Gbk 2019/4/30 GBK I/707a/16

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritte

Text

Bundeskanzleramt

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 30. April 2019 über den am 13. September 2016 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch X (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/707a/16, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch X diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragstellerin sowie die mündliche Befragung des Antragstellers und der Antragsgegnerin vom 30. April 2019. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 4.-5. Dezember 2015, die Anzeige vom 5. Jänner 2016, die Stellungnahme der Antragsgegnerin an die GAW vom 15. April 2016 sowie die Verhandlungsmitschrift und das Urteil des Bezirksgerichtes … vom 7. April 2016 zu GZ ….

Weiters lagen dem Senat u.a. der Dienstvertrag des Antragstellers vom 16. Oktober 2007 und das Interventionsschreiben der GAW an die Antragsgegnerin vom 25. März 2016 vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Antragsgegner sei von Oktober 2007 bis zum 14. Februar 2016 bei der Y in der Y-Filiale …., 20 Stunden beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis sei nach einer vorangegangenen Kündigung schlussendlich einvernehmlich gelöst worden. Der Antragsteller sei 20 Stunden teilzeitbeschäftigt gewesen, seine Arbeitstage seien Freitag und Samstag jeweils 10 Stunden gewesen. Seit ca. vier Jahren sei er als Mitarbeiter mit einer leitenden Funktion beschäftigt gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Funktion als Bereichsleiterin der Kasse ausgeübt und sei die Vorgesetzte des Antragstellers gewesen.

Am 28. November 2015 sei der Antragsteller um 7:00 Uhr ins Büro der Filiale gekommen und sei dort auf die Antragsgegnerin getroffen, die gerade das Geld aus dem Tresor gezählt habe. Sie habe ihn angewiesen, die Türe wegen dem gerade im Gang befindlichen Vorgangs des Geldzählens zuzumachen. Der Antragsteller hätte um 7:40 den Tresor übernehmen sollen und habe sich somit der Tätigkeit angeschlossen. Plötzlich habe die Antragsgegnerin die Hand des Antragstellers genommen und sie zu ihrer Brust geführt, sodass er diese entgegen seines Willens berühren habe müssen. Dabei habe sie ihn gefragt: „Wie fühlt sich das an?” Der Antragsteller sei irritiert gewesen und habe die Hand sofort weggezogen. Unmittelbar danach habe sie ihm ziemlich fest in den Schritt gefasst und dazu gesagt: „Mach mich zu deiner Bitch!".

Der Antragsteller habe die Antragsgegnerin weggedrückt und erwidert, dass er so etwas nicht machen würde. Sie habe dazu gemeint, dass er das noch bereuen würde. Der Antragsteller sei dermaßen irritiert gewesen, dass er das Büro verlassen habe und weder das Geld weiterzählen, noch den Tresor übernehmen habe können. Er habe seine Arbeit an der Kasse fortgesetzt und nach Dienstschluss die Filiale verlassen, ohne die Antragsgegnerin noch einmal anzutreffen. Er habe sich sehr schlecht gefühlt und sich am 4. und 5. Dezember 2015 krankgemeldet. In der darauffolgenden Woche habe er Urlaub gehabt. Am 18. Dezember 2015 sei er wieder zum Dienst erschienen. Der Antragsteller habe feststellen müssen, dass es mit der Antragsgegnerin keinerlei Kommunikation mehr gegeben habe. Zudem habe er bemerkt, dass sie ihm sämtliche Befugnisse seiner Führungsposition entsprechend entzogen habe. Der Antragsteller habe die Antragstellerin zur Rede gestellt. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie ein Problem mit ihm hätte und ihn nicht mögen würde. Der Antragsteller habe sich in weiterer Folge an den Marktmanager, B, gewandt. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass es an der Antragsgegnerin gelegen habe, das Team neu aufzubauen. Daraufhin habe der Antragsteller von den sexuellen Übergriffen berichtet. B sei darauf nicht eingegangen und habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass er bereits zur Kündigung gemeldet sei. Der Antragsteller habe die Vorfälle am 5. Jänner 2016 auch zur Anzeige gebracht. Das Strafverfahren habe mit einem Freispruch im Zweifel geendet.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 28. November 2016 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Antragsgegnerin weise sämtliche ihr gegenüber angelasteten Vorwürfe zurück und bekenne sich nicht schuldig. Vielmehr sei die Antragsgegnerin mit Urteil des Bezirksgericht …. vom 7. April 2016 zu … rechtskräftig von dem wider sie erhobenen Vorwurf, am 28. November 2015 in ihrer Tätigkeit als Vorgesetzte des Antragstellers diesen sexuell belästigt zu haben, freigesprochen worden.

Richtig sei, dass die Antragsgegnerin die Vorgesetzte des Antragsstellers gewesen sei und deren Verhältnis zueinander von Beginn an distanziert gewesen sei. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Antragssteller viel Unruhe in das Team der Antragsgegnerin gebracht habe, ihre Autorität ständig in Frage gestellt und sie ständig bei anderen Vorgesetzten schlechtgemacht habe, habe sich die Antragsgegnerin dazu entschlossen, den Antragssteller nicht mehr in ihrem Team haben zu wollen und habe unter Absprache mit dem Marktmanager sowie dem Betriebsrat dessen Kündigung eingeleitet. Die Kündigung sei sohin nicht auf Grund einer vermeintlichen Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz erfolgt, sondern vielmehr auf Grund der nicht funktionierenden Zusammenarbeit, der mangelhaften Arbeitsleistung, der ständigen Infragestellung der Autorität der Antragsgegnerin sowie deren Diskreditierung bei deren Vorgesetzten. Das Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller nach Rückkehr aus seinem Urlaub bzw. Krankenstand gründet sich nicht auf den behaupteten Vorfall, sondern vielmehr auf dem Umstand, dass die Antragsgegnerin mit dem Marktmanager bereits die Kündigung besprochen gehabt habe, was einen Entzug der Kompetenzen des Antragstellers mit sich gebracht habe.

Der behauptete Vorwurf der sexuellen Belästigung habe sich am 28. November 2015 ereignet. Erst zwei Monate nach dem angeblichen Vorfall habe der Antragssteller Anzeige bei der Polizei erstattet. Dieser Umstand sowie die sonst unglaubwürdigen Angaben des nunmehrigen Antragsstellers, hätten auch das Gericht dazu veranlasst, dessen falschen Anschuldigungen nicht zu glauben, sondern die nunmehrige Antragsgegnerin von dem Vorwurf der sexuellen Belästigung freizusprechen.

Einzig und alleine der Umstand, dass der nunmehrige Antragssteller gekündigt worden sei, worüber er offenkundig verärgert gewesen und offensichtlich noch immer sei, habe ihn dazu veranlasst, nach über zwei Monaten die Polizei mit dem behaupteten Vorfall zu befassen. Die nunmehrigen erfundenen Anschuldigungen sowie der geäußerte Verdacht eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgesetz stellen einzig und allein Racheakte auf Grund der erfolgten Kündigung dar. Treibende Kräfte seien dafür wohl weniger die Wahrheitsliebe des Antragstellers, sondern vielmehr monetäre Erwägungen. Auch sei seinen eigenen Angaben im Rahmen des Strafverfahrens zu entnehmen, dass er über die Kündigung entsetzt gewesen sei, da er als Student dringend Geld benötigt habe.

Sämtliche Vorwürfe werden daher vehement zurückgewiesen und es erkläre sich die Antragsgegnerin nicht dazu bereit, Schadenersatz zu leisten. Die Kündigung sei lediglich auf Grund der schlechten Arbeitsleistung und der schlechten Zusammenarbeit erfolgt, nicht jedoch auf Grund der behaupteten und schlichtweg erfundenen sexuellen Belästigung oder einer sonstigen Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz.

Zur Klarstellung sei darüber hinaus noch angemerkt, dass der Freispruch im Strafverfahren nicht erfolgt sei, weil der behauptete Vorfall unter vier Augen passiert sei und es sohin Aussage gegen Aussage gestanden sei, sondern vielmehr auf Grund des Umstandes, dass das Gericht selbst vom Wahrheitsgehalt der angelasteten Belästigung nicht überzeugt werden habe können und ebenso den Racheakt auf Grund der vorangegangenen Kündigung als erwiesen angesehen habe. Dies sei den beweiswürdigenden Überlegungen des Gerichtes zu entnehmen.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch Dritte im Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des § 6 GlBG kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so z.B. ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unsittliche Redensarten2, „Begrapschen“3.

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe des Antragstellers, seine Vorgesetzte habe seine Hand genommen und diese zu ihrer Brust geführt und habe ihm fest in den Schritt gefasst mit der Bemerkung: „Mach mich zu deiner Bitch!", ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren ergab, dass der Antragsteller von Oktober 2007 bis zum 14. Februar 2016 bei der Y in der Y-Filiale … im Ausmaß von 20 Wochenstunden beschäftigt und seit ca. vier Jahren als Mitarbeiter mit einer leitenden Funktion tätig war. Am frühen Morgen des 28. November 2015 zählte der Antragsteller gemeinsam mit der Antragsgegnerin Geld im Tresorraum in der Y-Filiale. Dort nahm die Antragsgegnerin die Hand des Antragstellers und führte diese gegen seinen Willen zu ihrer Brust. Kurz darauf griff die Antragsgegnerin den Antragsgegner in den Schritt und sagte: „Mach mich zu deiner Bitch!". Im Anschluss drückte der Antragsteller die Antragsgegnerin weg und erwiderte, dass er so etwas nicht machen würde. Die Antragsgegnerin erwiderte ihm, dass er das noch bereuen würde. Im Anschluss setzte der Antragssteller seine Arbeit an der Kasse fort und meldete sich am 4. und 5. Dezember 2015 krank. In der darauffolgenden Woche war er im Urlaub. Als er am 18. Dezember 2015 wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, wurden ihn sämtliche Befugnisse seiner Führungsposition entzogen und der Marktmanager, B, teilte ihm mit, dass er bereits zur Kündigung gemeldet wurde.

Im vorliegenden Fall gab es außer der Antragstellerin und dem Antragsgegner keine Person, die den Vorfall im Tresorraum unmittelbar wahrnahm. Da sich die vorgebrachten Schriftsätze stark unterscheiden und die Antragsgegnerin den Vorfall im Tresorraum in ihrer Befragung eindeutig dementierte, war die Glaubwürdigkeit der beteiligten Personen zu überprüfen.

Der Antragsteller wiederholte im mündlichen Vorbringen die erhobenen Vorwürfe gegen die Antragsgegnerin ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und konnte die Vorwürfe der sexuellen Belästigung glaubhaft darlegen. Als einer der maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Antragsgegnerin wurden ihre Aussagen vom Senat auf Widersprüche überprüft.

Anders als die Antragsgegnerin, konnte der Antragsteller die Vorwürfe der sexuellen Belästigung sowohl im schriftlichen Vorbringen, als auch in der mündlichen Befragung glaubhaft und widerspruchsfrei darlegen. Zudem erschien der Antragsteller dem Senat in der Befragung als authentisch und persönlich betroffen. Die Betroffenheit hat sich unter anderem dadurch ausgedrückt, dass er sich nach dem Vorfall am 28. November 2015 am 3. Dezember 2015 für die nächsten zwei Dienste am 4. und 5. Dezember 2015 krankschreiben ließ, weil er sich sehr schlecht fühlte. Die drauffolgende Woche war er im Urlaub. Die zeitliche Nähe zwischen dem Vorfall am 28. November und der Krankschreibung ist als ein Indiz zu sehen, dass sich in der Zeit vor seinem Krankenstand ein emotional einschneidender Vorfall ereignete. Nach Ansicht des Senates suchte der Antragsteller nicht grundlos seine Ärztin auf.

Der Antragsteller schilderte dem Senat zusammengefasst, dass er am frühen Morgen in die Filiale kam und sich anschließend der besagte Vorfall im Tresorraum mit der Antragsgegnerin ereignete.

Ein wesentlicher Grund an der Glaubwürdigkeit der Antragsgegnerin zu zweifeln, ergab sich für den Senat aufgrund dessen, dass sie auf die konkrete Frage, ob sie mit dem Antragsteller alleine im Tresorraum gewesen sei, lediglich auf ihren Tagesablauf am Morgen einging und ihre Begegnung mit dem Antragssteller im Kassenraum am besagten Tag unerwähnt ließ. Auf nochmalige Frage, ob es allgemein zeitliche Möglichkeiten gegeben habe, den Antragsteller zu treffen, verneinte die Antragsgegnerin die Frage mit der Begründung, dass sich die Männergarderobe wo anders befinde. Erst nach ergänzender Ausführung der GAW, wonach im Strafverfahren festgestellt worden sei, dass sie gemeinsam mit dem Antragssteller Geld im Tresorraum gezählt habe bestätigte dies die Antragsgegnerin und ergänzte: „Ja. Wie er nach Hause gegangen ist.“ Auf Nachfrage, wann der Antragssteller gegangen sei bzw. ob sie in dem Raum zusammen gewesen seien, antwortete die Antragsgegnerin, dass es halb 12 bzw. 12:00 Uhr gewesen ist, sie es aber nicht mehr weiß.

Obwohl die Antragsgegnerin vor den Ausführungen der GAW schon zwei Mal nach dem Vorfall im Tresorraum gefragt wurde, ging sie nicht darauf ein, dass der Vorfall nach ihrer Tatsachendarstellung am Nachmittag stattgefunden habe. Sowohl in der Stellungnahme an den Senat, als auch in jener an die GAW wird nicht thematisiert, dass sie am selben Tag mit dem Antragssteller gemeinsam im Tresorraum war. Stattdessen führte sie aus, dass sie um 07:00 Uhr mit KollegInnen Kaffee zubereitet bzw. sich mit diesen gemeinsam hingesetzt habe. Demgegenüber gibt sie in der Stellungnahme an die GAW vom 15. April 2016 an, dass sie am 28. November 2015 um 6:40 Uhr zu arbeiten begonnen und anfangs alleine den Tresor gezählt habe, da sie den Bestand überprüfen habe müssen.

Das notwendige wiederholende Nachfragen des Senates bzw. der GAW, ob sie nun mit dem Antragsteller alleine im Raum gewesen sei oder nicht, verfestigte den Eindruck des Senates, dass die Antragsgegnerin den Fragen auszuweichen versuchte bzw. etwas verheimlichte.

Auch die Behauptung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller die sexuelle Belästigung erfunden hätte, um sich wegen seiner Kündigung zu rächen, erschien dem Senat weder lebensnah noch glaubhaft.

Gefragt, wie ihr Verhältnis zum Antragssteller gewesen sei, antwortete die Antragsgegnerin, dass er ein guter Mitarbeiter gewesen sei und er die Kassenaufsicht am Wochenende durchgeführt habe. „Das Verhältnis war normal, so wie es von Führungskraft zu Mitarbeiter ist. Probleme hat es eigentlich keine gegeben. Er hat aber gelegentlich versucht gegen mich zu arbeiten.“ In Widerspruch dazu wurden in der Stellungnahme als Kündigungsgründe u.a. die mangelnde Arbeitsleistung des Antragstellers, die nicht funktionierende Zusammenarbeit, die ständige Infragestellung der Autorität der Antragsgegnerin sowie ihrer Diskreditierung bei deren Vorgesetzten vorgebracht. Einen Angestellten gleichzeitig als einen guten Mitarbeiter zu bezeichnen und als einen Mitarbeiter, dessen Arbeitsleistung als mangelhaft angesehen wird, stellt einen klaren Widerspruch dar und ist nicht in Einklang zu bringen.

Der Antragsteller brachte in der Befragung vor, dass er relativ wenig Kontakt, „vielleicht fünf bis sechs Mal“, mit der Antragsgegnerin vor dem Vorfall hatte, weil sie unterschiedliche Arbeitszeiten hatten. Die Antragsgegnerin begann erst am 2. November 2015 in der Filiale zu arbeiten und der Antragsteller erfuhr am 12. Dezember 2015 von der Kündigungsanmeldung. Es wurde u.a. vorgebracht, dass der Antragssteller aufgrund seiner Infragestellung von Autoritäten, seinem Unruhe stiften und dem „schlecht machen“ der Antragsgegnerin bei Vorgesetzten gekündigt wurde. Obwohl der Antragsgegnerin nach Zusicherung durch den Marktmanager die Möglichkeit offenstand, ihr Team selbst gestalten bzw. umzugestalten, erschien es dem Senat weder lebensnah, noch nachvollziehbar, einen langjährigen und guten Mitarbeiter nach einer derart kurzen Zeitspanne aufgrund der vorgebrachten Gründe zu kündigen. Der Antragsteller erschien dem Senat glaubwürdig, da er widerspruchsfrei das im Antrag Vorgebrachte in der mündlichen Befragung ausführte.

Die Antragsgegnerin argumentierte, dass der Antragsteller erst am 5. Jänner 2015 die sexuelle Belästigung zur Anzeige brachte. Hierzu ist folgendes festzuhalten: Wie eine EU-weite Erhebung der Grundrechteagentur der Europäischen Union zeigt, sind Scham und Verlegenheit, der Eindruck die erlebte Belästigung sei zu unbedeutend bzw. nicht schwerwiegend genug, Angst vor dem Täter und die Annahme, es werde/könne sowieso nichts getan werden, wichtige Gründe für die Betroffenen den Vorfall nicht zu melden.4 Die Meldung sexueller Belästigung kann als peinlich und entwürdigend wahrgenommen werden, die Reaktion der Betroffenen hängt auch von deren Erwartung ab, ob die Situation im Unternehmen gelöst werden kann.5

Die Begründung des Antragstellers, er habe die Weihnachtsfeiertage bei seiner Familie in Deutschland verbracht und deswegen erst nach seiner Rückkehr nach Österreich die Anzeige bei der Polizei erstattet, erschien dem Senat plausibel und nachvollziehbar.

Der Senat geht, wie oben dargestellt, nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die im Antrag vorgebrachten Berührungen an Brust und Griff in den Schritt des Antragstellers passiert sind, sowie die Aussage „Mach mich zu deiner Bitch!“ seitens der Antragsgegnerin getätigt wurde.

Die erzwungenen Berührungen an der Brust der Antragsgegnerin, der Griff in den Schritt und die verbale Aufforderung sind eindeutig der sexuellen Sphäre zuzurechnen. Die Antragsgegnerin schuf dadurch für den Antragsteller ein einschüchterndes, demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld. Dieses Verhalten überschritt die subjektive Grenze des Antragstellers klar. So reagierte der Antragsteller ablehnend auf den Annäherungsversuch und erklärte eindeutig, dass die von der Antragsgegnerin gesetzten Handlungen nicht erwünscht waren.

Nach Auffassung der herrschenden Judikatur1 und Lehre2 setzen Belästiger/innen Sexualität ein, um ihre Macht zu missbrauchen. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung stellt stets einen Eingriff in die Menschenwürde der belästigten Personen dar, der inakzeptabel ist. Die Vorfälle waren zweifellos dazu geeignet, die Würde des Antragstellers zu verletzen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, X, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 30. April 2019

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z; OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z.

2  Vgl. u.a. Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2412 (2415 f).

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f.

3  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 20.

4  Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Zeitraum März – September 2012, Ergebnisse veröffentlicht im März 2014.

5  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 59.

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2019
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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