TE Vwgh ErkenntnisVS 2019/3/27 Ro 2019/13/0006

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

ALSAG 1989 §3 Abs1 litb
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 lita idF 2003/I/071
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 litb idF 2003/I/071
ALSAG 1989 §3 Abs1a
ALSAG 1989 §3 Abs1a idF 2003/I/071
ALSAG 1989 §9 Abs2
AWG 2002 §2 Abs7 Z4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Büsser, Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Mag. Dr. Zehetner, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 24. April 2018, Zl. LVwG-551218/7/KH/BBa, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land; mitbeteiligte Parteien: 1. W GmbH in L, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, 2. Bund, vertreten durch das Zollamt Linz Wels in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die erstmitbeteiligte GmbH betreibt an einem von Linz etwa 25 km entfernten Ort ein seit 1995 gewerbe- und mineralstoffrechtlich bewilligtes Kieswerk und auf einem dazugehörigen Grundstück ein Zwischenlager für recyclierte Baurestmassen, das erst im Jänner 2013 gewerberechtlich genehmigt wurde. Die zwischengelagerten Materialien stammen aus einer im Jahr 1992 gewerberechtlich genehmigten, von einer mit der erstmitbeteiligten GmbH im Konzernverbund stehenden GmbH betriebenen Recyclinganlage für Bauschutt in Linz.

2        Mit Bescheid vom 12. September 2017 stellte die belangte Bezirkshauptmannschaft auf Grund eines im November 2012 gestellten Antrages der zweitmitbeteiligten Partei, des vom Zollamt vertretenen Bundes, in Spruchpunkt I. fest, bei den in den Jahren 2010 und 2011 im Kieswerk der erstmitbeteiligten GmbH zwischengelagerten Recyclingmaterialien handle es sich um Abfälle. In Spruchpunkt II. stellte die Bezirkshauptmannschaft fest, diese Abfälle unterlägen dem Altlastenbeitrag, und ihre Lagerung sei eine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 „lit. c“ (gemeint: lit. b) Altlastensanierungsgesetz (ALSAG).

3        Zu Spruchpunkt I. wurde dargelegt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führe die Aufbereitung von Baurestmassen zu Recyclingbaustoffen noch nicht das Abfallende herbei. Dieses trete erst durch die Verwendung ein, sodass es sich - entgegen der Ansicht der erstmitbeteiligten GmbH - um Abfälle handle.

4        Zur Begründung von Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, die - entgegen der Ansicht der erstmitbeteiligten GmbH - zusätzlich zu den vorliegenden, im Zusammenhang mit dem Kieswerk erteilten Bewilligungen u.a. erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung des Zwischenlagers für die Recyclingmaterialien sei erst im Jahr 2013 und somit nach dem Streitzeitraum erteilt worden. Fehle es auch nur an einer der erforderlichen behördlichen Bewilligungen, so unterliege nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2013, 2010/07/0218, VwSlg 18553/A, auch ein Zwischenlagern in einer kürzeren als der in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht.

5        Gegen diesen Bescheid erhob die erstmitbeteiligte GmbH Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht. Die Bezirkshauptmannschaft bestätigte im Vorlageschreiben die auch in der Beschwerde vertretene Auffassung, in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 12. September 2017 sei nur versehentlich § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG statt der in der Begründung ins Treffen geführten lit. b angeführt worden.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht - unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Spruchpunkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft. In Bezug auf Spruchpunkt II. gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde statt. Es änderte diesen Spruchpunkt ab und stellte fest, die von der erstmitbeteiligten GmbH in den Jahren 2010 und 2011 durchgeführte Lagerung von Recyclingmaterialien unterliege nicht dem Altlastenbeitrag und stelle keine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z1 lit. b ALSAG dar.

7        In der Begründung dieser Abänderung stellte das Landesverwaltungsgericht zunächst fest, die Zwischenlagerung sei ausschließlich zum Zweck der Verwertung erfolgt und die Materialien seien in keinem Fall länger als drei Jahre gelagert worden.

8        In rechtlicher Hinsicht führte das Landesverwaltungsgericht aus, das Lagern von Abfällen zur Verwertung unterliege nach § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG nur dann dem Altlastenbeitrag, wenn es sich um eine „mehr als dreijährige“ Lagerung handle. Eine solche habe die erstmitbeteiligte GmbH nicht vorgenommen.

9        In dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2013, auf das sich die Bezirkshauptmannschaft berufen habe, sei es um Zeiträume vor und nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 am 1. Jänner 2006 gegangen. Für den Zeitraum davor sei im damals entschiedenen Fall wegen Überschreitung der für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen zeitlichen Grenze nur eine Ausnahme von der Beitragspflicht strittig gewesen. Für den Zeitraum danach sei - wie das Landesverwaltungsgericht ausführlich darlegte - auf den klaren Gesetzeswortlaut zu verweisen, der auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruhe, was auch aus den Materialien zu der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Änderung hervorgehe. Die Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, bei Fehlen einer erforderlichen Bewilligung unterliege auch das kürzere als das im Gesetz der Beitragspflicht unterworfene Lagern von Abfällen zur Verwertung dem Altlastenbeitrag, sei „gewissermaßen jedenfalls auf die Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 zu reduzieren“. Eine „Auslegung gegen den grundsätzlich nicht widersprüchlichen Wortlaut“ sei „dem Verwaltungsgerichtshof-Judikat vom 24. Jänner 2013 nicht zu unterstellen, da dadurch bereits der Grundtatbestand über den Wortlaut hinaus ausgeweitet“ und nicht nur, wie in der im Erkenntnis angeführten Vorjudikatur, bei Inanspruchnahme für bestimmte Tätigkeiten gesetzlich vorgesehener Ausnahmen von der Beitragspflicht das Vorliegen der für diese Tätigkeiten erforderlichen Bewilligungen verlangt würde. Dem Wortlaut des Gesetzes sei vorrangige Beachtung zu schenken, doch führten auch Überlegungen zum historischen Kontext, zur Systematik und zum Normzweck zu keinen nachvollziehbaren Argumenten für die von der Bezirkshauptmannschaft auf der Grundlage des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes angenommene Beitragspflicht. Eine Analogie scheide „schon mangels Vorliegen einer planwidrigen Lücke“ aus, zumal für die Nichteinhaltung bestimmter Bewilligungserfordernisse in den jeweiligen Gesetzen schon Sanktionen vorgesehen seien.

10       Eine Revision gegen seine Entscheidung erklärte das Landesverwaltungsgericht für zulässig, weil die Entscheidung von der mit dem Erkenntnis vom 24. Jänner 2013 begründeten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes „in gewissen Bereichen“ abweiche.

11       Gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes richtet sich die Revision der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus. Geltend gemacht wird, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2013 habe auch (ergänze: nicht fristüberschreitende) Lagerungen nach dem 1. Jänner 2006 betroffen, für die die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur „nebenbei“ geäußert worden sei, und der Verwaltungsgerichtshof habe an dieser Rechtsmeinung „trotz Kritik im Schrifttum“ in nachfolgenden Entscheidungen festgehalten. Das Landesverwaltungsgericht führe „keine Argumente ins Treffen, die Anlass gäben, die bisherige Rechtsprechung zu ändern“.

12       Der zweitmitbeteiligte Bund, vertreten durch das Zollamt, und die belangte Bezirkshauptmannschaft haben Revisionsbeantwortungen erstattet, in denen sie sich dem Standpunkt der Revisionswerberin anschließen.

13       Die erstmitbeteiligte GmbH verweist in ihrer Revisionsbeantwortung u.a. auf das Legalitätsprinzip, mit dem es nicht vereinbar sei, ein „eindeutig nicht positiviertes Tatbestandsmerkmal gleichsam dazu“ zu lesen (gemeint: ein eindeutig positiviertes, nämlich die Überschreitung der Frist, unangewendet zu lassen), wozu hier noch komme, dass sich aus dem Charakter des Altlastenbeitrags als Selbstberechnungsabgabe auch strafrechtliche Konsequenzen ergäben. Das ALSAG verfolge mit dem Grundtatbestand das Ziel der Mittelaufbringung im Sinne des Äquivalenzprinzips. Die Ausnahmen folgten dem Lenkungsprinzip, was die Bezugnahme auf die Zulässigkeit der Tätigkeit in einzelnen Ausnahmetatbeständen - aber nicht im Grundtatbestand - erkläre.

14       Die Revisionsbeantwortung stützt sich auch auf ein ihr angeschlossenes (zuvor schon dem Landesverwaltungsgericht vorgelegtes) Rechtsgutachten eines Universitätsprofessors für Verwaltungsrecht, in dem die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 24. Jänner 2013 analysiert und die Auffassung vertreten wird, der gegenteilige Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Der Verwaltungsgerichtshof betone in seiner Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 25.2.1994, 93/12/0203) selbst den Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation. Es stehe ihm nicht zu, das im Gesetz verankerte Zeitkriterium unangewendet zu lassen, statt - bei Zweifeln an dessen Sachlichkeit - den Verfassungsgerichtshof anzurufen (Hinweis auf VfGH 4.10.2012, VfSlg 19.676, wonach ein unabhängiger Verwaltungssenat durch Nichtanwendung einer Verordnung seine verfassungsrechtlichen Befugnisse verkannt habe). Die Beitragspflicht für kürzere als die im Gesetz dem Beitrag unterworfenen Lagerungen sei aus dem Gesetz nicht ableitbar. Eine Besteuerung könne aber „nur durch den Gesetzgeber angeordnet werden“ (Hinweis auf Doralt/Ruppe, Steuerrecht II7 [2014] Rz 26).

15       Zuletzt replizierte die erstmitbeteiligte GmbH noch auf die Revisionsbeantwortung der belangten Bezirkshauptmannschaft, soweit darin die (nach dem angefochtenen Erkenntnis nicht entscheidungswesentliche, aber komplizierte und strittige) Frage des Fehlens eines „ausreichenden gewerberechtlichen Konsenses“ im Streitzeitraum behandelt worden war.

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17       Die für den Revisionsfall maßgeblichen Teile des § 3 ALSAG lauten seit dem insoweit am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71:

„§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen

1.   das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erde; als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch

a)   das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper, auch wenn damit deponiebautechnische oder andere Zwecke verbunden sind (zB Fahrstraßen, Rand- und Stützwälle, Zwischen- oder Oberflächenabdeckungen einschließlich Methanoxidationsschichten und Rekultivierungsschichten),

b)   das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung,

c)   [...]

[...]

(1a) Von der Beitragspflicht ausgenommen sind [...]“

18       Streitpunkt des Verfahrens ist, ob auch das nicht mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung und (im vorliegenden Fall) das nicht mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung - wie vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung seit dem Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, 2010/07/0218, VwSlg 18553/A, angenommen - dem Altlastenbeitrag unterliegt, „wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind“. Diese Rechtsmeinung war, wie die Revisionswerberin zutreffend geltend macht, im Erkenntnis vom 24. Jänner 2013 für die Entscheidung über die damals u.a. zu beurteilenden, befristeten Lagerungen im Jahr 2006 tragend. Zum Teil trifft dies auch auf die (nicht bloß Ausnahmetatbestände, sondern den Grundtatbestand des § 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG betreffende) Folgejudikatur zu, die aus insgesamt sechs Erkenntnissen und drei Beschlüssen besteht (die Erkenntnisse VwGH 14.11.2013, 2011/17/0132; 23.4.2014, 2013/07/0269; 26.3.2015, 2012/07/0099; 29.7.2015, Ra 2015/07/0041, VwSlg 19168/A; 28.2.2017, Ra 2016/16/0019; 28.2.2017, Ra 2016/16/0022; die Beschlüsse VwGH 25.9.2014, Ra 2014/07/0046; 19.5.2016, Ra 2016/16/0020 und Ra 2016/16/0021; kritisch zu dieser Judikatur Eisenberger, RdU 2013, 99; Sander, RdU 2013, 244 [250 f]; Schlatter, RdU 2016, 126 f; Huber-Medek, RdU-UT 2017, 108 [111]).

19       Vor dem Budgetbegleitgesetz 2003 enthielt § 3 Abs. 1 ALSAG getrennte Beitragspflichttatbestände für das „langfristige Ablagern“ und das „Lagern“ von Abfällen, wobei als (beitragspflichtiges) „Lagern im Sinne dieses Bundesgesetzes“ gemäß § 2 Abs. 7 ALSAG das „länger als einjährige Lagern“ für bestimmte Zwecke galt. Zu dieser einen Grundbegriff des „Lagerns“ schon voraussetzenden Definition führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Februar 2004, 2003/07/0115, aus, sie baue auf dem Begriff des „Lagerns“ auf, wie er in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Abfallwirtschaftsgesetz 1990 (AWG 1990) „in Abgrenzung zum Begriff des ‚Ablagerns‘ entwickelt“ worden sei. „Zweck des § 2 Abs. 7 ALSAG“ sei „die Einbeziehung von Lagerungen“ zu bestimmten Zwecken „in die Altlastenbeitragspflicht und die Festsetzung einer zeitlichen Untergrenze von einem Jahr hiefür“.

20       In der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003, 59 BlgNR 22. GP 307 f, wurde auf den künftigen § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG zunächst im Zusammenhang mit dem Entfall der Definition eines beitragspflichtigen „Lagerns“ in § 2 ALSAG Bezug genommen:

„In § 3 Abs. 1 wird festgelegt, dass das Lagern von Abfällen zur Beseitigung länger als ein Jahr und das Lagern von Abfällen zur Verwertung länger als drei Jahre als Ablagerung im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt. Dies entspricht auch den EG-rechtlichen Vorgaben hinsichtlich des diesbezüglichen Anlagenrechtes (vgl. auch § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002). Die Definition gemäß § 2 Abs. 7 kann daher entfallen.“

21       Der neu gefasste § 3 Abs. 1 ALSAG wurde wie folgt erläutert:

„Im Hinblick auf einen erleichterten Vollzug werden das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper, auch wenn damit deponiebautechnische Zwecke verbunden sind, das Lagern von Abfällen über längere Zeit und [...] als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gesehen.“

22       Nach dem in diesen Erläuterungen erwähnten § 2 Abs. 7 Z 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sind im Sinne dieses Bundesgesetzes

„‚Deponien‘ Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden [...], oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden. Nicht als Deponien gelten

a)   [...]

b)   Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Verwertung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung drei Jahre nicht überschreitet, und

c)   Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Beseitigung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung ein Jahr nicht überschreitet.“

23       In der Regierungsvorlage zum AWG 2002, 984 BlgNR 21. GP 86, war dazu dargelegt worden, näher genannte Begriffsbestimmungen - darunter die für „Deponien“ - entsprächen „den Begriffen des EG-Rechts“. Gemeint war, soweit es die Deponien betrifft, der weitgehend gleichlautende Art. 2 lit. g der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (vgl. Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, Abfallwirtschaftsgesetz 20021, 2002, 45). § 2 Abs. 7 Z 4 lit. b und c AWG 2002 normieren Ausnahmen vom Deponiebegriff, der auf Dauer eingerichtete Anlagen zur Zwischenlagerung sonst als solche zur „vorübergehenden Lagerung“ erfassen würde.

24       Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zum AWG 2002, wie zuvor schon zum AWG 1990, in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, eine „Ablagerung“ liege vor, wenn sie langfristig oder auf Dauer erfolge, während einer „Lagerung“ immanent sei, dass die betreffenden Stoffe wieder entfernt werden sollen (vgl. in diesem Sinn VwGH 24.10.1995, 95/07/0113, VwSlg 14353/A; 25.7.2002, 2000/07/0255; 29.1.2004, 2003/07/0121, VwSlg 16280/A; 26.2.2004, 2003/07/0115; 23.4.2009, 2006/07/0164; 28.1.2010, 2009/07/0210, VwSlg 17829/A; 15.9.2011, 2009/07/0154; 26.6.2012, 2008/07/0078). Die Formulierung des Deponiebegriffs im AWG 2002 entspreche diesem schon zum AWG 1990 vertretenen Verständnis (so das Erkenntnis vom 29.1.2004).

25       Dass eine Zwischenlagerung keine „Ablagerung“ ist, setzt etwa auch der mit der AWG-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 155, eingeführte letzte Satz des § 15 Abs. 3 AWG voraus, wenn es darin heißt, eine „Ablagerung von Abfällen“ dürfe nur in hiefür genehmigten „Deponien“ erfolgen.

26       § 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG knüpft - auch in der Verwendung der Begriffe „Ablagern“ und „Lagern“ - an dieses Regelungsgefüge an und verfolgt in lit. b, wie im Schrifttum schon angemerkt wurde, den Zweck, die u.a. für das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper vorgesehene Beitragspflicht auf Fälle auszudehnen, in denen die Dauer einer Zwischenlagerung das Maß überschreitet, bis zu dem sie ohne Einhaltung der Bestimmungen für Deponien zulässig ist (vgl. in diesem Sinn Eisenberger, RdU 2013, 100).

27       Eine Vorschrift, die kürzere Zwischenlagerungen dem Altlastenbeitrag unterwirft, existiert nicht. Dass eine solche Beitragspflicht - für den Fall ohnehin anderweitig sanktionierter Verstöße gegen Bewilligungserfordernisse, Anzeigepflichten oder Auflagen - im Erkenntnis vom 24. Jänner 2013 und in der ihm folgenden Judikatur angenommen wurde, beruht auf der Ansicht, § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG dehne die Beitragspflicht nicht aus, sondern normiere eine Ausnahme von ihr. Im Erkenntnis vom 24. Jänner 2013 wurde auf (in § 3 Abs. 1a ALSAG normierte) „Ausnahmen“ von der Beitragspflicht bestimmter in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG genannter Tätigkeiten Bezug genommen, für die es auf die Zulässigkeit dieser Tätigkeiten und damit auf das Vorliegen aller erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen, Nichtuntersagungen) ankomme, und daran anschließend dargelegt, es sei „nun kein sachlicher Grund erkennbar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers diese Voraussetzung [...] für eine Altlastenbeitragsfreiheit nicht auch in Bezug auf die übrigen Tatbestände des § 3 Abs. 1 ALSAG erfüllt sein müsste. Dem Gesetzgeber des ALSAG kann nicht unterstellt werden, er habe eine Verwendung oder Behandlung von Abfällen - wozu auch deren Lagerung zu zählen ist [...] -, die der Rechtsordnung widerspricht, privilegieren wollen, indem er sie von der Beitragspflicht ausgenommen habe“.

28       Dem entsprechend hieß es in dem Erkenntnis vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0041, VwSlg 19168/A, mit dem die Beitragspflicht kurzer Zwischenlagerungen auf Fälle eines bloßen Verstoßes gegen Auflagen ausgedehnt wurde, auch diesfalls liege „eine der Rechtsordnung widersprechende Lagerung“ vor, „der das Privileg des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b AlSAG nicht zukommt“.

29       Diese Argumentation setzt einen Abgabentatbestand voraus, unter den Zwischenlagerungen subsumierbar sind und von dem § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG eine Ausnahme vorsieht. Das Gesetz enthält aber keinen solchen Tatbestand für vorübergehendes Lagern, und die zitierte Bestimmung gehört nicht zu den in § 3 Abs. 1a ALSAG normierten Ausnahmen von den in Abs. 1 normierten Fällen der Beitragspflicht. Sie begründet wie die im Erkenntnis vom 26. Februar 2004, 2003/07/0115, kommentierte Regelung, an deren Stelle sie trat, eine ohne sie nicht bestehende Beitragspflicht in Fällen, für deren Behandlung „als Ablagern“ das Gesetz die Überschreitung einer bestimmten Dauer des „Lagerns“ verlangt.

30       Dieses Erfordernis ist auch nicht als planwidrige Lücke deutbar, die der Rechtsanwender zu schließen habe, wenn er für das Unterbleiben der Anordnung einer Beitragspflicht keinen sachlichen Grund erkennen kann (vgl. in diesem Zusammenhang die strengen Voraussetzungen für Analogieschlüsse etwa in dem vom Landesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0019, VwSlg 19236/A). Ordnet der Gesetzgeber eine Beitragspflicht an und nimmt er bestimmte Tätigkeiten davon aus, so kann sich die (in § 3 Abs. 1a ALSAG nun ausdrücklich geregelte) Frage stellen, ob damit nur Tätigkeiten gemeint sind, für die alle nötigen Bewilligungen vorliegen. § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG wirft aber nicht die Frage auf, ob der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen auch kürzere Zwischenlagerungen erfassen wollte und es nur planwidrig unterließ, einen diesbezüglichen Tatbestand für die Selbstberechnungsabgabe (§ 9 Abs. 2 ALSAG) ins Gesetz aufzunehmen. Ob der Rechtsanwender eine solche Planwidrigkeit aufgreifen könnte, bedarf daher keiner Erörterung.

31       Die vom Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, 2010/07/0218, VwSlg 18553/A, an dem insoweit nicht festgehalten werden kann, und von der zitierten Folgejudikatur dazu abweichende Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes erweist sich aus diesen Gründen als richtig. Die Revision war daher in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG durch vier weitere Mitglieder verstärkten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

32       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. März 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019130006.J00

Im RIS seit

09.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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