TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 97/11/0079

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Veröffentlicht am 09.02.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §12 Abs1;
AZG §28 Abs1;
AZG §3;
AZG §7 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien III, Weyrgasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Februar 1997, Zl. UVS-04/A/30/00299/95, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches hinsichtlich der Verstöße gegen die höchstzulässige Tages- und Wochenarbeitszeit (Punkt I und II des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) einschließlich des zugehörigen Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nachdem ein gegen den Beschwerdeführer ergangenes Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich vom 3. November 1994 wegen örtlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau aufgehoben worden war, wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 27. Februar 1995 als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufener persönlich haftender Gesellschafter einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft mit Sitz in Wien schuldig erkannt, er habe in einem in Niederösterreich gelegenen Schotterwerk

I. an näher bezeichneten Tagen im Zeitraum vom 26. Mai bis 11. Juli 1993 30 Arbeitnehmer in dem jeweils angegebenen Ausmaß über die höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden hinaus beschäftigt und dadurch gegen § 7 Abs. 1 AZG verstoßen;

II. im genannten Zeitraum 15 Arbeitnehmer in dem jeweils angegebenen Ausmaß über die höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 50 Stunden hinaus beschäftigt und dadurch gegen §§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 AZG verstoßen;

III. an näher bezeichneten Tagen bei 4 Arbeitnehmern die Ruhezeit von 10 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen nicht eingehalten und dadurch gegen § 12 Abs. 1 AZG verstoßen.

Über den Beschwerdeführer wurden deshalb gemäß § 28 Abs. 1 AZG folgende Geldstrafen verhängt: Zu I. und II. je Arbeitnehmer S 6.000,--, zu III. je Arbeitnehmer S 3.000,--.

Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem (am 14. Mai 1996 mündlich verkündeten) angefochtenen Bescheid

1. der Berufung hinsichtlich dreier Verstöße gegen § 7 Abs. 1 AZG (Punkt I des Straferkenntnisses) Folge gegeben und das Strafverfahren insoweit eingestellt;

2. im übrigen der erstinstanzliche Schuldspruch mit Ausnahme einzelner Änderungen durch Richtigstellung von Angaben über Arbeitszeiten und von Namen betroffener Arbeitnehmer bestätigt;

3. der erstinstanzliche Strafausspruch - mit Ausnahme von je drei Fällen nach I. und II. des Straferkenntnisses, in denen die Strafen herabgesetzt wurden - bestätigt.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 AZG (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994) darf die Tagesarbeitszeit 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. Nach § 7 Abs. 1 erster Satz AZG kann bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes die Arbeitszeit verlängert werden. Wöchentlich sind jedoch nicht mehr als 10 Überstunden zulässig (zweiter Satz). Die Tagesarbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten (dritter Satz). Gemäß § 12 Abs. 1 AZG ist den Arbeitnehmern nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Durch Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die ununterbrochene Ruhezeit für männliche Arbeitnehmer nur 10 Stunden beträgt.

Gemäß § 28 Abs. 1 AZG sind Arbeitgeber, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe von 300,-- bis 6.000,-- oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Der Beschwerdeführer behauptet zwar, im Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt zu sein, das Beschwerdevorbringen vermag aber die Richtigkeit dieser Behauptung nicht zu belegen. Angesichts der unbestrittenen Feststellungen, daß sich die "Firmenleitung" in Wien befinde und von dort aus auch die Unternehmensdispositionen getroffen würden, führt der Beschwerdeführer zutreffend aus, daß als Strafbehörde erster Instanz zu Recht der Magistrat der Stadt Wien eingeschritten sei. Es kann dahinstehen, ob - wie der Beschwerdeführer meint - aufgrund der Nennung des in Niederösterreich gelegenen Standortes des Schotterwerkes im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nach der damaligen Rechtslage die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich gegeben gewesen wäre. Ab dem Inkrafttreten des durch die Novelle BGBl. Nr. 620/1995 neu gefaßten § 51 Abs. 1 VStG mit 1. Juli 1995 war ab diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegeben. Mangels einer mündlichen Verhandlung vor dem 1. Juli 1995 kam die Übergangsbestimmung des § 66b Abs. 6 VStG, wonach dann, wenn vor diesem Datum eine mündliche Verhandlung abgehalten worden war, noch § 51 Abs. 1 VStG idF vor der genannten Novelle anzuwenden war, nicht zum Tragen.

Gegen die Umschreibung der Tat durch Angabe einerseits des Beginnes und des Endes der Arbeitszeit (laut Stempelkarten) und andererseits der (nach Abzug der gewährten Arbeitspausen errechneten) tatsächlichen Arbeitszeit bestehen unter dem Blickwinkel des Erfordernisses hinreichender Tatumschreibung (siehe dazu näher das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, SlgNr. 11894/A) keine Bedenken. Daraus ergibt sich nämlich ohne weiteres das jeweilige Ausmaß der Überschreitung der im Straferkenntnis angegebenen Grenze der zulässigen Arbeitszeit.

Was den Arbeitnehmer Deniz anlangt, hat die belangte Behörde die noch im erstinstanzlichen Straferkenntnis (Punkt I.23) enthaltene Angabe, wonach der Genannte auch am 3. Juli 1993 (einem Samstag) gearbeitet habe, nicht aufrecht erhalten. Dies ergibt sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides iVm der zugehörigen Begründung (S. 20). Daß im Spruch verfehlter Weise das Datum "2.7."

(statt richtig: 3.7.) aufscheint, beruht offensichtlich auf einem Versehen der belangten Behörde. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann keine Rede davon sein, daß deshalb keine Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit mehr vorläge; das Ausmaß der Überschreitung hat die belangte Behörde ohnedies richtiggestellt (zu Punkt II.10. des Straferkenntnisses).

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob aufgrund von Kollektivverträgen im Sinne des § 7 Abs. 2 und 3 AZG längere Tages- und Wochenarbeitszeiten zulässig gewesen seien, läßt keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel erkennen. Der Beschwerdeführer behauptet selbst nicht das Bestehen eines derartigen Kollektivvertrages. Damit hat er die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Schließlich ist der Schuldspruch auch nicht etwa wegen unzulässiger Berichtigung einiger im erstinstanzlichen Straferkenntnis unrichtig wiedergegebener Namen von Arbeitnehmern rechtswidrig. Die belangte Behörde war berechtigt und verpflichtet, diese Unrichtigkeiten zu bereinigen. Von einer Verfolgungsverjährung aufgrund (zunächst) unrichtiger Schreibweise des Namens einzelner Arbeitnehmer kann entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine Rede sein.

Daß beim Strafausspruch in Ansehung der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen § 16 ohne den Zusatz "VStG" aufscheint, verletzt den Beschwerdeführer nicht in subjektiven Rechten.

Zum Vorbringen, eine Übertretung des § 3 Abs. 1 AZG sei nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 446/1994 mit "01.01.1995" (richtig: 1. Juli 1994) nicht mehr strafbar, weil der neu gefaßte § 28 den § 3 AZG nicht mehr erwähne, womit gemäß der Günstigkeitsregel des § 1 Abs. 2 VStG die Strafbarkeit von Verstößen gegen § 3 Abs. 1 AZG (Punkt II. des Straferkenntnisses) noch vor Erlassung des Straferkenntnisses vom 27. Februar 1995 weggefallen sei, und überdies in dieser Bestimmung 40 Wochenstunden aufschienen, hingegen das Straferkenntnis von 50 Wochenstunden spreche, ist festzuhalten, daß die Nennung auch des § 3 Abs. 1 AZG (neben dessen § 7 Abs. 1) in diesem Zusammenhang verfehlt ist. (Daß die belangte Behörde es unterlassen hat, die verfehlte Nennung auch des § 3 Abs. 1 AZG als verletzter Vorschrift zu beseitigen, verletzt den Beschwerdeführer nicht in Rechten und führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.) § 28 Abs. 1 Z. 1 AZG (idF der genannten Novelle) bedroht das Überschreiten der Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 7 Abs. 1 AZG von 50 Stunden so wie bisher mit Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,--. Von einem nachträglichen Wegfall der Strafbarkeit eines solchen Verhaltens kann demnach keine Rede sein.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer allerdings unter Hinweis auf seine Unbescholtenheit die Verhängung der Höchststrafe in den Fällen der Überschreitung der höchstzulässigen Tages- bzw. Wochenarbeitszeit (I. und II. des Straferkenntnisses). Die belangte Behörde begründet die Verhängung der Höchststrafe in diesen Fällen mit dem nicht als geringfügig anzusehenden Verschulden des Beschwerdeführers ("nach geradezu vorsätzliche Tatbegehung") und eklatanter Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeiten; dies schädige das geschützte Interesse an der Hintanhaltung körperlicher und geistiger Überforderung von Arbeitnehmern in außerordentlich hohem Maße. Angesichts dessen sei die Verhängung der Höchststrafe ungeachtet des Umstandes gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer keine Vorstrafe aufweise (die Erstbehörde war noch von vier rechtskräftigen Vorstrafen des Beschwerdeführers nach dem AZG ausgegangen).

Angesichts der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde nicht geteilt werden, es sei mit Rücksicht auf die zwei von ihr als erschwerend gewerteten Umstände die Verhängung der Höchststrafe gerechtfertigt. Mit deren Verhängung ungeachtet des Fehlens einschlägiger Vorstrafen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht. Sie hätte die von der Erstbehörde - ausgehend von deren verfehlter Annahme von vier rechtskräftigen Vorstrafen des Beschwerdeführers - in Höhe der Strafobergrenze bemessenen Geldstrafen herabsetzen müssen. Die zwei als erschwerdend erachteten Umstände weisen nicht ein Gewicht auf, daß allein deshalb schon trotz des erstmaligen Verstoßes des Beschwerdeführers gegen Arbeitszeitvorschriften die Verhängung der vorgesehenen Höchststrafe gerechtfertigt erschiene. Diese Rechtswidrigkeit wirkt sich auch auf jene sechs Fälle aus, in denen die belangte Behörde das Strafausmaß herabgesetzt hat. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides orientierte sie sich auch in diesen Fällen am Grundsatz der Verhängung der Höchststrafe; die Herabsetzung erfolge davon ausgehend lediglich im Interesse einer "Harmonisierung der Strafausmaße" nach näher dargelegten Grundsätzen.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für überzählige Ausfertigungen des Beschwerdeschriftsatzes (4 statt 3) und des angefochtenen Bescheides (4 statt 1).

Wien, am 9. Februar 1999

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997110079.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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