TE Vwgh Beschluss 2019/5/28 Ra 2018/15/0051

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
BAO §115 Abs2
BAO §167 Abs2
BAO §183 Abs4
VwGG §41

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der K N I Ltd (in receivership), vertreten durch die Ernst & Young, Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. März 2018, Zl. RV/2100573/2016, betreffend Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2002) und Umsatzsteuer 2002, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Gesellschaft ist - nach den insofern unstrittigen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - ein irisches Unternehmen, das auf dem Gebiet der Telekommunikation tätig war und in verschiedenen Ländern Datenleitungen (Glasfaserleitungen/Rohre) errichtete. In den Jahren 1999 bis 2002 errichtete sie auch Glasfaserleitungen/Rohre in Österreich (mit hohem Vorsteuerüberhang), und zwar von Wien nach Salzburg. Die Revisionswerberin wurde Mitte 2002 zahlungsunfähig und befindet sich in einem Insolvenzverfahren, das nach irischem Recht als "Receivership" bezeichnet wird und der Verwertung von Vermögensgegenständen der Revisionswerberin dient.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis versagte das BFG im zweiten Rechtsgang - nach Aufhebung der seinerzeitigen Rechtsmittelentscheidung des unabhängigen Finanzsenats durch das hg. Erkenntnis vom 10. März 2016, 2013/15/0125, - erneut die von der Revisionswerberin beantragte (vom Finanzamt zunächst gewährte und nach Wiederaufnahme des Verfahrens versagte) Umsatzsteuerberichtigung.

3 Begründend führte das BFG aus, die Revisionswerberin habe betreffend die von ihr errichteten Datenleitungen/Rohre Wien-Salzburg am 26. April 2001 mit der in Österreich ansässigen XY GmbH einen Leasingvertrag (Vermietung bzw. Miete der österreichischen Datenleitungen/Rohre) abgeschlossen. Ebenso wie die Revisionswerberin habe auch die XY-Gruppe im fraglichen Zeitraum ein europaweites Glasfaserkabelnetz errichtet, unter anderem auf der Strecke London-Amsterdam. Gleichzeitig zum Vertrag betreffend Wien-Salzburg sei ein Vertrag zwischen der Revisionswerberin und verschiedenen Ländergesellschaften der XY-Gruppe (in England, Frankreich, Belgien und Niederlanden - weil diese Gruppe so organisiert gewesen sei, dass die jeweils in einem Hoheitsgebiet gelegenen Netzwerkteile von einer eigenen Gesellschaft gehalten worden seien) betreffend die Leitung London-Amsterdam abgeschlossen worden.

4 Der gegenständliche Leasingvertrag, welcher im Verfahren vorgelegt worden sei, sei somit Teil eines Tauschgeschäfts zwischen der Revisionswerberin und der XY-Gruppe (Leitung Wien-Salzburg gegen Leitung London-Amsterdam) gewesen.

Vertragstechnisch sei dies so durchgeführt worden, dass einerseits die XY GmbH einen Leasingvertrag mit der Revisionswerberin geschlossen habe, andererseits diese einen Vertrag mit (vermutlich weitgehend) korrespondierenden Bedingungen mit den am London-Amsterdam-Rohr beteiligten Gesellschaften der XY-Gruppe in den betroffenen Ländern eingegangen sei. Beide Vereinbarungen seien am 26. April 2001 unterzeichnet worden und der Vertrag betreffend die Wien-Salzburg-Leitung verweise auf den Vertrag betreffend die London-Amsterdam-Leitung. In beiden Verträgen seien Kaufoptionen für die jeweils der anderen Vertragspartei gehörenden Glasfaserkabelleitungen/Rohre vorgesehen.

5 Aufgrund der umfassenden Verfügungsmöglichkeiten seitens der XY GmbH hinsichtlich der österreichischen Datenleitungen sei seitens der Revisionswerberin davon ausgegangen worden, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Datenleitungen dem Leasingnehmer (der XY GmbH) zuzurechnen gewesen sei und somit umsatzsteuerlich bei Abschluss des Leasingvertrages und Übergabe des Leasinggegenstandes eine Lieferung (und nicht eine bloße Gebrauchsüberlassung) vorgelegen sei. Die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht an der Leitung Wien-Salzburg sei auf die XY GmbH übergegangen, das zivilrechtliche Eigentum sei jedoch (vorerst) bei der Revisionswerberin verblieben. In weiterer Folge sei daher bereits im Jahr 2001 die Lieferung (im umsatzsteuerlichen Sinn) von der Revisionswerberin als steuerpflichtig gewertet und gemeldet sowie die gesamte auf das Entgelt von 9 Mio EUR entfallende Umsatzsteuer iHv 1,8 Mio EUR an das für die Revisionswerberin zuständige Finanzamt abgeführt worden. Die Zahlung sei gemäß § 27 Abs. 4 UStG 1994 durch die XY GmbH (auf deren Konzernebene mit Aufrechnung der Umsatzsteuer aus der Lieferung der Leitung London-Amsterdam) erfolgt. Im weiteren Verlauf sei der XY GmbH von der Revisionswerberin die Jahresrate für das Jahr 2001 in Höhe von 360.000 EUR verrechnet worden. Die Leasingrate sei auf Seiten der Revisionswerberin nicht der Umsatzsteuer unterworfen worden, weil dies aus umsatzsteuerlicher Sicht als eine bloße Kaufpreisrate gewertet worden sei. Diese Kaufpreisrate sei durch Verrechnung mit der ersten Kaufpreisrate aus dem Vertrag betreffend die London-Amsterdam-Leitung auf Konzernebene erfolgt (der XY Konzern habe mit dem Konzern der Revisionswerberin abgerechnet; es seien keine zusätzlichen Mittel geflossen). Es sei davon auszugeben, dass auch im (nicht vorgelegten) Vertrag zur Leitung London-Amsterdam die wesentlichen Vertragsbedingungen vergleichbar den Regelungen im Vertrag zur Leitung Wien-Salzburg geregelt gewesen seien. Die Überlassung der jeweiligen Leitung sei für eine Dauer von 25 Jahren (damalige Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) für ein Gesamtentgelt von 9.000.000 EUR (Wien-Salzburg) bzw. 8.922.650 EUR (London-Amsterdam) zahlbar in 25 gleichen Jahresraten zu 360.000 EUR bzw. 356.906 EUR erfolgt. Weiters seien wechselseitig Kaufoptionen vereinbart worden, wobei bei Ausübung der Kaufoption der Preis den im Zeitpunkt der Optionsausübung noch offenen Raten entsprechen sollte.

6 Zudem sei eine umfangreiche Wartungsverpflichtung der Revisionswerberin für ein jährliches Wartungsentgelt von

373.800 EUR betreffend die Leitung Wien-Salzburg vereinbart worden, wobei die XY GmbH das Recht gehabt habe, die Betriebs- und Wartungsvereinbarung im Falle der Insolvenz der Revisionswerberin zu beenden, unbeschadet des Fortbestehens der übrigen Bestimmungen des Leasingvertrages. Der Vertrag regle ein Schriftlichkeitsgebot für sämtliche Mitteilungen im Rahmen dieser Vereinbarung, wobei E-Mails ausgeschlossen seien, es sei denn die Vertragsparteien vereinbarten ausdrücklich etwas anderes.

7 Die wechselseitigen Zahlungsflüsse (Leasingraten und Umsatzsteuer) würden sich auf der jeweiligen Konzernebene der Vertragspartner beinahe vollständig aufrechnen. Die Vereinbarungen betreffend das Wien-Salzburg-Rohr und das London-Amsterdam-Rohr seien zwar in getrennten Verträgen geregelt gewesen, aber in einem so engen wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden, dass de facto von einem sich gegenseitig bedingenden Rechtsgeschäft auszugehen sei. Die dabei betroffenen Leistungen seien als nahezu gleichwertig anzusehen. Ohne den einen wäre auch der andere Vertrag nicht zustande gekommen.

8 Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass die Revisionswerberin die Wien-Salzburg-Leitung an die XY GmbH geliefert und als Gegenleistung hierfür die annähernd gleichwertige London-Amsterdam-Leitung (von den entsprechenden Ländergesellschaften der XY-Gruppe) erhalten habe. In umsatzsteuerlicher Hinsicht und in wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei es zu einer Lieferung bzw. einem Tausch der Leitungen mit den beiden wechselseitigen Verträgen gekommen, es seien bereits zu Beginn der Mietphase wechselseitige Lieferungen/Tauschvorgänge mit annähernd gleich hohen wechselseitigen Zahlungen vorgelegen, die zwischen den jeweiligen Konzernebenen ausgeglichen worden seien. Die XY GmbH habe die Verfügungsmacht an der Leitung Wien-Salzburg, die Revisionswerberin im Gegenzug die Verfügungsmacht an der Leitung London-Amsterdam erhalten. Dieser Tausch sei mit Abschluss der Grundgeschäfte in umsatzsteuerlicher Sicht abgeschlossen und wirtschaftlich bewirkt gewesen, zu einer Kündigung (von auch nur einem) der Verträge sei es nicht gekommen.

9 Mitte 2002 sei die Revisionswerberin zahlungsunfähig geworden und seien die "Insolvenzverwalter" (Joint Receivers) von den Gläubigern mit der Verwertung der vorhandenen Vermögensgegenstände beauftragt worden. Die XY GmbH als wirtschaftlich Verfügungsberechtigte der Leitung Wien-Salzburg habe zu diesem Zeitpunkt ihre im Leasingvertrag vorgesehene Kaufoption noch nicht ausgeübt, sodass die Revisionswerberin zu diesem Zeitpunkt weiterhin zivilrechtliche Eigentümerin der österreichischen Datenleitungen/Rohre gewesen sei. Das zivilrechtliche Eigentum an der Leitung Wien-Salzburg sei bei der revisionswerbenden Leasinggeberin verblieben. Im Zuge der Verwertung der Vermögensgegenstände der insolventen Revisionswerberin sei zum wirtschaftlichen Eigentum an der Leitung Wien-Salzburg auch das zivilrechtliche Eigentum auf die XY GmbH übertragen worden.

10 Es sei am 15. Juli 2002 ein Rahmen-Kaufvertrag zwischen drei Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Revisionswerberin und der XY Holding (für die jeweiligen Tochtergesellschaften der Käufergruppe) abgeschlossen worden, der unter anderem auch die zivilrechtliche Übereignung der Datenleitungen/Rohre zwischen Salzburg und Wien an die XY GmbH umfasst habe (welche ursprünglich mit Vertrag vom 26. April 2001 an die XY GmbH verleast und umsatzsteuerlich bereits im Tausch gegen die London-Amsterdam-Leitung geliefert worden sei). Insgesamt sei für alle von diesem Rahmenvertrag umfassten Kaufvorgänge ein Kaufpreis von 15.027.000 EUR vereinbart worden. Davon sei nach den Angaben der Revisionswerberin ein Anteil von 7.950.000 EUR auf physische Vermögensgegenstände der Revisionswerberin in 15 verschiedenen Ländern entfallen. Dieser Gesamtbetrag sei dann wertmäßig auf die einzelnen Länder aufgeteilt worden, in welchen sich die jeweiligen physischen Vermögensgegenstände befunden hätten. Auf Österreich entfallend sei ein Anteil von 8,5% und somit ein Teilkaufpreis von 677.000 EUR in Rechnung gestellt worden, wobei davon wertmäßig seitens der Revisionswerberin ein Teil von ca. 50% als auf die Datenleitung Wien-Salzburg entfallend angenommen werde. 11 Laut ihren Ausführungen habe die Revisionswerberin im Zusammenhang mit diesem Rahmenkaufvertrag vom 15. Juli 2002 an die österreichische XY GmbH am 19. August 2002 eine Rechnung in Höhe von 677.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer (20%, 135.400 EUR) ausgestellt. Als Leistungsgegenstand sei lediglich "Sale of Assets per Agreement" lapidar angeführt worden. Von diesem Betrag seien später 50%, also 338.500 EUR, schätzungsweise der Datenleitung Wien-Salzburg zugerechnet und der Verminderung der Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt worden. Weder sei in der Rechnung das Datum des Rahmenkaufvertrages angeführt, noch gebe es irgendeinen Hinweis zur Leitung Wien-Salzburg oder lasse sich ein wertmäßiger Ansatz aus der Rechnung zur Leitung Wien-Salzburg ableiten.

12 Hinsichtlich der Datenleitung Wien-Salzburg sei im Jahr des Mietvertragsabschlusses 2001 (unter Bewirkung einer umsatzsteuerlichen Lieferung infolge Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums und erfolgten Tausches) eine Bemessungsgrundlage von 9 Mio EUR der Umsatzsteuer unterworfen worden, während durch den Verkauf im Folgejahr 2002 im Zuge der Insolvenz der Revisionswerberin an die XY GmbH ein viel geringeres Entgelt für die Überlassung der Datenleitung seitens der Revisionswerberin im Jahr 2007 errechnet worden sei. Die Revisionswerberin habe diesen Umstand jedoch als eine Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 16 UStG 1994 behandelt und erstmals im Dezember 2007 dem Finanzamt gegenüber erklärt (unter Kennzahl 090 "sonstige Berichtigungen" in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2002).

13 Das BFG werte das errechnete Entgelt im Folgejahr jedoch nur als (zusätzliches) Entgelt für die Übertragung des noch ausstehenden zivilrechtlichen Eigentums. Das BFG sehe es nämlich als erwiesen an, dass es mit Abschluss der Leasingverträge vom 26. April 2001 in wirtschaftlicher Hinsicht und wertmäßig bereits zu einem Tausch der Leitungen Wien-Salzburg gegen London-Amsterdam gekommen sei. Die Revisionswerberin habe damit für die Leitung Wien-Salzburg eine nahezu gleichwertige Leitung erhalten, die gegenseitigen Zahlungen hätten sich wechselseitig de facto aufgehoben. Die beiden Verträge seien nicht aufgekündigt worden, sondern auch im Zuge der Insolvenz der Revisionswerberin aufrecht geblieben. Durch die Ausgestaltung des Kündigungsrechts dergestalt, dass dem Leasinggeber vertraglich de facto kein (übliches) Kündigungsrecht eingeräumt gewesen sei, werde der enge, nahezu untrennbare Zusammenhang der beiden Verträge besonders deutlich. Deshalb habe die XY GmbH aus dieser Lieferung auch im Jahr 2002 keine Vorsteuerkorrektur vorgenommen (was von deren zuständigem Finanzamt überprüft und bestätigt worden sei), als sie die Leitung Wien-Salzburg zusätzlich zivilrechtlich übernommen habe. Der Kaufvertrag vom 15. Juli 2002 samt Rechnung vom 19. August 2002 bilde demnach nur mehr die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an der Leitung Wien-Salzburg ab, welche im Tausch gegen die Leitung London-Amsterdam umsatzsteuerlich bereits geliefert worden sei, samt Abgeltung allfälliger Differenzansprüche. Da der Wert der beiden Leitungen annähernd gleich gewesen sei, fehlten für eine Änderung der Bemessungsgrundlage im Jahr 2002 die Voraussetzungen. Der Kaufvertrag vom 15. Juli 2002 habe den wirtschaftlich bereits vollzogenen Tausch der Leitungen nicht berührt. Keinesfalls sei aus diesem Vertrag plausibel ableitbar, dass die Leitung Wien-Salzburg (ohne Berücksichtigung des Wertes der Leitung London-Amsterdam) hier für einen Minimalbetrag von 338.500 EUR übertragen worden wäre. Die Revisionswerberin habe ja die Verfügungsmacht an der Leitung London-Amsterdam bereits übertragen erhalten. Dass es beim Kaufvertrag zu Vermögensübertragungen zum Pauschalpreis gekommen sei, lege die Vermutung nahe, dass hier nur Differenzansprüche abgegolten werden sollten. Der zweite Vertrag vom 15. Juli 2002 habe nur zivilrechtliche Klarheit schaffen sollen und der Bereinigung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche gedient, habe aber keine weitere Bedeutung für die Bemessungsgrundlage der Leitung Wien-Salzburg aus dem Leasingvertrag. Die Umsatzsteuer sei seitens der XY GmbH entrichtet und als Vorsteuer abgezogen worden und habe im Ergebnis zu keiner finanziellen Belastung geführt. Diese Feststellungen zum Sachverhalt hätten die größte Wahrscheinlichkeit für sich. 14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit macht die Revisionswerberin eine Abweichung des BFG von näher angeführter verfahrensrechtlicher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend, wie einen Verstoß gegen seine Ermittlungspflicht, den Grundsatz des Parteiengehörs und der Begründungspflicht. Dies habe dazu geführt, dass das BFG einen unzutreffenden Sachverhalt festgestellt habe. Zudem sei die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Unrecht erfolgt. 15 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 19 Das BFG ist zur Beurteilung gelangt, dass der Leasingvertrag vom 26. April 2001 über die Datenleitung Wien-Salzburg und der gleichzeitig abgeschlossene Leasingvertrag über die Datenleitung London-Amsterdam, einen Tausch zwischen der Revisionswerberin und der XY-Gruppe betreffend die jeweilige Datenleitung darstellt. Entgegen der von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnung seien keine Leasingverträge (Mietverträge) vorgelegen, es sei auch zu keiner Zahlung von Leasingraten gekommen (allenfalls zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages von 96 EUR). Im Revisionsverfahren stellen die Parteien die Feststellung des BFG, dass das wirtschaftliche Eigentum an den beiden Rohrleitungen auf den jeweiligen Vertragspartner übergegangen ist, nicht in Frage. Von diesem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Jahr 2001 ist auch die Revisionswerberin stets ausgegangen.

Aufgrund des gegebenen Sachverhalts ist das BFG weiters davon ausgegangen, dass der Tauschvertrag zwischen der Revisionswerberin und der XY-Gruppe bereits im Jahr 2001 durch umsatzsteuerbare Lieferungen erfüllt worden ist.

Im Jahr 2002 ist es nun nach den Feststellungen des BFG nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage aus dem Tausch gekommen, weil das wirtschaftliche Eigentum an der Datenleitung nicht zurückgestellt wurde. Damit unterscheidet sich der gegenständliche Fall von dem dem Urteil des EuGH vom 12.10.2017, C- 404/16 Lombard Ingatlan Lizing Zrt., ÖStZB 2019, 119, zu Grunde liegenden Fall. Zu einem Rückgängigmachen des Tauschvertrages ist es nicht gekommen. Vielmehr hat die XY-Gruppe noch eine weitere (geringe) Zahlung geleistet, damit sich die Revisionswerberin bereit erklärt, die erforderlichen Schritte zu setzen, damit die XY-Gruppe auch als zivilrechtliche Eigentümerin auftreten kann. 20 Eine in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des BFG ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2017/15/0037). Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/15/0028).

21 Die vorliegende Sachverhaltsfeststellung hat das BFG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang und eines schriftlichen Vorhalteverfahrens im zweiten Rechtsgang, im Zuge dessen die Revisionswerberin erneut Stellung zu den Verfahrensergebnissen bezog und ihren Antrag auf eine erneute mündliche Verhandlung zurückzog - unter Zugrundelegung einer umfassenden Beweiswürdigung getroffen. Dabei hat das BFG insbesondere die Umstände der wechselseitig abgestimmten für einen Tausch im wirtschaftlichen Eigentum sprechenden Vertragsgestaltung der beiden Leasingverträge, die Undeutlichkeit des vorgeblich eine Kündigung des Leasingvertrags darstellenden E-Mails, die durch eine Außenprüfung überprüften Angaben der XY GmbH gegenüber ihrem Finanzamt, den unspezifischen Leistungsgegenstand des nachfolgenden Rahmenkaufvertrages im Jahre 2002, die späte Antragstellung auf Berichtigung der Umsatzsteuer der Revisionswerberin erst fünf Jahre nach der vermeintlich vorliegenden Änderung der Bemessungsgrundlage in seine Würdigung einbezogen.

22 Dass diese Beweiswürdigung unschlüssig iSd hg. Rechtsprechung wäre, konnte die Revision mit ihren Verfahrensrügen und ihrer Darstellung einer möglichen alternativen Sachverhaltsfeststellung nicht aufzeigen.

23 Soweit die Revision eine Verletzung des Parteiengehörs im Zusammenhang mit der konkreten Würdigung der einzelnen Beweisergebnisse durch das BFG rügt, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweiswürdigung selbst nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens zählt, zu denen im Rahmen des Parteiengehörs zwingend eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen wäre (vgl. mwN VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0390, sowie 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.7.2007, 2005/15/0051).

24 Den Ausführungen der Revision zur Wiederaufnahme, der grundlegende Sachverhalt sei zum Zeitpunkt des am 20. März 2008 gegenüber der Revisionswerberin ergehenden Erstbescheids bereits aufgrund einer Anfrage der XY GmbH aus dem Jahr 2003 betreffend die Vorsteuerkorrektur in der Finanzverwaltung aktenkundig gewesen, ist schließlich zu entgegnen, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Dabei ist das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. statt vieler VwGH 20.10.2016, Ro 2014/13/0034, mwN). Der Verweis auf einen allfälligen Wissensstand des für die XY GmbH zuständigen Finanzamts steht daher einer Wiederaufnahme des Verfahrens im Umsatzsteuerverfahren der Revisionswerberin nicht entgegen. 25 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150051.L00

Im RIS seit

03.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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