TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/25 Ra 2018/19/0687

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG 2014 §21 Abs7
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §24

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler, die Hofrätin Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des C alias C O O alias O in Krumpendorf, vertreten durch Dr. Johann Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2018, I421 2178726-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 27. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, er sei wegen seiner Homosexualität aus Nigeria geflohen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 6. November 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei, setzte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis mit einer Maßgabe als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber homosexuell sei.

5 Es habe kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestanden, weil die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung vom BFA in seiner Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht teile die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe. Weiters wendet sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0302, mwN). 10 Diesen Grundsätzen hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht entsprochen:

11 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde die Beweiswürdigung des BFA nicht bloß unsubstantiiert bestritten. So trat er insbesondere den tragenden Erwägungen der Behörde konkret und einzelfallbezogen entgegen. Er wendete sich gegen die Beweiswürdigung des BFA und rügte eine mangelnde Auseinandersetzung mit der Situation Homosexueller in Nigeria. Ausgehend davon lagen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer Verhandlung nicht vor.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190687.L00

Im RIS seit

09.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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