TE Vwgh Beschluss 2019/5/29 Ro 2019/06/0011

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §1 Abs2
GewO 1994 §2 Abs1 Z1
GewO 1994 §2 Abs1 Z2
GewO 1994 §2 Abs3 Z2
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/06/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision 1. der M B und 2. des H S, beide in S und vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 20. Dezember 2018, LVwG- 318-66/2017-R13, betreffend eine Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Gemeinde Sulzberg; mitbeteiligte Partei: K K, vertreten durch die Lercher & Hofmann Rechtsanwälte GmbH in 6832 Röthis, Schlößlestraße 31a; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei (Bauwerber) betreibt einen Hühnermastbetrieb mit Schlachtung und Veredelung und beantragte am 4. November 2016 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines freistehenden Stallgebäudes für weitere 2800 Masthühner. Diese wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom 20. Juni 2017 unter Auflagen und Bedingungen erteilt.

2 Die dagegen erhobene Berufung der revisionswerbenden Parteien, in welcher sie unter anderem geltend machten, für das gegenständliche Verfahren sei die Bezirkshauptmannschaft B. (BH) und nicht der Bürgermeister der Gemeinde S. zuständig, weil es sich beim Schlachtbetrieb und der angeschlossenen Hühnermast um eine Betriebsanlage handle, wurde von der Berufungskommission der Gemeinde S. mit Bescheid vom 26. September 2017 abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters vom 20. Juni 2017 mit einer Ergänzung bestätigt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (LVwG) wurde der dagegen erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Parteien, in welcher sie unter anderem wiederum die sachliche Unzuständigkeit des Bürgermeisters geltend machten, keine Folge gegeben und der Bescheid der Berufungskommission vom 26. September 2017 mit mehreren Maßgaben bestätigt.

4 Begründend führte das LVwG - zusammengefasst - aus, der Bauwerber führe einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er Masthühner halte und diese Hühner in seinem Betrieb weiterverarbeite. Zudem führe er Lohnschlachtungen (Schlachtung und Weiterverarbeitung von Geflügel, das im Eigentum Dritter stehe) durch. Da er diese Tätigkeiten selbständig, regelmäßig und mit Gewinnerzielungsabsicht ausübe, liege eine gewerbsmäßige Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) vor. Nach § 2 Abs. 1 Z 1 und Z 2 leg. cit. seien die Land- und Forstwirtschaft und die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft vom sachlichen Anwendungsbereich der GewO 1994 ausgenommen. Die Masthuhnhaltung des Bauwerbers sei der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen. Die landwirtschaftliche Urproduktion im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 2 leg. cit. umfasse jedoch nicht auch die Schlachtung selbst gezogener Nutztiere und deren Zerteilung durch den Landwirt selbst. Diese Schlachtung und Ausschrotung sei als ein Nebengewerbe der landwirtschaftlichen Produktion anzusehen, wenn sich diese Tätigkeit als Ausfluss der Hauptbeschäftigung (des Betriebes der Landwirtschaft) darstelle und im Verhältnis zu dieser an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung geringfügig sei. Die Ausübung der Tätigkeiten dürfe jedenfalls nicht dem Erscheinungsbild eines Betriebes entsprechen, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeiten von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt werde.

5 Ausgehend davon stehe für den vorliegenden Fall fest, dass die Lohnschlachttätigkeit des Bauwerbers auch unabhängig von seinem Landwirtschaftsbetrieb vorgenommen werden könnte. Alles, was er zur Ausübung dieser Tätigkeit benötige, seien die Schlachträumlichkeiten sowie die entsprechenden Geräte und Anlagenteile. Die eigentliche Landwirtschaft müsste dazu nicht vorhanden sein. Somit sei die Lohnschlachttätigkeit des Bauwerbers nicht als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren und seien darauf die Bestimmungen der GewO 1994 anzuwenden.

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliege bei fehlender räumlicher und zeitlicher Trennung einer Betriebsanlage, die sowohl einem gewerblichen als auch einem nichtgewerblichen Zweck diene, die gesamte Betriebsanlage der Genehmigungspflicht nach der GewO 1994. Bei der Schlachtung und Weiterverarbeitung der eigenen Hühner und der Schlachtung und Weiterverarbeitung des fremden Geflügels (Lohnschlachtung) sei eine räumliche und zeitliche Trennung zu verneinen, weil die Schlachtung und Zerlegung in denselben Räumlichkeiten, zu denselben Uhrzeiten und mit denselben Betriebsmitteln erfolge. Der Schlachtbetrieb des Mitbeteiligten sei somit als gewerbliche Betriebsanlage anzusehen.

7 Die nichtgewerbliche Tätigkeit der Mästung der Hühner einerseits sowie die Schlachtung und Veredelung andererseits seien jedoch voneinander zeitlich wie auch räumlich getrennt. Die Mästung der Hühner finde in eigenen, klar von den Schlachträumlichkeiten abgegrenzten Räumlichkeiten statt. Während die Schlachtung und Weiterverarbeitung lediglich immer vormittags an den Wochentagen Montag/Dienstag/Mittwoch/Donnerstag stattfinde (Schlachtung: 5.00 bis 9.00 Uhr, Zerlegung: 9.30 bis 13.00 Uhr oder 14.00 Uhr) und im Sommer geschlossen sei, werde die Hühnermast von 5.00 Uhr morgens bis 21.30 Uhr abends, sieben Tage die Woche, ganzjährig betrieben. Im Übrigen sei auch festzuhalten, dass nach den Einreichunterlagen das beantragte Stallgebäude durch eine Straße von den Schlachträumlichkeiten getrennt sei und keine bauliche Einheit darstelle. Da es sich also bei dem beantragten weiteren Stallgebäude zur Haltung von Hühnern zur Mästung um kein Bauwerk für eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage handle, sei für die Erteilung der Baubewilligung der Bürgermeister der Gemeinde S. zuständig.

8 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das LVwG mit fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei einer Betriebsanlage, die sowohl einem gewerblichen als auch einem nichtgewerblichen Zweck diene, die gesamte Betriebsanlage der Genehmigungspflicht nach der GewO 1994 unterliege, wenn, wie im vorliegenden Fall, die tatsächlichen Betriebsabläufe in der Betriebsanlage eine Einheit bildeten (Mästung der Hühner mit anschließender Schlachtung und Weiterveredelung in einer im örtlich unmittelbaren Zusammenhang stehenden gewerblichen Betriebsanlage).

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag in der Sache selbst zu entscheiden, der Revision Folge zu geben und den Antrag auf Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens abzuweisen, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben. Weiter wurde in eventu beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 Das LVwG legte die Akten des Verfahrens vor.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragt, die Revision möge kostenpflichtig als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abgewiesen werden.

Die belangte Behörde äußerte sich in einem als "Stellungnahme" bezeichneten Schreiben.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 8.9.2016, Ro 2015/11/0016, mwN). 14 In der Begründung zur Zulässigkeit der Revision schlossen sich die Revisionswerber erkennbar den Ausführungen des LVwG an. 15 Ausgehend von den Feststellungen des LVwG, wonach die nichtgewerbliche Tätigkeit der Mästung der Hühner einerseits sowie die Schlachtung und Veredelung andererseits voneinander räumlich getrennt sind, die Mästung der Hühner in eigenen, klar von den Schlachträumlichkeiten abgegrenzten Räumlichkeiten stattfindet und der verfahrensgegenständliche Hühnerstall als eigenes, selbstständiges Gebäude errichtet werden soll, liegt im Revisionsfall keine das gegenständliche Bauprojekt umfassende einheitliche Betriebsanlage vor. Es stellt sich daher die für die Zulässigkeit ins Treffen geführte Rechtsfrage, die ausdrücklich von einer Einheit der Betriebsanlage ausgeht, nicht. 16 Da von den revisionswerbenden Parteien auch nicht (gesondert) dargelegt wurde, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom LVwG angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, war diese - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019060011.J00

Im RIS seit

13.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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