TE Vwgh Beschluss 2019/5/29 Ra 2019/20/0208

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG §133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtsache der Revision des M F in S, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2019, Zl. W244 2141842- 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 28. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 23. November 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 3. September 2018 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser behob mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2018, E 4118/2018-11, das Erkenntnis des BVwG, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde.

5 Das BVwG wies in der Folge die Beschwerde gegen die oben genannten Aussprüche mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Jänner 2019 neuerlich als unbegründet ab.

6 Mit Beschluss vom 13. März 2019, E 588/2019-5 lehnte der VfGH die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde ab. Zur Ablehnung der Beschwerdebehandlung führte der VfGH u. a. aus, in Bezug auf die behauptete Verletzung von Art. 3 EMRK habe das BVwG weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen, noch seien ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom VfGH aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechts darstellen würden. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der VfGH die Beschwerde mit gesondertem Beschluss vom 27. März 2019, E 588/2019- 7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision wendet sich ausschließlich gegen die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Das BVwG weiche "von den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien, wann eine Aufenthaltsnahme in einem Land zumutbar sei" ab. Zudem sei die Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung zu lösen, ob eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative angenommen werden könne, wenn die Möglichkeit getötet oder verletzt zu werden, in einem Teil des Landes geringer sei als in einem anderen. 11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGG hat ein Revisionswerber einerseits konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte, und andererseits konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich beantwortet hat oder dass dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt fehlt (vgl. etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712-0715, mwN). Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/20/0049, mwN).

12 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht, welche ohne Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die pauschale Behauptung enthält, das Erkenntnis des BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil eine Ansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat nicht zumutbar sei (vgl. VwGH 26.11.2018, Ra 2018/20/0421, mwN).

13 Darüber hinaus besteht bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur innerstaatlichen Fluchtalternative. Er hat dabei insbesondere klargemacht, dass es sich beim Kriterium der "Zumutbarkeit" um ein eigenständiges Kriterium handelt, dem neben Art. 3 EMRK Raum gelassen wird. Demzufolge reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss. (vgl. zum Ganzen VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN; 26.3.2019, Ra 2019/19/0043).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im bereits genannten Erkenntnis Ra 2018/18/0001 auch festgehalten, dass die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates selbstverständlich wesentliche Bedeutung hat. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (Rn. 20 der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses). 14 Das BVwG hat sich gemäß der angeführten Rechtsprechung umfassend mit dem Vorliegen der Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber in Mazar-e Sharif und Herat auseinandergesetzt und dabei die aktuellen Berichte zur Lage in Afghanistan sowie die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigt. Die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber - ein arbeitsfähiger, junger Mann mit siebenjähriger Schulbildung und mehrjähriger beruflicher Erfahrung in der Landwirtschaft - finde aufgrund der aufgezeigten Umstände in Mazar-e Sharif oder Herat eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200208.L00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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