TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/15 VGW-151/007/1754/2019, VGW-151/007/1756/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2019
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Entscheidungsdatum

15.07.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG §64 Abs1
NAG-DV §8 Z8 lita
VwGVG §29 Abs2a
VwGVG §29 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über 1.) die Beschwerde des A. B., geb. am ...1985, StA: Vereinigte Staaten, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom 12.12.2018, Zahl ...1, und 2.) die Beschwerde der C. D., geb. am ...1987, StA: Kanada, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom 12.12.2018, Zahl ...2, beide vertreten durch Dipl.-Ing. E. F. MBA, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde des A. B. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (MA 35) vom 12.12.2018, Zahl ...1, wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die im Spruch des angefochtenen Bescheids zitierte Rechtsgrundlage lediglich „§ 64 Abs. 1 NAG“ zu lauten hat.

II. Die Beschwerde der C. D. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom 12.12.2018, Zahl ...2, wird als unbegründet abgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem zur Zl. VGW-151/007/1754/2019 angefochtenen Bescheid vom 12.12.2018 wurde der Antrag des A. B. (in der Folge: Erstbeschwerdeführer) vom 16.11.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ abgewiesen. Begründend stütze sich die belangte Behörde auf § 64 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Z 4, § 11 Abs. 5, § 11 Abs. 2 Z 3, § 11 Abs. 3 NAG. Gegen diesen Bescheid richtet sich die formgerechte und rechtzeitige Beschwerde zur Zl. VGW-151/007/1754/2019.

Mit dem zur Zl. VGW-151/007/1756/2019 angefochtenen Bescheid vom 12.12.2018 wurde der Antrag der C. D. (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin) vom 16.11.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familiengemeinschaft“ abgewiesen. Begründend stütze sich die belangte Behörde auf § 69 Abs. 1 NAG. Gegen diesen Bescheid richtet sich die formgerechte und rechtzeitige Beschwerde zur Zl. VGW-151/007/1756/2019.

Mit den Beschwerden wurden die Verwaltungsakten vorgelegt.

Mit den Ladungen zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19.06.2019 wurden den Beschwerdeführern verschiedene Urkundenvorlagen aufgetragen. Mit Schreiben vom 14.06.2019 wurde dem Erstbeschwerdeführer ergänzend aufgetragen ein aktuelles Studienblatt (Inskription im Sommersemester 2019) und ein allfälliges Sammelzeugnis über bereits abgelegte Prüfungen/besuchte Lehrveranstaltungen vorzulegen.

Mit Schreiben vom 18.06.2019 übermittelte der Erstbeschwerdeführer unter anderem eine Studienzeitbestätigung und eine Abgangsbescheinigung von der Universität .... Beide Dokumente weisen einen Studienbeginn am 01.10.2018 und eine Abmeldung („End of Studies“) am 30.04.2019 aus.

Am 19.06.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt, in der die beiden Beschwerdeführer anwesend waren. Mit dem Beschwerdeführer und seinem Vertreter wurde die Rechtslage – nämlich § 64 Abs. 1 NAG, das „Absolvieren“ und die Zulassung zum Studium – umfassend erörtert. Das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen wurde sogleich gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG verkündet. Keine zur Erhebung einer Revision an den VwGH beziehungsweise Beschwerde an den VfGH legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

Feststellungen

Der Erstbeschwerdeführer war von 01.10.2018 bis 30.04.2019 ordentlicher Studierender an der Universität .... Eine Fortsetzung zum Studium hat er nicht gemeldet. Er ist im Sommersemester 2019 nicht inskribiert oder zugelassen. Er hat im Laufe des Wintersemesters 2018/2019 vier Lehrveranstaltungen/Prüfungen positiv absolviert hat.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten verwaltungsbehördlichen Aktes und den im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen des Erstbeschwerdeführers, insbesondere aus Studienzeitbestätigung und Abgangsbescheinigung. Dass eine Abmeldung vom Studium bzw. keine Fortsetzung des Studiums für das Sommersemester erfolgte, wurde nicht bestritten, sondern vielmehr ausdrücklich bestätigt.

Rechtliche Erwägungen

Wird nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG von mindestens einem der hierzu Berechtigten beantragt, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung ist für diesen Fall aber nicht verpflichtend vorgesehen. Auch bei Unterbleiben eines Ausfertigungsantrages kann das Verwaltungsgericht eine (volle) schriftliche Ausfertigung iSd § 29 Abs. 4 VwGVG erlassen.

Besondere Voraussetzung für die Erteilung der vom Erstbeschwerdeführer beantragten Aufenthaltsbewilligung als Studierender ist gemäß § 64 Abs. 1 NAG, dass der Antragsteller ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolviert (und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient).

Dazu wird in § 8 Z 8 lit. a NAG-DV normiert, dass dem Antrag für eine „Aufenthaltsbewilligung – Studierender“ eine Aufnahmebestätigung der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges anzuschließen ist.

Eine Aufnahmebestätigung mag notwendige Voraussetzung für ein Absolvieren iSd § 64 Abs. 1 NAG sein, ist jedoch keinesfalls die (ausschließliche) besondere Erteilungsvoraussetzung iSd § 64 Abs. 1 NAG:

Mit der Abmeldung vom Studium liegt eine aufrechte Zulassung und ein „Absolvieren“ iSd § 64 NAG als besondere Erteilungsvoraussetzung nicht mehr vor. Wenn ein Studium bzw. die Meldung zum Studium nicht fortgesetzt wird, ist das „Absolvieren“ iSd § 64 NAG nicht (mehr) gegeben. Ein früherer „Zulassungsbescheid“ – unabhängig davon, ob es sich um einen echten oder unechten Bescheid handelt (VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0141; 25.04.2019, Ra 2018/22/0272) – ist mit der Beendigung des Studiums durch Nichtverlängerung auch kein Nachweis für ein „Absolvieren“.

Im Beschwerdefall wurde das Studium bereits aktiv betrieben (es wurden Prüfungen absolviert bzw. Lehrveranstaltungen besucht) und der Erstbeschwerdeführer wusste, dass er zugelassen und zum Studium gemeldet ist und er hat in diesem Wissen keine Fortsetzung des Studiums gemeldet; er hat sich vielmehr bewusst dagegen entschieden.

Der Beschwerdevertreter brachte in der mündlichen Verhandlung (u.a.) vor, dass sich aus einem Vergleich der Zulassung mit dem früheren Inskriptionssystem ergäbe, dass der Erstbeschwerdeführer die Voraussetzung des § 64 NAG erfülle. Der Erstbeschwerdeführer habe ganz bewusst keine Studienfortsetzung gemeldet, weil in einem späteren Verlängerungsverfahren ein Erfolgsnachweis für das sonst betriebene Studium verlangt werden könnte und wegen des fehlenden Aufenthaltstitels sei das Erbringen eines Erfolges nicht/nur eingeschränkt möglich.

§ 64 Abs. 1 NAG stellt jedoch nach seinem klaren Wortlaut auf dieses „Absolvieren“ ab und nicht (alleine) auf einen Zulassungsnachweis. Im Beschwerdefall liegt eine Zulassung zum Studium nicht vor. Eine aufrechte Meldung konnte daher auch nicht vorgelegt werden (Studienblatt). Eine aufrechte Inskription/Zulassung für das Sommersemester 2019 liegt auch tatsächlich nicht vor. Zu einem entsprechenden Nachweis wurde der Erstbeschwerdeführer durch das Verwaltungsgericht ausdrücklich aufgefordert.

Auch aus dem Universitätsrecht ergibt sich keine andere Sichtweise, als die eben dargestellte: Ein Studierender ist gemäß § 62 Abs. 1 UG verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden. Die Nachfrist beginnt mit Ablauf der allgemeinen Zulassungsfrist, im Sommersemester endet sie am 30. April. Über eine solche Meldung der Fortsetzung des Studiums hat die Universität dem Studierenden eine Studienbestätigung („Studienblatt“) auszustellen (§ 62 Abs. 4 UG). Die Zulassung zu einem Studium erlischt, wenn der Studierende sich vom Studium abmeldet oder die Meldung der Fortsetzung des Studiums unterlässt (§ 68 Abs. 1 Z 1 und 2 UG). Beendet der Studierende ein Studium, ohne das Studium erfolgreich abgeschlossen zu haben, ist ihm gemäß § 69 UG auf Antrag eine Abgangsbescheinigung auszustellen.

Der Erstbeschwerdeführer hat eine Studienzeitbestätigung und eine Abgangsbescheinigung vorgelegt. Beide Dokumente weisen einen Studienbeginn am 01.10.2018 und eine Abmeldung („End of Studies“) am 30.04.2019 aus. Der Erstbeschwerdeführer ist unzweifelhaft nicht mehr zum Studium zugelassen nach dem UG. Ein „Absolvieren“ iSd des NAG liegt eben nicht vor.

Schließlich ist anzumerken, dass strategische Überlegungen – etwa hinsichtlich der Prüfung des Erfolgsnachweises – für ein späteres allfälliges Verlängerungsverfahren in einem Verfahren über einen Erstantrag keine Berücksichtigung finden können. Auch gelten die Pflichten und Vorgaben des UG unabhängig von fremden- und aufenthaltsrechtlichen Aspekten. Die Frage, ob ein visumsfreier Aufenthalt möglich ist oder ob ein Visum oder eine Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG vorliegt, ist nach den dargestellten Bestimmungen des UG kein Tatbestandsmerkmal und auch kein darin normierter Grund, von Pflichten abzusehen oder ein sonstiger Ausnahme- oder Befreiungstatbestand. Im Übrigen konnte der Erstbeschwerdeführer auch ohne gültigen Aufenthaltstitel bereits Leistungen im Wintersemester 2018/2019 erbringen. Inwiefern eine absolute Unzumutbarkeit der Leistungserbringung für das Sommersemester vorgelegen wäre, ist nicht ersichtlich.

Die Erteilung des Aufenthaltstitels „Studierender“ an den Erstbeschwerdeführer gemäß § 64 NAG war somit bereits wegen des unzweifelhaften Verfehlens der besonderen Voraussetzungen ausgeschlossen.

Nach stRsp des VwGH ist bei Fehlen einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels notwendigen besonderen Erteilungsvoraussetzung weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen noch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0065). Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob die weiteren (allgemeinen) Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, insbesondere ob der Lebensunterhalt als gesichert anzusehen ist.

Damit war auch das Erteilen einer abgeleiteten Aufenthaltsbewilligung an die Zweitbeschwerdeführerin nach § 69 NAG nicht möglich.

Es waren somit beide Beschwerden abzuweisen. Der erstangefochtene Bescheid war mit der Maßgabe einer Korrektur der Rechtsgrundlagen im Spruch zu bestätigen, weil bereits die besondere Voraussetzung verfehlt wird und sich eine Beurteilung der allgemeinen Voraussetzungen damit erübrigt.

Die ordentliche Revision war nicht zulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rsp des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rsp. Weiters ist die dazu vorliegende Rsp des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der Gesetzeslage klar und durch die Rsp geklärt. Insbesondere die angesprochenen Grundvoraussetzungen der §§ 64 und 69 NAG sind völlig klar geregelt und auch das UG hat einen völlig unzweifelhaften Gesetzeswortlaut. Die Sachlage ist im Beschwerdefall auch völlig klar.

Das Verfahren betreffend Aufenthaltstitel erfordert eine Einzelfallbeurteilung. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Verwaltungsgericht hat am 19.06.2019 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde den Beschwerdeführern unmittelbar ausgefolgt und der belangten Behörde sowie dem BMI jeweils am 25.06.2019 zugestellt. Somit wurde die Niederschrift sämtlichen zur Erhebung einer Revision beim VwGH oder einer Beschwerde beim VfGH legitimierten Parteien und Organen ausgefolgt oder zugestellt.

Keine zur Erhebung einer Revision an den VwGH beziehungsweise Beschwerde an den VfGH legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

Gegen diese Ausfertigung des Erkenntnisses ist deshalb mangels Ausfertigungsantrag eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht zulässig.

Schlagworte

Gekürzte Ausfertigung; besondere Erteilungsvoraussetzungen; Absolvieren eines Studiums; aufrechte Studienzulassung; Meldung der Fortsetzung des Studiums

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.007.1754.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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