TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/26 98/14/0059

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.1999
beobachten
merken

Index

000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;

Norm

AbgÄG 1989 Abschn1 Art1 Z47;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
EStG 1988 §102 Abs2 Z2 idF 1989/660;
EStG 1988 §102 Abs2 Z2 idF 1996/201;
StruktAnpG 1996 Art39 Z66;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des PD in M, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger, Rechtsanwalt in Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 28. Juni 1996, Zl. 6/143/1-BK/Ma-1996, betreffend Einkommensteuer 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger und wohnt in Deutschland. Er war bis 1. Juli 1992 als Kommanditist an der P. GmbH & Co KG beteiligt. Diese Kommanditgesellschaft erwirtschaftete in den Jahren 1986 bis 1990 Verluste, die teils auf Verluste gemäß § 10 EStG, § 23a EStG (1972) und auf "normale" Verluste entfallen.

Der Beschwerdeführer wird als beschränkt Steuerpflichtiger in Österreich zur Einkommensteuer veranlagt. Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1991 und 1992 wurden die in den Jahren 1986 bis 1990 angefallenen Verlustanteile als verrechenbare Verluste abgezogen.

Im Zuge einer im Jahr 1994 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung betreffend die Jahre 1990 bis 1992 vertrat der Prüfer die Auffassung, aus § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 ergebe sich, daß der Verlustabzug nur insoweit berücksichtigt werden könne, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen habe. Daraus ergebe sich das Gebot eines vorrangigen Verlustausgleiches mit ausländischen Einkünften. Laut Auskunft der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers in Deutschland seien sämtliche Gewinn- und Verlustanteile des Beschwerdeführers aus der genannten Kommanditgesellschaft in den jeweiligen Einkommensteuererklärungen nach der Befreiungsmethode erklärt worden, das heiße, sie hätten sich lediglich auf die Steuerprogression ausgewirkt. Daraus folge, daß die Verluste im Sinne des § 23a EStG 1972 sowie die Verluste gemäß § 10 EStG 1988 ausgleichs- bzw. vortragsfähig seien, die sogenannten "normalen" Verluste hingegen nicht.

Mit Bescheid vom 27. September 1995 nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 1992 wieder auf und setzte die Einkommensteuer fest, wobei es der vom Prüfer geäußerten Auffassung folgte.

In der dagegen erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, die nicht anerkannten Verlustabzüge in der Höhe von S 3,638.728,-- ebenfalls als Sonderausgabe abzuziehen. Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, G 191, 192/94, ergebe sich, daß der letzte Satz des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988, wonach der Verlustabzug nur insoweit berücksichtigt werden könne, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen habe, dem Gleichheitssatz widerspreche.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 11. März 1996 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte es aus, die genannte Bestimmung trete nach dem zitierten Erkenntnis erst mit 30. Juni 1996 außer Kraft und sei daher im vorliegenden Fall noch anzuwenden, da kein Anlaßfall vorliege. Im übrigen habe der Verfassungsgerichtshof die genannte Bestimmung nur wegen ihrer Rückwirkung auf das Jahr 1989 aufgehoben, die Einschränkung des Verlustabzuges für Steuerausländer jedoch als verfassungskonform bezeichnet.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland vom 4. Oktober 1994, BGBl. Nr. 221/1955, enthalte kein Betriebsstättendiskriminierungsverbot im Sinne des Art. 24 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens i.d.F. vom 1. September 1992. Die Verlustverwertung sei daher nur nach inländischem Recht möglich.

§ 102 EStG 1988 (BGBl. Nr. 400/1988) sei durch Abschnitt I Art. I Z. 47 des Abgabenänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 660/1989, rückwirkend ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 geändert worden. Dabei sei (in § 102 Abs. 2 Z. 2) auch die Bestimmung eingeführt worden, daß der Verlustabzug nur insoweit berücksichtigt werden könne, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen habe. Gemäß Art. II Z. 6 leg. cit. gelte § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 in der Fassung dieses Bundesgesetzes auch für Verluste (§ 18 Abs. 6), die vor dem 31. Dezember 1988 entstanden seien, soweit diese Verluste nicht bereits für die vorangegangenen Kalenderjahre zu berücksichtigen gewesen seien.

Mit Erkenntnis vom 16. Juni 1995, G 191, 192/94, habe der Verfassungsgerichtshof den letzten Satz des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, als verfassungswidrig aufgehoben und verfügt, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1996 in Kraft trete. Dabei habe der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989 nicht schon an und für sich dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, wohl hingegen die rückwirkende Einführung für das Jahr 1989. Die Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung solle es dem Gesetzgeber ermöglichen, den aufgehobenen Satz ohne Rückwirkung auf das Jahr 1989 neuerlich zu erlassen, bevor er tatsächlich außer Kraft trete und dieser Umstand eine neue Vertrauenslage schaffe.

Durch Art. 39 Z. 66 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, sei der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Teil des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 neuerlich erlassen worden. Diese Vorschrift sei erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1990 anzuwenden.

Diese Rechtslage habe die belangte Behörde zu beachten gehabt. Der Beschwerdeführer behaupte nicht, daß die in der inländischen Betriebsstätte entstandenen Verluste die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hätten. Aus § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung ergebe sich das Gebot des vorrangigen Verlustausgleiches mit ausländischen Einkünften. Soweit der Beschwerdeführer die Gleichheitswidrigkeit der anzuwendenden Gesetzesbestimmung behaupte, könne er damit im Verfahren vor der belangten Behörde nicht durchdringen. Im übrigen sei die Gleichheitswidrigkeit im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis zu verneinen.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht bekämpft worden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Aberkennung der Vortragsfähigkeit der Verluste im wiederaufgenommenen Verfahren stelle einen Bruch von Treu und Glauben dar, sei nicht zielführend, weil sich aus diesem Grundsatz kein Vertrauen auf das Beibehalten einer von der Abgabenbehörde geübten unrichtigen Vorgangsweise ableiten lasse.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 10. Dezember 1997, B 2716/96-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde die Entwicklung der Rechtslage zutreffend dargestellt hat. Sie hatte demnach für das Jahr 1992 § 102 Abs. 2 Z. 2 letzter Satz EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 anzuwenden. Der Verlustabzug konnte demnach nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hat.

Der Beschwerdeführer macht geltend, durch die Auslegung, daß die genannte Gesetzesbestimmung in seinem Fall anzuwenden sei, habe die belangte Behörde gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Eine gleichheitswidrige Auslegung des Gesetzes habe auch der Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmen. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 43.

Alles was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, läuft auf einen gleichheitswidrigen Inhalt der genannten Vorschrift hinaus. Diesbezüglich genügt es, den Beschwerdeführer auf das - im Ablehnungsbeschluß zitierte - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, G 191, 192/94 (= Slg. Nr. 14.149), hinzuweisen, in dem dieser Gerichtshof seine Auffassung dargelegt hat, warum die inhaltsgleiche Vorschrift (§ 102 Abs. 2 Z. 2 letzter Satz EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989) nicht schon an und für sich dem Gleichheitssatz widerspreche. Aus den in diesem Erkenntnis genannten Erwägungen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und sieht sich daher zu einer Antragstellung nach Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlaßt.

Soweit der Beschwerdeführer eine gleichheitswidrige Auslegung durch die belangte Behörde behauptet, ist seinen Ausführungen - die sich gegen die Anwendung der genannten Bestimmung an sich richten, sich aber nicht konkret mit ihrem Inhalt beschäftigen - nicht zu entnehmen, welchen Inhalt die genannte Bestimmung seiner Meinung nach haben sollte und wie dieser mit dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle vereinbart werden könnte. Die vom Beschwerdeführer aufgezeigten unterschiedlichen Folgen der angewendeten Vorschrift je nach dem Inhalt des vom Wohnsitzstaat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens lassen nicht erkennen, welche Auslegung der angewendeten Vorschrift diese Folgen vermeiden könnte. Daß derartige unterschiedliche Folgen die Bestimmung nicht verfassungswidrig machen, hat der Verfassungsgerichtshof in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis ausgeführt.

Mit seinen Ausführungen, daß vergleichbare andere Steuerpflichtige, die ihre Unternehmen bereits zu einem früheren Zeitpunkt saniert hätten, ihre Verluste bereits in den Vorjahren steuermindernd hätten abziehen können, vermag der Beschwerdeführer gleichfalls keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu wecken, weil die unterschiedliche Behandlung von gleichgelagerten Sachverhalten während verschiedener zeitlicher Geltungsbereiche von Vorschriften allein derartige Bedenken nicht erzeugen können. Der Umstand, daß der Verlustabzug für die Jahre vor 1990 nicht der genannten Einschränkung unterlag, macht demnach die ab 1990 wirksame Einschränkung nicht gleichheitswidrig.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Jänner 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998140059.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten