TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/04/0138

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §204 Abs1;
GewO 1994 §204 Abs2 Z1;
GewO 1994 §204 Abs2 Z2;
GewO 1994 §39 Abs2;
GewO 1994 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 13. November 1996, Zl. 319.212/1-III/5a/96, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung "Gewerblicher Architekt", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 13. November 1996 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheit den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, daß sie die Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" verwenden dürfe, gemäß § 204 Abs. 2 GewO 1994 ab. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei zur Ausübung des Baumeistergewerbes an einem näher bezeichneten Standort berechtigt. Es sei ihr mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 30. April 1996 die Genehmigung zur Bestellung des Ing. H.V. zum Geschäftsführer für die Ausübung dieses Gewerbes erteilt worden. Inhaber der Berechtigung zur Ausübung des gegenständlichen Baumeistergewerbes sei die Beschwerdeführerin, die damit Gewerbetreibender im Sinne des § 38 Abs. 2 GewO 1994 sei. Ein Gewerbetreibender, der so wie die Beschwerdeführerin eine juristische Person sei, müsse, um das Baumeistergewerbe ausüben zu können, gemäß § 9 Abs. 1 GewO 1994 einen Geschäftsführer bestellt haben. Dieser Geschäftsführer müsse unter anderem die Befähigung für das Baumeistergewerbe, die naturgemäß nur eine natürliche Person und keine juristische Person zu erbringen vermöge, nachweisen. Nach dem klaren Wortlaut des § 204 Abs. 2 GewO 1994 dürfe nur ein Gewerbetreibender, dessen Gewerbeberechtigung das Recht zur umfassenden Planung beinhalte, neben der Bezeichnung "Baumeister" auch die Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" verwenden, wenn er ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis entsprechend den Art. 10 und 11 der Richtlinie 85/384-EWG vom 10. Juni 1995, ABl. Nr. L 223 vom 21. August 1985, S 15/25-Anhang VII Z. 18 des EWR-Abkommens, entweder aufgrund der erfolgreichen Ablegung der Reifeprüfung an einer einschlägigen inländischen Höheren Technischen Lehranstalt (Hochbau) erworben habe und eine zumindest zehnjährige als Baugewerbetreibender oder in einer dem gleichzuhaltenden Funktion tätig gewesen sei (lit. a) oder aufgrund eines inländischen einschlägigen Hochschul(Universitäts)Studiums erworben habe (lit. b). Da die Ablegung einer Reifeprüfung oder die Absolvierung eines Universitätsstudiums ausschließlich durch eine natürliche Person erfolgen könne, komme die Feststellung, daß eine juristische Person, die zur Ausübung des Baumeistergewerbes berechtigt sei, neben der Bezeichnung "Baumeister" auch die Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" verwenden dürfe, nach der Rechtslage nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluß vom 9. Juni 1998, Zl. B 5065/96-5, ablehnte und die Beschwerde mit Beschluß vom 23. Juli 1998, Zl. B 5065/96-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven öffentlichen Recht auf Feststellung der Berechtigung zur Verwendung der Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" gemäß § 204 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes regt sie zunächst an, der Verwaltungsgerichtshof möge das Bescheidprüfungsverfahren von Amts wegen unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Gesetzesprüfung gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG stellen und hiebei § 204 GewO 1994 einem Gesetzesprüfungsverfahren mit dem Begehren unterziehen lassen, im Satzteil ab "wenn er 1. ein Diplom" ... bis "Wettbewerbsteilnehmer wirksam wird" (= Ende des Satzes), in eventu § 204 Abs. 2 Z. 1 als verfassungswidrig aufzuheben. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerdeführerin vor, der Titel "Gewerblicher Architekt" sei keine persönliche Auszeichnung, sondern sei Voraussetzung dafür, daß in verschiedenen deutschen Bundesländern ein Auftrag übernommen werden könne. Um am Wettbewerb teilzunehmen, sei die Führung dieses Titels unumgängliche Voraussetzung. Dem Titel komme daher quasi die gleiche Funktion wie einer Gewerbeberechtigung in Österreich zu. Die Beschwerdeführerin habe sich in Deutschland um Auftragsvergaben bemüht und habe dabei mehrfach keine Auftragserteilung erzielen können, da eine Reihe von Bauordnungen in Deutschland als Voraussetzung für die Bauvorlageberechtigung das Recht zur Führung des Titels "Gewerblicher Architekt" verlangten. Wenngleich die Formulierung des § 204 Abs. 2 GewO 1994 auf den ersten Blick offensichtlich auf eine natürliche Person abstelle, müßten mangels vernünftiger und sachlich gerechtfertigter Gründe für eine differenzierte Regelung auch juristische Personen in den Genuß kommen können, diesen Titel zu führen. Bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation könne der Gesetzestext bestenfalls als Zufall oder nicht besonders glücklich gewählt gewertet werden. Da das Baumeistergewerbe sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen ausgeübt werden dürfe, könne es auch bei der Führung des Titels "Gewerblicher Architekt" nicht darauf ankommen, ob es sich beim Gewerbetreibenden um eine natürliche oder juristische Person handle. Da für eine beschränkende Regelung im Sinne einer ausschließlichen Verwendung des Titels durch natürliche Personen kein öffentliches Interesse bestehe und eine derart unterschiedliche Regelung als unverhältnismäßig einzustufen wäre, müsse die Berechtigung zur Führung dieses Titels gleichermaßen für juristische Personen in Betracht kommen. Könne sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Interpretation nicht anschließen, müsse die Regelung des § 204 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 wegen Widerspruches gegen die Erwerbsfreiheit, den Gleichheitsgrundsatz sowie die Eigentumsfreiheit als verfassungswidrig angesehen werden, weshalb die eingangs erwähnte Anregung erfolgt sei. Auch eine Bedachtnahme auf die Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechtes und des Rechtes auf freien Dienstleistungsverkehr rechtfertige die gesetzlichen Beschränkungen nicht. Diese Richtlinie gelte für die Zwecke dieses Abkommens mit der Anpassung, daß Art. 11 durch den Zusatz ergänzt werde: "In Österreich

... - die Ingenieurdiplome der Fachschulen oder Fachhochschulen für

Bauwesen sowie die Baumeister-Lizenz, die eine mindestens 6-jährige Berufserfahrung in Österreich bescheinigt, abgeschlossen durch eine Prüfung". Die weitergehenden beschränkenden Normierungen des § 204 Abs. 2 GewO 1994 seien daher jedenfalls überschießend und daher unverhältnismäßig, also verfassungswidrig. Schlechtestenfalls könnte eine Regelung akzeptiert werden, die juristischen Personen den Erwerb dieser Bezeichnung unter der Voraussetzung ermögliche, daß ein Funktionsträger der juristischen Person oder der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer die gesetzlich normierten Voraussetzungen des § 204 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 erfülle. Diese Voraussetzungen seien im Falle der Beschwerdeführerin gegeben. Auch eine Bedachtnahme auf die Regelungen des Ziviltechnikergesetzes 1993 gebiete eine Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen im Rahmen der Gewerbeordnung bei der Führung des fraglichen Titels. Auf die Frage der Geschäftsführung im Sinne des § 28 Abs. 1 Ziviltechnikergesetzes könne es im gegebenen Zusammenhang nicht ankommen. Maßgeblich könnte lediglich sein, daß natürliche Personen in irgendeiner Form der Gesellschaft angehörten, die selbst die persönlichen Voraussetzungen zur Führung dieses Titels erfüllten und in die Gesellschaft entsprechend eingebunden seien.

Gemäß § 9 Abs. 1 GewO 1994 können juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes (Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (Offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

Nach § 39 Abs. 2 leg. cit. muß der Geschäftsführer unter anderem den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß § 9 Abs. 1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder

2. ein zumindest zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb Beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes vollversicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

Nach § 202 Abs. 1 GewO 1994 ist der Baumeister berechtigt

1. Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten zu planen und zu berechnen,

2.

Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten zu leiten,

3.

Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten nach Maßgabe des § 201 Abs. 4 und des Abs. 3 auch auszuführen und Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten abzubrechen.

Gemäß § 204 Abs. 1 dürfen nur Gewerbetreibende, deren Gewerbeberechtigung das Recht zur umfassenden Planung gemäß § 202 Abs. 1 Z. 1 beinhaltet, die Bezeichnung "Baumeister" verwenden. Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Baumeistergewerbes eingeschränkt auf die Ausführung von Bauten berechtigt sind, dürfen keine Bezeichnung verwenden, die den Eindruck erwecken könnte, daß sie zur Planung von Bauten berechtigt sind.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten frühestens nach einer Beobachtungszeit von einem Jahr ab dem 5. März 1994 auf Antrag des Gewerbetreibenden innerhalb von drei Monaten durch Bescheid festzustellen, daß der Gewerbetreibende, dessen Gewerbeberechtigung das Recht zur umfassenden Planung gemäß § 202 Abs. 1 Z. 1 beinhaltet, neben der Bezeichnung "Baumeister" auch die Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" verwenden darf, wenn er

              1.              ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis entsprechend den Art. 10 und 11 der Richtlinie 85/384/EWG vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechtes und des Rechtes auf freien Dienstleistungsverkehr, ABl. Nr. L 223 vom 21. August 1985,

S 15/25-Anhang VII Z. 18 des EWR-Abkommens,

entweder aufgrund der erfolgreichen Ablegung der Reifeprüfung an einer einschlägigen inländischen Höheren Technischen Lehranstalt (Hochbau) erworben hat und mindestens zehn Jahre als Baugewerbetreibender oder in einer dem gleichzuhaltenden Funktion tätig war,

              b)              oder aufgrund eines inländischen einschlägigen Hochschul(Universitäts)Studiums erworben hat und

              2.              in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Europäischen Union aufgrund der dort geltenden Vorschriften und Normen oder auch nur tatsächlich von der Übernahme von öffentlichen Aufträgen auf dem Fachgebiet seiner Gewerbeberechtigung oder von der Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen oder aufgrund der dort geltenden Vorschriften und Normen von der Übernahme von privaten Aufträgen oder von der Beteiligung an privaten Ausschreibungen nur deshalb ausgeschlossen wurde, weil er diese Bezeichnung nicht führen darf, sofern dieser Ausschluß nicht nur gegenüber einem inländischen Wettbewerbsteilnehmer wirksam wird.

Wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Absätze 1 und 2 des § 204 leg. cit. ergibt, handelt es sich bei der Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" (wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt) nicht etwa um einen nur einer physischen Person zugänglichen Titel, sondern, wie sich insbesondere aus § 204 Abs. 2 Z. 2 ergibt, um die Benennung einer Gewerbeberechtigung, die ein besonderes Maß an Qualifikation des Gewerbeberechtigten erkennen läßt. Da nach § 9 Abs. 1 GewO 1994 unter anderem juristische Personen in gleicher Weise berechtigt sind, Gewerbe auszuüben wie natürliche Personen, muß ihnen mangels ausdrücklicher gegenteiliger gesetzlicher Regelung bei entsprechender Qualifikation ihrer gewerblichen Tätigkeit auch das in § 204 Abs. 2 eingeräumte Recht zukommen.

Diesem Verständnis steht der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, daß die Ablegung einer Reifeprüfung oder die Absolvierung eines Universitätsstudiums ausschließlich durch eine natürliche Person erfolgen kann, deshalb nicht entgegen, weil nach dem in der Regelung des § 39 Abs. 2 GewO 1994 zum Ausdruck kommenden System der Gewerbeordnung die für die Gewerbeausübung erforderliche Qualifikation von einer juristischen Person regelmäßig in der Person ihres gewerberechtlichen Geschäftsführers zu erbringen ist. Dies gilt auch für die Erbringung der Anforderungen des § 204 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage der Beschwerdeführerin das Recht zur Führung der Bezeichnung "Gewerblicher Architekt" ohne weitere Prüfung schon deshalb verweigerte, weil es sich bei ihr um eine juristische Person handelt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040138.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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