TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/01/0391

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in 4230 Pregarten, Tragweiner Straße 64, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. April 1998, Zl. 200.565/0-IV/11/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 23. März 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 24. März 1995 die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.

Die Behörde erster Instanz gab in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 28. März 1995 die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen folgendermaßen zusammengefaßt wieder:

"Vor zwei Monaten wäre die Polizei zu Ihnen nach Hause gekommen. Es wäre das ganze Haus nach Waffen durchsucht worden. Sie wären festgenommen, auf einen Berg gebracht und mit Holzknüppeln verprügelt worden. Sie hätten jedoch nie Waffen besessen. Sie wären ca. eine Stunde lang durchgehend geschlagen worden. Sie wären derart verletzt worden, daß Sie dann von einem Arzt zehn Spritzen erhalten hätten müssen. Sie hätten zehn Tage im Bett bleiben müssen. Sie hätten jedoch keine Narben an Ihrem Körper.

Am 21. März 1995 wäre Ihr Haus wieder nach Waffen durchsucht worden. Sie wären aber zufällig gerade nicht zu Hause gewesen. Sie hätten sich bei einem Freund aufgehalten. In Ihrem Haus würden weiters Ihre Frau, Ihr Bruder und dessen Frau wohnen. Diese hätten Ihnen dann erzählt, daß die Polizei da gewesen wäre. Ihnen sei weiters erzählt worden, daß die Polizei nach Ihrem Aufenthaltsort gefragt habe. Ihre Familie hätte den Polizisten gesagt, daß sie nicht wissen würden, wo Sie sich aufhalten. Da Sie Angst gehabt hätten, wieder so geschlagen zu werden wie vor zwei Monaten, seien Sie sofort mit Ihrer Frau geflüchtet. Dies sei alles, was Sie anzugeben hätten. Ansonsten hätten Sie keine Probleme gehabt.

Auf die Frage, ob speziell bei Ihnen nach Waffen gesucht worden ist, gaben Sie an, daß dies der Fall gewesen sei. Es sei Ihnen nicht bekannt, daß die Polizisten auch in anderen Häusern nach Waffen gesucht hätten. Im Kosovo würde die reine Willkür herrschen. Die Polizisten hätten im November 1994 fünf bis sechs andere Häuser in Ihrem Ort nach Waffen durchsucht. Die Polizisten würden genau wissen, daß niemand Waffen besitze. Sie würden diesen Vorwurf nur als Vorwand benutzen, um die Leute belästigen zu können. Die Polizisten würden die Leute nach Lust und Laune schlagen.

Sie seien geflüchtet, weil Sie Angst vor Gewalt gehabt hätten. Sie hätten aufgrund dieser Verhältnisse beschlossen, nie mehr in Ihr Heimatland zurückzukehren.

Auf die Frage, von was Sie seit 1993 gelebt haben, gaben Sie an, daß Sie sich von Gelegenheitsarbeiten ernährt hätten und Ihr Bruder Ihnen auch Geld gegeben habe.

Auf die Frage, ob Sie noch etwas anzugeben haben, gaben Sie an: 'Nein.'"

Die Behörde erster Instanz versagte dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit. Es sei unter Berufung auf die allgemeine Lebenserfahrung nicht nachvollziehbar, daß der Beschwerdeführer zwei Monate nach einer wie von ihm geschilderten Mißhandlung und den daraus resultierenden Verletzungen nicht einmal über minimale Spuren an seinem Körper verfüge. Weiters wolle er am 21. März 1995 ohne irgendwelche Fluchtvorbereitungen überstürzt nach Österreich geflüchtet sein. Aus der Tatsache, daß er sich noch DM 3.000,-- von einem Freund ausgeborgt und seinen Personalausweis mitgenommen habe, sei diese Behauptung "aus der Natur der Sache heraus" unglaubwürdig. Die Behörde erster Instanz kam zum Schluß, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen verlassen habe.

In der dagegen gerichteten Berufung wendete der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung ein, es wäre hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen der behaupteten Mißhandlung und dem Vorhandensein von Verletzungsspuren zwei Monate danach geboten gewesen, einen medizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen. Die Behörde könne mangels einschlägiger medizinischer Ausbildung und Erfahrung nicht zweifelsfrei beurteilen, ob es möglich sei, intensiv verprügelt zu werden, ohne bleibende, ins Auge fallende Schädigungen davonzutragen. Es sei zudem nicht Teil einer allgemeinen Lebenserfahrung, welche bleibenden Verletzungen nach einer schweren Mißhandlung auftreten oder nicht auftreten.

Es habe nicht viel Zeit in Anspruch genommen, sich Geld zu borgen. Der Besitz von Geld sei jedoch geradezu eine Voraussetzung für eine erfolgversprechende Flucht. Es sei auch nicht ungewöhnlich oder gar verdächtig, seinen Personalausweis mit sich zu führen.

Im Laufe des Berufungsverfahrens legte der Beschwerdeführer ein Urteil des Militärgerichtes von Sarajevo vom 31. Jänner 1984 (Straftat der feindlichen Propaganda, Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten) sowie eine Aufforderung des Gemeindegerichtes von Klina zum Vollzug einer Gefängnisstrafe in der Dauer von fünf Jahren, verhängt wegen der Straftat der Vereinigung zum Zwecke der feindlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Straftat der Aufforderung zur gewaltsamen Änderung der Verfassungsordnung vom 26. Februar 1996 vor. Im Zuge einer ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme stimmte er der Verifizierung der vorgelegten Urkunden zu. Das der Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe zugrundeliegende Urteil des Gemeindegerichtes von Klina könne er nicht vorlegen. Er gab zunächst an, daß dieses seine Mutter ausgefolgt erhalten habe, korrigierte diese Angabe aber dahingehend, seine Mutter habe nur die Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe erhalten und nicht das Urteil. Die ursprüngliche Angabe habe sich auf die Aufforderung und nicht auf das Urteil bezogen. Die Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe habe er von seiner Mutter über seinen Schwiegervater erhalten. Er habe "das Dokument" (offensichtlich gemeint: betreffend die Verurteilung im Jahre 1984) bereits bei der Ersteinvernahme vorgelegt. Über Auftrag des Bundesministers für Inneres wurden die vorgelegten Dokumente durch einen von der österreichischen Botschaft Belgrad betrauten Anwalt überprüft. Dieser teilte mit Schreiben vom 29. September 1997 mit, daß es die Vorladung für die Vollstreckung der Gefängnisstrafe des Amtsgerichtes Klina unter der darin enthaltenen Leitnummer ab dem 26. Februar 1996 nicht gebe. Die letzte Eintragungsnummer für die Vollstreckung von Strafsanktionen für das Jahr 1996 sei die Nummer IK 24/96 (die vom Beschwerdeführer vorgelegte Urkunde trägt die Zahl IK 250/96). In einem weiteren Schreiben berichtete der Anwalt, daß hinsichtlich des Urteils des Jahres 1984 eine Beschwerde beim obersten Militärgericht eingereicht worden sei. Diese Beschwerde sei mit Urteil vom 21. Februar 1984 als unbegründet abgelehnt und das Urteil erster Instanz bestätigt worden.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. Februar 1998 vor, daß die Überprüfung der Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe des Gemeindegerichtes Klina ergeben habe, daß es diesen Gegenstand unter der genannten Leitnummer ab dem 26. Februar 1996 nicht gebe. Überdies wurde dem Beschwerdeführer ein Bericht der österreichischen Botschaft Belgrad vom 23. Juni 1997 vorgehalten, demzufolge eine staatliche Gruppenverfolgung der Albaner im Kosovo durch serbische Behörden nicht bekannt sei.

In der Stellungnahme vom 9. März 1998 wendete der Beschwerdeführer im wesentlichen gestützt auf die Länderdokumentationen der schweizerischen Flüchtlingshilfe, Entscheide zu Kosovo, Bern März 1997, ein, daß nicht alle Leitnummern der Vollstreckung von Strafsanktionen von den serbischen Machthabern eingetragen würden. Er zitierte aus der genannten Dokumentation:

"Daß die von der Schweizer Vertretung angeführten Argumente angesichts dessen obsolet werden, ist evident. Im übrigen dürfte es in ganz Serbien keinen Anwalt geben, der für alle Dokumente, die in Kosova von Polizei und Behörden ausgestellt werden, mit hundertprozentiger Sicherheit beurteilen könnte, welche authentisch und welche gefälscht sind, weil Kosova und Serbien juristisch und politisch zwei völlig verschiedene Welten sind. In Kosova werden heute von Behörden und Polizei offizielle Dokumente ausgestellt, die nicht legal sind, die nicht den Vorschriften entsprechen, die nicht uniform sind, die nirgendwo registriert sind und die noch sehr viele andere Unstimmigkeiten aufweisen, aber die einen offiziellen Stempel tragen. Das geschieht und ist nur deshalb möglich, weil in Kosova kein Rechtsstaat besteht, sondern die reine Willkür herrscht."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. April 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie begründete den Bescheid damit, daß sie die "richtig und vollständig" im Bescheid der Behörde erster Instanz wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 24. März 1995 zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhebe. Sie spreche diesen Angaben jedoch die Glaubwürdigkeit ab.

Dies begründete sie folgendermaßen:

"Der Asylwerber hat als Grund für das Verlassen seines Heimatlandes im Zuge seiner Einvernahme vom 24.03.1995 angeführt, daß die Polizei zu ihm nach Hause gekommen sei, nach Waffen gesucht habe, ihn festgenommen und auf einen Berg gebracht habe, wo er derart mit Holzknüppeln verprügelt worden sei, daß er von einem Arzt 10 Spritzen erhalten habe und 10 Tage im Bett habe bleiben müssen. Er habe jedoch keine Narben am Körper. Nach zwei Monaten sei die Polizei wiederum gekommen, er sei jedoch nicht zu Hause gewesen, worauf er dann sein Heimatland verlassen habe.

Nun ist schon überaus zweifelhaft, daß die vom Asylwerber behaupteten massiven Mißhandlungen mit Holzknüppeln keinerlei Spuren am Körper des Asylwerbers hinterlassen hätten, wenn diese tatsächlich in der vom Asylwerber geschilderten Art, nämlich Schläge mit Holzknüppeln durchgehend eine Stunde lang, stattgefunden hätten, welche Bewertung sich auch vornehmen läßt, auch wenn man kaum eine einschlägige medizinische Ausbildung hat.

In der Folge legte dann der Asylwerber u.a. eine 'Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe' des Gemeindegerichts Klina vom 26.02.1996 vor, die jedoch einer Überprüfung über die österreichische Botschaft Belgrad nicht standzuhalten vermochte. Die Überprüfung der genannten Urkunde mit der Geschäftszahl IK 250/96 hat nämlich ergeben, daß es diesen Gegenstand unter der genannten Leitnummer ab dem 26.02.1996 nicht gibt. Die letzte Eintragung für die Vollstreckung von Strafsanktionen für das Jahr 1996 ist die Nummer IK 24/96. Damit steht aber fest, daß der Asylwerber im Asylverfahren eine Urkunde vorgelegt hat, die nicht authentisch ist, zumal die vom Asylwerber diesbezüglich vorgebrachte Rechtfertigung nicht zu überzeugen vermag. Es kann nämlich keineswegs angenommen werden, daß eine von einem Gericht ausgesprochene Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe nicht registriert wäre, zumal in einem solchen Fall dem Gericht dadurch die Durchsetzung derselben entzogen wäre, da diese bei Gericht mangels Registrierung nicht nachvollziehbar wäre.

Daß Registrierungen sehr wohl stattfinden, ergibt sich im übrigen auch aus dem gegenständlichen Bericht der Österreichischen Botschaft Belgrad, wenn es darin heißt, daß die letzte Eintragung für die Vollstreckung von Strafsanktionen für das Jahr 1996 die Nummer IK 24/96 trägt, wogegen jedoch die vom Asylwerber vorgelegte Urkunde die Zahl IK 250/96 aufweist. Bezeichnenderweise hat der Asylwerber auch lediglich eine 'Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe' vorgelegt, nicht jedoch das Urteil, in dem der Asylwerber zu der Gefängnisstrafe verurteilt worden wäre, wobei seine Rechtfertigung bei der Einvernahme vom 23.04.1997, das Urteil des Gemeindegerichtes Klina könne er nicht vorlegen, da dieses seine Mutter ausgefolgt erhalten habe, nicht nachvollziehbar ist, zumal er die Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe doch auch von seiner Mutter zugeleitet erhalten haben will, er doch auch die genannte Aufforderung nicht selbst übernommen haben kann, da er sich zum Zeitpunkt, zu dem diese Urkunde ausgestellt worden sein soll, doch bereits im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Steht nun aber fest, daß der Asylwerber in diesem zentralen Kernbereich seines Vorbringens nicht bei der Wahrheit geblieben ist, so kann naturgemäß nicht angenommen werden, daß insgesamt betrachtet, wobei auch sein Vorbringen im Zuge seiner Einvernahme vom 24.03.1995, das ihn zur Ausreise bewogen habe, für sich allein betrachtet, wie bereits oben dargetan, überaus zweifelhaft ist, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht.

Angesichts dieser Situation muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Asylwerber nicht den Tatsachen entsprechende Umstände vorschiebt, um den gewünschten Verfahrensausgang zu bewirken, sodaß nach der allgemeinen Lebenserfahrung insgesamt nicht auf die Richtigkeit seines Vorbringens vertraut werden darf."

Damit sei eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden, die allgemeine Situation im Heimatland (behauptete Gruppenverfolgung) könne daran nichts ändern.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Urteil aus dem Jahr 1984 vermöge mangels zeitlichen Konnexes zur Ausreise die Gewährung von Asyl nicht zu begründen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde den Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht abschließend ermittelt habe, indem sie kein medizinisches Sachverständigengutachten darüber eingeholt habe, ob der Beschwerdeführer zwei Monate vor Einreise in das Bundesgebiet Österreich glaubwürdig mit Holzknüppeln verprügelt worden sein kann, ohne daß hievon zwei Monate später Verletzungsspuren sichtbar wären. Aus allgemeiner Lebenserfahrung hätte beachtet werden müssen, daß "gerade jene Stellen, welche Folterungen begehen, wegen der Weltöffentlichkeit" danach trachteten, daß "Folterungen möglichst ohne Spuren (Narben etc.) am Opfer zu hinterlassen durchgeführt" würden.

Die Beurteilung dieser Frage ist einem Organwalter der belangten Behörde ohne "einschlägige medizinische Ausbildung" nicht möglich. Die Ansicht der belangten Behörde, es sei "schon überaus zweifelhaft", daß die vom Beschwerdeführer behaupteten massiven Mißhandlungen mit Holzknüppeln keine Spuren an seinem Körper hinterlassen hätten, ist ohne Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen nicht schlüssig nachvollziehbar.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe des Gemeindegerichtes Klina vom 26. Februar 1996 stützt sich die belangte Behörde ausschließlich auf das Ergebnis der Überprüfung über die österreichische Botschaft Belgrad. Sie befaßt sich jedoch nicht ausreichend mit den in der Stellungnahme vom 9. März 1998 vorgebrachten, auf die Länderdokumentation der schweizerischen Flüchtlingshilfe, Entscheide zu Kosovo, Bern März 1997, Bezug nehmenden Einwendungen des Beschwerdeführers, es gebe von Behörden und Polizei offiziell ausgestellte Dokumente, die nirgendwo registriert seien. Zwar entspricht das von der belangten Behörde hiebei verwendete Argument, es könne nicht angenommen werden, daß eine von einem Gericht ausgesprochene Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe nicht registriert wäre, weil in einem solchen Fall dem Gericht dadurch die Durchsetzung entzogen wäre, weil sie bei Gericht mangels Registrierung nicht nachvollziehbar wäre, der üblichen Vorgangsweise in einem Rechtsstaat. Das Argument verliert aber vor dem allgemein bekannten Hintergrund der Situation im Kosovo, indem nicht von vornherein von rechtsstaatlicher Vorgangsweise der Behörden und Gerichte ausgegangen werden kann, an Bedeutung. Dies zeigt der Beschwerdeführer in der Beschwerde mit dem Vorbringen zutreffend auf, es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Staaten bzw. Regime, welche Menschenrechtsverletzungen begehen und Bürger willkürlich verfolgen, bemüht seien, die Anzahl dieser Angriffe gegen die Bürger der Weltöffentlichkeit gegenüber möglichst nach unten zu beschönigen. Ohne weitere Ermittlungen über die Eintragungspraxis am Gemeindegericht in Klina durfte die belangte Behörde nicht in schlüssiger Weise feststellen, daß die vom Beschwerdeführer vorgelegte Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe aufgrund mangelnder Eintragung beim genannten Gericht nicht authentisch sei. Im Zusammenhang damit ist die belangte Behörde sinngemäß davon ausgegangen, der Beschwerdeführer hätte auch das seiner Mutter ebenso wie die Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe ausgefolgte Urteil des Gemeindegerichtes Klina vorlegen können. Dabei ist ihr eine Aktenwidrigkeit unterlaufen. Denn die belangte Behörde übersieht, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner ergänzenden Befragung am 23. April 1997 zwar zunächst vorgebracht hat, daß das Urteil des Gemeindegerichtes seine Mutter ausgefolgt erhalten habe, diese Aussage jedoch nach Rückübersetzung dahingehend korrigiert hat, daß seine Mutter nicht das Urteil erhalten habe, sondern nur die Aufforderung zum Vollzug der Gefängnisstrafe.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält daher der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung nicht stand (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff, abgedruckte hg. Judikatur).

Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen hat, ohne eine mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben (vgl. zur Verpflichtung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010391.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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