TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/04/0135

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des M G in W, vertreten durch den als Verfahrenshelfer bestellten Dr. H K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Mai 1998, Zl. 319.685/1-III/3a/97, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Mai 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 28 GewO 1994 die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Elektrotechniker (§ 210 GewO 1994), eingeschränkt auf die Verwendung von Blitzschutzanlagen, verweigert. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage aus, der Beschwerdeführer vermöge zum Nachweis seiner Befähigung ausschließlich auf eine fachliche Tätigkeit als Blitzschutzmonteur in zwei verschiedenen Betrieben in der Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 3. April 1987 und vom 6. Juli 1987 bis 3. November 1994 sowie auf eine Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. seit 1. März 1995 und als nunmehriger Alleingesellschafter dieser Ges.m.b.H. zu verweisen. In seiner Berufung bringe der Beschwerdeführer weiters vor, er sei seit April 1993 nicht mehr als Blitzschutzmonteur, sondern als Techniker mit dem Aufgabenbereich Lagerverwaltung und Materialeinkauf, Überwachung laufender Bauvorhaben, Einsatz und Überwachung von Monteuren, Prüfung von Blitzschutzanlagen, Betreuung von Kunden, Erstellung von Blitzschutzprojekten und Blitzschutzplänen, Kalkulation von Angeboten und Erstellung von Abrechnungsunterlagen tätig gewesen. Der Beschwerdeführer habe zum Nachweis seiner Befähigung weder weitere Beweismittel angeboten noch ein weiteres Vorbringen erstattet. Allein auf Grund einer vieljährigen ausführenden Tätigkeit als Blitzschutzmonteur, die lediglich in der Dauer von eineinhalb Jahren qualifizierte einschlägige Tätigkeit in einem Betrieb umfasse, wobei der tatsächliche Umfang durch kein Zeugnis habe nachgewiesen werden können, und einer Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer, wobei er Angebote und Rechnungen sowie das Zeichnen der Pläne über Computer abgewickelt habe, könne nicht der Schluß gezogen werden, der Beschwerdeführer, der keine einschlägige Lehrabschlußprüfung abgelegt und somit auch nicht einmal die Voraussetzungen erfülle, um zur gegenständlichen Befähigungsprüfung zugelassen zu werden, besitze die für die Ausübung des auf die Errichtung von Blitzschutzanlagen eingeschränkten Elektrotechnikergewerbes erforderliche hinreichende Befähigung. Der Beschwerdeführer habe keine Beweismittel dafür angeboten, daß er die für die Ausarbeitung eines Projektes einer Blitzschutzanlage einschließlich der Bestimmung der erforderlichen Fangvorrichtungen, Ableitungen und Erdungsanlagen unter Berücksichtigung der geltenden elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften und Vorschriften über die Normalisierung und Typisierung für die Errichtung und Überprüfung von Blitzschutzanlagen erforderlichen einschlägigen theoretischen Kenntnisse besitze. Der Beschwerdeführer habe auch nicht nachgewiesen, daß er zumindest hinreichend jene Qualifikation besitze, die ein Absolvent einer Werkmeisterschule für Berufstätige für Elektrotechnik in bezug auf die Planung und Errichtung von Blitzschutzanlagen besitze. Auch die beim Lehrgang über elektrotechnische Sicherheitsvorschriften vermittelten Kenntnisse vermöge der Beschwerdeführer nicht nachzuweisen. Er besitze somit für das auf die Errichtung von Blitzschutzanlagen eingeschränkte Elektrotechnikergewerbe nicht jenen Grad der Befähigung, der erforderlich sei, um jene Leistungen zu erbringen, die in der Regel von Personen, die das gegenständliche Gewerbe ausüben, verlangt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das in Rede stehende Gewerbe erteilt zu bekommen. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt er im wesentlichen vor, er sei während eines Zeitraumes, der der vierfachen Lehrlingstätigkeit entspreche, einschlägig mit der Errichtung von Blitzschutzanlagen beschäftigt gewesen. Der Befähigungsnachweis für die Errichtung solcher Blitzschutzanlagen sei im Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Elektrotechniker inkludiert. Der Befähigungsnachweis für dieses letztere Gewerbe enthalte keinerlei Hinweis darauf, ob der diesen Befähigungsnachweis Besitzende überhaupt befähigt sei, das Gewerbe der Errichtung von Blitzschutzanlagen auszuüben. Grundsätzlich erwerbe jemand den Befähigungsnachweis der Elektrotechnik, ohne mit der Errichtung von Blitzschutzanlagen überhaupt in Berührung zu kommen. Dies bedeute, daß der Befähigungsnachweis für Elektrotechniker zwar die Errichtung von Blitzschutzanlagen inkludiere, aber in tatsächlicher Hinsicht eine Überprüfung der Befähigung überhaupt nicht stattfinde. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer eine mehr als ein Jahrzehnt lange Erfahrung konkret mit der Tätigkeit der Errichtung von Blitzschutzanlagen. Daraus ergebe sich, daß er die Befähigung für die Errichtung solcher Blitzschutzanlagen nicht nur im erforderlichen Rahmen für das Gewerbe der Elektrotechnik besitze, sondern in weitaus höherem Rahmen. Es wäre daher nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 seine volle Befähigung zu bejahen gewesen. Dazu komme noch, daß er im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nicht nur über eine hinreichende tatsächliche Befähigung verfüge, sondern daß ihm auf Grund seines Alters von 48 Jahren auch die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises nicht zuzumuten sei. Er sei genötigt, seine Firma als handelsrechtlicher und unter der Voraussetzung der Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer zu leiten. Er sei auch genötigt, in dieser Firma sämtliche Arbeiten, die mit der Errichtung von Blitzschutzanlagen bis zur tatsächlichen Montage hin erforderlich seien, zu leisten. Es sei ihm damit neben dieser umfangreichen beruflichen Tätigkeit nicht zuzumuten, den von der Gewerbeordnung geforderten Befähigungsnachweis nachzuholen.

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen,

oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

Die belangte Behörde hat den dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegenden Antrag des Beschwerdeführers sowohl als solchen im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 als auch als solchen nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 gewertet.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Frage, ob der Nachsichtswerber die für die Erteilung einer derartigen Nachsicht nach dieser Gesetzesstelle geforderte volle Befähigung besitzt, nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit zu beurteilen. Um in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise beurteilen zu können, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht nach dieser Gesetzesstelle gegeben sind, bedarf es daher konkreter Feststellungen über den vom Nachsichtswerber durchlaufenen (einschlägigen) Bildungsgang und seiner bisherigen (einschlägigen) Tätigkeit. Aus diesen Grundlagen sind anschließend Feststellungen über jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu treffen, die der Beschwerdeführer durch diesen Bildungsgang und diese Tätigkeit auf dem in Rede stehenden Fachgebiet erworben hat. Das so gewonnene Ergebnis ist sodann den aus den für das in Rede stehende Gewerbe geltenden Vorschriften zu entnehmenden, für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen gegenüberzustellen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1998, Zl. 98/04/0076).

Diesen Anforderungen kommt der angefochtene Bescheid zunächst insofern schon nicht nach, als die belangte Behörde in aktenwidriger Weise davon ausging, der Beschwerdeführer habe für seine qualifizierten Tätigkeiten als Techniker mit dem Aufgabenbereich Lagerverwaltung und Materialeinkauf, Überwachung laufender Bauvorhaben, Einsatz und Überwachung von Monteuren, Prüfung von Blitzschutzanlagen, Betreuung von Kunden, Erstellung von Blitzschutzprojekten und Blitzschutzplänen, Kalkulation von Angeboten und Erstellung von Abrechnungsunterlagen keine Beweismittel angeboten, sodaß der tatsächliche Umfang dieser Tätigkeiten nicht hätte festgestellt werden können. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid, in dem auch das diesbezügliche Sachverhaltsvorbringen enthalten ist, als Beweis für die Richtigkeit dieses Vorbringens und über den Inhalt seiner Tätigkeit die Vernehmung des Zeugen Ing. Karl K. beantragt. Diese Aktenwidrigkeit betrifft insofern einen wesentlichen Punkt im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG, als bei deren Vermeidung die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, dieses angebotene Beweismittel aufzunehmen, und nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei Vermeidung dieses Mangels ein Sachverhalt hervorgekommen wäre, der entgegen der Annahme der belangten Behörde den Schluß zugelassen hätte, daß der Beschwerdeführer sehr wohl die Fähigkeiten "für die Ausarbeitung eines Projektes einer Blitzschutzanlage einschließlich der Bestimmung der erforderlichen Fangvorrichtungen, Ableitungen und Erdungsunterlagen unter Berücksichtigung der geltenden technischen Sicherheitsvorschriften und Vorschriften über die Normalisierung und Typisierung für die Errichtung und Überprüfung von Blitzschutzanlagen" verfügt.

Ganz abgesehen davon hat es die belangte Behörde auch auf dem Boden des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens unterlassen, gegebenenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen Feststellungen über den tatsächlichen Stand der Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers auf dem in Rede stehenden Fachgebiet zu treffen und diese den aus der entsprechenden Befähigungsnachweisverordnung zu gewinnenden, für die Annahme des Bestehens der vollen Befähigung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gegenüberzustellen.

Gleiches gilt sinngemäß für die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer verfüge auch nicht über die ihm nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erforderliche hinreichende Befähigung für das in Rede stehende Gewerbe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995,Zl. 94/04/0195).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040135.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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