TE Vfgh Beschluss 1996/12/11 G264/96, G265/96, G267/96, G268/96, G269/96, G286/96, G301/96, G302/96,

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Veröffentlicht am 11.12.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz

Leitsatz

Einstellung der Verfahren, soweit die Anträge des VwGH und verschiedener UVS die Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Wortfolgen in §99 Abs6 litc StVO 1960 (idF BGBl 518/1994) begehren, infolge der im E v 05.12.96, G9/96 ua, ausgesprochenen Ausdehnung der Anlaßfallwirkung. Zurückweisung der Gesetzesprüfungsanträge auf teilweise Aufhebung des §22, §30 VStG und §99 Abs1 lita StVO 1960 wegen entschiedener Sache; die vorgetragenen Bedenken stimmen mit jenen überein, über die bereits im E v 05.12.96, G9/96 ua, abgesprochen wurde. Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des §99 Abs1 lita StVO 1960 zur Gänze mangels Präjudizialität; Anwendung der gesamten - keine untrennbare Einheit bildenden - lita des §99 Abs1 StVO 1960 durch den antragstellenden UVS denkunmöglich.

Spruch

Die Verfahren werden eingestellt, soweit die Anträge die Aufhebung der Wortfolge "in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der Fassung BGBl. Nr. 518/1994, begehren, bzw. soweit beantragt wird, festzustellen, daß die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig war.

Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit den auf Art129 a Abs3 in Verbindung mit Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG gestützten Anträgen begehren der Verwaltungsgerichtshof sowie verschiedene unabhängige Verwaltungssenate die Aufhebung einzelner Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. 52/1991, (VStG), bzw. der StVO 1960. In sämtlichen Anlaßfällen wurden die Berufungswerber vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen Übertretung des §5 Abs1 in Verbindung mit §99 Abs1 lita StVO 1960 verwaltungsstrafrechtlich und zusätzlich wegen verschiedener Delikte nach dem StGB strafgerichtlich belangt.

1.1. Der Verwaltungsgerichtshof begehrt in seinem zu G264/96 protokollierten Antrag (A47/96), "die Worte 'oder einem Gericht' in §22 Abs2 und in §30 Abs1 VStG, in eventu in §22 Abs2 VStG die Worte 'oder einem Gericht' in eventu in §30 Abs1 VStG die Worte 'oder einem Gericht', in eventu in §99 Abs1 lita StVO 1960 die Worte 'Alkohol oder' als verfassungswidrig aufzuheben; in eventu gemäß Art140 Abs3 B-VG festzustellen, daß §99 Abs6 litc StVO 1960 in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle (BGBl. Nr. 518/1994) verfassungswidrig war".

1.2. In den zu G265/96, G286/96 und G311/96 protokollierten Verfahren beantragt der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten die Aufhebung der Worte "'oder einem Gericht' in §22 Abs2 und in §30 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995), in eventu in §22 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995) die Worte 'oder einem Gericht', in eventu in §30 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995) die Worte 'oder einem Gericht', in eventu in §99 Abs1 lita der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 - StVO 1960, in der Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 die Worte 'Alkohol oder', in eventu §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 - StVO 1960, in der Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 als verfassungswidrig aufzuheben".

1.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland stellt in den zu G267/96, G268/96, G269/96 und G302/96 folgende gleichlautende Anträge:

"(D)er Verfassungsgerichtshof möge als verfassungswidrig aufheben:

a) die Worte 'oder einem Gericht' im §22 Abs2 und im §30 Abs1 VStG, in eventu in Verbindung mit den Worten nach lite dieses Antrages;

in eventu

b) die Worte 'oder einem Gericht' im §22 Abs2 VStG, in eventu in Verbindung mit den Worten nach lite dieses Antrages;

in eventu

c) die Worte 'oder einem Gericht' im §30 Abs1 VStG, in eventu in Verbindung mit den Worten nach lite dieses Antrages;

in eventu

d) die Worte 'oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen' im §22 Abs1 VStG, in eventu in Verbindung mit den Worten ', und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind' im §30 Abs1 VStG, in eventu in Verbindung mit den Worten nach litb dieses Antrages, in eventu in Verbindung mit den Worten nach litc dieses Antrages, und in eventu in Verbindung mit den Worten nach lite dieses Antrages;

in eventu

e) die Worte 'in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete' in §99 Abs6 litc StVO 1960, BGBl. Nr. 159, idF BGBl. Nr. 518/1994."

1.4. Weiters sind die zu G301/96, G310/96 und G368/96 protokollierten Anträge des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich anhängig, in denen dieser jeweils die Aufhebung folgender Worte als verfassungswidrig begehrt:

"a) die Worte 'in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete' in §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 - StVO 1960, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994, in eventu in Verbindung mit den Worten gemäß litd) dieses Antrages;

in eventu

b) die Worte 'Alkohol oder' in §99 Abs1 lita der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 - StVO 1960, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994;

in eventu

c) die Worte 'oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen' in §22 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 - VStG;

in eventu

d) die Worte 'oder einem Gericht' in §22 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 - VStG."

1.5. Schließlich stellte auch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den zu G372/96 protokollierten Antrag auf Aufhebung der

"Bestimmung des §99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, in eventu

... (der) Wortfolge 'in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete' in

§99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, in eventu

... (der) Bestimmung des §99 Abs1 lita StVO 1960

als verfassungswidrig".

2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., die Wortfolge "in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, als verfassungswidrig aufgehoben bzw. festgestellt, daß die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig war. Im übrigen hat er Anträge des Verwaltungsgerichtshofes, des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg, des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol sowie des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, die die Aufhebung von (Teilen der) Bestimmungen des §22 und §30 VStG sowie des §99 Abs1 lita und Abs6 litc StVO 1960 begehrten, abgewiesen. Die gegenständlichen Anträge des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten, des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland und des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich gehen nicht über die in den mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., entschiedenen Anträge hinaus. Der Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ist insofern weiter, als er in eventu die Anfechtung des gesamten Abs1 lita des §99 StVO 1960, idF BGBl. 518/1994, begehrt, und nicht bloß der Wortfolge "Alkohol oder" (wie dies in den zu G86/96, G197/96, G143/96 und G159/96 protokollierten Anträgen verlangt wird).

Eine Einbeziehung der vorliegenden Anträge in die zu G9/96 ua. protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich (VfSlg. 9735/1983, 10394/1985, 10737/1985, 11455/1987 ua.). Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und die Anlaßfallwirkung auch für die den vorliegenden Anträgen zugrundeliegenden Rechtssachen herbeigeführt.

Das Verfahren war daher insoweit einzustellen (vgl. VfSlg. 11918/1988, 621 f.; VfSlg. 13735/1994), als auch die vorliegenden Anträge die Aufhebung der Wortfolge "in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. Nr. 518/1994, bzw. die Feststellung begehren, daß die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, idF vor BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig war.

3. Im übrigen sind die Gesetzesprüfungsanträge nicht zulässig.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen nur ein einziges Mal zu entscheiden (siehe VfSlg. 5872/1968, 6550/1971, 9186/1981, 9216/1981, 9217/1981, 10311/1984, 10578/1985, 10841/1986, 12661/1991, 13085/1992 ua.). Da die von den antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenaten sowie vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken mit jenen übereinstimmen, über die der Verfassungsgerichtshof bereits mit dem Erkenntis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., abgesprochen hat, waren die vorliegenden Anträge insoweit wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen.

3.2. Soweit der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Aufhebung des gesamten Abs1 lita des §99 StVO 1960 idF BGBl. 518/1994, beantragt, ist der über die Wortfolge "Alkohol oder" hinausgehende Teil mangels Präjudizialität zurückzuweisen. Den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der Berufungswerber bestraft wurde, weil er sein Fahrzeug in einem durch Alkohol (und nicht etwa Suchtgift) beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Es ist daher denkunmöglich, daß der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die gesamte - keine untrennbare Einheit bildende - lita des §99 Abs1 StVO 1960, idF BGBl. 518/1994, anzuwenden hat und diese damit eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates bildet.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z3 und §19 Abs3 Z2 litd VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Feststellung Wirkung, Rechtskraft, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G264.1996

Dokumentnummer

JFT_10038789_96G00264_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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