TE Vwgh Erkenntnis 2019/7/15 Ra 2019/18/0022

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Veröffentlicht am 15.07.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8
BFA-VG 2014 §21 Abs7
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des E B, vertreten durch Mag. Johann Kaltenegger, Rechtsanwalt in 8130 Frohnleiten, Hauptplatz 25/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2018, Zl. I416 2196068- 1/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wendet.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein senegalesischer Staatsangehöriger, beantragte am 15. September 2015 internationalen Schutz. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, er sei in seiner Heimat von Rebellen bedroht worden und fürchte bei Rückkehr, von diesen getötet zu werden.

2 Im Laufe des Verfahrens gab der Revisionswerber überdies an, gesundheitliche Probleme zu haben. Mit Schreiben vom 13. April 2018 übermittelte seine Rechtsvertretung der Asylbehörde (unter anderem) eine Terminvereinbarung mit dem Landeskrankenhaus - Universitätsklinikum Graz vom 27. März 2018, wonach der Verdacht auf eine Sichelzellenanämie bestehe. In einer gleichzeitigen Stellungnahme brachte der Revisionswerber vor, dass diesbezüglich noch eine genauere Abklärung notwendig sei.

3 Ohne diese Abklärung abzuwarten, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 18. April 2018 sowohl in Bezug auf den begehrten Asylstatus (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des angestrebten subsidiären Schutzes (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung in den Senegal zulässig sei (Spruchpunkt V.) und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).

4 In der Begründung der Entscheidung schenkte das BFA dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers keinen Glauben und es ging in Bezug auf den Gesundheitszustand des Revisionswerbers davon aus, dass er an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung leide.

5 Gegen den Bescheid des BFA erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er insbesondere auch geltend machte, er leide an einer Sichelzellenanämie und habe diesbezügliche medizinische Unterlagen übermittelt. Im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat könne der Revisionswerber die notwendige Behandlung nicht bekommen. Ohne weitere behördliche Schritte sei jedoch die bekämpfte Entscheidung erlassen worden. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 7 Begründend schloss sich das BVwG der Beweiswürdigung des BFA zum Fluchtvorbringen an. Im Übrigen führte es aus, der Revisionswerber sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er leide an keiner lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung, die seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehe.

8 In den Länderfeststellungen zur Lage im Senegal führte das BVwG wörtlich unter anderem Folgendes aus:

"Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist schlecht, vor allem außerhalb der Hauptstadt Dakar ist die Gesundheitsversorgung völlig unzureichend. Es gibt ein starkes Stadt-Land-Gefälle und etwa drei Viertel der Ärzte praktizieren in der Hauptstadt Dakar. Krankenhausbetten sind auf dem Land kaum vorhanden. Trotz gut ausgebildeter Ärzte ist das staatliche Gesundheitssystem unzureichend, Patienten müssen ihre Medikamente, Operationen und Krankenhausaufenthalte selbst finanzieren. Dies verursacht vor allem Probleme bei chronischen Erkrankungen ..."

9 In der Beweiswürdigung hielt das BVwG unter anderem fest, die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers ergäben sich aus seinen Ausführungen vor dem BFA in Zusammenschau mit den vorgelegten Unterlagen. Daraus ergebe sich, dass er an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ergänzte das BVwG, der Revisionswerber habe im gesamten Verfahren keine Beweise für eine tatsächlich vorliegende Erkrankung vorgelegt.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, das BVwG habe sich zur Ländersituation im Senegal nicht auf Quellen gestützt, die im Zeitpunkt der Entscheidung auf dem allerletzten Stand gewesen seien. Den Gesundheitszustand des Revisionswerbers habe das BVwG nicht im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt, zumal seine Sichelzellenanämie in die Beurteilung nicht eingeflossen sei. Eine mündliche Verhandlung sei zu Unrecht nicht durchgeführt worden.

11 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die Revision ist teilweise zulässig und begründet.

13 In Bezug auf den nicht gewährten Status eines Asylberechtigten zeigt die Revision in der Zulassungsbegründung nicht einmal ansatzweise auf, dass für den Revisionswerber unter Bedachtnahme auf weitere Berichte zur Lage im Senegal ein anderes Ergebnis hätte erzielt werden können. Dass die mündliche Verhandlung vor dem BVwG nach den rechtlichen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit geboten gewesen wäre (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018), wird ebenfalls nicht dargelegt.

14 Die Revision war daher in Bezug auf die Nichtgewährung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

15 Zulässig und inhaltlich begründet ist die Revision aber in Bezug auf alle übrigen Teile der Entscheidung des BFA, hinsichtlich derer das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers ebenfalls abwies. Die Feststellungen des BFA und des BVwG, der Revisionswerber sei gesund und arbeitsfähig, beruhen auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren, zumal der Revisionswerber wiederholt auf eine ernsthafte Erkrankung (Sichelzellenanämie) hingewiesen hatte, den Behörden auch entsprechende medizinische Unterlagen über den anamnestisch gegeben Verdacht vorgelegt hatte und auf die notwendige Abklärung dieses Verdachtes verwiesen hatte.

16 Indem sowohl das BFA als auch das BVwG jegliche diesbezügliche Ermittlungstätigkeit unterlassen haben und überdies insoweit ein geklärter Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG, der eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entbehrlich gemacht hätte, nicht gegeben war, ist das angefochtene Erkenntnis mit einer Verletzung tragender Verfahrensgrundsätze belastet.

17 Da (insbesondere in Kombination mit den Feststellungen des BVwG zur schlechten medizinischen Versorgung im Senegal) auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Revisionswerber bei Vermeidung der Verfahrensmängel subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre (vgl. dazu insbesondere VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006), war das angefochtene Erkenntnis mit Ausnahme seines Abspruchs im Asylteil wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Begehren auf Umsatzsteuer findet darin keine Deckung, weshalb es abzuweisen war.

Wien, am 15. Juli 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180022.L00

Im RIS seit

26.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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