TE Vwgh Beschluss 2019/6/24 Ra 2019/20/0101

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Veröffentlicht am 24.06.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §68
BFA-VG 2014 §9 Abs2
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des W N in S, vertreten durch Dr. Christian Reiter, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Schulring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Jänner 2019, Zl. W166 2115807- 3/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er zusammengefasst aus, sein Cousin habe sich geweigert eine Verwandte eines näher bezeichneten Generals zu heiraten, weshalb es zu einem Streit gekommen sei, infolgedessen drei Familienmitglieder der Verwandten des Generals getötet worden seien. Der Revisionswerber sei für deren Tod verantwortlich gemacht worden, weswegen der General einen Brand in dessen Haus gelegt habe.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 2015 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 13. März 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Das Vorbringen des Revisionswerbers erachtete das BVwG mit näherer Begründung als nicht glaubwürdig.

4 Den Folgeantrag vom 1. Juni 2017 wies das BFA mit Bescheid vom 3. August 2017 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des BVwG vom 29. August 2017 als unbegründet abgewiesen.

5 Am 21. März 2018 stellte der Revisionswerber den dritten, verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Ergänzend zu seinen bisherigen Fluchtgründen führte der Revisionswerber aus, er sei auf "Facebook" bedroht worden. 6 Mit Bescheid vom 22. November 2018 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Weiters setzte das BFA keine Frist zur freiwilligen Ausreise fest und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. 7 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe vorgelegte Beweismittel mit dem bloßen Argument angezweifelt, dass der Zeitpunkt der Vorlage verdächtig sei.

12 Dazu ist zunächst auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes im Allgemeinen nicht revisibel ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 8.3.2019, Ra 2018/20/0394, mwN).

13 Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Vorbringen im Ergebnis nicht, eine derartige Fehlbeurteilung aufzuzeigen, zumal er verkennt, dass sich das BVwG bei seiner Würdigung der vorgelegten Beweismittel auf weitere Umstände stützte, welche in der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht beanstandet werden. Im Hinblick auf die vorgebrachte, unter Nutzung von "Facebook" erfolgte Bedrohung übersieht der Revisionswerber, dass sich das BVwG bei seiner Einschätzung neben dem fehlenden Absender auch auf das fehlende Datum dieser Nachricht stützte und diesen Umstand zudem in Kontext mit dem bisherigen als unglaubwürdig erachteten Vorbringen des Revisionswerbers setzte.

14 Sofern der Revisionswerber weiters vorbringt, es fehle an Rechtsprechung, welches Beweismaß einem Asylwerber auferlegt werde, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass das österreichische Asylrecht lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss demnach die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0572, mwN).

15 Im Zusammenhang mit der in der Revision vorgebrachten Unterlassung amtswegiger Nachforschungen zum Nachteil des Revisionswerbers ist auszuführen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel, und zwar in konkreter Weise, darzulegen (vgl. VwGH 18.7.2018, Ra 2018/01/0175, mwN). 16 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen beschränkt, sondern umfasst auch andere faktische Familienbindungen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. zum Ganzen VwGH 31.1.2019, Ra 2019/20/0028, mwN).

18 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers berücksichtigte das BVwG bei seiner Interessenabwägung sowohl die Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers im Bundesgebiet als auch dessen Unbescholtenheit. Weiters stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber und die in Österreich asylberechtigte afghanische Staatsangehörige, mit welcher der Revisionswerber eine Beziehung führe, in keinem gemeinsamen Haushalt leben würden. 19 Da die Revision in der Zulässigkeitsbegründung diesen Feststellungen des BVwG nicht substantiiert entgegentritt, sondern lediglich pauschal auf eine in Österreich bestehende Lebensgemeinschaft des Revisionswerbers verweist, kann dem BVwG im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es ein bestehendes Familienleben des Revisionswerbers in Österreich im Sinn des Art. 8 EMRK verneint.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200101.L00

Im RIS seit

21.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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