TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/21 97/20/0028

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Veröffentlicht am 21.01.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des A K in S, geboren am 1. November 1972, vertreten durch Dr. Walter Korschelt, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt Klotz-Straße 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1996, Zl. 4.337.543/2-III/13/92, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei kurdischer Abstammung, der am 18. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 24. März 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 15. Juni 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29. April 1992 angegeben:

"Ich gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Meine Familie und ich leben bzw. lebten in K, Provinz C.

Ich bin als Kurde Sympathisant der illegalen Organisation PKK und zwar aus dem Grund, weil diese kurdische Partei, auch wenn sie verboten ist, für die Rechte der Kurden gegen den türkischen Staat kämpft.

In unserem Dorf haben mein Freund und ich Schulungen über die historische Entwicklung des Kurdentums (Aufstände der Kurden und heutige Lage des kurdischen Volkes) gehalten. Diese Schulungen galten den jungen kurdischen Leuten in unserem Dorf, wobei wir Zeitschriften und Propagandakassetten der PKK als Schulungsunterlagen verwendeten. Unter anderem haben wir auch die ÜLKE (heißt Neue Heimat), eine legale Zeitung der PKK, die wöchentlich erscheint, verwendet. Ich war Abonnent dieser Zeitung und folglich stellten die Behörden mein Interesse für die PKK fest.

Ich muß hier noch angeben, daß in Y nur kurdische Leute wohnen.

     Die geistige Unterstützung für die PKK gebe ich seit

ca. 2 Jahren.

     Am 5.9.1991 kam die Gendarmerie in unser Haus und bei einer

Hausdurchsuchung fanden sie bei mir die Zeitschrift ÜLKE und Kassetten mit politischem Inhalt. Ich wurde wegen des Besitzes dieses Materials festgenommen und in das Gefängnis der Gendarmerie in C gebracht. Dort interessierten sich die Beamten über meine Verbindungen und Bezugspersonen zur PKK. Vier Tage war ich in diesem Gefängnis und wurde dabei mit Fußtritten behandelt und mit Gummiknüppeln geschlagen. Sichtbare Verletzungen auf Dauer habe ich nicht davongetragen.

Mein Vater und mein Bruder haben den dortigen Kommandanten der Gendarmerie bestochen und deswegen wurde ich nach vier Tagen aus dem Gefängnis entlassen.

Nach der Haftentlassung kehrte ich nach Hause zurück und blieb weiterhin Abonnent der Zeitung ÜLKE und habe weiterhin heimlich mit Jugendlichen die illegalen Schulungen durchgeführt. Am 15.12.1991, ich war gerade nicht zu Hause, führte die Gendarmerie neuerlich eine Hausdurchsuchung durch und fand wieder Kassetten mit politischem Inhalt. Auf diesen Kassetten war festgehalten, daß die Kurden in der Türkei Menschen zweiter Klasse sind und ständig Repressionen durch die türkische Republik ausgesetzt werden und nun dagegen Widerstand leisten sollten. Nach dieser

zweiten Hausdurchsuchung kehrte ich nicht mehr nach Hause zurück. In Absprache mit meinem Vater habe ich mich zur Flucht aus der Türkei entschlossen. Es war uns allen klar, daß ich nicht neuerlich durch Bestechung aus dem Gefängnis kommen würde.

Obwohl ich in keiner Weise Mitglied der PKK bin noch Verbindungen zu dieser habe, habe ich als Kurde für die Ziele der PKK Verständnis, weil diese Gruppe die einzige ist, die die Anliegen des kurdischen Volkes gegenüber der türkischen Republik auch vertritt.

Meine Familienmitglieder sind nicht aktiv politisch tätig. Ich werde von der Gendarmerie gesucht und würde in der Haft sicher gefoltert werden, weshalb ich nicht in die Türkei zurückkehre. Meine Familie wird wegen meiner Flucht von der Gendarmerie belästigt."

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 15. Juni 1996 wurde ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgründen und einer lediglich formelhaften Begründung festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des AsylG 1968 sei.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe, erstattete aber kein darüber hinausgehendes Vorbringen.

Die belangte Behörde erließ den nunmehr angefochtenen Bescheid, wobei sie neben allgemeinen Rechtsausführungen zu den Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft nach der Definition der Flüchtlingskonvention (FlKonv) bezogen auf den konkreten Fall nur folgendes ausführte:

"Sie haben im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß Sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Ihres Heimatlandes befinden und nicht gewillt sind, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.

Das Gesamtbild Ihres wenig substantiierten Vorbringens veranlaßte - wegen der großen Anzahl von Ungereimtheiten, Unglaubwürdigkeiten und Unwahrscheinlichkeiten darin - die erkennende Behörde, Sie durch das Bundesasylamt - Außenstelle Salzburg - zu laden und Sie mittels eines Fragebogens - die Möglichkeit zur Stellungnahme wäre Ihnen hiebei jederzeit offen gestanden - einer ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme zu unterziehen.

Da Sie jedoch der Ihnen zuhanden Ihrer bevollmächtigten Vertreterin am 17.05.1996 zugestellten Ladung zu einer Einvernahme im Asylverfahren für den 31.05.1996 ohne Entschuldigung nicht nachgekommen sind und Sie somit durch die Nichtbefolgung der Ladung weitere Ermittlungsschritte verunmöglichten, kann Ihre Flüchtlingseigenschaft - im Sinne der auch im Offizialverfahren bestehenden objektiven Beweislast - nicht als festgestellt gelten."

Die Begründung der belangten Behörde enthält keine Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und verweist auch nicht auf die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Die Berufungsbehörde genügt ihrer Begründungspflicht im allgemeinen mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz dann, wenn sie in der Frage des Tatbestandes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 452, wiedergegebene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes). Die obigen Anforderungen werden durch die wörtlich wiedergegebenen Stellen der Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft in keiner Weise erfüllt, da weder Sachverhaltsfeststellungen vorliegen noch eine Auseinandersetzung mit dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt vorgenommen wurde. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ist vielmehr davon auszugehen, daß die belangte Behörde das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren für ergänzungsbedürftig und damit die Grundlage für eine den Erfordernissen des § 60 AVG entsprechende Beweiswürdigung als ungenügend angesehen hat. Die belangte Behörde hat aber nicht begründet, warum sie den bereits vorhandenen Ermittlungsergebnissen nicht folgen zu können glaubte. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde auch nicht die Feststellungen und rechtlichen Ausführungen der Behörde erster Instanz übernommen; die Schlußfolgerung im angefochtenen Bescheid bleibt somit unüberprüfbar.

Die Beschwerde macht daher zutreffend geltend, daß die belangte Behörde weder den maßgeblichen Sachverhalt festgestellt noch eine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben hat, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen nach Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention trotz der von ihm genannten Gründe nicht erfülle.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Umsatzsteuer neben dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nicht zusteht.

Wien, am 21. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997200028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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