TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/16 W252 2166320-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2019
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Entscheidungsdatum

16.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W252 2166319-1/13E

W252 2166320-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elisabeth SHALA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.), mj. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Somalia, der Zweitbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, beide vertreten durch RA Edward W. Daigneault, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 12.07.2018, 1.) XXXX , und 2.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am 29.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde noch am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie zusammen mit ihrem Exmann in Kismayo gelebt habe, als ihr Exmann Mitglied bei der Al-Shabaab geworden sei. Sie selbst sei eines Tages von der AMISOM gefangen genommen, eine Woche festgehalten, zur Al-Shabaab befragt und misshandelt worden. Nach ihrer Freilassung sei sie von der Al-Shabaab mit dem Umbringen bedroht worden, weshalb sie nach Hargeysa zu ihren Eltern geflüchtet sei.

2. Am 25.11.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) zu ihrem Asylantrag einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie im Wesentlichen an, im Alter von sechzehn Jahren ihren Exmann in Hargeysa kennen gelernt zu haben und mit diesem - aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye - nach Kismayo gezogen sei. Ihre Familie habe sie daraufhin am Telefon beschimpft und beleidigt. Eines Tages habe sie ihre Familie besuchen wollen, und sei daraufhin unter anderem geschlagen, gefoltert, eingesperrt, und mit heißem Wasser übergossen worden. Danach sei sie wiederum nach Kismayo geflüchtet, wo ihr Mann sich der Al-Shabaab angeschlossen habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei daraufhin von der AMISOM des Öfteren nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt worden. Eines Tages sei sie von den AMISOM entführt, geschlagen, gefoltert und vergewaltigt worden, wobei sie auch eine Fehlgeburt erlitten habe. Nach ihrer Freilassung habe sie Probleme mit der Al-Shabaab bekommen, da sie die Erstbeschwerdeführerin beschuldigt hätten, mit der AMISOM zusammen zu arbeiten und Informationen an diese weiterzugeben.

Am 21.03.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin erneut vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Hierbei führte sie an, dass ihre bisher im Verfahren getätigten Angaben der Wahrheit entsprechen und sie wurde daraufhin ausführlich zum Vorfall bei ihrer Rückkehr zu ihrer Familie nach Hargeysa, sowie zu ihrer vermeintlichen Entführung durch AMISOM befragt.

Die Erstbeschwerdeführerin lernte im Bundesgebiet einen somalischen Asylwerber kennen (siehe hierzu das Verfahren zur Zl. 2165774-1), den sie im Juli 2016 nach traditionellem Ritus heiratete, und mit dem sie am 01.06.2017 den Zweitbeschwerdeführer bekam.

3. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für den Zweitbeschwerdeführer als gesetzliche Vertreterin am 21.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie keine eigenen Fluchtgründe für den Zweitbeschwerdeführer geltend machte.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 12.07.2018 wies das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die autonome Region Somaliland, Somalia, zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 13.07.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

6. Die Erstbeschwerdeführerin erhob gegen die Bescheide des Bundesamtes für sich und den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass der gegenständliche Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde. Das Bundesamt habe sich unter anderem nicht ausreichend mit der Lage alleinstehender Frauen in Somalia auseinandergesetzt, zumal die Erstbeschwerdeführerin in Somalia über keine familiären Anknüpfungspunkte auf Grund des Verstoßes durch ihre Familie verfüge. Ihr Ehegatte sei unbekannten Aufenthaltes. Die Erstbeschwerdeführerin wäre sohin ohne männliche Verwandte in Somalia. Die belangte Behörde hätte der Erstbeschwerdeführerin als alleinstehende Frau mit Baby zumindest subsidiären Schutz gewähren müssen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.12.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des rechtsfreundlichen Vertreters der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Erstbeschwerdeführerin u.a. ausführlich zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, ihren Fluchtgründen und jenen des Zweitbeschwerdeführers und ihrer Integration in Österreich befragt wurde. Der Erstbeschwerdeführerin wurden das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 12.01.2018, das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia - Somaliland vom 12.01.2018, sowie der Bericht des schweizerischen Staatssekretariates für Migration "Focus Somalia - Clans und Minderheiten" vom 31.05.2017, zur Stellungnahme vorgehalten. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung volljährige Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist somalische Staatsangehöriger, Angehöriger des Clans der Isaaq, und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Österreich geboren. Er ist somalischer Staatsangehöriger und Angehöriger des Clans der Gabooye. Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter des Zweitbeschwerdeführers.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Hargeysa geboren und wuchs dort im Beisein ihrer Familie ohne Schul- und Berufsausbildung auf. Es kann nicht festgestellt werden, wie viele Geschwister die Erstbeschwerdeführern hat bzw. hatte. Sie arbeitete vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates als Gemüseverkäuferin.

In Somalia leben neben der Mutter der Erstbeschwerdeführerin, die in Hargeysa wohnhaft ist, auch ihre Geschwister, die in Mogadischu und im Rest des Landes verteilt leben. Die Mutter sichert ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Gemüse. In Hargeysa leben auch noch weiterer Familienangehörige der Erstbeschwerdeführerin, nämlich Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Das von der Erstbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden:

1.2.1. Die Erstbeschwerdeführerin ging in der Vergangenheit keine Mischehe mit einem Gabooye ein und wurde aufgrund dessen nicht von ihren Cousins misshandelt. Ihr droht im Falle einer Rückkehr nach Somaliland keine asylrechtliche Verfolgung durch ihre eigene Familie oder durch anderer Personen aufgrund ihrer nunmehrigen Eheschließung mit einem Gabooye.

1.2.2. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der Vergangenheit nicht durch die AMISOM vergewaltigt und es droht ihr im Falle ihrer Rückkehr keine Bedrohung/Verfolgung durch die AMISOM.

1.2.3. Gegen die Erstbeschwerdeführerin wurden in der Vergangenheit keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen seitens der Al-Shabaab gesetzt. Der Erstbeschwerdeführerin droht im Falle einer Rückkehr nach Somaliland keine asylrelevante Verfolgung durch die Al Shabaab.

1.2.4. Dem Zweitbeschwerdeführer droht nicht allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye individuell physische und/oder psychische Gewalt in Somalia.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Beschwerdeführer würden im Falle einer Rückkehr in ihren Heimatort in der Stadt Hargeysa, in Somaliland, in keine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation geraten.

1.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Erstbeschwerdeführerin reiste ledig und kinderlos in das Bundesgebiet ein.

Sie lernte im Bundesgebiet einen somalischen Asylwerber kennen (siehe hierzu das hg. Verfahren zur Zl. 2165774-1), den sie im Juli 2016 nach traditionellem Ritus heiratete, und mit dem sie am 01.06.2017 den Zweitbeschwerdeführer bekam.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte für den Zweitbeschwerdeführer als gesetzliche Vertreterin am 21.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer sind seit ihrer Antragsstellung am 29.11.2014 (Erstbeschwerdeführerin) bzw. am 21.06.2017 (Zweitbeschwerdeführer) aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig und bezog durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung.

Die Erstbeschwerdeführerin besucht derzeit einen Deutschkurs der Niveaustufe A1 und besuchte im Bundesgebiet Kurse des Roten Kreuzes und der Initiative Doppelplus. Sie verfügt über einen Arbeitsvorvertrag. Sie arbeite im Bundesgebiet als Reinigungskraft in einem Kindergarten und nimmt an keinen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten im Bundesgebiet teil. Im Rahmen ihrer Unterbringung in einem Quartier der Grundversorgung hat die Erstbeschwerdeführerin Kontakt zur einheimischen Bevölkerung.

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, sie ist abgesehen von einer noch in Nachbehandlung befindlichen Tuberkulose Erkrankung gesund. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die Erstbeschwerdeführerin ist im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt, abgesehen von ihrem nunmehrigen Ehemann (dem Asylwerber im Verfahren zur Zl. 2165774-1) und dem Zweitbeschwerdeführer, über keine verwandtschaftlichen Beziehungen im Bundesgebiet.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Somalia - Somaliland vom 12.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 17.09.2018) wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht brachte die Berichte und Informationen in das Verfahren ein und stellte sie den Parteien zur Wahrung des Parteiengehörs im Laufe des Verfahrens zur Verfügung.

Sicherheitslage

Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 3.3.2017).

In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 1.1.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 6.9.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 6.9.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 1.1.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 8.11.2017).

Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 1.1.2017).

Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 1.1.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017).

In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).

Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können. Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten Ost-Somalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ‚umstrittenes' Gebiet. Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).

Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 5.9.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 8.11.2017).

Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 8.11.2017).

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland). Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017).

Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten:

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Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland;

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In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen;

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Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet.

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? Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).

Minderheiten/Clans (siehe auch SOMA_LIB)

Mehrheitsclans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v.a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der Isaaq/Habr Jeelo, Isaaq/Habr Yonis, Isaaq/Idagala und Isaaq/Habr Awal. In der Region Sool wohnen v.a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yonis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeelo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v.a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Laasqoray, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yonis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeelo (Ceel Afweyn) (EASO 2.2016). Die Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff "Gabooye" zusammengefasst (Musa Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (UNHRC 28.10.2015).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung. Clan-Zugehörigkeit spielt jedoch eine große Rolle (AA 1.1.2017), Minderheitenschutz besteht offiziell nicht. Das bedeutet, dass Angehörige v.a. der Gabooye weiterhin marginalisiert bleiben (ÖB 9.2016). Auch weiterhin berichten Minderheitenvertreter über die Schwierigkeiten, welchen ihre Gruppen bei der Integration in die somaliländische Gesellschaft ausgesetzt sind (UNHRC 6.9.2017). Eine aktive Verfolgung findet allerdings nicht statt. Die Gabooye leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert (ÖB 9.2016). Dabei kommt es zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte, wiewohl es vorkommt, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird (SEM 31.5.2017).

Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im xeer (traditionelles Recht) ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Auch von den somaliländischen Gerichten werden die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt (SEM 31.5.2017).

Weiterhin kommt es zur Tabuisierung von Mischehen (UNHRC 6.9.2017). In Somaliland lehnen die Clanfamilien Isaaq und Darod Mischehen vehement ab, während sie die Dir eher akzeptieren (SEM 31.5.2017). In einem Fall wurde ein Paar, das geheiratet hatte, von Angehörigen des Mehrheitsclans (zu welchem die Frau gehörte) entdeckt und geschlagen (UNHRC 6.9.2017).

In Somaliland sind die Clan-Ältesten der Minderheiten gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten. In der Regierung und dem Repräsentantenhaus hingegen sind sie nicht vertreten, ebensowenig in vielen lokalen Räten (SEM 31.5.2017). Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenprobleme. Im August 2016 wurde zudem ein Angehöriger der Dulbahante zum Innenminister ernannt. Dieser soll sich auch um Beschwerden der Bewohner von Sool und Sanaag kümmern, wonach ihre Regionen vernachlässigt würden (USDOS 3.3.2017).

In Somaliland gibt es einige Nichtregierungsorganisationen, die sich explizit (auch) um die Minderheiten - hier speziell um berufsständische Gruppen - kümmern. Dazu gehören: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (SEM 31.5.2017);

Insgesamt kommt es nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clan-Auseinandersetzungen. Zwar kommt es manchmal zu Zusammenstößen, diese sind aber meist nur kleine Schusswechsel. Die Regierung ruft meist die Ältesten auf, die Kämpfe zu beenden. Eskaliert ein Clan-Konflikt, dann schreiten die Sicherheitskräfte ein. Dann versucht die Regierung, das Problem zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich: Manchmal schießen die Sicherheitskräfte auf beide Seiten, wodurch die Situation weiter verschlimmert wird (BFA 8.2017).

Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst

Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (BFA 8.2017).

Grundversorgung/Wirtschaft

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 1.1.2017).

Die Arbeitslosigkeit in Somaliland beträgt bei jungen Menschen rund 60% (CNN 1.8.2017). Nach anderen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt 47,4% (RMMS 7.2016). Die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten gehört zu den Hauptgründen für Migration (ÖB 9.2016). Die Regierung hat gemeinsam mit der Weltbank im November 2017 ein Programm gestartet, das rund 3.500 Jobs schaffen soll. Dabei wird in hunderte Betriebe investiert. Der Privatsektor trägt 90% zum BIP bei (WB 1.11.2017).

Trotz der Erfolge bei der Friedens- und Staatsbildung stehen Somaliland nur eingeschränkte Kapazitäten zur Verfügung. Da Somaliland international nicht anerkannt worden ist, erhält es von den OECD-Staaten auch nur eingeschränkt Unterstützung. Trotzdem stehen grundlegende Verwaltungsdienste zur Verfügung, z.B. die grundlegende Infrastruktur oder Behörden. Das Verwaltungssystem ist aber urban und reicht nicht bis in entlegene Gebiete. Insgesamt fehlt es Somaliland an finanziellen Ressourcen, um ein Wohlfahrtssystem zu finanzieren. Im Land herrscht noch immer ein inakzeptables Maß an Armut (BS 2016). Die fehlende Anerkennung hindert das Land vor allem daran, wirtschaftlich voranzukommen. Keine internationale Bank lässt sich nieder. Äthiopien ist der einzige treue Handelspartner. Viele Familien sind abhängig vom Geld der Diaspora (SZ 13.2.2017).

Somaliländer, die im Ausland an Geld und materielle Ressourcen gekommen sind, kehren zunehmend aus der Diaspora zurück und sind vor allem am wirtschaftlichen Vorankommen des Landes interessiert (ZEIT 22.11.2017). Der Handel und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b). Ökonomische Aktivitäten unterliegen kaum staatlichen Regulierungen. Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil. Der Bildungssektor in Somaliland verbessert sich ständig. Der private Bildungssektor boomt und es gibt einige Universitäten und Colleges (BS 2016).

Somaliland hat mit den Vereinten Arabischen Emiraten einen Vertrag über den Ausbau des Hafens Berbera und die Errichtung eines Stützpunktes der VAE abgeschlossen (ECO 13.11.2017). Alleine beim Hafen sollen über 440 Millionen US-Dollar investiert werden. Berbera kann damit zu einem weiteren wichtigen Hafen für das Binnenland Äthiopien mutieren. Das Nachbarland hat sich Anteile am Hafen gesichert (CNN 1.8.2017; vgl. FT 29.6.2017).

Dürre-Situation (siehe auch SOMA_LIB)

Teile von Somaliland waren schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden. Im Rahmen der Dürre sind die meisten Gebiete Somalilands besser durch internationale humanitäre Unterstützung abgedeckt, da die Möglichkeiten im Gegensatz zu Süd-/Zentralsomalia wenig eingeschränkt sind (ICG 9.5.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.5.2017), andere Schätzungen sprechen von 50% (TG 24.5.2017).

Die Gesamtsituation in Bezug auf die Dürre ist in Somaliland erheblich besser als in den anderen Landesteilen (UNHRC 6.9.2017). Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (USDOS 3.3.2017). Auch die fehlende Anerkennung Somalilands als souveräner Staat hat Auswirkungen, da dadurch der Zugriff auf relevante Fonds der Weltbank oder des Weltwährungsfonds verwehrt bleibt (F24 22.7.2017). Im März 2017 waren Behördenangaben zufolge in der Region Sanaag 25 Menschen an Hunger gestorben (VOA 22.3.2017).

Die Aufnahmegemeinden für aufgrund der Dürre geflüchtete Somaliländer waren bisher großzügig, so wurden etwa in der westlichen Region Awdal zahlreiche IDPs aus Ost-Somaliland empfangen. In Hargeysa beherbergen Familien ihre Verwandten vom Land. Im Land wird von einer "leveling drought" gesprochen, einer Dürre, von der alle betroffen sind und die alle gleichstellt. In der Somali-Gesellschaft ist es durchaus üblich, von Dürre Betroffene aufzunehmen, da man selbst von der nächsten Dürre betroffen sein könnte und sich so diesbezüglich versichert. Erst wenn die Dürre weiterhin anhält und tatsächlich alle Ressourcen verbraucht sind, wird es auch zu sicherheitsrelevanten Zwischenfällen kommen (BFA 8.2017). Während die agro-pastorale Wirtschaft im ländlichen Raum und damit der Lebensunterhalt hunderttausender Menschen schwer getroffen wurde, ermöglicht es die in Somaliland weit verbreitete, am Mobilfunknetz aufgebaute Zahlungs- und Transfertechnologie, dass in städtischen Gebieten lebende Menschen ihren Verwandten auf dem Land ohne Zeitverlust Geld zukommen zu lassen (BBC 13.9.2017). Auch die Deyr-Regenfälle Ende 2017 sind unterdurchschnittlich ausgefallen, Somaliland erhielt nur rund 75% der üblichen Menge (FEWS 3.1.2018).

Laut Behörden sind 80% des Viehbestandes verendet. Viehbauern haben die am schlimmsten von der Dürre betroffenen Gebiete verlassen und sind teilweise in Lagern untergekommen, wo ihnen Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Sie erhalten dort 100 US-Dollar pro Monat von NGOs, das Geld wird auf Mobiltelefone transferiert (F24 22.7.2017).

Rückkehr

Zu möglichen staatlichen Repressionen gegenüber Rückgeführten liegen keine Erkenntnisse vor. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige (AA 1.1.2017). IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland und beurteilen die Rückkehr nach Somaliland somit als durchaus möglich. Hervorzuheben ist, dass Somaliland nur aus Somaliland stammende Rückkehrer und Angehörige der ansässigen Clans oder Sub-Clans akzeptiert (ÖB 9.2016). Der Generaldirektor des somaliländischen Ministry of Resettlement, Rehabilitation and Reconstruction (MRRR) gibt an, dass Somaliland jede somaliländische Person willkommen heiße, die freiwillig zurückkehrt. Das MRRR versucht, vor der Rückkehr Familie und Verwandte ausfindig zu machen und führt ein Screening des Rückkehrwilligen durch. Nur dann wird von Somaliland die Genehmigung zur Rückkehr erteilt (BFA 3./4. 2017).

Nach Somaliland gibt es Linienflüge aus Kenia, Äthiopien und Dschibuti (AA 1.1.2017). Viele in der Diaspora lebende Somaliländer kommen im Sommer in ihre alte Heimat auf Urlaub (TG 14.7.2017).

Somaliland ist zwar der Hauptankunftsort für Flüchtlinge und Rückkehrer aus dem Jemen, doch UNHCR und Partnerorganisationen unterstützen somalische Rückkehrer bei der Weiterreise zu den Herkunftsgebieten in anderen Teilen Somalias (ÖB 9.2016).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in einen Strafregisterauszug und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Identität der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers ergeben sich aus ihren Angaben vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zu den Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person der Erstbeschwerdeführerin im Asylverfahren.

Die Angaben zur Geburt des Zweitbeschwerdeführers beruhen auf der vorliegenden Geburtsurkunde des Standesamtes Innsbruck vom 05.07.2017 (AS 17 im Verfahren 2166320-1).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrem Aufwachsen in Hargeysa, der nicht erfolgten Alphabetisierung im Herkunftsland sowie ihrer Tätigkeit als Gemüseverkäufern, ergeben sich aus ihren im Wesentlichen widerspruchsfreien und schlüssigen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 8), sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem).

Die Feststellungen zur Clanzugehörigkeit des Zweitbeschwerdeführers ergeben sich aus der Einvernahme seiner Eltern vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Faktum, dass der Vater des Zweitbeschwerdeführers auch dem Clan der Gabooye angehört.

Den Angaben zur Anzahl ihren Geschwistern kann angesichts der diesbezüglich widersprüchlichen Angaben im gesamten Verfahren kein Glaube geschenkt werden: So gab die Erstbeschwerdeführerin im Zuge der Erstbefragung an, 5 Geschwister zu haben (AS 9). In der Einvernahme vor dem Bundesamt führte sie aus, zwei Schwestern und fünf Brüder zu haben, wobei eine Schwester und alle Brüder verstorben seien (AS 182,183) und in der mündlichen Verhandlung gab sie wiederum an, ursprünglich sieben Schwestern und vier Brüder gehabt zu haben, wobei lediglich noch drei Schwester leben, die in Mogadischu und in Somalia verteilt leben würden (OZ 8, S. 9). Aufgrund der Tatsache, dass innerhalb der divergierenden Aussagen betreffend die Anzahl ihrer Geschwister die Erstbeschwerdeführerin jedesmal über zumindest ein Geschwisternteil verfügte, sowie angesichts der in Somalia generell vorherrschenden hohen Geburtenrate geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin jedenfalls über Geschwister verfügt - die genaue Anzahl und deren konkreter Aufenthaltsort können aufgrund obiger divergierender Angaben der Erstbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

Die Feststellung zum Verbleib ihrer Mutter und der weiteren Verwandten in Hargeysa, und der Umstand, dass sich noch weiterer Geschwister und Familienmitglieder zumindest im Herkunftsland aufhalten beruht auf der diesbezüglichen Aussage der Erstbeschwerdeführerin in der hg. Verhandlung (OZ 8, S. 9, S. 10). Ebenso gründet die Feststellung zum Lebensunterhalt der Mutter als Gemüseverkäuferin auf den diesbezüglichen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der hg. Verhandlung (OZ 8, S. 9).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin:

2.2.1. Soweit die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht hat, sie habe eine Mischehe mit ihrem Exmann, einem Gabooye eingegangen, Hargeysa deshalb verlassen müssen und sei aufgrund der Mischehe körperlichen Übergriffen ihrer Familie ausgesetzt gewesen, kommt ihr aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Im Zuge ihrer Erstbefragung gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen lediglich ihre Entführung und Vergewaltigung durch AMISOM und die Verfolgung durch die Terrorgruppe Al Shabaab an. Das Vorbringen bezüglich der Mischehe, dem Verstoß ihrer Familie und der erfolgten Misshandlung seitens ihrer Cousins brachte sie hingegen erst in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt vor (AS 13, 189), weshalb bereits der Eindruck entsteht, dass sich die Erstbeschwerdeführerin das Verfolgungsvorbringen bezüglich der Mischehe erst im Laufe des Verfahrens "hinzudachte".

Hinzukommt, dass auch die weiteren Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin zur Mischehe im Verfahren darauf schließen, dass es sich hierbei um ein konstruiertes Vorbringen handelt:

So konnte die Erstbeschwerdeführerin bezüglich ihres diesbezüglichen Vorbringens Fragen und Details ihrer Eheschließung nur sehr vage und unschlüssig erläutern. Befragt nach dem Datum und dem Ort ihrer Eheschließung konnte die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich ausführen, dass sie mit 16 Jahren geheiratet habe (AS 186; OZ 8, S.8). Befragt nach Urkunden, Fotos oder ähnlichen Unterlagen der Hochzeit führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass dies bei ihnen nicht so wichtig sei (AS 186). Bezüglich der bei der Hochzeit anwesenden Zeugen führte sich lediglich aus, dass ein Mann anwesend war, den sie jedoch nicht gekannt habe (AS 186). Betreffend den Zeitpunkt der Scheidung vermochte die Erstbeschwerdeführerin keine gleichbleibenden, konkreten Angaben in ihrem Verfahren zu tätigen. Während sie noch vor dem Bundesamt angab, dass sie nicht mehr wissen, wann das war, sie sich jedoch zu diesem Zeitpunkt im Zuge ihrer Flucht gerade in Libyen aufgehalten habe (AS 323), sagte sie vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass sie sich am 17.09.2014 getrennt hätten und die Scheidung im September 2014 gewesen sei (OZ 8 S. 8). Die Erstbeschwerdeführerin verstrickte sich auch bezüglich der Art ihrer Eheschließung in Widersprüche. So gab sie bei ihrer Erstbefragung an, standesamtlich verheiratet zu sein (AS 5), führte jedoch vor dem Bundesamt aus, traditionell verheiratet gewesen zu sein (AS 186).

Aufgrund der vielen nur sehr vagen und gleichzeitig widersprüchlichen Aussagen ist davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Vorbringen zur Mischehe lediglich konstruiert hatte. Dies vor allem auch unter Berücksichtigung der Tatsache, wonach es gegen die allgemeine Lebenserfahrung spricht, dass man sich nicht an derartig wichtige Details in seinem Leben, insbesondere nicht an das konkrete Datum seiner eigenen Eheschließung und der Scheidung, erinnern kann.

Die Unglaubwürdigkeit resultiert auch aus den sozioökonomischen Bedingungen im Herkunftsland der Erstbeschwerdeführerin:

Laut dem den Verfahren zugrundgelegten Länderberichten (insbesondere dem Bericht Focus Somalia) kommen Mischehen zwischen Mehrheits-Frauen und Minderheits-Männer nur äußerst selten vor. Insbesondere lehnen die Clanfamilien in Somaliland (Isaaq und Darod) Mischehen vehement ab. Die Einholung der Zustimmung der Familien zur Eheschließung gelingt bei der Heirat einer Person die zu einer Minderheit angehört in der Regel nicht.

Angesichts dessen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass gerade die Familie des Beschwerdeführers, sich gegen die Ehe mit der Erstbeschwerdeführerin, die dem Mehrheitsclan der in Somaliland und in Hargeysa vorherrschenden Isaaq angehört, gestellt haben sollen. Dies gab die Erstbeschwerdeführerin jedoch in der mündlichen Verhandlung so an (OZ 8, S.8)

Im Falle sogenannter "runaway marriages", kommt es nach den Ausführungen im Bericht Focus Somalia vor, dass die Betroffenen von ihrem Wohnort wegreisen, wo sie nach Ansicht moderater Sufi-Kleriker auch ohne Einverständnis der Familien heiraten würden. In solch einem Fall nehmen die im islamischen Recht erforderliche Funktion des Vormunds der Braut drei Zeugen anstelle des Brautvaters ein. Bekannte Städte für solche Heiraten sind Wanlaweyn für die Einwohner Mogadischus und Gabiley für die Einwohner Hargeysas.

Laut Angaben der Erstbeschwerdeführerin, als diese vor dem Bundesamt zu ihren Zeugen bei der Eheschließung befragt wurde, war lediglich ein Mann anwesend. Ihre Flucht zur Eheschließung führte sie auch nicht nach Gabiley, wie es in den Länderbericht zur Folge üblich ist, sondern stattdessen in das weit entfernte Kismayo.

Aufgrund der vagen, unplausiblen und teilweise mit den Länderberichten stark divergierenden Aussagen der Erstbeschwerdeführerin, waren daher ihre Angaben bezüglich der Eheschließung mit einem Gabooye und der diesbezüglichen Flucht nach Kismayo als nichtglaubhaft zu werten.

Daraus folgt, dass auch ihrer Aussage, wonach sie von ihrer Familie aufgrund der Mischehe gefoltert und eingesperrt worden sei, kein Glaube zu schenken war. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die dem Verfahren zugrundeliegenden Länderberichte (insbesondere dem Focus Somalia Bericht) verwiesen, wonach es beim Vorliegen von Mischehen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötung, sondern vielmehr zu einem Verstoß der betroffenen Person durch die Familie des Mehrheitsclans kommt.

Die vorgebrachte Misshandlung durch ihre Cousins ist darüber hinaus auch aufgrund der widersprüchlichen Erzählungen der Erstbeschwerdeführerin in ihrem gesamten Verfahren als unglaubwürdig zu werten:

Die Erstbeschwerdeführerin vermochte von sich aus im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt zuerst keinerlei detailreichen Angaben zur Misshandlung durch ihre Cousins machen. Auf die Aufforderung hin, den Vorfall mit ihren Cousins so genau wie möglich zu beschreiben gab die Erstbeschwerdeführerin schlichtweg an, dass die Cousins sie geschlagen hätten. Erst auf erneute Nachfrage seitens des Bundesamtes, ob ihr zu diesem Vorfall noch mehr einfalle, begann sie ein weitreichenderes Vorbringen zu erstatten (AS 337). Des Weitern fällt auf, dass die Erstbeschwerdeführerin die Erzählung hinsichtlich der Misshandlung durch ihre Cousins im Laufe des Verfahrens steigerte und mit mehreren Details ausschmückte, wobei sie ebenso in Widersprüche verfiel: So gab sie in der Einvernahme am 25.11.2016 noch an, eine Frau habe ihr geholfen und die Tür aufgemacht (AS 189), während sie in der Einvernahme am 21.03.2017 diesbezüglich ausführte, geschrien zu haben, woraufhin ihre Nachbarin die Tür nunmehr aufgesperrt habe (AS 278). Ferner führte die Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme am 25.11.2016 an, nach dem Vorfall geflüchtet zu sein, während sie in der Einvernahme am 21.03.2017 wiederum ihre Flucht mit neuen Details ausschmückte. Hierzu ist auszuführen, dass es nachvollziehbar wäre, wenn die Erstbeschwerdeführerin zu Beginn ihres Verfahrens und somit unmittelbar und zeitnah zu ihrer Flucht und den fluchtauslösenden Ereignissen detailreichere Angaben tätigt, die dann bei mehrjährig dauernden Verfahren verblassen. Im gegenständlichen Verfahren drängt sich jedoch angesichts der erst späteren ausgeschmückten Angaben in der Fluchtgeschichte der Erstbeschwerdeführerin der Verdacht auf, dass die Erstbeschwerdeführerin im Laufe ihres Verfahrens ihr Vorbringen - zur besseren Glaubwürdigkeit - bewusst detailreicher ausgestaltet hat.

Unglaubwürdig ist ebenfalls die Aussage der Erstbeschwerdeführerin, wonach sie im Anschluss an die Misshandlungen ihrer Cousins "beinahe tot", ins Koma gefallen sei (AS 277), und nicht gehen habe können, jedoch sodann angab, acht Stunden zu Fuß zur Stadtgrenze gelaufen zu sein, wo ihre Nachbarin mit dem Auto auf sie gewartet haben soll (AS 278). Bei der von der Erstbeschwerdeführerin beschriebenen Tortur ist es äußerst lebensfremd anschließend einen achtstündigen Fußmarsch bewerkstelligen zu können.

Die Erstbeschwerdeführerin verstrickte sich darüber hinaus auch betreffend den Grund für ihre Rückkehr nach Hargeysa in einen Widerspruch: So führte sie im Verfahren vor dem Bundesamt bei ihrer Einvernahme am 25.11.2016 aus, dass sie sich nach einiger Zeit in Kismayo gedacht habe, dass sie eine Frau sei und einen guten Mann habe und, dass ihre Familie ihr nun nichts mehr anhaben könne und deshalb den Entschluss gefasst habe, ihre Familie in Hargeysa zu besuchen (AS 189). Hingegen gab sie in ihrer Einvernahme am 21.03.2017 an, dass sie in Kismayo eines Tages einen Anruf bekommen habe, wonach ihre Mutter sehr krank sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich dann dazu entschieden, nach Hargeysa zu fahren, obwohl ihre Mutter ihr immer wieder gesagt habe, dass sie bleiben soll wo sie sei.

Aufgrund des angesichts der widersprüchlichen und vagen Angaben als unwahr festgestellten Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin bezüglich ihrer Eheschließung mit einem Gabooye und der vermeintlichen Misshandlung durch ihre Cousins, ist es der Erstbeschwerdeführerin auch nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Somalia Lebensgefahr oder einen Eingriff in ihre körperliche Integrität durch ihre Familie drohen würde. Hierbei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin ihrem Vorbringen nach, zweimal bereits zu ihrer vermeintlich gewalttätigen Familie zurückgekehrt war (zuerst nach ihrer Heirat und der Flucht nach Kismayo, obwohl sie telefonisch mit dem Tod bedroht worden sei [AS 337], und zum zweiten Mal nach der Trennung ihres Mannes, vor ihrer Flucht nach Europa [Verhandlungsprotokoll OZ 8, S. 14; AS 333]). Eine individuelle und vor allem aktuelle Verfolgungsgefahr lässt sich daher, auch alleine aufgrund des in der Vergangenheit zweimaligen Zurückkehrens zu ihrer Familie trotz aufrechter Todesdrohung bzw. bereits erfolgter Misshandlung, nicht erblicken.

Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens würde die Erstbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr keiner Gewalt seitens ihrer Familie mehr ausgesetzt sein, da sie mittlerweile von ihrem Exmann geschieden ist. Zwar ist sie nunmehr erneut mit einem Gabooye verheiratet, doch gab die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die Frage, ob ihre Mutter zufrieden mit ihrer nunmehrigen Eheschließung und ihrem Kind sei, an "Ja warum nicht" (OZ 8, S. 8), weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Mutter die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr mit dem Zweitbeschwerdeführer unterstützen würde.

Was die Cousins betrifft, von denen die Erstbeschwerdeführerin ihrem Fluchtvorbringen nach gefoltert und eingesperrt worden sei, ist selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens bei einer allfälligen Rückkehr der Erstbeschwerdeführerin nach Hargeysa keine Gefahr mehr zu befürchten:

Die Erstbeschwerdeführerin gab zur Frage betreffend den Aufenthaltsort der Cousins, respektive ob ihre Mutter noch mit ihnen in Kontakt stehe, lediglich vage Angaben: So führte die Erstbeschwerdeführerin auf die Frage was mit der restlichen Familie sei, und ob diese auch noch in Hargeysa leben würden aus, dass lediglich ihre Mutter in Hargeysa lebe. Auf erneute Nachfrage, wo denn ihre Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen leben würden führte die Erstbeschwerdeführerin sodann aus, dass sie schon in Hargeysa leben würden. Befragt danach, ob alle in Hargeysa leben gab die Erstbeschwerdeführerin sodann an, dass manche in Hargeysa, manche in Mogadischu und manche in Galkayo leben würden (OZ 8, S.10). Aufgrund dieser vagen und unschlüssigen Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin zum Verbleib und Aufenthaltsort ihrer Cousins, sowie zu einem möglichen aufrechten Kontakt der Mutter mit den Cousins ist daher davon auszugehen, dass im Falle einer Rückkehr der Erstbeschwerdeführerin selbst bei Wahrunterstellung der vorgebrachten Ereignisse durch ihre Cousins, aufgrund ihrer Mutter und ihren Geschwistern jedenfalls von einer familiären Unterstützung und einem familiären Zusammenhalt ausgegangen werden kann.

2.2.2. Soweit die Erstbeschwerdeführerin vorbrachte, sie sei von der AMISOM entführt, gefoltert und vergewaltigt worden, ist es ihr angesichts ihrer vagen, lebensfremden und auch widersprüchlichen Angaben nicht gelungen eine individuelle und konkret gegen sie gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen:

Zum einen konnte die Erstbeschwerdeführerin auch zu diesem Ereignis (wie bisher schon zu ihrer Eheschließung) kein genaues Datum nenne. So gab sie vor dem Bundesamt in der Befragung vom 21.03.2017 an, sie wisse nicht wann die Entführung stattgefunden habe. Sie könne nur sagen, dass es im Juni stattgefunden habe, korrigierte sich jedoch und fügte hinzu, dass sie glaube das die Entführung im Juli 2014 stattgefunden habe (AS 278). In der ersten Einvernahme vor dem Bundesamt am 25.11.2016 wich sie der konkreten Frage nach dem Entführungsdatum durch AMISOM sogar aus und antwortete auf die Frage damit, dass die AMISOM und die somalische Armee sie entführt hätten und zu ihr gesagt hätten "du willst uns nicht sagen wo dein Mann ist" (AS 339). Wie bereits erwähnt ist es äußerst unwahrscheinlich, dass man im Falle des tatsächlich erlebten Vorbringens, kein genaues Datum nennen kann, zumal sich derart prägende negative Ereignisse im Normalfall mit einer genauen Zeitangabe in Verbindung bringen lassen.

Die Erstbeschwerdeführerin verstrickte sich zum anderen auch bei der konkreten Schilderung dieses Fluchtvorbringens in mehrere Widersprüche:

So gab sie bezüglich des Fahrzeugs, mit dem sie von den AMISOM Soldaten entführt und zum Stützpunkt gebracht worden sei, in der Einvernahme am 25.11.2016 an, dass sie mittels einem "Suug", einem LKW auf dessen Ladefläche ein Geschützt montiert sei, entführt worden sei. Sie sei bei der Fahrt auf der Ladefläche gelegen und das Geschütz habe ihr die Sicht versperrt, weshalb sie nicht sehen die Umgebung nicht wahrnehmen habe können (AS 340). Hingegen führte die Erstbeschwerdeführerin in der darauffolgenden Einvernahme am 21.03.2017 aus, dass sie in einem geschlossenen Fahrzeug zum Stützpunkt gebracht worden sei, und dass man sie mit dem Gesicht auf den Boden gelegt habe, damit sie nichts sehen könne (AS 278).

Ein weiterer Widerspruch, der auf ein völlig konstruiertes Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin bezüglich der Vergewaltigung und Entführung durch die AMISOM schließen lässt, ergibt sich daraus, dass sie im Zuge der hg. Verhandlung einerseits angab, dass die AMISOM sie ebenso am Markt, als sie Gemüse verkauft habe, zu ihrem Mann befragt habe (OZ 8, S.16), und andererseits in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Beginn ausführte, dass sie erst nach der Trennung von ihrem Exmann als Gemüseverkäuferin zu arbeiten begonnen habe, wobei sie als Trennungszeitpunkt den 17.09.2014 angab.

Es wird nicht in Abrede gestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat sexuellen Übergriffen ausgesetzt worden war. Dass diese jedoch nicht von AMISOM erfolgt sind ergibt sich einerseits aus den oben geschilderten widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin, sowie andererseits auch aus dem Umstand, dass sich eine generell verbreitete Vergewaltigung durch AMISOM als Kriegsmittel aus den allgemeinen Länderberichten nicht ergibt.

Abschließend ist festzuhalten, dass sich das von der Erstbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Vorbringen auf ihren Aufenthalt in Kismayo und aufgrund ihrer zum damaligen Zeitpunkt noch aufrechten Ehe mit einem angeblichen Al Shabaab Mitglied bezogen hat. Es ist daher nicht erkennbar, wieso die Erstbeschwerdeführerin, selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens, bei einer nunmehrigen Rückkehr in ihre Herkunftsstadt Hargeysa, sohin knapp 2000 km von Kismayo entfernt, einer Verfolgungsgefahr durch die AMISOM ausgesetzt sein sollte.

Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche und sehr vagen Angaben ist es der Erstbeschwerdeführerin daher nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass sie konkret und individuell von der AMISOM mit dem Tod oder der Ausübung physischer oder psychischer Gewalt bedroht worden ist. Aufgrund der daher insgesamt nicht glaubhaften Aussagen der Erstbeschwerdeführerin konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Somalia Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch die AMISOM drohen würde.

2.2.3. Soweit die Erstbeschwerdeführerin vorbrachte, sie werde aufgrund der Zugehörigkeit ihres Ex-Mannes zur Al-Shabaab und ihrer Gefangenschaft durch die AMISOM von der Al-Shabaab verfolgt, kann ihr aus nachstehenden Gründen kein Glauben geschenkt werden:

Die Erstbeschwerdeführerin konnte bezüglich der Angaben zum Anschluss ihres Mannes an die Al-Shabaab oder seinen Tätigkeiten lediglich vage und unplausible Angaben tätigen. So vermochte sie keine Details im Hinblick auf ein konkretes Datum oder konkreter Umstände bezüglich des Anschlusses ihres Mannes an die Al-Shabaab vorbringen. Sie antwortete auf diesbezügliche Fragen des Bundesamtes nur, dass der Anschluss ihres Mannes an die Al-Shabaab zwei Jahre nach ihrer Hochzeit stattgefunden habe und sie kein Datum wisse (AS 338). In Ihrer Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht nannte sie sodann, befragt nach dem Zeitpunkt des Anschlusses ihres Mannes an die Al-Shabaab, dass sie im Juni 2014 erfahren habe, dass er Al-Shabaab Mitglied sei (OZ 8, S.15). Auch ihre Ausführungen zur genauen Tätigkeit ihres Mannes, und des genauen Ablaufs seiner Mitgliedschaft und wie es dazu kam, waren nicht stringent und wirkten erfunden (AS 338). Widersprüchlich gab die Erstbeschwerdeführerin auch zu Protokoll, wie sie von der guten Position ihres Mannes bei der Al-Shabaab erfahren habe: So gab sie vor dem Bundesamt in der Einvernahme am 25.11.2016 an, dass ihr Freunde ihres Mannes von der hohen Stellung ihres Exmannes erzählt hätten (AS 338), während sie vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführte, dass ihre Nachbarn ihr von der guten Position ihres Exmannes berichtet hätten (OZ 8, S.16).

Ebenso spricht der Umstand, dass die Al-Shabaab die Erstbeschwerdeführerin lediglich telefonisch bedroht habe (AS 279, 341), gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens, zumal diese aufgrund dessen, dass der Exmann der Erstbeschwerdeführerin deren Mitglied war, vom genauen Wohnort der Erstbeschwerdeführerin wissen hätten müssen. Hätte die Al Shabaab somit tatsächlich ein Interesse an der Erstbeschwerdeführerin gehabt, so hätten sie die Erstbeschwerdeführerin an ihrem Wohnort aufsuchen können und hätte es keiner telefonischen Drohung bedürfen.

Wie bereits zuvor zum Fluchtvorbringen bezüglich einer Verfolgung durch AMISOM erläutert, ist auch betreffend das nunmehrige Vorbringen anzumerken, dass eine aktuell drohende Verfolgung bei einer Rückkehr nach Hargeysa nicht erkannt werden kann, zumal Hargeysa weit entfernt von den geschilderten Vorfällen in Kismayo liegt, und die Erstbeschwerdeführerin nunmehr von ihrem Ex-Mann geschieden ist.

Aufgrund der derart widersprüchlichen und vagen Angaben der Erstbeschwerdeführerin ist es nicht gelungen, ihr Vorbringen hinsichtlich einer aktuellen individuell drohenden Verfolgung durch die Al-Shabaab im Falle ihrer Rückkehr nach Somalia glaubhaft zu machen.

2.2.4. Dass für den Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, und diesbezüglich lediglich auf seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Gabooye verwiesen wurde, ergibt sich aus der Asylantragsstellung des Zweitbeschwerdeführers durch die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertretung (AS 3 im Verfahren 2166320-1), sowie aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 16).

Die Feststellungen, wonach es in Somalia zu keiner aktiven Verfolgung von Angehörigen des Clans der Gabooye kommt beruht auf den dem Verfahren zugrunde gelegten Länderberichten:

Diese Annahme wird durch das eingebrachte Länderinformationsblatt gestützt, wonach keine aktive Verfolgung der Gabooye stattfindet und es auch zu keiner

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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