TE Vfgh Erkenntnis 1996/12/11 B291/96

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Veröffentlicht am 11.12.1996
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc StVO 1960 idF vor der 19. StVO-Novelle, BGBl 518/1994, mit E v 05.12.96, G9/96 ua. (Ebenso: B1362/96, B3880/95, beide E v 11.12.96).

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. September 1995 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß §88 Abs1 und Abs4 StGB für schuldig erkannt, weil er am 2. April 1994 als Lenker eines PWK eine Person fahrlässig am Körper verletzt hat.

Überdies wurde er mit dem (mit der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bekämpften) Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 27. November 1995, Z UVS-3/2318/15-1995, gemäß §5 Abs1 zweiter Satz in Verbindung mit §99 Abs1 lita StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle BGBl. 518/1994, bestraft, weil er im Zuge derselben Fahrt seinen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Bei Erlassung dieses Bescheides wandte der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg §99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle 518/1994, an, wonach eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, "wenn eine in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet".

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in §99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung der vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. 518/1994, verfassungswidrig war.

1.2. Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt die Feststellung, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

1.3. Dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde) sind alljene Fälle gleichzuhalten, die mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung des §99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. 518/1994, begann am 5. Dezember 1996; mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G9/96 ua., wurde festgestellt, daß diese Vorschrift verfassungswidrig war.

Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 24. Jänner 1996 - also vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren - ein.

1.4. Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Nach der Lage des Falles ist es nicht ausgeschlossen, daß die Anwendung des §99 Abs6 litc StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. 518/1994, für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

1.5. Es ist daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt wurde; der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-

enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B291.1996

Dokumentnummer

JFT_10038789_96B00291_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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