG §70 Abs1
VStG §1 Abs2
VwGG §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, in der Beschwerdesache der Gemeinde S, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Dezember 1987, Zl. 410.264/08-I 4/87, betreffend Zurückweisung einer Berufung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. September 1987 stellte der Landeshauptmann von Oberösterreich in Abänderung eines Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 25. November 1970 fest, daß in einem näher bezeichneten Teil des Hochwasserabflußbereiches der T Bauwerke bzw. Anlagen nur bei Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung errichtet werden oder bestehen bleiben dürften. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 1987 keine Folge.

Zur Begründung wurde ausgeführt, durch den Feststellungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich sei in Rechte der Beschwerdeführerin nicht eingegriffen worden, weshalb ihr Parteistellung nicht zukomme. Die Berufung erweise sich daher "als unbegründet". In weiteren Passagen der Bescheidbegründung behandelte die belangte Behörde die Angelegenheit unter "der Annahme einer Parteistellung" der Beschwerdeführerin.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Mit dem nach Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erlassenen Bescheid vom 15. Juli 1988 verfügte der Landeshauptmann von Oberösterreich gemäß § 70 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 AVG 1950 von Amts wegen die Wiederaufnahme des Verfahrens in der gegenständlichen Angelegenheit. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. September 1987 trete somit ex nunc außer Kraft. Das Verfahren sei vom Landeshauptmann als Wasserrechtsbehörde erster Instanz wiederaufzunehmen. In der Bescheidbegründung führte die Behörde aus, ihre Zuständigkeit ergebe sich daraus, daß zur Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens die Behörde zuständig sei, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen habe. Da es sich beim Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 1987 (dem angefochtenen Bescheid) nicht um eine meritorische Erledigung, sondern um eine reine Formalentscheidung handle, sei in der Sache selbst mit dem Bescheid vom 15. September 1987 vom Landeshauptmann von Oberösterreich in letzter Instanz entschieden worden.

Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides der Berufung der Beschwerdeführerin "keine Folge" gegeben und damit eine Formulierung gewählt, die im allgemeinen als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheides anzusehen ist (vgl. Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 25. Oktober 1978, Zl. 1032/77). Demnach wäre der Spruch des angefochtenen Bescheides für sich allein als Abweisung der Berufung zu werten. Demgegenüber ergibt sich aus der Bescheidbegründung, daß die negative Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin in erster Linie darauf gestützt wurde, daß der Beschwerdeführerin mangels Eingriffs in ihre Rechte Parteistellung nicht zukomme. Daraus ist mit hinreichender Deutlichkeit zu schließen, daß das Wollen der belangten Behörde auf Zurückweisung der Berufung gerichtet war. Ein Vergreifen im Ausdruck durch die Behörde, die statt einer Zurückweisung eine Abweisung vorgenommen hat, macht den Bescheid nicht rechtswidrig, wenn aus der Begründung der Zurückweisungswille hervorgeht (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6598/A, vom 6. Mai 1981, Zl. 1812/80, vom 31. Jänner 1985, Zl. 81/08/0125, und vom 25. Juni 1986, Zl. 85/03/0154). Das hypothetische Eingehen in die Sache selbst unter der Annahme einer Parteistellung der Beschwerdeführerin vermag daran nichts zu ändern, weil, auch dann, wenn der Bescheid, mit dem eine Berufung zurückgewiesen wurde, noch den Ausspruch enthält, daß die Berufung auch als unbegründet abzuweisen gewesen wäre, einem solchen Ausspruch und seiner sachlichen Begründung nur der Charakter einer unverbindlichen Äußerung und Rechtsbelehrung zukommt, die nicht der Rechtskraft fähig sind (vgl. Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse

vom 14. Oktober 1932, A 226/31, und vom 11. Februar 1933, A 1239/32).

Es ergibt sich somit, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich mangels einer Entscheidung der belangten Behörde als Berufungsbehörde in der Sache selbst die Behörde darstellt, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat (vgl. Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 85/10/0067) und somit in zulässiger Weise die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt hat. Dies hatte zur Folge, daß die Wirksamkeit des vorangegangenen Bescheides außer Kraft gesetzt wurde (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. März 1977, Slg. 9277/A).

Der Bescheid, mit welchem das Verwaltungsverfahren in der Sache abgeschlossen worden war, ist durch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben worden, und zwar während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens gegen den angefochtenen Bescheid, der sich zwar auf den im Wiederaufnahmeweg aufgehobenen Bescheid bezieht, aber eine Sachentscheidung nicht enthält. Somit kommt der Beschwerde, die sich gegen die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin richtet, keine Bedeutung mehr zu (vgl. die im Zusammenhang mit Wiederaufnahmeverfahren ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1968, Slg. 7425/A, vom 2. Dezember 1983, Zl. 83/04/0160, vom 9. April 1980, Slg. 10092/A, und vom 10. April 1985, Zl. 84/13/0237).

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Frage des Eintritts einer allfälligen Klaglosstellung die Auffassung vertreten hat, sie sei dadurch, daß die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich eine Aufhebung des das wasserrechtliche Verfahren abschließenden Bescheides ex nunc bewirke und somit während der Wirksamkeit des Bescheides gesetztes bescheidwidriges Handeln verwaltungsstrafrechtlich ahndbar sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß gemäß § 1 Abs. 2 VStG 1950 sich die Strafe nach dem zum Zeitpunkt der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des (Straf-)Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Daraus folgt, daß für den Fall von nach Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes vom 15. September 1987 gegen die Beschwerdeführerin (deren Organwalter) eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eine Strafe wegen Verstoßes gegen den durch die Wiederaufnahme des Verfahrens außer Kraft gesetzten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. September 1987 wegen der durch Wegfall dieser Rechtsgrundlage nunmehr für die Beschwerdeführerin günstigeren Rechtslage nicht verhängt werden könnte. Daß mittlerweile derartige gegen die Beschwerdeführerin durchgeführte Strafverfahren mit Verhängung einer Verwaltungsstrafe rechtskräftig abgeschlossen worden wären, kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin wäre sohin durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht günstiger gestellt.

Demzufolge ist die Beschwerde durch die mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. Juli 1988 verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens gegenstandslos geworden. Das Verfahren war daher im Grunde § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Ist eine Beschwerde gegenstandslos geworden und wurde das Verfahren nicht wegen Klaglosstellung eingestellt, so ist weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde Kostenersatz zuzusprechen, weil weder § 56 VwGG anwendbar ist, noch davon die Rede sein kann, daß die belangte Behörde als obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 lit. b VwGG zu gelten hätte (vgl. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1983, Zl. 82/01/0284, und vom 20. Juli 1988, Zl. 88/01/0118).

Bei diesem Ergebnis konnte von einer Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Abstand genommen werden.

Wien, am 18. Oktober 1988

Schlagworte

Berufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als BerufungenBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesInhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenRechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungVerweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988070023.X07

Im RIS seit

16.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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