TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 I415 2124789-1

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Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §66
FPG §67
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I415 2124789-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. Daigneault gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 31.03.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 24. August 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit wirtschaftlichen Motiven begründete.

Mit Bescheid vom 14.11.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 sowie gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG als unbegründet ab; zugleich verfügte die belangte Behörde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet nach Nigeria.

Die gegen die Spruchpunkte I. und II. erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 23.02.2016, Zl. I409 1423002-1/39E, nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen, als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde der angefochtene Bescheid im Umfang des Spruchpunktes III. aufgehoben und die Angelegenheit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 31.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt I.) sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.).

Mit FAX seiner Rechtsvertretung vom 11.04.2016 erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde.

Mit E-Mail seiner Rechtsvertretung vom 14.12.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er am XXXX2016 die österreichische Staatsangehörige, Frau XXXX, geb. XXXX in Accra (Ghana) ehelichte. Diese habe aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in Deutschland von November 2016 bis Mai 2017 ihr Recht auf Freizügigkeit gemäß UnionsbürgerRL in Anspruch genommen, weshalb ihm als Gatte einer begünstigten Drittstaatsangehörigen, ein Aufenthaltsrecht zukomme. Dazu brachte der Beschwerdeführer diverse Beweismittel (Heiratsurkunde, Reisepassdatenseite in Kopie, Staatsbürgerschaftsnachweis der Gattin, Lohnzettel der Gattin aus Deutschland von November 2016 bis April 2017, Mietvertrag der Gattin aus Deutschland,

Dienstverträge der Gattin aus Deutschland, 2-fach (Firma XXXX und Firma XXXX) von September und Oktober 2016

Lohnzettel der Gattin aus Österreich Oktober bis November 2018 in Vorlage.

Am 11.01.2019 erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, der belangten Behörde sowie der Gattin des Beschwerdeführers, welche zeugenschaftlich einvernommen wurde. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers hatte die Vertretungsvollmacht zwischenzeitlich aufgelöst und war daher zur Verhandlung nicht erschienen.

Mit Schreiben vom 19.01.2019 stellte das BFA den Antrag, die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben. In Beilage übermittelte das BFA einen Bericht der LPD Wien Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug datiert vom 18.01.2019, wonach aufgrund der durchgeführten Erhebung im Falle des Beschwerdeführers ein Vorliegen einer Aufenthaltsehe bislang nicht bestätigt werden könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt wird zunächst auf die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen verwiesen und des Weiteren Folgendes festgestellt:

Der (spätestens) am 24. August 2011 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist volljährig, Angehöriger der Volksgruppe der Abo, Staatsangehöriger von Nigeria und christlichen Glaubens. Seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest.

Seit XXXX2016 ist der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und führen sie einen gemeinsamen Haushalt. Seine Ehegattin machte durch ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland von November 2016 bis Mai 2017 von ihrem Recht auf Freizügigkeit gemäß UnionsbürgerRL Gebrauch.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 09.11.2011, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.06.2012, XXXX wurde der Beschwerdeführer erneut wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.08.2014, XXXX wurde der Beschwerdeführer wieder wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 31.05.2016, XXXX wurde der Beschwerdeführer wieder wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen zum Verfahrensgang gründen sich auf sämtliche Unterlagen im Akt des Verwaltungsverfahrens zu Zl. XXXX sowie der Gerichtsakten I409 1423002-1 und I415 2124789-1.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.01.2019.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsangehörigen S.I. verheiratet ist und mit dieser an derselben Adresse gemeldet ist, ergibt sich aus dem ZMR, der Vorlage der Heiratsurkunde und dem Staatsbürgerschaftsnachweis der S.I.

Dass Frau S.I. von November 2016 bis Mai 2017 in Deutschland für die Firma XXXX als Reinigungskraft tätig war, ergibt sich aus den im Vorfeld der mündlichen Verhandlung in Vorlage gebrachten deutsche Verdienstabrechnungen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.01.2019 geäußerte Zweifel seitens der belangten Behörde, ob die Freizügigkeit mit den vorgelegten Dokumenten bereits belegt worden sei, konnten durch Nachreichung weiterer Verdienstabrechnungen, eine BFA-Anfrage an die LPD XXXX vom 16.01.2019 und deren Beantwortung vom selben Tage, sowie durch einen Bericht der LPD Wien Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug vom 18.01.2019 offensichtlich zerstreut werden, stellte das BFA mit FAX vom 19.01.2019 doch den Antrag, die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben.

Die Feststellung über die vier strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 10.01.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Der mit "Rückkehrentscheidung" titulierte § 52 FPG lautet im Abs. 2 Z 2 und im Abs. 9 wie folgt:

"§ 52. (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

----------

[...]-

2.-dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

[...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich und in den Feststellungen ausgeführt, heiratete der Beschwerdeführer am XXXX2016 die österreichische Staatsangehörige S.I., welche in Ausübung ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in Deutschland von November 2016 bis Mai 2017 erwerbstätig war. Es ist daher vom Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers als begünstigtem Drittstaatsangehörigen auszugehen. Daran ändern auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nichts (VwGH 27.01.2015, 2013/22/0293).

Die belangte Behörde hat die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war dies auch zutreffend, weshalb der belangten Behörde diesbezüglich kein Vorwurf zu machen ist. In einer Konstellation wie der aktuell vorliegenden, ist die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung jedoch nicht zulässig. Die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung ist im Hinblick auf einen begünstigten Drittstaatsangehörigen anhand der speziellen Bestimmungen in § 66 FPG bzw. § 67 FPG zu prüfen (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005). Im Rahmen eines Verfahrens nach § 66 FPG, der auf die Bestimmung in § 55 Abs. 3 NAG Bezug nimmt, wäre auch zu prüfen, ob für den Beschwerdeführer die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, und auch das Recht begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht (mehr) vorliegen. Dazu gehörte auch die Prüfung der Frage, ob vorliegend gegebenenfalls von Beginn an eine Aufenthaltsehe iSv § 30 NAG vorlag und der Beschwerdeführer sohin sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht rechtsmissbräuchlich erlangt hat (die belangte Behörde scheint aufbauend auf der Stellungnahme seitens der LPD Wien Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug vom 18.01.2019 nicht davon auszugehen). Vorliegend können diese Fragen aufgrund der dargestellten rechtlichen Zusammenhänge offen bleiben.

Es kommt daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nicht in Betracht. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid - wie auch von der belangten Behörde mit FAX vom 19.01.2019 explizit beantragt - gemäß § 28 Abs. 2 iVm Abs. 5 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltsehe, Aufenthaltsrecht, begünstigte
Drittstaatsangehörige, Behebung der Entscheidung, Ehe, ersatzlose
Behebung, gemeinsamer Haushalt, Kassation, mündliche Verhandlung,
Rückkehrentscheidung, strafrechtliche Verurteilung, Suchtgifthandel,
Suchtmitteldelikt, Unionsrecht, Vorstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2124789.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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