TE Vwgh Beschluss 2019/7/17 Ra 2017/13/0065

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Veröffentlicht am 17.07.2019
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz
61/01 Familienlastenausgleich

Norm

BAO §209 Abs1
KBGG 2001 §23

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski und Hofrat Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des R S in W, vertreten durch Mag. Monika Keki-Angermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/4. Stock/10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 21. Juni 2017, Zl. RV/7104735/2015, betreffend Rückzahlung eines Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, der verheiratet und Vater zweier am 9. Jänner 2002 bzw. 22. Mai 2003 geborener Kinder ist, für die in den Jahren 2002 bis 2006 Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 8.532,48 EUR ausbezahlt worden sind, wurde vom Finanzamt mit Schreiben vom 27. November 2014 darauf hingewiesen, dass es sich beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld wirtschaftlich gesehen um ein Darlehen handle, das bei Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen zurückzuzahlen sei. Gleichzeitig forderte das Finanzamt den Revisionswerber auf, eine vorausgefüllte Erklärung des Einkommens gemäß § 23 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) für das Jahr 2009 genau zu prüfen, allenfalls zu berichtigen oder zu ergänzen und unterschrieben an das Finanzamt zurückzuschicken. 2 Die vorausgefüllte Erklärung langte, vom Revisionswerber unterfertigt, am 15. Dezember 2014 wieder beim Finanzamt ein. Der Revisionswerber hatte einzelne Angaben (Anschriften, eine Telefonnummer, seine steuerliche Vertretung) ergänzt und zu den angeführten Zuschussbeträgen den Zusatz "nicht 2009 erhalten" angebracht.

3 Am 11. Februar 2015 erließ das Finanzamt sodann einen Bescheid betreffend Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2009, mit dem es dem Revisionswerber - ausgehend von einem im Jahr 2009 erzielten Gesamteinkommen beider Ehegatten von 36.560,17 EUR - die Abgabe gemäß § 19 Abs. 1 KBGG in Höhe von 1.828,01 EUR vorschrieb (5 % des Gesamteinkommens der Ehegatten).

4 Der Revisionswerber brachte mit Schriftsatz vom 3. März 2015 gegen den Bescheid vom 11. Februar 2015 das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte u.a. aus, er habe im Jahr 2009 keinen Zuschuss bezogen. Sollte sich die Rückforderung auf frühere Jahre beziehen, seien die Verjährungsfristen abgelaufen. Die Festsetzungsverjährung betrage gemäß BAO fünf Jahre. Daher seien alle Rückforderungen verjährt.

5 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. Juni 2015 als unbegründet ab, woraufhin der Revisionswerber die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragte. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge. Es stellte fest, dass für die in den Jahren 2002 und 2003 geborenen Kinder des Revisionswerbers Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt worden seien. Unbestritten sei auch, dass dem Revisionswerber und seiner Ehefrau Ende 2014 Abgabenerklärungen zugestellt worden seien. 7 Der Abgabenanspruch könne gemäß § 21 KBGG letztmals mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden siebten Kalenderjahres entstehen (im Revisionsfall 2009 und 2010). Der streitgegenständliche Abgabenanspruch sei mit Ablauf des Jahres 2009 entstanden, das sei jenes Kalenderjahr, in dem die in § 19 KBGG normierte Einkommensgrenze der Kindeseltern erreicht worden sei.

8 Bei der Rückzahlung der Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld handle es sich gemäß § 18 Abs. 3 KBGG um eine Abgabe im Sinne des § 1 BAO, weshalb für deren Festsetzung die Verjährungsbestimmungen der BAO anzuwenden seien. Die fünfjährige Verjährungsfrist ende gemäß § 207 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Kalenderjahres 2014. Durch die Zustellung von Abgabenerklärungen - dabei handle es sich ohne jeden Zweifel um eine nach außen erkennbare Amtshandlung - habe sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr, also bis Ende 2015 verlängert. Da die Einkommensgrenze des § 19 KBGG im Jahr 2009 erreicht worden und keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, sei die Rückforderung zu Recht erfolgt. 9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden seien, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt:

"Der Auslegung der Festsetzungs- und Rückforderungsfristen im Sinne von §§ 19, 21 KBGG iVm § 207 BAO und iVm mit (sic) § 209 Abs. 1 BAO kommt zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zu.

Das Bundesfinanzgericht hat in Bestätigung der Entscheidung des Revisionsgegners (Finanzamt => in weiterer Folge ‚FA' genannt) die Einhaltung der Festsetzungs- und Rückforderungsfristen durch das Finanzamt (FA) im Sinne der Bestimmungen §§ 207 Abs. 2 BAO, §§ 18,19, 21 KBGG und § 209 Abs 1 BAO für rechtmäßig erachtet.

Es verkannte dabei, dass die Formulierung des § 21 KBGG ‚bis zum Ablauf des Jahres, in dem das Kind das 7. Lebensjahr vollendet hat', eine äußere Fristgrenze zur 5-Jahresfrist des § 21 KBGG und des § 207 BAO ist.

Das bekämpfte Erkenntnis beinhaltet die Rechtsansicht, die Festsetzung der Rückforderungsbeträge wäre generell zum Ablauf des Jahres, in dem das Kind das 7. Lebensjahr vollendet hat, vorzunehmen; ohne dabei den einzelnen Entstehungszeitpunkt (Jahr der Überschreitung) zu berücksichtigen.

Nach den Normen (§ 21 KBGG und § 207 BAO) entsteht der Abgabenanspruch eben aber erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß § 19 erreicht wird.

Ab Entstehen sind daher die 5-jährige Festsetzungsfristen zu berechnen => maximal aber ‚bis zum Ablauf des Jahres, in dem das Kind das 7. Lebensjahr vollendet hat'.

Dieses hier bekämpfte Erkenntnis steht daher in Widerspruch zu Gesetz und Rechtsprechung (soweit vorhanden).

Die hier bekämpfte Entscheidung beinhaltet Festsetzungen und Rückforderungen von Kinderbetreuungsgeldzuschüssen außerhalb dieser gesetzlich vorgesehenen Zeitgrenze; nämlich für die Jahre 2002 - 2006 mit Bescheid vom 11.2.2015.

(...)

Des Weiteren ergibt sich daran anknüpfend die erhebliche Rechtsfrage, ob § 209 BAO (und § 207 BAO) im gegenständlichen Fall überhaupt angewandt werden darf. §§ 19 iVm 21 KBGG sind als lex specialis zu behandeln und Terminisieren die letzte mögliche Frist zur Festsetzung und Einhebung von allfälligen Rückforderungsbeträgen mit Ablauf des Jahres, in dem das Kind das 7. Lebensjahr vollendet hat. Die Fristverlängerung um ein Jahr gemäß § 209 BAO (allgemeine Bestimmung) war daher ebenfalls unzulässig.

(...)

Zusätzlich bedarf es einer korrekten Auslegung, ob automationsunterstützte Abgabenerklärungen im Sinne von § 133 BAO durch den Abgabenpflichtigen selbst eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO hervorrufen. Bei derartigen automationsunterstützten Eingaben durch den Abgabenpflichtigen selbst liegt nach Ansicht des Revisionswerbers keine nach außen hin erkennbaren Amtshandlung des Finanzamts vor. Auch hier wurden Normen unrichtig angewandt."

15 Soweit im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens die Frage aufgeworfen wird, ob "§ 209 BAO (und § 207 BAO) im

gegenständlichen Fall überhaupt angewandt werden darf", ist auf das Erkenntnis vom 10. Mai 2010, 2009/17/0277, zu verweisen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof diese Frage bejaht und zudem Aussagen zum Verhältnis zwischen den Verjährungsregelungen des § 207 BAO in Verbindung mit § 209 Abs. 1 BAO sowie der (die Jahre 2002 und 2003 betreffenden) lex specialis des § 49 Abs. 17 KBGG getroffen hat.

16 Die Frage, "ob automationsunterstützte Abgabenerklärungen im Sinne von § 133 BAO durch den Abgabenpflichtigen selbst eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO hervorrufen", stellt sich im vorliegenden Revisionsfall nicht, weil das Finanzamt den Revisionswerber mit einem - in den Verwaltungsakten einliegenden - Schreiben vom 27. November 2014 dazu aufgefordert hat, eine vorausgefüllte Erklärung des Einkommens gemäß § 23 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) für das Jahr 2009 genau zu prüfen, allenfalls zu berichtigen oder zu ergänzen und unterschrieben an das Finanzamt zurückzuschicken. Solche Schreiben verlängern nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verjährungsfrist hinsichtlich jener Abgaben, auf die das Schreiben Bezug nimmt (vgl. Ritz, BAO6, § 209 Tz 22 f, mwN).

17 Auch mit der Rüge, das Bundesfinanzgericht habe verkannt, "dass die Formulierung des § 21 KBGG ‚bis zum Ablauf des Jahres, in dem das Kind das 7. Lebensjahr vollendet hat', eine äußere Fristgrenze zur 5-Jahresfrist des § 21 KBGG und des § 207 BAO ist", wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, zumal die Revision damit die Frage, wann der Abgabenanspruch entsteht (§ 21 KBGG), unzulässigerweise mit der Frage vermengt, bis zu welchem Zeitpunkt der bereits entstandene Abgabenanspruch festgesetzt werden darf (§ 207 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 208 Abs. 1 lit. a BAO bzw. § 209 Abs. 1 BAO).

18 Das Bundesfinanzgericht stellte zunächst fest, dass die Kinder des Revisionswerbers in den Jahren 2002 und 2003 geboren seien und der hier in Rede stehende Abgabenanspruch im Jahr 2009 und damit innerhalb der in § 21 KBGG normierten Frist (vor Ablauf des auf die Geburt der Kinder folgenden 7. Kalenderjahres) entstanden sei. In einem zweiten Schritt prüfte es, ob die Abgabe innerhalb der in § 207 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 208 Abs. 1 lit. a BAO bzw. § 209 Abs. 1 BAO vorgesehenen Frist festgesetzt worden sei. Diese Frage hat das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die im Jahr 2014 erfolgte Verlängerungshandlung bejaht, was auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken stößt.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Juli 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017130065.L00

Im RIS seit

07.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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