TE Bvwg Beschluss 2019/4/2 G314 2208634-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

AVG §71
AVG §72
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §7 Abs4 Z1

Spruch

G314 2208634-2/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin

Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2018, Zl. XXXX, und den Wiedereinsetzungsantrag vom 24.11.2018:

A) Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den

vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Mit dem oben angeführten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde gegen den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF in Österreich, seinen Vorstrafen in Deutschland und dem Fehlen entgegenstehender familiärer oder privater Bindungen begründet.

Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung, in der darauf hingewiesen wird, dass dagegen eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann, die innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids schriftlich "bei uns" einzubringen ist. Gleichzeitig wurde der BF mittels Verfahrensanordnung darüber informiert, dass ihm XXXX gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG als Rechtsberater zur Seite gestellt wird.

Der Bescheid und die Verfahrensanordnung wurden dem BF durch eigenhändige Übernahme am 28.09.2018 zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des 29.10.2018.

Am 31.10.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein mit 25.10.2018 datiertes, an das BVwG adressiertes Schreiben des BF mit folgendem Wortlaut ein: "Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege ich Beschwerde gegen folgende Verfahrensanordnung ein. Eine detaillierte Beschwerde wird vom XXXX folgen. Betreff: Aktenzahl XXXX." Es kann nicht festgestellt werden, wann das Schreiben zur Post gegeben wurde, weil es keinen Poststempel trägt.

Mit dem Schreiben vom 05.11.2018 leitete das BVwG die Eingabe des BF gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das BFA weiter, wo es am 06.11.2018 einlangte.

Das BFA legte daraufhin die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem BVwG vor, wo sie am 08.11.2019 einlangten.

Mit dem Schreiben des BVwG vom 13.11.2018 wurde dem BF Gelegenheit gegeben, zu der nach der Aktenlage verspäteten Einbringung der Beschwerde binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Dieser Verspätungsvorhalt wurde dem BF am 14.11.2018 zugestellt.

Mit dem am 24.11.2018 per Fax beim BVwG eingebrachten Schreiben des nunmehr vom XXXX vertretenen BF nahm er zum Verspätungsvorhalt Stellung und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dazu bringt er zusammengefasst vor, dass er zunächst davon ausgegangen sei, dass sein Rechtsanwalt eine Beschwerde für ihn einbringen werde; dazu sei es aber aufgrund der für den BF unvorhergesehenen Beendigung der anwaltlichen Vertretung wegen Divergenzen zwischen ihm und dem Rechtsanwalt nicht gekommen. Der BF habe daraufhin selbst eine Beschwerde verfasst und ausgehend von der Postaufgabe am 25.10.2018 seiner Meinung nach fristwahrend eingebracht. Er habe die Beschwerde irrtümlich beim BVwG eingebracht, weil er die Rechtsmittelbelehrung, wonach eine Beschwerde an das BVwG zu erheben sei, so verstanden habe. Er habe die Frist aufgrund dieses von ihm unvorhersehbaren Irrtums versäumt, an dem ihn aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechtsvorschriften nur ein Verschulden minderen Grades träfe. Gleichzeitig erstattete der BF eine Beschwerdeergänzung, in der er die Beschwerdegründe näher ausführte und konkrete Beschwerdeanträge stellte.

Am 15.02.2019 reiste der BF nach Deutschland aus.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahren und der Gerichtsakten des BVwG, sodass sich eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71 und 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein Verschulden an der Versäumung hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB) unterläuft (VwGH 01.06.2017, Ra 2017/06/0040), wobei auch unvertretene Parteien bei der Wahrnehmung von Fristen eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft (VwGH 25.09.2018, Ra 2016/05/0018). Ein minderer Grad des Versehens liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; 23.05.2001, 99/06/0039; 01.06.2006, 2005/07/0044).

Jegliches Geschehen (also auch sogenannte psychologische Vorgänge wie Vergessen, Verschreiben, sich irren usw.) kann als "Ereignis" iSd § 33 VwGVG gewertet werden (vgl zu § 71 Abs 1 AVG VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Auch ein Rechtsirrtum oder die Unkenntnis von Rechtsvorschriften kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen (VwGH 11.05.2017, Ra 2017/04/0045). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei (oder ihren Vertreter) an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (VwGH 16.09.1999, 99/20/364; 30.04.2001, 2001/03/0183; 25.05.2007, 2006/12/0219). Eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätte vermieden werden können durch die aufmerksame Lektüre des Bescheids (VwGH 31.07.2007, 2006/05/0089), und zwar nicht nur des Spruchs, sondern insbesondere auch der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279; 09.06.2004, 2004/16/0096).

Der vom BF als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Irrtum darüber, wo die Beschwerde einzubringen sei, ist nach dieser Judikatur grundsätzlich ein Ereignis, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann, jedoch hat der BF nicht die gebotene Sorgfalt angewendet. Er handelte vielmehr auffallend sorglos, indem er die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheids, in der klar und eindeutig darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerde zwar an das BVwG zu richten, aber bei der bescheiderlassenden Behörde ("bei uns"), also beim BFA, einzubringen sei, außer Acht ließ.

Es liegt kein minderer Grad des Versehens vor, weil der BF bei gehöriger, ihm zumutbarer Sorgfalt seinen Irrtum bei aufmerksamem Durchlesen der Rechtsmittelbelehrung erkennen hätte müssen und dieser so abwendbar gewesen wäre. Bei allfälligen, dann noch bestehenden Zweifeln wäre es ihm zumutbar gewesen, sich innerhalb der Rechtsmittelfrist bei der Behörde oder bei einer rechtskundigen Person (z.B. bei seinem früheren Rechtsanwalt oder bei dem ihm beigegebenen Rechtsberater) darüber zu informieren, wo die Beschwerde einzubringen sei.

Der BF hat somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, weil das Einbringen der Beschwerde bei der falschen Stelle bei gehöriger Aufmerksamkeit und der ihm zumutbaren Sorgfalt verhindert hätte werden können. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sind daher nicht erfüllt, sodass der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet abzuweisen ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß §§ 12, 20 VwGVG sind Beschwerden bei der belangten Behörde einzubringen. Die Einbringung der Beschwerde beim BVwG war daher nicht fristwahrend. Die vom BVwG an das BFA weitergeleitete Beschwerde langte erst nach dem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist dort ein, sodass sie als verspätet zurückzuweisen ist.

Die Stellungnahme des BF zum Verspätungsvorhalt führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal sich das Vorbringen in dem Wiedereinsetzungsantrag erschöpft und der Annahme der Verspätung der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wird. Die erst am 06.11.2018 beim BFA eingelangte Beschwerde ist daher gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG iVm §§ 28 Abs 1, 31 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Zu Spruchteil C):

Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in einem Verfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 03.09.2018, Ra 2018/01/0370).

Die Revision ist vor diesem Hintergrund nicht zuzulassen, zumal keine Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG Bedeutung zu lösen ist.

Schlagworte

Fristversäumung, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2208634.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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