TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/16 VGW-041/068/3238/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

LSD-BG §27 Abs1
LSD-BG §14 Abs2
AVG §47
ZustG §17 Abs3
VwGVG §50 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK !

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 8.2.2018, Zl. ..., wegen Übertretung des § 27 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 2 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9.8.2018 und am 5.11.2018, durch Verkündung,

zu Recht e r k a n n t :

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 1.500,--(das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

I. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.   Gang des Verfahrens:

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk (im Folgenden: belangte Behörde) vom 8.2.2018, ..., wurde A. B. (im Folgenden: Beschwerdeführerin, BF) zur Last gelegt als Inhaberin und somit Verantwortliche des gleichnamigen Einzelunternehmens mit Sitz in C., D.-gasse, es zu verantworten zu haben, dass die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen trotz nachweisliche Aufforderung vom 31.8.2017, an den Träger der Krankenversicherung nicht spätestens bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags, dies war der 7.9.2017, abgesandt und somit fristgerecht übermittelt worden seien, obwohl eine Verwaltungsübertretung begehe, wer die erforderlichen Unterlagen entgegen § 14 Abs. 2 LSD-BG nicht übermitteln würde. Im Detail seien Dienstverträge bzw. Dienstzettel, "Lohnkosten" [gemeint wohl: Lohnkonten] 2016 "bis laufend" [gemeint wohl: bis zum Zeitpunkt des Datums des Aufforderungsschreibens], Lohnauszahlungsbelege 2016 "bis laufend" [s. o.] und Arbeitszeitaufzeichnungen 2016 "bis laufend" [s. o.] betreffend 15 Arbeitnehmer, welche zu unterschiedlichen Zeiträumen vom 17.10.2016 "bis laufend" gearbeitet hätten, nicht übermittelt worden.

Verhängt wurden 15 Geldstrafen von je 500 € bzw. 15 Ersatzfreiheitsstrafen von je einem Tag und 6 Stunden, sohin in Summe Euro 7.500,00 bzw. 2 Wochen, 4 Tage und 18 Stunden.

Die Begründung des inkriminierten Straferkenntnisses lautet auszugsweise wie folgt:

"[…]

§ 14 Abs. 2 Der zuständige Träger der Krankenversicherung ist berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs. 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen haben Arbeitgeber die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Unterlagen oder Ablichtungen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

§ 27 Abs. 1 Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den §§ 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 € bis 5.000 €, im Wiederholungsfall von 1.000 € bis 10.000 € zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den §§ 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass Sie von der Wiener Gebietskrankenkasse mittels Rückscheinbriefes vom 31.8.2017, adressiert an ihre Wohnadresse D.-gasse, C., aufgefordert wurden, die im Betreff näher bezeichneten Unterlagen gemäß § 14 Abs. 2 LSD-BG für sämtliche Arbeitnehmer bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags an die WGKK, Abteilung Beitragsprüfung zu übermitteln. Der erste erfolglose Zustellversuch erfolgte am 4.9.2017, das Schriftstück wurde durch Hinterlegung am 5.9.2017 zugestellt. Da sie seit 7.8.2017 an der Adresse D.-gasse, C. aufrecht gemeldet waren, handelte es sich um eine ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung.

Die Ihnen zur Last gelegten Übertretungen sind somit in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

[…]"

Mit E-Mail vom 22.2.2018 erhob die Beschwerdeführerin folgende Beschwerde:

"[…] Ich erhebe Einspruch gegen die Straferkenntnis der Magistrats der Stadt Wien Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, da ich die mir zur Last gelegten Übertretungen nicht begangen habe. Ich zu keinem Zeitpunkt eine Aufforderung der Krankenkasse bekommen, dass ich Unterlagen vorlegen soll. Die [im] Straferkenntnis angeführte Aufforderung vom 31.8.2017 habe ich nicht erhalten. Ich bin Anfang August von C., E.-straße in die D.-gasse, verzogen. […]"

Mit Schriftsatz vom 5.7.2018 gab die WGKK auszugsweise folgende Stellungnahme im Beschwerdeverfahren ab:

"[…]

Es gibt aus Sicht der WGKK keinen Grund, an der rechtskonformen Zustellung des Aufforderungsschreibens vom 31.8.2017 durch das dahingehend genauestens geschulte Personal der Post zu zweifeln. Detaillierte Auskünfte über den Ablauf des diesbezüglichen Zustellvorganges wären beim Bediensteten der Post einzuholen. Auch auf die Judikatur wird verwiesen (Erkenntnis des VwGH vom 25.9.1990, Ra 90/04/0073):

„Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweis dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen.“

„Die vom Zusteller erstellten Zustellausweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO offen.“

Die Abweisung der Beschwerde wird beantragt.

[…]“

2.   Festgestellt wird Folgendes aufgrund folgender Beweise:

Mit Schreiben datiert mit 31.8.2017 (MBA-AS 11ff) hat der zuständige Erheber der Beitragsprüfung der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), M. F., die Beschwerdeführerin aufgefordert, gemäß § 42 ASVG am Donnerstag, den 21.9.2017 um 13:00 Uhr in der WGKK vorzusprechen und gemäß § 14 Abs. 2 LSD-BG für 15 näher bezeichnete Arbeitnehmer Dienstverträge bzw. Dienstzettel, Lohnkonten von 2016 bis laufend, Lohnauszahlungsbelege von 2016 „bis laufend“ und Arbeitszeitaufzeichnungen von 2016 „bis laufend“ innerhalb von 2 Werktagen zu übermitteln.

Die im Briefkopf enthaltene Zustellverfügung lautete auf: „Frau A. B., D.-gasse, C.“. Weiters war u.a. angeführt: „Unser Zeichen BP-F. KtoNr.: ...". Eine korrespondierende Kto Nr mit dem Zeichen des Erhebers war auch handschriftlich auf dem Zustellnachweis beigefügt. Das Feld „Empfänger/in“ blieb am Zustellnachweis unausgefüllt.

Frau G. H. war am 4.9.2017 mit der Zustellung dieses Schreibens in C., D.-gasse als sog. Springerin bei der Post AG für diesen Rayon betraut und konnte sich bei ihrer Einvernahme sehr genau an die Beschwerdeführerin erinnern, an welche sie auch noch an ihrer alten Adresse in der E.-straße in C. zahlreiche behördliche Schreiben zugestellt hatte. Damals waren noch viele dieser behördlichen Schreiben auf den Namen ihres Lebensgefährten/Mannes gegangen. Dass diese behördlichen Schreiben zumeist Strafen gewesen waren, hatte sie dadurch erfahren, dass die Beschwerdeführerin selbst einmal in ihrer Anwesenheit bei der Entgegennahme ausgerufen hatte, dass es sich schon wieder um eine Strafe gehandelt hätte. Der Zustellerin war die Örtlichkeit der Abgabestelle D.-gasse äußerst gut vertraut und konnte sie diese bei ihrer Einvernahme in der mündl. Verhandlung ausführlich dahingehend beschreiben, dass es sich um ein altes Mehrparteienhaus handelt, wofür es damals jedoch nur einen einzigen Briefkasten gab. Damals haben gemäß der Aussage der Zeugin mehrere Parteien in dem Haus gewohnt. Dass die Post für die Beschwerdeführerin in diesen einen Briefkasten einzuwerfen ist, wusste sie dadurch, dass ihr der Lebensgefährte/Gatte der Beschwerdeführerin einmal nach dem Anläuten aus dem geöffneten Fenster zurief, dass sie die Post für die Beschwerdeführerin immer in diesen Briefkasten einwerfen solle, woran sie sich hielt. Die Beschwerdeführerin selbst war selten von ihr angetroffen worden – zumeist war der Lebensgefährte/Gatte mit den Kindern daheim. Am 4.9.2017 reagierte jedoch niemand auf ihr Anläuten, weshalb sie eine Hinterlegungsbenachrichtigung vollständig mit Vor- und Nachnamen der Beschwerdeführerin ausfüllte, und in den Briefkasten, wie angewiesen, einwarf und den Zustellnachweis ausfüllte, was sie anhand der Kopie dieses Zustellnachweises (MBA-AS 18) glaubhaft angab. Als Beginn der Abholfrist hatte sie den folgenden Tag, den 5.9.2017, vermerkt. Sie bestätigte auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft, dass es sich bei der auf der Kopie ersichtlichen Handschrift um ihre Handschrift handelte und auch die Unterschrift von ihr stamme. Daher ist davon auszugehen, dass sie die richtig und vollständig ausgefüllte Hinterlegungsbenachrichtigung in den Briefkasten der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß eingeworfen hatte und das behördliche Schreiben - wie auf dem Zustellnachweis dokumentiert - ab dem nächsten Tag am Zustellpostamt zur Abholung bereit gelegen ist.

Eine Vorlage der begehrten Unterlagen an die WGKK durch die Beschwerdeführerin fand innerhalb der Frist und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem VGW nicht statt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch niemals bestritten, weil diese damit argumentierte, dass sie diese Aufforderung niemals erhalten hätte.

Am 3.10.2017 erstattete die WGKK Anzeige an den Magistrat der Stadt Wien (MBA-AS 19).

Mit Strafverfügung der BH I. wurden gegen die Beschwerdeführerin 15 Geldstrafen zu je € 500,00 verhängt, da sie nicht spätestens bis zum Ablauf des der Zustellung der Aufforderung zweitfolgenden Werktages, dies war der 7.9.2017, die für die Erhebung der WGKK erforderlichen Unterlagen für 15 Dienstnehmer abgesendet hatte (MBA-AS 31-38).

Eine Ausfertigung dieser Strafverfügung wurde von der Beschwerdeführerin am 10.11.2017 persönlich übernommen (MBA-AS 40).

Am 21.11.2017 erschien die Beschwerdeführerin bei der BH I. und erhob niederschriftlich Einspruch gegen diese Strafverfügung, weil sie zu keinem Zeitpunkt eine Aufforderung der Krankenkasse zur Vorlage von Unterlagen bekommen habe, da sie Anfang August vonC., E.-straße, in die D.-gasse verzogen sei (MBA-AS 42f). Die vorzulegenden Unterlagen brachte sie bei dieser Gelegenheit jedoch nicht mit.

Die Zustellerin hinterließ anlässlich ihrer persönlichen Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht Wien einen sehr gewissenhaften Eindruck. Auch gab es für das erkennende Gericht keinen Grund, der in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig vorgebrachten Aussage der Zustellerin nicht zu folgen, zumal diese Aussage in allen wesentlichen Punkten klar, schlüssig und widerspruchsfrei war und auf Nachfrage die Örtlichkeit der Abgabestelle detailliert zu beschreiben imstande war. Auch konnte der erfahrenen Zustellerin zugebilligt werden, derartige Wahrnehmungen zu treffen, zumal es plausibel ist, dass Zustellorganen Personen und Örtlichkeiten, wo nachweislich (Vorstrafenregister der BH I., MBA-AS 25-26) gehäuft Zustellungen behördlicher Schriftstücke vorzunehmen sind, besser erinnerlich sind als Adressaten und Abgabestellen, wo dies nicht der Fall ist.

3.   In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:

§ 27 Abs. 1 lautet inkl. Überschrift wie folgt:

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den §§ 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den §§ 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

Der Zustellnachweis stellt eine öffentliche Urkunde dar.

Ein Zustellnachweis ist der anlässlich einer Hinterlegung oder Ersatzzustellung auszufüllende Postrückschein oder die Bestätigung der persönlichen Übernahme bei einer Ausfolgung eines Schriftstücks.

Die Richtigkeit der Daten eines Zustellnachweises muss von demjenigen, der die Zustellung bestreitet, widerlegt werden.

Einem Zustellnachweis kommt daher hinsichtlich der dokumentierten Zustellungsdaten eine volle Beweiskraft (i.S.d. § 47 AVG iVm § 292 ZPO) zu, deren Vorliegen nur im Falle einer Widerlegung nicht anzunehmen ist. Bei Bestreitung der Zustelldaten (bzw. bei Behauptung eines Zustellmangels) muss diese Behauptung entsprechend begründet werden und sind Beweise dafür anzuführen, die zur Widerlegung der Vermutung geeignet sind (VwGH 15.12.2008, 2004/10/0089).

Ein nicht ordnungsgemäß ausgefüllter Zustellnachweis hat diese Vermutung nicht für sich (VwGH 26.5.2000, 99/02/0112).

Ein mangelhafter Zustellnachweis hat keine volle Beweiskraft, sodass die Richtigkeit seiner Daten amtswegig zu ermitteln ist.

Wenn kein Zustellnachweis erstellt wird, sind die Daten ebenso amtswegig zu ermitteln.

Im gegenständlichen Fall war der Zustellnachweis mangelhaft, weil das Feld „Empfänger/in“ unausgefüllt geblieben ist. Dieser Mangel trifft die WGKK, die dieses Feld vor dem Versenden hätte ordnungsgemäß ausfüllen müssen. Dementsprechend musste vom Gericht ermittelt werden, ob das behördliche Aufforderungsschreiben tatsächlich der Beschwerdeführerin zugestellt wurde oder nicht. Aufgrund der Beweisergebnisse konnte festgestellt werden, dass die damalige Zustellerin die Beschwerdeführerin einigermaßen gut kannte und auch mit den örtlichen Gegebenheiten der Abgabestelle vertraut war und sich sicher war, damals die Verständigung von der Hinterlegung an jener Adresse in den richtigen Briefkasten eingeworfen zu haben. An der Abgabestelle in C., D.-gasse existierte bloß ein einziger Briefkasten ohne Top Nr. oder Namen, welcher im Eingangsbereich des Haustores eines Mehrparteienhauses montiert war und die Zustellerin war in der Vergangenheit vom Lebensgefährten/Gatten der Beschwerdeführerin angewiesen worden, die Briefe der Beschwerdeführerin dort einzuwerfen. Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass sie dies auch ordnungsgemäß gemacht hat und somit das Schreiben mit dem Datum des ersten Tages der Abholfrist gem. § 17 Abs. 3 ZustG zugestellt ist. Die Beschwerdeführerin wendete in ihrer Beschwerde ein, dass sie eine solche Verständigung nie erhalten habe. Dies mag womöglich auch zutreffend sein, da bei einem einzigen Briefkasten eines Mehrparteienhauses das Risiko nicht auszuschließen ist, dass Verständigungen von Hinterlegungen von anderen Hausparteien gar nicht oder nicht zeitgerecht weitergeleitet werden. Das Verwaltungsgericht Wien hat jedoch bereits in der Vergangenheit festgehalten, dass dieses Risiko eines gemeinschaftlichen Hausbriefkastens den Empfänger trifft, in dessen Dispositionsmöglichkeiten es liegt, diese unsichere Situation zu bereinigen und einen eigenen Briefkasten mit eindeutiger Zuordenbarkeit zum Empfänger zu montieren bzw. von der Hausverwaltung montieren zu lassen. Das Risiko des Verlustes einer Hinterlegungsbenachrichtigung liegt im Falle eines gemeinschaftlichen Hausbriefkastens somit beim Empfänger, dem jedoch innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden einer versäumten Vorlagefrist die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen gestanden wäre, um die Unterlagen doch noch fristgerecht in Vorlage zu bringen. Dies wurde von der Beschwerdeführerin jedoch verabsäumt. Auch kann dahingestellt bleiben, ob der damalige Einspruch der Beschwerdeführerin vom 21.11.2017 gegen die Strafverfügung als Wiedereinsetzungsantrag zu deuten wäre, da bei einem solchen die versäumte Handlung – somit die Vorlage der Unterlagen - gleichzeitig nachzuholen wäre, was nicht passiert ist.

Zur Strafbemessung:

Die erstinstanzlich verhängte Strafe konnte aus nachfolgenden Gründen nicht herabgesetzt werden:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte das als sehr bedeutend einzustufende öffentliche Interesse an der Regulierung des Arbeitsmarktes und den damit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen gegen das Lohn- und Sozialdumping und der effizienten Kontrolle von deren Einhaltung, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht als geringfügig zu bewerten war.

Als mildernd wurde von der belangten Behörde die verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt, allerdings hat sie hierbei den in ihrem eigenen Akt auf MBA-AS 25 - 26 einliegenden Vorstrafenauszug der BH I. mit 8 zum Tatzeitpunkt rechtskräftigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin außer Acht gelassen, zu welchen auch die Aussage der zeugenschaftlich einvernommenen Zustellerin passt, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Zustellung eines behördlichen Schriftstückes sich beklagt hatte, dass sie schon wieder eine Strafe erhalten hätte.

Das Ausmaß des Verschuldens - immerhin hatte die Beschwerdeführerin selbst unter Zugrundelegung eines tatsächlichen Verlustes der Verständigung von der Hinterlegung allerspätestens bei ihrer Einspruchserhebung bei der BH I. Kenntnis von ihrer Verpflichtung und die (von ihr ungenutzte) Gelegenheit die Unterlagen im Rahmen einer Wiedereinsetzung nachzubringen - kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der im gegenständlichen Fall objektiv gebotenen und der beschwerdeführenden Partei zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig bezeichnet werden, da weder hervorgekommen, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift durch die beschwerdeführende Partei im konkreten Fall eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Anlässlich ihrer im Akt der belangten Behörde unter MBA-AS 42f einliegenden niederschriftlichen Einvernahme bei der BH I. hat die Beschwerdeführerin ihre Einkommens und Vermögensverhältnisse sowie Sorgepflichten dargelegt, weshalb die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses, mangels Angaben und Anhaltspunkten für eine schlechte wirtschaftliche Lage seien von der belangten Behörde durchschnittliche Werte angenommen worden, mangelhaft, aber aufgrund der Verhängung der jeweiligen Mindeststrafe ohne Konsequenz ist.

Aus den angeführten Gründen erscheint unter Zugrundelegung des angegebenen monatlichen Einkommens von EUR 1.280,00 (Mindestsicherung + AMS) bei gleichzeitig vorliegender Vermögenslosigkeit und der bestehenden Sorgepflicht für 4 Kinder das verfügte Strafausmaß durchaus als angemessen und nicht als überhöht.

Die Verhängung einer Geldstrafe ist im Übrigen auch dann gerechtfertigt, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht (vgl. VwGH-E vom 6.12.1965, Zl. 926/65).

Gemäß § 16 Abs. 2 letzter Satz VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

Eine Strafherabsetzung unter die Grenze der Mindeststrafe kam unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafbemessungsgründe, die general- und spezialpräventive Funktion der Verwaltungsstrafe und mangels eines beträchtlichen Überwiegens von Milderungsgründen nicht in Betracht.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG.

 

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis gem. § 35 Abs. 2 LSD-BG:

Mit der rechtskräftigen Bestrafung ist die Eintragung der Beschuldigten und jenes Unternehmens, dem die Bestrafung zuzurechnen ist, in die Evidenz über rechtskräftige Bescheide und Erkenntnisse in Verwaltungsstrafverfahren nach den §§ 26, 27, 28, 29 Abs. 1, 31 und 34 LSD-BG beim Kompetenzzentrum LSDB verbunden.

II. Hinweis gem. § 29 Abs. 5 VwGVG:

Alle hierzu Berechtigten haben auf die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet bzw. wurde kein (fristgerechter) Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gestellt. Deshalb konnte die Entscheidung gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt werden und ist somit eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nun nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Zustellnachweis; öffentliche Urkunde; Ermittlungsverfahren; Hinterlegung; Benachrichtigung; Wiedereinsetzung; gekürzte Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.041.068.3238.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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