TE Vwgh Erkenntnis 2019/7/24 Ra 2019/02/0115

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Veröffentlicht am 24.07.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung
90/02 Führerscheingesetz

Norm

FSG 1997 §1 Abs3
FSG 1997 §37
StVO 1960 §20 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom 16. April 2019, Zl. VGW- 031/089/2592/2019-11, betreffend Übertretung des FSG (mitbeteiligte Partei: P in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte wurde mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 11. Jänner 2019 schuldig erachtet, er habe am 9. Oktober 2017 in Wien einen Pkw auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, ohne im Besitz einer dafür gültigen Lenkberechtigung der Klasse B zu sein. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.

3 Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, der Mitbeteiligte habe in seiner Beschwerde vorgebracht, er sei wegen nicht rechtzeitigen Erhalts des Entziehungsbescheides ohne Wissen von der Entziehung mit seinem Pkw gefahren. Dem Mitbeteiligten - so das Verwaltungsgericht weiter - sei mit Bescheid der revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 21. September 2017 die Lenkberechtigung der Klasse B entzogen und im selben Bescheid die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt worden. Der Entziehungsbescheid sei nach durchgeführtem Zustellversuch an der Wohnadresse des Mitbeteiligten für diesen beim zuständigen Postamt hinterlegt worden. Der erste Tag der Abholfrist sei der 26. September 2017 gewesen. Am 12. Oktober 2017 sei dem Mitbeteiligten im Zuge einer Verkehrskontrolle die Lenkberechtigung vorläufig abgenommen worden.

4 Den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis folgend habe sich der Mitbeteiligte trotz nachweislich zugestellter Aufforderung zu den Ermittlungsergebnissen nicht geäußert und sei trotz ordnungsgemäßer Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gekommen. 5 Das Verwaltungsgericht ging in rechtlicher Hinsicht von einer wirksamen Zustellung des Entziehungsbescheides am 26. September 2017 aus, verneinte aber ein Verschulden des Mitbeteiligten an der Unkenntnis vom Entziehungsbescheid. Die zweiwöchige Abholfrist zum Tatzeitpunkt am 9. Oktober 2017 sei noch nicht abgelaufen gewesen, diese habe erst am 10. Oktober 2017 geendet. Der Umstand, dass der Mitbeteiligte den hinterlegten Entziehungsbescheid zum Tatzeitpunkt noch nicht behoben habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, zumal die Abholfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei und es keine gesetzliche Verpflichtung gebe, hinterlegte Schriftstücke umgehend zu beheben. Er habe vielmehr noch einen weiteren Tag zur Verfügung gehabt, das hinterlegte Schriftstück rechtzeitig abzuholen. Der Mitbeteiligte habe sohin zum Tatzeitpunkt noch die Möglichkeit gehabt, den hinterlegten Entziehungsbescheid innerhalb der zweiwöchigen Abholfrist zu beheben. Dass er dies nicht gemacht habe, sei für das gegenständliche Verfahren irrelevant, zumal für die Frage der Strafbarkeit gemäß § 1 Abs. 2 VStG allein auf den Tatzeitpunkt abzustellen sei. Dem Mitbeteiligten fehle es daher am Verschulden, weil er zum Tatzeitpunkt keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid gehabt habe, woraus ihm kein Vorwurf gemacht werden könne. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

7 Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die revisionswerbende Landespolizeidirektion erachtet die Revision für zulässig, weil der Mitbeteiligte in Kenntnis des Entziehungsverfahrens gewesen sei und damit rechnen hätte müssen, dass die hinterlegte Sendung des Verkehrsamtes Wien ein damit im Zusammenhang stehendes Schriftstück beinhalte. Der Mitbeteiligte habe dieses Verfahren ignoriert, er habe sich auch nachträglich nicht um die Beschaffung der Sendung gekümmert.

9 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

10 Nach der Aktenlage wurde der Mitbeteiligte mit Bescheid der

revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 14. April 2017 unter anderem zu einer Nachschulung aufgefordert, weil er innerhalb einer bereits verlängerten Probezeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 38 km/h überschritten hat und deshalb gemäß § 20 Abs. 2 StVO bestraft wurde.

11 Mit dem erwähnten Bescheid der revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 21. September 2017 wurde dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung entzogen, weil er die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt hat.

12 Zutreffend geht das Verwaltungsgericht von der Zustellung der hinterlegten Sendung am ersten Tag der Abholfrist, somit am 26. September 2017 aus. An diesem Tag wurde der Entziehungsbescheid der revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 21. September 2017 dem Mitbeteiligten somit zugestellt. 13 Der Mitbeteiligte hat weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren Vorbringen dahin erstattet, dass er nicht in der Lage gewesen wäre - etwa durch Abwesenheit von der Abgabestelle - den hinterlegten Bescheid zu beheben und sich Kenntnis vom Inhalt zu verschaffen. Er hat auch nicht behauptet, vom Entziehungsverfahren keine Kenntnis gehabt zu haben. Er hat vielmehr ohne jegliche Begründung die Hinterlegungsfrist verstreichen lassen und die hinterlegte Sendung nicht behoben. 14 Das Verwaltungsgericht war daher - anders als im Fall VwGH 31.1.2019, Ra 2018/15/0073 - mangels Beteiligung des Mitbeteiligten am Verfahren nicht in der Lage, Feststellungen über die dem Mitbeteiligten möglichen Reaktionen auf die Zustellung zu treffen, es hatte vielmehr von der Aktenlage auszugehen. 15 Danach hätte der Mitbeteiligte in Anbetracht der dem Entziehungsbescheid vorangegangen Verfahren und mangels jeglicher gegenteiliger Anhaltspunkte mit einem Verfahren den Entzug der Lenkberechtigung betreffend rechnen und eine Hinterlegungsanzeige mit dem Absender "Landespolizeidirektion Wien SVA Referat 5 - Verkehrsamt" zum Anlass nehmen müssen, sich umgehend vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis zu verschaffen (vgl. VwGH 8.11.1995, 95/01/0445 und 0446). Es kann daher keine Rede davon sein, dass den Mitbeteiligten an der Unkenntnis vom Entziehungsbescheid kein Verschulden getroffen hat.

16 Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht, den Mitbeteiligten treffe an der Unkenntnis kein Verschulden, weshalb die vorliegende Bestrafung wegen Lenkens ohne Lenkberechtigung rechtswidrig sei, kann demnach nicht gefolgt werden. 17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 24. Juli 2019

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteÜberschreiten der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020115.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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