TE Vfgh Erkenntnis 2019/6/14 G396/2018

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Veröffentlicht am 14.06.2019
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Index

L0015 LVerwaltungsgericht

Norm

B-VG Art87 Abs2
B-VG Art88 Abs2
B-VG Art97 Abs2
B-VG Art130 Abs2 Z3
B-VG Art131 Abs5
B-VG Art134 Abs7
B-VG Art135 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
Wr Verwaltungsgericht-DienstrechtsG §11Abs1
RStDG §111, §209
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Wr Verwaltungsgericht-DienstrechtsG betreffend die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Disziplinargericht für die Mitglieder des Verwaltungsgerichts Wien

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §11 Abs1 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz – VGW-DRG, LGBl 84/2012 idF LGBl 47/2018, in eventu §11 VGW-DRG, in eventu §11 Abs1 und §23a VGW-DRG, in eventu §11 und §23a VGW-DRG als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz – VGW-DRG, LGBl 84/2012 idF LGBl 47/2018, lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Disziplinargericht

§11. (1) Disziplinargericht ist das Bundesverwaltungsgericht, welches durch einen Senat entscheidet.

(2) Das Disziplinargericht ist zuständig zur Entscheidung über eine Suspendierung ? und zwar über Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Verwaltungsgerichts oder der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwalts ? und zur Erlassung von Beschlüssen und Disziplinarerkenntnissen. §10 Abs1 zweiter bis fünfter Satz VGWG ist sinngemäß anzuwenden.

(3) Vom Disziplinargericht sind auch Dienstpflichtverletzungen zu verfolgen, die ein gemäß §15 aus seinem Amt ausgeschiedenes Mitglied während der Zeit seiner Mitgliedschaft im Verwaltungsgericht begangen hat. Dies gilt nicht, wenn das ehemalige Mitglied nicht mehr Beamtin oder Beamter der Gemeinde Wien ist.

[…]

§23a. (1) Die Zuständigkeit zur Durchführung von mit Ablauf des Tages der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz beim Disziplinarausschuss anhängigen Verfahren geht auf das Disziplinargericht über, welches diese Verfahren neu durchzuführen hat. Das Mitglied (Ersatzmitglied) des Disziplinarausschusses, welches am Tag der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz den Vorsitz im Disziplinarausschuss innehatte, hat die diesbezüglichen Akten unverzüglich dem Disziplinargericht zu übermitteln.

(2) Ist ein Erkenntnis oder Beschluss des Disziplinarausschusses vor Ablauf des Tages der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz mündlich verkündet worden, die Zustellung einer den Beginn der Revisions- oder Beschwerdefrist auslösenden schriftlichen Ausfertigung desselben jedoch bis zum Ablauf dieses Tages nicht veranlasst worden, tritt das Erkenntnis bzw der Beschluss mit Ablauf dieses Tages außer Kraft."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl 1/1930 idF BGBl I 14/2019, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Artikel 87. (1) […]

(2) In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind.

(3) […]

Artikel 88. (1) Durch Bundesgesetz wird eine Altersgrenze bestimmt, mit deren Erreichung die Richter in den dauernden Ruhestand treten.

(2) Im Übrigen dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen finden jedoch auf Übersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand keine Anwendung, die durch eine Änderung der Gerichtsorganisation nötig werden. In einem solchen Fall wird durch das Gesetz festgestellt, innerhalb welchen Zeitraumes Richter ohne die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten übersetzt und in den Ruhestand versetzt werden können.

(3) […]

[…]

Artikel 97. (1) […]

(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muss hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden.

[…]

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

(Anm:[…] Z4 aufgehoben durch Art1 Z13, BGBl I Nr 138/2017)

(1a) […]

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder

2. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder

3. Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten oder

4. Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge in sonstigen Angelegenheiten

vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art11, 12, 14 Abs2 und 3 und 14a Abs3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z1 und 4 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

[(2a) – (5) …]

Artikel 131. [(1) – (4) …]

(5) Durch Landesgesetz kann in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art97 Abs2 gilt sinngemäß.

(6) Über Beschwerden in Rechtssachen, in denen ein Gesetz gemäß Art130 Abs2 Z1 und 4 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, erkennen die in dieser Angelegenheit gemäß den Abs1 bis 4 dieses Artikels zuständigen Verwaltungsgerichte. Ist gemäß dem ersten Satz keine Zuständigkeit gegeben, erkennen über solche Beschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder.

[…]

Artikel 134. [(1) – (6) …]

(7) Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes sind Richter. Art87 Abs1 und 2 und Art88 Abs1 und 2 sind mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass die Altersgrenze, mit deren Erreichung die Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder in den dauernden Ruhestand treten oder ihr Dienstverhältnis endet, durch Landesgesetz bestimmt wird.

(8) […]

Artikel 135. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. Die Größe der Senate wird durch das Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes festgelegt. Die Senate sind von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, aus den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes und, soweit in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorgesehen ist, aus einer in diesen zu bestimmenden Anzahl von fachkundigen Laienrichtern zu bilden. Insoweit ein Bundesgesetz vorsieht, dass ein Verwaltungsgericht des Landes in Senaten zu entscheiden hat oder dass fachkundige Laienrichter an der Rechtsprechung mitwirken, muss hiezu die Zustimmung der beteiligten Länder eingeholt werden. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt durch Senate, die von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bestehen hat, aus den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bilden sind.

(2) Die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, auf die Einzelrichter und die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. Die vom Verwaltungsgerichtshof zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bestehen hat, auf die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen.

[(3) – (4) …]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim antragstellenden Gericht ist ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien anhängig. Bei diesem Disziplinarverfahren sind beim antragstellenden Gericht Bedenken ob der Verfassungskonformität des §11 Abs1 VGW-DRG entstanden.

1.1. Zur Frage der Präjudizialität führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich seine Zuständigkeit im anhängigen Verfahren aus der angefochtenen Bestimmung ergebe.

1.2. In der Sache legt das Bundesverwaltungsgericht die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Das Bundesverwaltungsgericht hegt Bedenken, dass die angefochtene Norm bzw, wenn der Verfassungsgerichtshof nur einen Eventualantrag für zulässig erachtet, die angefochtenen Normen gegen Art88, 135 B-VG und darüber hinaus gegen Art130 B-VG verstößt bzw verstoßen.

Zu den Bedenken im Hinblick auf Art88, 135 B-VG:

[…]

Hiezu hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.06.2018, G29/2018-14, G108/2018-10 ausgeführt, dass sich aus Art88 Abs2 B-VG ergibt, dass das Disziplinarrecht materiell betrachtet der Justizverwaltung zuzuordnen ist, es sich aber – zumindest im Falle einer Amtsenthebung, Versetzung oder Versetzung in den Ruhestand eines Richters – um eine erkennende Tätigkeit der Richter handelt und daraus folgt, dass jedenfalls dieser Teil des Disziplinarrechts einem kollegialen richterlichen Spruchkörper übertragen werden muss (siehe Rz 35). Weiters führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass, da in bestimmten disziplinarrechtlichen Angelegenheiten die Entscheidung mittels förmlichen richterlichen Erkenntnisses zu erfolgen hat, es sich beim (damaligen) Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien um einen Senat im Sinne des Art135 Abs1 B-VG handeln muss, auf den die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte nach Art135 Abs2 B-VG zu verteilen sind. Der (damalige) Disziplinarausschuss entsprach nach dem gegenständlichen Erkenntnis aber nicht Art135 B-VG, weil lediglich eines der Mitglieder von der Vollversammlung gewählt wird, während die übrigen zwei vom Präsidenten ernannt werden, eines auf Grund freier Entscheidung, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses. Da Senate im Sinne des Art135 Abs1 B-VG von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss zu bilden seien, handelte es sich beim damaligen Disziplinarausschuss somit um keinen Senat, der die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art135 Abs1 und 2 B-VG erfüllt hat. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Erkenntnis abschließend ausgeführt, dass die angefochtenen Wortfolgen und Absätze des §19 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien, LGBl Nr 83/2012 in der damaligen Fassung LGBl Nr 30/2018, mit welchen unter anderem die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Disziplinarstrafe der Entlassung an ein Organ übertragen werden, welches nicht zur Gänze von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss gebildet wird, gegen Art135 B-VG verstößt (Rz 41).

Nunmehr hat der Landesgesetzgeber alle disziplinarrechtlichen Angelegenheiten und somit Angelegenheit[en] der Justizverwaltung des Verwaltungsgerichtes Wien mit §11 VGW-DRG einem (weder von ihm noch von der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien zu bestimmenden bzw zu wählenden) Senat des Bundesverwaltungsgerichts übertragen, dessen Mitglieder zwar zweifellos Richter bzw Richterinnen, aber weder Mitglieder der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien sind[,] noch durch diese gewählt wurden. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber diesen Teil der Justizverwaltung dem Bundesverwaltungsgericht übertragen, dessen Geschäftsverteilungsausschuss ohne Mitwirkung der Mitglieder der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien die übertragenen Geschäfte nach seinem Gutdünken an Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichtes überträgt.

Aus Art135 Abs1 4. Satz B-VG kann – im Lichte des oben angeführten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes – nur geschlossen werden, dass die Senate aus der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu bildenden Ausschuss[…] desselben Gerichts zu bilden sind.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist diese Übertragung von Justizverwaltungsangelegenheiten an einen nicht von der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien gewählten Senat oder Ausschuss eines anderen Gerichtes im Lichte der Art88 Abs2, 135 Abs1 und 2 1. Satz B-VG verfassungswidrig.

Zu den Bedenken im Hinblick auf Art130 B-VG:

Sollte der Verfassungsgerichtshof die 'Überführung' von Justizverwaltung in die Regelverwaltung bzw Rechtsprechung – um eine solche handelt es sich, wenn man §11 Abs1 VGW-DRG für verfassungskonform hält – im Lichte der Art88, 135 B-VG für zulässig erachten, zweifelt das Bundesverwaltungsgericht an, dass es verfassungskonform ist, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behandlung eines Strafantrages der Disziplinaranwältin zu betrauen.

[…]

Zweifelsohne handelt es sich bei einem Strafantrag um keine Beschwerde, sodass eine obligatorische Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nach Art130 Abs1 B-VG ebenso ausscheidet wie eine Zuständigkeit nach den Abs1a und 2a der leg.cit.[…]

Ebenso ist nicht zu erkennen, wie §11 Abs1 VGW-DRG auf eine[r] fakultative Zuständigkeit nach Art130 Abs2 Z1 oder 2 B-VG fußen sollte.

Lediglich Art130 Abs2 Z3, der die fakultative Möglichkeit des einfachen Gesetzgebers, Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu übertragen, eröffnet, könnte prima vista eine verfassungsrechtliche Ermächtigung für §11 Abs1 VGW-DRG darstellen.

Allerdings würde diese Argumentation übersehen, dass es sich bei §11 Abs1 VGW-DRG um die Übertragung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit in einer hoheitlichen Angelegenheit an ein Verwaltungsgericht handelt.

Die erläuternden Bemerkungen zum Entwurf der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 führen hiezu aus, dass nach dem vorgeschlagenen (unverändert beschlossenen) Art130 Abs2 B-VG durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit vorgesehen werden können. Solche Beschwerden können nur andere als die in Art130 Abs1 Z1 bis 4 B-VG genannten Beschwerdegegenstände, also nicht typengebundenes Verwaltungshandeln und andere Weisungen als solche nach Art81a Abs4 B-VG, zum Gegenstand haben.

Weitere Ausführungen zu Art130 Abs2 Z3 B-VG enthalten die Materialien nicht, aber deutet das Wort 'Streitigkeiten' in der leg.cit. darauf hin, dass es sich hierbei eben um keine Angelegenheiten handelt, denen ein hoheitliches Verwaltungshandeln zu Grunde liegt oder liegen müsste, sondern um zivilrechtliche Auseinandersetzungen. In der österreichischen Rechtsprache wird unter Streitigkeiten – soweit dies zu sehen war – eben keine Auseinandersetzung von einander in einem Hoheitsverhältnis gegenüberstehende[n] Parteien, sondern eine Auseinandersetzung von Privatrechtssubjekten verstanden. Es kann nur vermutet werden, dass der Gesetzgeber hier die Befassung der Verwaltungsgerichte mit Angelegenheiten der nicht hoheitlich beschäftigten öffentlich Bediensteten ermöglichen wollte.

Daher vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht, dass die unmittelbare Befassung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem Strafantrag der Disziplinaranwältin nach dem VGW-DRG gegen Art130 B-VG verstößt."

2. Die Wiener Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Zur Entstehungsgeschichte des §11 Abs1 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz (VGW-DRG) ist Folgendes zu bemerken:

Diese Bestimmung sieht vor, dass das Disziplinargericht der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien das Bundesverwaltungsgericht ist, das durch einen Senat entscheidet. Diese Bestimmung ist Teil des Gesetzes, mit dem das Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechts-gesetz (11. Novelle zum Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz) und das Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien geändert werden, LGBl für Wien Nr 47/2018. Diesem Gesetzesbeschluss des Wiener Landtages liegt der Initiativantrag vom 18. Juni 2018 zu Grunde, in dem auf §11 Abs1 VGW-DRG bezogen ausgeführt wird, dass zur Stärkung der Unabhängigkeit der Disziplinarbehörde und zur Vorbeugung von Befangenheitsproblemen an Stelle des aus Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien bestehenden Disziplinarausschusses das Bundesverwaltungsgericht mit den Aufgaben der Disziplinarbehörde für das Verwaltungsgericht Wien betraut werden soll. Der [a]m Verwaltungsgericht Wien bestehende Disziplinarausschuss wird daher aufgelöst.

Nach der Fassung des Gesetzesbeschlusses durch den Wiener Landtag hat der Landeshautmann von Wien mit Schreiben vom 4. Juli 2018 die Bundesregierung gemäß Art131 Abs5 in Verbindung mit Art97 Abs2 B-VG um Erteilung der Zustimmung zu der in diesem Gesetz vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen ersucht. Das Bundesministerium für Verfassung, Deregulierung und Justiz hat daraufhin mit Schreiben vom 22. August 2018 mitgeteilt, dass die Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 22. August 2018 beschlossen hat, zu der im Gesetzesbeschluss vorgesehenen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Art131 Abs5 in Verbindung mit Art97 Abs2 B-VG die Zustimmung zu erteilen.

Zur verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlage der Begründung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist Folgendes auszuführen:

Den Gegenstand der Übertragung der Aufgaben an das Bundesverwaltungsgericht bildet das Disziplinarrecht der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien. Diese stehen gemäß §2 Abs1 VGW-DRG ex lege in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Die Richter sind angesichts der verfassungsrechtlichen Sonderstellung Wiens – sie werden aus dem Gemeindebudget besoldet (zu den darauf bezogenen bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben siehe Art127 Abs8 B-VG sowie Moritz in Korinek/Holoubek [Hrsg], Bundesverfassungsrecht, Band I/3, Art108, Rz 10) – sowohl Landes- als auch Gemeindebedienstete (siehe VfSlg 13.136/1992, wonach es in Wien keine Landesbedienstete[n] gibt, die nicht zugleich Gemeindebedienstete sind, sowie den Wortlaut des §2 Abs1 VGW-DRG).

Die Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte werden durch Art131 B-VG nach dem System der Generalklausel (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder) mit taxativen Ausnahmen (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes) verteilt (siehe GP XXIV, RV 1618, 15). […]

[…] Art131 Abs4 und 5 B-VG erweitern dieses Modell anschließend für den Bundes- und Landesgesetzgeber und machen es beweglich: Durch Bundesgesetz kann eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder vorgesehen werden (diese Fälle sind hier nicht weiter von Relevanz) und vice versa kann – und dies ist im hier wesentlichen Zusammenhang die zentrale verfassungsrechtliche Grundlage für §11 Abs1 VGW-DRG – durch Landesgesetz in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art97 Abs2 B-VG gilt in diesen Fällen sinngemäß. Dies geht aus den Erläuterungen zu Art131 B-VG eindeutig hervor:

'Die Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte des Bundes können nicht nur durch Bundesgesetz, sondern, soweit es sich um Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereich[es] der Länder (Art15 Abs1 B-VG) handelt, nach Art131 Abs5 auch durch Landesgesetz erweitert werden (zu denken wäre etwa an eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben). Solche Landesgesetze bedürfen allerdings der Zustimmung der Bundesregierung.' (GP XXIV, RV 1618, 16).

Das Disziplinarrecht der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien zählt zu den Angelegenheiten des Dienstrechtes der Länder und der Gemeinden im Sinne des Art21 Abs1 B-VG. Die Gesetzgebung in diesen Angelegenheiten obliegt nach der genannten Bestimmung den Ländern. Dass diese Zuständigkeit ihre Grundlage nicht in Art15 Abs.1 B-VG, sondern in Art21 Abs.1 B-VG hat, ändert nichts daran, dass sie jedenfalls Teil der uneingeschränkten Gesetzgebungskompetenz der Länder bildet. Wiederin führt dazu aus, dass die Landesgesetzgebung die Zuständigkeit von Landes- zu Bundesgerichten verschieben kann. Dies setzt eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz voraus und ist daher auf jene Angelegenheiten, die gemäß Art.15 Abs.1 B-VG 'oder kraft expliziter verfassungsrechtlicher Zuweisung' in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen (Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, [2013], 29 ff. [37]). Der Wiener Landesgesetzgeber war daher bereits gemäß Art131 Abs5 verfassungsrechtlich einwandfrei ermächtigt, das Bundesverwaltungsgericht mit der Vollziehung von Angelegenheiten des Disziplinarrechtes der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien zu beauftragen. Aus der Entstehungsgeschichte des §11 Abs1 VGW-DRG ergibt sich, dass der Landeshauptmann von Wien sowie die Bundesregierung die hier vertretene Auffassung teilen.

Sollte der Verfassungsgerichtshof der Auffassung sein, dass Art131 Abs5 iVm Art97 Abs2 B-VG im gegenständlichen Sachzusammenhang alleine keine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage bilde[n], wird Folgendes vorgebracht:

Das richterliche Disziplinarrecht ist materiell betrachtet der Justizverwaltung zuzuordnen (zuletzt VfGH vom 14. Juni 2018, Zlen G29/2018 u. a.). Aus Art88 Abs2 B-VG (in Verbindung mit Art134 Abs7 B-VG) lässt sich für die vorliegende Angelegenheit jedoch lediglich gewinnen, dass es sich beim Disziplinarrecht – zumindest im Falle einer Amtsenthebung, Versetzung oder Versetzung in den Ruhestand einer Richterin bzw eines Richters – um eine erkennende Tätigkeit der Richterinnen und Richter handelt. Daraus folgt, dass jedenfalls dieser Teil des Disziplinarrechtes einem kollegialen richterlichen Spruchkörper übertragen werden muss (VfSlg 8803/1980). Schlussfolgerungen, bei welchem Gericht dieser kollegiale Spruchkörper eingerichtet sein muss, lassen sich aus dem Erkenntnis vom 14. Juni 2018 (in dem es im Wesentlichen um die Kreation und Zusammensetzung eines Organs der kollegialen Justizverwaltung ging, vgl Eberhard/Ranacher/Weinhandl, Rsp-Bericht, ZfV 2018/26-9) nicht ableiten.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht vermeint, dass Art88 B-VG keine tragfähige Kompetenznorm für die Einrichtung eines Disziplinargerichtes für die Wiener Landesverwaltungsrichterinnen und Landesverwaltungsrichter beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben vermag, übersieht es, dass sich der Wiener Landesgesetzgeber als Materiengesetzgeber des richterlichen Dienstrechtes auch auf Art134 Abs7 iVm Art87 Abs2 B-VG als Kompetenznorm stützen kann.

Gemäß Art87 Abs2 B-VG befindet sich eine Richterin bzw ein Richter bei Besorgung aller ihr bzw ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind, in Ausübung ihres bzw seines richterlichen Amtes. Diese kompetenzneutrale verfassungsgesetzliche Grundlage ermächtigt sohin sowohl den Bundes- als auch den Landesgesetzgeber in seinem jeweiligen Wirkungsbereich (arg. 'nach Vorschrift des Gesetzes') Justizverwaltungssachen an Kommissionen oder Senate zu übertragen. Dass es sich dabei nur um Kommissionen oder Senate desselben Gerichtes handeln darf, kann dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden. Vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof kürzlich ausgesprochen (neuerlich VfGH 14. Juni 2018, Zlen G29/2018 u. a., Rz 36), dass zu den vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäften (vgl Art135 Abs2 B-VG) nicht nur die Aufgaben im Sinne des Art130 B-VG gehören, sondern auch die gerichtlichen Geschäfte im Sinne des Art87 Abs2 B-VG, also auch alle Justizverwaltungsagenden, die durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind (= die gesamte kollegiale Justizverwaltung).

Da §11 Abs1 VGW-DRG als Disziplinargericht das Bundesverwaltungsgericht für zuständig erklärt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der konkret zuständige Senat abstrakt und im Vorhinein von der Geschäftsverteilung unter Rücksicht auf §7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz zusammenzusetzen ist, womit den Anforderungen der Art88 Abs2 B-VG und Art6 EMRK iVm Art135 B-VG Genüge getan ist und auch zulässigerweise konform Art87 Abs2 B-VG das gesamte Disziplinarrecht als Teil der kollegialen Justizverwaltung, also als 'gerichtliche Geschäfte' im Sinn des Art87 Abs2 B-VG, übertragen wird.

Ein vom Bundesverwaltungsgericht insinuiertes Verständnis von kollegialer Justizverwaltung als 'Selbstverwaltung' des eigenen Gerichtes ist weder der Bundesverfassung noch der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu entnehmen. Einerseits ist die Selbstverwaltung im B-VG an anderer Stelle im sechsten Hauptstück geregelt (vgl zur 'sonstigen Selbstverwaltung' Art120a B-VG ff), andererseits sind nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Senate im Sinne des Art135 Abs1 B-VG auch in disziplinarrechtlichen Angelegenheiten von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss zu bilden (VfGH 14. Juni 2018, Zlen G29/2018 u. a., Rz 40), nicht aber zu wählen. Wie Holoubek kürzlich überzeugend nachgewiesen hat, ist für Selbstverwaltungseinrichtungen wie insbesondere Kammern nicht so sehr der klassische Verwaltungsvollzug kennzeichnend, sondern vielmehr die Repräsentation, Wahrung und Vertretung von Interessen. Selbstverwaltung ist also bei dieser Betrachtung mehr und anderes als 'weisungsfreie Verwaltung' etwa im Sinn des Art20 Abs2 B-VG (Holoubek, Selbstverwaltung und Gewaltenteilung, JBI 2018, 487 [491]). Ebenso hat Wiederin unter Verweis auf die einschlägige verfassungsgerichtliche Judikatur zutreffend festgehalten, dass Justizverwaltung nichts mit dem bisherigen Verständnis von Selbstverwaltung zu tun hat (Wiederin, Brauchen wir einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt oder einen Rat der Gerichtsbarkeit?[,] JRP 2012, 430 [435]; ebenso Ratz, der auf eine strikte Gesetzesbindung der Dienst- und Disziplinargerichtsbarkeit verweist: Ratz, Zur Unabhängigkeit von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit, ÖJZ2016, 492 [496]).

Wenn das Bundesverwaltungsgericht vermeint, dass der Geschäftsverteilungsausschuss dieses Gerichtes vom Landesgesetzgeber übertragene Geschäfte nach seinem 'Gutdünken' an Mitglieder dieses Gerichtes übertrage, übersieht es, dass nach Übertragung einer Zuständigkeit durch den Wiener Landesgesetzgeber an das Bundesverwaltungsgericht in logischer Konsequenz ausschließlich dieses zur weiteren damit im Zusammenhang stehenden Willensbildung berufen sein kann.

Vor diesem Hintergrund ist ausdrücklich auf die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Intention des Wiener Landesgesetzgebers zu verweisen, unter Ausnützung seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes mit dem Gesetz LGBl für Wien Nr 47/2018 ein Disziplinargericht beim Bundesverwaltungsgericht zur Stärkung der Unabhängigkeit der Disziplinarbehörde des Verwaltungsgerichtes Wien sowie zur Vorbeugung von Befangenheitsproblemen in der Kollegenschaft einzurichten […].

Im Übrigen besteht eine derartige Einrichtung strukturell unbefangener Disziplinargerichte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit schon seit geraumer Zeit (vgl §111 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz [RStDG]), wobei beispielsweise das Oberlandesgericht Wien als Disziplinargericht für alle im Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz ernannten Richterinnen und Richter zuständig ist. Nota bene wird der erkennende Disziplinarsenat des Oberlandesgerichtes Wien vom Personalsenat des Oberlandesgerichtes Wien zusammengesetzt (vgl §112 Abs3 RStDG), also nicht vom 'eigenen' Gericht (d.h. dem Personalsenat des Oberlandesgerichtes Graz) bestimmt. Auch die Einrichtung des Bundesverwaltungsgerichtes als Disziplinargericht des Bundesfinanzgerichtes und vice versa (§209 Z5 RStDG) wird in der Literatur als verfassungskonform beurteilt (etwa Brandstetter/Lukas, Das Dienstrecht der Verwaltungsgerichte, in Fischer/Pabel/ Raschauer [Hrsg], Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit [2014] 259 [305 ff] und Ranacher, Organisation und Dienstrecht: Anforderungen und Spielräume für die Gesetzgeber, in Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 163 [191 f]). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ebenso eine 'fremde' Vollversammlung den jeweils zuständigen Disziplinarsenat wählt (der Disziplinarsenat des Bundesfinanzgerichtes wird von der Vollversammlung des Bundesfinanzgerichtes gewählt, entscheidet aber in Disziplinarsachen des Bundesverwaltungsgerichtes, vgl Fellner/Nogratnig, RStDG - GOG4 [2015] §209 RStDG Anm. 8 und 9).

Es vermag daher schon Art134 Abs7 iVm Art87 Abs2 B-VG iVm Art88 Abs2 B-VG an sich eine tragfähige Kompetenzgrundlage für §11 Abs1 VGW-DRG abzugeben.

Zusammengefasst begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Bedenken in diesem Punkt dahingehend, dass es sich bei der Wortfolge 'dienstrechtliche Streitigkeiten' in Art130 Abs2 Z3 B-VG lediglich um zivilrechtliche Auseinandersetzungen handeln könne, zumal unter 'Streitigkeiten' in der österreichischen Rechtssprache nur eine Auseinandersetzung zwischen Privatrechtssubjekten verstanden würde. In der Folge vermutet (sic!) das Bundesverwaltungsgericht, dass der Verfassungsgesetzgeber mit dieser Norm die Befassung der Verwaltungsgerichte mit Angelegenheiten der nichthoheitlich beschäftigten öffentlichen Bediensteten ermöglichen wollte.

Gemäß Art130 Abs2 Z3 B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über 'Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten' vorgesehen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I Nr 51/2012), 1618 der Beilagen XXIV. GP, S. 13f, zu Z3 keine Aussage treffen, ergibt sich nach Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, [2013] S. 45f, die Bedeutung dieser Regelung aus systematischen Erwägungen. Über dienstrechtliche Streitigkeiten mit öffentlich-rechtlich Bediensteten ist grundsätzlich durch dienstrechtlichen Bescheid zu entscheiden, sodass in diesen Fällen ohnedies die Bescheidbeschwerde nach Art130 Abs1 Z1 B-VG zulässig ist. Art130 Abs2 Z3 B[-]VG ermöglicht nach seinem Wortlaut aber, in solchen Streitigkeiten die sofortige Anrufung des Verwaltungsgerichtes vorzusehen, ohne dass davor ein Bescheid erlassen werden muss.

Thienel aa0, S. 46, führt weiter aus, dass in Art130 Abs2 Z3 B-VG nicht eine Prüfung der 'Rechtswidrigkeit' einzelner Akte vorgesehen ist. In einem gewissen Spannungsverhältnis dazu stehe allerdings Art132 Abs5 B-VG, der für alle Fälle, in denen nach Art130 Abs2 B-VG eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet wird, den Materiengesetzgeber zur Regelung ermächtigt, wer 'Beschwerde' wegen Rechtswidrigkeit erheben kann. Wegen des systematischen Zusammenhanges sei dies für die Zuständigkeit nach Art130 Abs2 Z3 B-VG so zu verstehen, dass der einfache Gesetzgeber festzulegen hat, wer eine Streitigkeit an das Verwaltungsgericht herantragen kann. In diesem Sinn ist es somit verfassungskonform, dass die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt bezüglich eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts Wien im Wege eines Strafantrags gemäß §12 Abs5 VGW-DRG ein Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht heranzutragen hat.

Sieht ein Gesetz nach Art130 Abs2 Z3 B-VG eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes (Art131 Abs2 B-VG). Für die Bediensteten der Länder und Gemeinden fehlt eine explizite Regelung, sodass nicht automatisch die Verwaltungsgerichte der Länder zuständig sind. Vielmehr bedarf es – gleich wie bei der Vergabekontrolle – einer einfachgesetzlichen Regelung, ob das Verwaltungsgericht des betreffenden Landes oder ein Verwaltungsgericht des Bundes zur Entscheidung berufen ist; zuständig für eine solche Regelung ist der Landesgesetzgeber nach Art21 Abs1 B-VG (Thienel, aa0, S. 50). Somit kommt dem Landesgesetzgeber diesbezüglich ein Gestaltungsspielraum zu.

Somit kann sich §11 Abs1 VGW-DRG auch auf die verfassungsgesetzliche Grundlage in Art130 Abs2 Z3 B-VG ('Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten') stützen. Zuständig für das Dienstrecht einschließlich des Disziplinarrechts der Bediensteten der Verwaltungsgerichte der Länder sind, wie bereits ausgeführt, die Länder in Gesetzgebung und Vollziehung (Art21 Abs1 B-VG; Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] 10). Hinsichtlich der Zuständigkeit in Art130 Abs2 Z3 B-VG ('Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten') kann daher der Landesgesetzgeber das Verwaltungsgericht des Bundes zur Entscheidung berufen.

Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach auf die Kompetenznorm des Art130 Abs2 Z3 B-VG lediglich zivilrechtliche Streitigkeiten gestützt werden dürften. Aufgrund von Art21 Abs1 letzter Satz B-VG, dessen Anordnung aus Anlass der Novelle zur Verwaltungsgerichtsbarkeit (BGBI I Nr 51/2012) durch Einfügung des Wortes 'ordentlichen' sogar noch bekräftigt wurde ('Über Streitigkeiten aus vertraglichen Dienstverhältnissen entscheiden die ordentlichen Gerichte'), erstreckt sich Art130 Abs2 Z3 B-VG indessen nicht auf Streitigkeiten aus den dort bezeichneten vertraglichen Dienstverhältnissen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Kneihs, Art130 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 21. Lfg., 2018, Rz 25).

Im Unterschied zu allen anderen Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte ist Art130 Abs2 Z3 B-VG nicht auf Entscheidungen über Beschwerden beschränkt, sondern setzt lediglich eine 'Streitigkeit' voraus. Die Verwaltungsgerichte können daher in dienstrechtlichen Angelegenheiten auch zur Entscheidung von Amts wegen ermächtigt werden (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art130 B-VG Rz 45). Ansonsten muss die Streitigkeit wenigstens von einer Streitpartei an das Verwaltungsgericht herangetragen werden (Kneihs, Art130 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 21. Lfg., 2018, Rz 24), wie dies gegenständlich auch durch den Strafantrag der Disziplinaranwältin gemäß §12 Abs5 VGW-DRG iVm §99a Abs1 der Dienstordnung 1994 - DO 1994 an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen ist. Streitgegenstand kann auch die Durchsetzung dienstrechtlicher Ansprüche, etwa die Einhaltung von Dienstvorschriften, sein (Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, [2013] 46; Jabloner, 'Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten' nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, in Giese et al [Hrsg], Verwaltung im demokratischen Rechtsstaat, FS Stolzlechner [2013] 291 [302]). Insoweit kann von einer 'erstinstanzlichen' Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gesprochen werden (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art130 B[-]VG Rz 45). Gerade so eine erstinstanzliche Zuständigkeit wurde im §11 Abs1 VGW-DRG geschaffen. Die zugrunde liegende dienstrechtliche Streitigkeit liegt darin begründet, ob das der bzw dem Disziplinarbeschuldigten von der Disziplinaranwältin (gleichsam als weisungsfrei gestellte Anklagebehörde zur Wahrnehmung dienstlicher Interessen - vgl §12 VGW-DRG) zur Last gelegte Verhalten disziplinär zu ahnden ist.

Eine derartige erstinstanzliche Zuständigkeit wird sich ferner künftig auf eine weitere taugliche verfassungsrechtliche Ermächtigung stützen können: Mit […] BGBl I Nr 14/2019 […] wurde in Art130 Abs2 B-VG folgende Ziffer 4 angefügt: 'Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge in sonstigen Angelegenheiten' (tritt mit 1. Februar 2019 in Kraft).

Nach den Gesetzesmaterialien (GP XXVI RV 301, 5) wird mit dieser Bestimmung 'eine generelle Ermächtigung an die (einfache) Gesetzgebung geschaffen, den Verwaltungsgerichten (neue) Aufgaben zuzuweisen. Das Verhältnis der neuen Generalklausel zu den bereits bestehenden möglichen Aufgaben der Verwaltungsgerichte ist eines von lex generalis zu leges speciales: Sofern eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte einer bereits bestehenden Kompetenz der Verwaltungsgerichte zugeordnet werden kann, geht diese Kompetenz der Verwaltungsgerichte der neuen Generalklausel vor. Bisher erfolgte die Schaffung neuer Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte verfassungsgesetzlich im Einzelfall […].'

Dazu ist festzuhalten, dass sich ein Strafantrag der Disziplinaranwältin gemäß §12 Abs5 VGW-DRG iVm §99a Abs1 DO 1994 an das Bundesverwaltungsgericht zweifellos unter 'Anträge in sonstigen Angelegenheiten' subsumieren lässt. Damit wäre diese Regelung jedenfalls mit 1. Februar 2019 konvalidiert, sofern sich diese nicht auf die bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Grundlagen stützen lässt."

3. Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst hat eine Äußerung erstattet, in der es zu den im Antrag erhobenen Bedenken Folgendes ausführt:

"Das antragstellende Gericht hegt das Bedenken, dass §11 Abs1 VGW-DRG im Lichte des Art88 Abs2, Art135 Abs1 und Art135 Abs2 erster Satz B-VG verfassungswidrig sei, weil Angelegenheiten der Justizverwaltung 'an einen nicht von der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien gewählten Senat oder Ausschuss eines anderen Gerichtes' übertragen [werden].

[…]

Nach Auffassung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst ist diese Schlussfolgerung jedoch nicht zulässig. Aus Art135 Abs1 und 2 B-VG ergibt sich vielmehr Folgendes: Gehört die Fällung einer disziplinarrechtlichen Entscheidung zu den 'gerichtlichen Geschäften' eines Verwaltungsgerichtes und ist eine solche Entscheidung durch einen Senat zu fällen, so muss dieser Senat von der Vollversammlung dieses Verwaltungsgerichtes (oder einem aus der Mitte der Vollversammlung gewählten Ausschuss) aus dem Kreis der Mitglieder dieses Verwaltungsgerichtes bestellt werden.

Es kommt also – im Lichte des Art135 Abs1 und 2 B-VG – nicht darauf an, welchem Gericht das Mitglied angehört, das von der disziplinarrechtlichen Entscheidung betroffen ist, sondern darauf, welchem Gericht die Entscheidung über eine solche disziplinarrechtliche Angelegenheit zur Entscheidung zugewiesen ist. Um die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung darzutun, müsste gezeigt werden, dass es unzulässig sei, eine derartige Angelegenheit einem anderen Gericht zuzuweisen als jenem, dem das betroffene Mitglied angehört […]. Aus Art88 Abs2 in Verbindung mit Art87 Abs2 B-VG ergibt sich derartiges jedenfalls nicht; diesen Bestimmungen kann nur entnommen werden, dass die Entscheidung über die Entsetzung eines Richters durch einen Senat zu erfolgen hat […].

[…] Nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes verstößt §11 Abs1 VGW-DRG weiters gegen Art130 B-VG. Durch §11 Abs1 VGW-DRG werde 'eine[…] erstinstanzliche Zuständigkeit in einer hoheitlichen Angelegenheit an ein Verwaltungsgericht' übertragen. Das Wort 'Streitigkeiten' in Art130 AbsZ3 B-VG deute dahin, dass es sich nicht um Angelegenheiten handle, denen ein hoheitliches Verwaltungshandeln zu Grunde liegt, sondern um zivilrechtliche Auseinandersetzungen […].

[…] Zu diesem Vorbringen wird seitens des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst zunächst auf Folgendes hingewiesen:

[…] Gemäß dem durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, geschaffenen Art130 Abs2 Z3 B-VG kann durch Bundes- oder Landesgesetz den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit zur Entscheidung über 'Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten' übertragen werden. Die Erläuterungen zu Art130 Abs2 B-VG (vgl RV 1618 BlgNR XXIV. GP, 13) beziehen sich ausnahmslos nur auf Beschwerden; Art130 Abs2 Z3 B-VG, in dem gerade nicht von der Entscheidung über 'Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens' (Z1 und 2), sondern von der Entscheidung über 'Streitigkeiten' die Rede ist, ist also offensichtlich nicht Gegenstand dieser Ausführungen. Für die Auslegung des Art130 Abs2 Z3 B-VG ist aus den Gesetzesmaterialien somit nichts zu gewinnen.

[…] Der Begriff 'öffentlich Bedienstete' wird im Bundes-Verfassungsgesetz nicht nur in Art130 Abs2 Z3 verwendet, sondern auch in Art7 Abs4, Art21 Abs4, Art23b Abs1, Art59a, Art59b sowie Art95 Abs5. Dieser Begriff – zunächst allerdings in der Formulierung 'öffentliche Bedienstete' – wurde erst mit der B-VG-Novelle BGBl Nr 444/1974 eingeführt; bis dahin war in Art7 Abs2, Art21 Abs4, Art59 Abs2 und Art95 Abs5 B-VG von 'öffentlichen Angestellten' die Rede (die Art59a und 59b B-VG wurden erst durch die Novellen BGBl Nr 611/1983 und 392/1996 eingefügt, Art23b B-VG durch die Novelle BGBl Nr 1013/1994). Als 'öffentliche Angestellte' sind – so der Rechtssatz im Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg 1936/1950 – 'ohne Rücksicht auf die Art ihrer Bestellung alle im Bereich der Hoheitsverwaltung und der Gerichtsbarkeit tätigen Angestellten des Bundes, der Länder und der Gemeinden anzusehen'. Als mit der erwähnten Novelle BGBl Nr 444/1974 der Begriff 'öffentliche Angestellte' durch den Begriff 'öffentliche Bedienstete' ersetzt wurde, sollte damit – so die Gesetzesmaterialien (RV 182 BlgNR XIII. GP, 13 f) ausdrücklich – keine materielle Änderung bewirkt werden. Dementsprechend gelangt Thienel (Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung [1990], 3) zu dem Ergebnis, dass das Bundes-Verfassungsgesetz mit dem Ausdruck 'öffentlich Bedienstete' 'grundsätzlich alle Personen meint, die in einem Dienstverhältnis zu den Gebietskörperschaften […] stehen und zwar ungeachtet der Rechtsnatur dieses Dienstverhältnisses'.

Wenn im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 neuerlich auf den im Bundes-Verfassungsgesetz inzwischen einheitlich verwendeten Begriff 'öffentlich Bedienstete' zurückgegriffen wird, so wird nicht davon auszugehen sein, dass dieser Begriff hier in einer abweichenden Bedeutung gebraucht werden sollte. Dies spricht gegen die Annahme, dass in Art130 Abs2 Z3 B-VG von den 'dienstrechtlichen Angelegenheiten' lediglich [die] Vertragsbediensteten [umfasst sind] (so im Ergebnis auch Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013], 39[;] Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013], 45 f[;] Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11 [2015], Rz 927/32[…] und Mayer/Muzak, B-VG5 [2015], 447). Der Begriff 'öffentlich Bedienstete' in Art130 Abs2 Z3 B-VG erfasst somit auch die Mitglieder der Verwaltungsgerichte.

[…] Für die Annahme, Art130 Abs2 Z3 B-VG habe die dienstrechtlichen Angelegenheiten nur von Vertragsbediensteten vor Augen, kann auch nicht ins Treffen geführt werden, dass eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über 'Auseinandersetzung[en] von einander in einem Hoheitsverhältnis gegenüberstehenden Parteien' schon gemäß Art130 Abs1 B-VG – somit verfassungsunmittelbar – besteht. Aus diesem Umstand ist lediglich der Schluss zu ziehen, dass in Hinblick auf öffentlich Bedienstete, die nicht Vertragsbedienstete sind, der Anwendungsbereich des Art130 Abs2 Z3 B-VG auf eine Restzuständigkeit beschränkt ist (vgl Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 40[;] Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss, Rz 927/32[…] und Mayer/Muzak, B-VG, 447); insbesondere enthält Art130 Abs2 Z3 B-VG die Ermächtigung, in solchen Streitigkeiten die sofortige Anrufung des Verwaltungsgerichtes einfachgesetzlich vorzusehen, ohne dass zuvor ein Bescheid erlassen werden muss (vgl Thienel, Neuordnung, 45 f).

[…] Es stellt sich allerdings die Frage, ob es für die Begründung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in den fraglichen Justizverwaltungsangelegenheiten einer Subsumierung dieser Aufgabe unter Art130 Abs2 Z3 B-VG (oder einen der anderen Tatbestände des Art130 Abs1 und 2 B-VG) überhaupt bedarf. Das antragstellende Gericht geht einerseits davon aus, dass eine solche Subsumierung nicht möglich sei; andererseits nimmt es ohne weiteres an, dass eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Besorgung dieser Justizverwaltungsangelegenheiten besteht (wenn auch mit der Einschränkung, dass es sich um Angelegenheiten betreffend die 'eigenen' Richter handeln müsse). Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem – bereits mehrfach erwähnten – Erkenntnis G29/2018, G108/2018 die 'Aufgaben im Sinne des Art130 B-VG' den 'gerichtlichen Geschäfte[n] im Sinne des Art87 Abs2 B-VG' gegenübergestellt (Rz 36 des Erkenntnisses).

[…] Art87 Abs2 B-VG ordnet an, unter welchen Voraussetzungen sich ein Richter '[i]n Ausübung seines richterlichen Amtes befindet'; nicht der Fall ist dies in 'Justizverwaltungssachen, die nicht […] durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind' […]. Aus dieser Anordnung kann abgeleitet werden, dass Richter einfachgesetzlich mit Angelegenheiten der Justizverwaltung betraut werden können.

Gemäß Art134 Abs7 (vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012: Abs5) bzw Art147 Abs6 B-VG ist auf die Mitglieder von Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof ua Art87 Abs2 B-VG (sinngemäß) anzuwenden. In seinem Erkenntnis VfSlg 7376/1974 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass in diesen Verweisungen auf Art87 Abs2 die Ermächtigung liege, auch den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts oder deren Mitgliedern Aufgaben der Justizverwaltung zu übertragen. Es begegnet daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn etwa in §10 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953, BGBl Nr 85/1953, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 22/2018, eine Regelung über die Amtsenthebung von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Verfassungsgerichtshofes getroffen wird, die über das schon in Art147 Abs7 B-VG ausdrücklich Vorgesehene hinausgeht.

Unter Zugrundelegung dieser Judikatur ist davon auszugehen, dass Art134 Abs7 B-VG – der sich nicht nur auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, sondern auch auf jene der Verwaltungsgerichte bezieht – die verfassungsrechtliche Ermächtigung darstellt, durch einfachgesetzliche Regelung eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Besorgung von Angelegenheiten der Justizverwaltung zu begründen.

[…] Als Justizverwaltung kann eine Tätigkeit nur dann qualifiziert werden, wenn sie 'zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, daß sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dien[t], durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit richterlicher Tätigkeit im Zusammenhang steht' (VfSlg 7376/1974). Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst hegt keinen Zweifel daran, dass die dem Bundesverwaltungsgericht durch §11 Abs1 VGW-DRG übertragenen Aufgaben eines Disziplinargerichtes diesen Anforderungen entspricht. Dies deckt sich auch mit der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis G29/2018, G108/2018, wonach das Disziplinarrecht betreffend die Mitglieder der Verwaltungsgerichte 'materiell betrachtet der Justizverwaltung zuzuordnen ist' (Rz 35).

Insbesondere spielt es keine Rolle, dass sich diese Aufgabe nicht auf die Richter des Bundesverwaltungsgerichtes, sondern auf jene eines anderen Verwaltungsgerichtes bezieht. Schon §8 lita des Gesetzes betreffend die Disciplinarbehandlung richterlicher Beamten [sic!] und die unfreiwillige Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand, RGBl. Nr 46/1868, bestimmte den obersten Gerichts- und Cassationshof als '[d]as zuständige Disciplinargericht' nicht nur für die 'bei demselben angestellten Senatspräsidenten, Räthe und sonstigen richterlichen Beamten', sondern auch für die 'Präsidenten, Vicepräsidenten und Räthe der Ober-Landesgerichte' und die 'Präsidenten und Vicepräsidenten der Gerichtshöfe erster Instanz'. Gemäß §8 litb leg. cit. war das Ober-Landesgericht nicht nur für 'alle übrigen bei demselben', sondern auch für die 'bei den Gerichtshöfen erster Instanz und bei den Bezirksgerichten seines Sprengels angestellten' richterlichen Beamten das zuständige Disziplinargericht. Diese Regelungen standen bis ins Jahr 1962 in Geltung (vgl §173 Abs2 Z2 des Richterdienstgesetzes, BGBl Nr 305/1961, sowie RV 506 BlgNR IX. GP, 42).

Dass die Besorgung bestimmter Justizverwaltungsangelegenheiten nicht jenem Gericht übertragen wird, dem die Richter angehören, auf die sich diese Angelegenheiten beziehen, wurde somit vom Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 vorgefunden. Ähnlich verhält es sich mit der – im Wesentlichen auf die Novelle BGBl I Nr 5/1999 zurückgehenden – Rechtslage, die zum Zeitpunkt der Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz bestand: Gemäß §111 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG), BGBl Nr 305/1961, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 140/2011, ist etwa der Oberste Gerichtshof Disziplinargericht nicht nur für die Richter des Obersten Gerichtshofes, sondern auch für die Präsidenten und Vizepräsidenten der Oberlandesgerichte; das Oberlandesgericht Wien ist für alle im Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz ernannten Richter zuständig (und vice versa); [e]ntsprechendes gilt für die Sprengel der Oberlandesgerichte Linz und Innsbruck (vgl dazu RV 1467 BlgNR XX. GP, 29). Nach diesem Vorbild bestimmt §209 Z5 erster Satz RStDG, dass 'Disziplinargerichte im Sinne des §111 […] das Bundesverwaltungsgericht für die […] Richter des Bundesfinanzgerichtes und das Bundesfinanzgericht für die […] Richter des Bundesverwaltungsgerichtes' sind. In den Gesetzesmaterialien (RV 2003 BlgNR XXIV. GP, 20) heißt es dazu: 'Die wechselseitige Gerichtszuständigkeit knüpft an das seit Jahrzehnten bewährte System des §111 an, wonach das Disziplinargericht aus einem anderen Sprengel zuständig wird. Damit wird gewährleistet, dass der Entscheidungsprozess im Disziplinarverfahren enger an die Kriterien der Objektivität und Transparenz gebunden wird.'"

4. Die Partei des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes anschließt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998,

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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