TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/25 Ra 2018/13/0083

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
61/01 Familienlastenausgleich
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §4 Abs4
EStG 1988 §47 Abs2
FamLAG 1967 §41 Abs1
FamLAG 1967 §41 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Vereins A in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 23. Juli 2018, Zl. RV/7100275/2018, betreffend Aufhebung von Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 299 BAO und Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Verein, dessen Zweck nach den aktenkundigen Statuten in der Organisation und Durchführung von Chorkonzerten besteht. Seine Mitgliedschaft besteht aus ordentlichen, unterstützenden und Ehrenmitgliedern. Ordentliche Mitglieder haben in einem vom Vereinsvorstand festzusetzenden Ausmaß durch ordentliche und musikalische Mitarbeit an der Erreichung der Vereinsziele mitzuwirken und die Vereinsveranstaltungen zu besuchen. Die Entrichtung eines Jahresbeitrages sehen die Statuten nur für unterstützende Mitglieder vor.

2 Über die Jahre 2007 bis 2009 fand u.a. hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages ein Außenprüfung statt (Prüfer: FG). Der Bericht darüber vom 29. Juli 2010 bestand aus einem Blatt und lautete wie folgt:

"Die Prüfung führte zu keinen Feststellungen.

Eingesehene Unterlagen und Hinweise für den Dienstgeber:

Lohnkonten, E+A-Rechnungen und Buchhaltung bis 31.12.2009."

3 Am 4. Juni 2014 beauftragte die Wiener Gebietskrankenkasse die Prüferin EL mit der Prüfung des Revisionswerbers u. a. hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages für die Streitjahre 2010 bis 2013. Dieser Prüfungsauftrag wurde dem Revisionswerber am 22. Jänner 2015 zur Kenntnis gebracht. Ausgelöst hatte die Prüfung - nach den Angaben der Prüferin in der Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht - eine Vorsprache von zwei Chormitgliedern, die um Überprüfung ihrer Sozialversicherungspflich t ersucht hatten und mit denen im Oktober 2013 unter Wahrung ihrer Anonymität eine Niederschrift aufgenommen worden war. 4 Im Zuge der Prüfung wurden neun für den Revisionswerber als Chorsängerinnen und -sänger tätige Personen zu Einzelheiten ihrer Verwendung bei Chorkonzerten und bei der Mitwirkung an Opernproduktionen eines Wiener Theaters befragt. Die vorgelegten Aktenteile enthalten vier der darüber aufgenommenen Niederschriften vollständig und eine fünfte unvollständig. In den fünf aktenkundigen Niederschriften wurde die zu Beginn gestellte Frage, ob die Auskunftsperson Vereinsmitglied sei und einen Mitgliedsbeitrag zahle, jeweils verneint. Muster der schriftlichen "Engagement-Vereinbarungen (Werkvertrag)" für die Verwendung bei den Opernproduktionen und der diesbezüglichen Honorarabrechnungen wurden zum Akt genommen.

5 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung am 23. Mai 2016 wurde zur Tätigkeit der Sängerinnen und Sänger festgestellt:

"Im Zuge der GPLA kam es zu einer Überprüfung der Tätigkeit der Chorsänger und Chorsängerinnen.

Hierbei wurden zwei unterschiedliche Betätigungsfelder festgestellt. Einerseits diverse Konzerte und Audi-Aufnahmen und anderseits sogenannte ‚Opernaufführungen'.

Es wurden die Verträge geprüft und mit 9 ChorsängerInnen Niederschriften aufgenommen. Da es sich um bei der Tätigkeit bei allen Befragten um eine gleichgelagerte Tätigkeit handelte, wurden die Erkenntnisse aus den niederschriftlichen Befragungen auf alle Vertragsverhältnisse umgelegt. Darüber hinaus wurde an alle ChorsängerInnen ein Auskunftsschreiben bzgl. der Hauptbzw. Nebenberuflichkeit ausgesendet (Anmerkung: in den vorgelegten Aktenteilen nicht enthalten). Weiters wurde eine schriftliche Stellungnahme vom Verein zur anonymen Niederschrift verfasst und zur Verfügung gestellt (Anmerkung: in den vorgelegten Aktenteilen nicht enthalten). Nach dieser eingehenden Prüfung wurde festgestellt, dass beim Betätigungsfeld der ‚Opernaufführungen' ein Dienstverhältnis gemäß § 4/2 ASVG vorliegt. Die anderen Betätigungen, wie oben ausgeführt, werden als Selbständige Beschäftigungen eingestuft und als solche belassen.

Die ChorsängerInnen sind bei den ‚Opernaufführungen', zumeist am (Theater), sowohl für die musikalischen als auch szenischen Proben, sowie bei den Aufführungen an Ort und Zeit, an die Gesangstücke, Choreographie, Kostüme und Regieanweisungen gebunden. Weiters haben sie verpflichtende Kostümproben, da die Kostüme maßgeschneidert werden.

Sie sind vertraglich bei Nichtteilnahme der Proben oder Vorstellungen an Pönalezahlungen gebunden, welche aus sanktioniert werden. Bei Nichtteilnahme wegen Krankheit muss ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Laut niederschriftlichen Aussagen bewirkt eine Nichtteilnahme an einer szenischen Proben ein automatisches Ausscheiden aus der ‚Opernaufführung', da eine Vertretung de facto nicht möglich ist.

Die Aufführungen am (Theater) sind immer Individualaufführungen und nicht, wie bei den Konzerten, ‚gängige' Lieder die ein SängerIn im Repertoire hat. Es wurde im Zuge der Stellungnahme des (Revisionswerbers) eine Vertretungsliste vorgelegt, aus der ist ersichtlich, dass es im gesamten Prüfzeitraum drei Vertretungen bei den ‚Opernaufführungen' gegeben hat. Wobei anzumerken ist, dass die drei Vertretungen dem Kreis der ChorsängerInnen des (Revisionswerbers) zuzuordnen sind. Daher kann man hierbei nicht von einem generellen Vertretungsrecht sprechen."

6 Der Bericht vom 24. Mai 2016 über das Ergebnis der Außenprüfung verwies auf diese Ausführungen in der Niederschrift. 7 Gegen die Bescheide des Finanzamts vom selben Tag, mit denen unter Verweis auf diesen Bericht (über die zum Teil auch korrigierten Beiträge für unstrittig als Dienstnehmer beschäftigte Personen hinaus) Dienstgeberbeiträge für die in den vier Streitjahren bei Opernproduktionen eingesetzten Sängerinnen und Sänger festgesetzt wurden, erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 23. Juni 2016 Beschwerde. Er vertrat darin - auf das Wesentlichste zusammengefasst - die Auffassung, die Mitwirkung der Sängerinnen und Sänger an den Opernproduktionen erfolge im Rahmen einer "typischen Freizeitbeschäftigung" und bestehe jeweils in der Ablieferung eines Werks, nämlich einer "studierten Chorpartie". Weite Teile des Vorbringens handelten - unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben - auch davon, dass die vorangegangene Prüfung hinsichtlich der Jahre 2007 bis 2009 bei gleicher Sachlage nicht zur Annahme von Dienstverhältnissen der Sängerinnen und Sänger geführt habe. In Bezug auf die Jahre 2010 und 2011 wurde auch Verjährung geltend gemacht.

8 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. März 2017 gab das Finanzamt der Beschwerde in Bezug auf das Jahr 2010 wegen Verjährung statt.

9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. März 2017 gab das Finanzamt der Beschwerde hinsichtlich der Sängerinnen und Sänger auch für die Jahre 2011 bis 2013 in Bezug auf den verfahrensgegenständlichen Streitpunkt statt. Diese Entscheidung gründete sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Es sei im Vergleich zur vorangegangenen Prüfung "genau entgegengesetzt entschieden" worden.

10 Mit Bescheid vom 6. Juni 2017 hob das Finanzamt - nach einer Vorsprache der Prüferin - beide Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO als unrichtig auf. Verjährung sei wegen Übergabe des Prüfungsauftrages im Jänner 2015 nicht eingetreten, die Beurteilung der Tätigkeit der Sängerinnen und Sänger sei bei der vorangegangenen Prüfung "nicht Prüfungsschwerpunkt" gewesen, und bei der Mitwirkung an Opernaufführungen liege ein "Überwiegen" der "Merkmale der Unselbständigkeit" vor.

11 Der Revisionswerber erhob Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid, verzichtete auf eine nicht stattgebende Beschwerdevorentscheidung über diese Beschwerde und wies darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid nicht mit einer neuen Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde vom 23. Juni 2016 verbunden worden sei.

12 Mit Beschluss vom 25. September 2017 sprach das Bundesfinanzgericht hinsichtlich beider Beschwerden seine Unzuständigkeit aus, weil sie ihm vom Finanzamt ohne vorherige Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen vorgelegt worden waren. 13 Das Finanzamt erließ eine Beschwerdevorentscheidung vom 20. November 2017, mit deren Spruch - nach der Auslegung sowohl durch den Revisionswerber als auch durch das Bundesfinanzgericht - beide Beschwerden (zur Gänze) abgewiesen wurden.

14 Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 beantragte der Revisionswerber die Vorlage der Beschwerden.

15 In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 11. Juli 2018 trug der Vertreter des Revisionswerbers eine "Punktation" mit ergänzendem Vorbringen zur Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid vor. Zur Vereinsmitgliedschaft der Sängerinnen und Sänger führte er weiters aus, Mitgliedsbeiträge würden von diesen nicht eingehoben. "Mit bestandener Aufnahmeprüfung" sei man "Mitglied des Vereins". Der Verein habe etwa 300 Mitglieder, von denen zwischen 120 und 150 aktiv seien. Für eine Opernproduktion würden alle aktiven Mitglieder angeschrieben. Der Chorleiter wähle unter den Mitgliedern, die sich für die Produktion anmeldeten, die jeweils geeignetsten (zwischen 50 und 80 Personen) aus. Zur Nichtteilnahme komme es auf Grund des Umstandes, dass die Sänger sich jeweils selbst anmeldeten, nur ausnahmsweise. In einem solchen Fall werde vom verhinderten Mitglied ein anderes vorgeschlagen oder vom Chorleiter eines der übrigen Mitglieder, die sich angemeldet hätten, ausgewählt. Zweitbesetzungen habe es nicht gegeben. Wenn jemand frühzeitig verhindert gewesen sei, habe man ihn ersetzt. Wenn das nicht mehr möglich gewesen sei, die Person aber für eine Szene erforderlich gewesen sei, so habe man einen nicht mitsingenden Vertreter in die Aufführung hineingenommen. Man habe "nicht ernsthaft davon ausgehen" müssen, dass von der (in den Verträgen zum Teil vorgesehenen) Vertretungsbefugnis Gebrauch gemacht werde.

16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. 17 Es traf zum Sachverhalt zunächst Feststellungen über die Verträge, die der Revisionswerber für jede Opernproduktion einerseits mit der Theaterintendanz und andererseits mit den Sängern schließe.

18 Gegenüber der Theaterintendanz verpflichte sich der Revisionswerber jeweils gegen ein Gesamthonorar, die Leistungen der Chormitglieder zur Verfügung zu stellen, eine erstrangige, gleichbleibende Sängerbesetzung von der ersten Probe bis zur letzten Aufführung zu gewährleisten sowie dafür zu sorgen, dass alle Chorsänger bei der ersten szenischen Probe den Chorpart auswendig beherrschten, den Weisungen des Regisseurs Folge leisteten und zu den Proben und Aufführungen, deren Planung dem Theater obliege, zeitgerecht anwesend seien. Das Theater übernehme die Kosten einer Unfallversicherung der Chormitglieder während des jeweiligen Projektes.

19 Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Chormitglieder ihr Interesse an der Mitwirkung an einer bestimmten Produktion bekundeten, stünden die Probentermine sowie Anzahl und Termine der Aufführungen bereits fest. Der Chorleiter wähle aus der Gruppe der Interessierten die jeweils erforderliche Anzahl von Sängerinnen und Sängern aus.

20 Mit den ausgewählten Sängerinnen und Sängern würden jeweils Verträge abgeschlossen, die im Jahr 2010 im Wesentlichen folgen Inhalt aufgewiesen hätten:

"Engagement-Vereinbarung

(Werkvertrag)

(...)

§ 1 Vertragsgegenstand

1.1. Der Vertragspartner wird für (die Produktion, mit Angabe u. a. des musikalischen Leiters) als Chorsänger engagiert.

1.2. Ablaufplan

Proben (Angabe der jeweiligen Anzahl von Proben unterschiedlicher Art)

Vorstellungen (Angabe von Anzahl und Daten)

§ 2 Vergütung

2.1. Der Vertragspartner erhält für die Erfüllung seiner gesamten Verpflichtungen einen Betrag in Höhe von (Angabe des Betrages), der sich aus Beträgen gem. Rz 774 der Vereinsrichtlinien und aus steuerpflichtigen Honoraren zusammensetzt, für deren Versteuerung der Vertragspartner selbst zu sorgen hat.

2.2. Sollte der Vertragspartner durch einen von ihm ausgehenden Grund an Proben und Vorstellungen nicht teilnehmen oder zu spät kommen, reduziert sich die Gesamtvergütung entsprechend.

2.3. Sollte sich die Anzahl der Proben vermehren oder vermindern, erhöht oder vermindert sich entsprechend die Vergütung.

2.4. Sollten durch höhere Gewalt Vorstellungen ausfallen, vermindert sich entsprechend die Vergütung.

2.5. Die Zahlung der Vergütung erfolgt nach der letzten Vorstellung und nach Abrechnung durch den (Revisionswerber) auf das Konto des Vertragspartners.

§ 3 Pflichten des Vertragspartners

3.1. Der Vertragspartner ist verpflichtet, bei der ersten szenischen Probe den Chorpart auswendig zu beherrschen.

3.2. Der Vertragspartner hat den Weisungen des musikalischen Leiters und des Regisseurs zu folgen und alle szenischen Auftritte wahrzunehmen.

3.3. Der Vertragspartner verpflichtet sich, bei allen Proben und Vorstellungen anwesend zu sein und vor jeder Probe und Vorstellung an einem Einsingen bzw. an allfälligen Korrekturproben vor oder nach szenischen Proben teilzunehmen und unterliegt diesbezüglich den Weisungen des Chorleiters und des Regisseurs. Der Vertragspartner hat etwaige Kosten zu tragen, die durch Nichteinhalten dieser Verpflichtungen entstehen.

3.4. Der Vertragspartner verpflichtet sich, Kostümprobetermine wahrzunehmen und hat etwaige Kosten zu tragen, die durch von ihm verschuldetes Nichteinhalten dieser Termine erwachsen.

3.5. Der Vertragspartner ist verpflichtet, vor jeder Probe und Vorstellung gemäß dem Maskenplan zeitgerecht in der Maske einzutreffen."

21 Ab dem Jahr 2011 habe Punkt 3.2. einen weiteren Satz enthalten ("Der Vertragspartner kann einen gleichwertigen Vertreter einsetzen") und in Punkt 3.3. der letzte Satz anders gelautet ("Bei Fehlproben wird ein Pönale bis zur Höhe des Probenhonorars verhängt, außer der Vertragspartner erbringt bei Krankheit eine ärztliche Bescheinigung"). In Punkt 3.4. sei der Satzteil über eine Kostentragungspflicht entfallen. 22 Darüber hinaus traf das Bundesfinanzgericht noch folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Betriebsmittel, wie Noten, Kostüme und Örtlichkeit, werden bei den Opernproduktionen zur Verfügung gestellt.

Ab dem Jahr 2011 beinhalteten die Engagementvereinbarungen den Passus, dass das Chormitglied einen gleichwertigen Vertreter einsetzen kann; die Auswahl der Vertreter beschränkte sich auf die anderen Chormitglieder. Für die Opernproduktionen gab es keine Zweitbesetzungen, bei frühzeitigem Eintreten einer Verhinderung wurde das verhinderte Chormitglied ersetzt. Trat die Verhinderung später ein, wurde das verhinderte Mitglied entweder überhaupt nicht ersetzt oder, falls dieses Mitglied für eine bestimmte Szene unbedingt notwendig war, ein nicht singendes Chormitglied in die Aufführung hineingenommen.

Die Chormitglieder unterliegen keinem Konkurrenzverbot, die über das Engagement beim (Revisionswerber) (ergänze: hinaus) angenommenen Verpflichtungen müssen aber mit den beim (Revisionswerber) übernommenen Projekten kompatibel sein. Die Chormitglieder stellen sich dem (Revisionswerber) für die Dauer der einzelnen Projekte zur Verfügung und sind verpflichtet, den Weisungen des musikalischen Leiters und des Regisseurs zu folgen."

23 In der Beweiswürdigung legte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen dar, die ab dem Jahr 2011 in den Verträgen eingeräumte Möglichkeit, "einen gleichwertigen Vertreter einzusetzen", werde als "Scheinbestimmung" angesehen, weil sie "mit den objektiven Anforderungen der Opernproduktionen nicht in Einklang zu bringen" sei.

24 In der rechtlichen Würdigung stützte das Bundesfinanzgericht die Abweisung der Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid vom 6. Juni 2017 darauf, dass die aufgehobenen Beschwerdevorentscheidungen falsch begründet gewesen seien. Verjährung sei nicht eingetreten (was die Revision nicht bestreitet), und ein Verstoß gegen Treu und Glauben habe nicht vorgelegen. Dargelegt wurde - hier ohne nähere Begründung - aber auch, bei der Tätigkeit im Rahmen der Opernproduktionen würden "die Merkmale der Nichtselbständigkeit jene der Selbständigkeit überwiegen".

25 Die Annahme einer nichtselbständigen Tätigkeit begründete das Bundesfinanzgericht sodann näher im Zusammenhang mit der Abweisung der Beschwerde vom 23. Juni 2016. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien der für die Beitragspflicht nach § 41 Familienlastenausgleichsgesetz maßgeblichen Legaldefinition eines Dienstverhältnisses in § 47 Abs. 2 EStG 1988 zwei Kriterien zu entnehmen, die für ein Dienstverhältnis sprächen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung ermöglichten, sei auf weitere Kriterien, wie etwa das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen. 26 Fallbezogen führte das Bundesfinanzgericht - nach diesen und weiteren allgemeinen Rechtsausführungen - zu den Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung aus:

"Wenn der steuerliche Vertreter vorbringt, die Unterordnung unter die künstlerischen Weisungen des Dirigenten oder Regisseurs seien eine künstlerische Notwendigkeit, aber keine

arbeitsrechtliche Hierarchie, so ist ihm insoweit zuzustimmen, als sich die Weisungen auf ein bestimmtes Verhalten bei den Proben und Aufführungen beziehen. Die Tatsache, dass die Chormitglieder sowohl zeitlich als auch räumlich an das vom (Theater) vorgegebene Programm gebunden waren, bewirkte zwar eine starke

organisatorische Eingliederung, ist aber für die Beantwortung der Frage, ob ein lohnsteuerliches Dienstverhältnis vorliegt, nicht allein streitentscheidend."

27 Es folgten - unter Bezugnahme ausschließlich auf sozialversicherungsrechtliche Judikatur - weitere allgemeine Rechtsausführungen und eine längere Auseinandersetzung mit der schon in der Beweiswürdigung als "Scheinbestimmung" gewerteten Vertragsklausel über ein Vertretungsrecht.

28 Der Rest der Entscheidungsgründe lautete:

"Dem Einwand, die Chormitglieder müssten die Stücke zu Hause vorbereiten, weshalb das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung nicht gegeben sei, ist entgegenzuhalten, dass eine organisatorische Eingliederung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs durch jede nach außen als auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt wird (VwGH 25.3.2015, (Ra) 2014/13/0027). Hierfür spricht insbesondere, wenn der Arbeitnehmer an einen bestimmten Arbeitsort gebunden ist, zur Einhaltung bestimmter Arbeitsstunden verpflichtet ist oder der Arbeitgeber die Planung und Vorbereitung sowie die Kontrolle der Tätigkeit vornimmt oder vornehmen lässt.

Die Chormitglieder, die für die Opernproduktionen ausgewählt worden waren, waren - wie aus den Feststellungen der belangten Behörde abzuleiten ist - in die Ablauforganisation am Ort der Arbeitserbringung ((das Theater)) eingegliedert, auch wenn die Vorbereitung auf die Proben und die Aufführungen im Vorfeld eigenständig zu erledigen war. Sie hatten damit nicht die Möglichkeit, den vorgegebenen Ablauf der Arbeit jederzeit selbst zu regeln und auch zu ändern, wie es für den freien Dienstvertrag typisch wäre (vgl. neuerlich VwGH 20.01.2016, 2012/13/0095, mwN, sowie RIS-Justiz RS0021518).

Zum Unternehmerrisiko merkte der steuerliche Vertreter an, das wirtschaftliche Wagnis werde durch die verschiedenen Berufe der Chormitglieder abgedeckt. Dazu ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko darin besteht, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten. Die Bezahlung erfolgt im vorliegenden Fall nach Stunden, während für die Aufführungen eine Pauschale bezahlt wird. (Anmerkung: Damit bezieht sich das Bundesfinanzgericht auf von ihm nicht festgestellte, aber im Verfahren erörterte Kalkulationsgrundlagen für den jeweils vereinbarten Gesamtbetrag.) Eine Entlohnung, die sich an der Arbeitszeit orientiert, begründet aber kein einnahmenseitiges Unternehmerrisiko (vgl. neuerlich VwGH 20.01.2016, 2012/13/0095, mwN). In der Tatsache, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung reduziert wird, wenn ein Chormitglied an einer Probe bzw. Vorstellung nicht teilnimmt, ist zwar ein Indiz für das Vorliegen eines einnahmenseitigen Unternehmerwagnisses zu erblicken, sie ist aber im Hinblick darauf, dass - wie dies den Aussagen der einvernommenen Chormitglieder zu entnehmen ist - eine Nichtteilnahme tatsächlich nur äußerst selten bis gar nicht vorkam, nicht streitentscheidend.

Das Vorliegen eines ausgabenseitigen Unternehmerrisikos wird in der Beschwerde gar nicht behauptet.

Aufgrund der oben angestelltem Kriterienprüfung ist daher zusammenfassend festzuhalten, dass die Umstände, die für eine Unselbständigkeit der Tätigkeit der betreffenden Chormitglieder sprechen, überwiegen, sodass die angefochtenen Bescheide im Ergebnis der anzuwendenden Rechtslage entsprechen."

29 Eine Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung "im Sinne der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes getroffen" worden sei. 30 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die Revision verweist dazu auf die Erkenntnisse vom 19. Februar 1971, 47/69, ÖStZB 1971, 205, und vom 23. Oktober 1990, 89/14/0102. Der Vertreter des Revisionswerbers hatte sich in der Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht auf eine Kommentarstelle berufen, die sich auf diese - im angefochtenen Erkenntnis nicht erwähnte - Judikatur zur steuerrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit reproduzierender Künstler stützte.

31 Das Finanzamt vertritt in der Revisionsbeantwortung die Ansicht, die Revision sei unzulässig. Dem in der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis vom 23. Oktober 1990 hält das Finanzamt entgegen, es komme "letztlich" auf das "Gesamtbild" an. 32 Der Revisionswerber hat dazu eine Gegenäußerung erstattet.

33 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

34 Die Revision ist zulässig und begründet.

35 Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Dienstnehmer im Sinne dieser Vorschrift sind nach § 41 Abs. 2 FLAG u.a. Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG. Die zuletzt genannte Vorschrift hat das Bundesfinanzgericht - wohl schon wegen der in ihr enthaltenen Ausnahme für Kunstschaffende - nicht in Betracht gezogen (vgl. zur Mitwirkung von Chormitgliedern an Opernaufführungen als künstlerische Leistung VwGH 19.2.1971, 47/69, ÖStZB 1971, 205; zur Relevanz der Ausnahmen in § 4 Abs. 4 ASVG für die Beitragspflicht das zur Kommunalsteuer ergangene Erkenntnis VwGH 26.1.2017, Ro 2016/15/0022). 36 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis - soweit hier von Bedeutung - vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

37 Dieser Legaldefinition sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die (nicht bloß sachliche, sondern persönliche) Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Nur in Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, VwSlg 7979/F, und der daran anknüpfenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf weitere Abgrenzungskriterien, wie etwa das Fehlen eines Unternehmerrisikos und der Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen. 38 Mit dieser Unterscheidung zwischen vorrangigen und nur in Zweifelsfällen maßgeblichen Kriterien verwarf der Verwaltungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates die in einem Teil der bis dahin bestehenden Judikatur vertretene Annahme der Gleichwertigkeit insbesondere des Kriteriums eines fehlenden Unternehmerrisikos mit den beiden Merkmalen der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung, auf die sich die Prüfung des "Gesamtbildes" vorrangig zu beziehen hat (vgl. VwGH 12.9.2018, Ra 2017/13/0041, Rn. 18).

39 Das Bundesfinanzgericht hat diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall erwähnt, in seinen Erwägungen aber nicht ausreichend berücksichtigt. Es pflichtete dem Revisionswerber in einem ersten, kurz gehaltenen Teil darin bei, dass die vereinbarten Weisungsrechte sachlicher Natur seien, und bezeichnete die durch die zeitliche und räumliche Bindung an das Programm des Theaters bewirkte Eingliederung als nicht allein streitentscheidend. In seinen weiteren fallbezogenen Rechtsausführungen wandte sich das Bundesfinanzgericht - unter Heranziehung ausschließlich sozialversicherungsrechtlicher Judikatur - zunächst ausführlich der Frage einer generellen Vertretungsbefugnis zu, von der es in der Beweiswürdigung schon dargelegt hatte, sie sei nur zum Schein vereinbart worden. Ohne Auseinandersetzung mit dem Dreiecksverhältnis zwischen Chormitgliedern, Revisionswerber und Theater wurde daran anschließend in zwei weiteren, wieder kurz gehaltenen Absätzen die Eingliederung in die "Ablauforganisation" des Theaters hervorgehoben, bevor das Bundesfinanzgericht nach einer Auseinandersetzung mit Fragen des Unternehmerrisikos ein "Überwiegen" der für eine Unselbständigkeit der Tätigkeit sprechenden Umstände "festhielt".

40 Ein solches Vorgehen steht schon in Bezug auf die nicht weiter behandelte Frage einer persönlichen und nicht bloß sachlichen Weisungsgebundenheit der Chormitglieder nicht im Einklang mit der nach der zitierten Rechtsprechung erforderlichen Unterscheidung zwischen vorrangigen und nur in Zweifelsfällen maßgeblichen Kriterien für das Vorliegen von Dienstverhältnissen. 41 Das Bundesfinanzgericht hat sich aber auch, wie die Revision mit Recht geltend macht, über die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur steuerrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit reproduzierender Künstler hinweggesetzt.

42 Im Erkenntnis vom 19. Februar 1971, 47/69, ÖStZB 1971, 205, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, die Mitglieder des Zusatzchors der Wiener Staatsoper seien keine Dienstnehmer. Er ging dabei sachverhaltsbezogen davon aus, es seien zwar (vergleichbar der im vorliegenden Fall üblichen "Anmeldung" für eine Produktion mit anschließender "Engagement-Vereinbarung") für den Fall der Mitwirkung die gegenseitigen Rechte und Pflichten festgelegt, die Mitglieder des Zusatzchors könnten von der Mitwirkung an einer Aufführung aber ohne rechtliche Sanktion Abstand nehmen, was gegen ihre Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Oper spreche. Dass ihre Leistung in den Räumen des Auftraggebers und zu bestimmten Zeiten erbracht werden müsse, falle hier nicht entscheidend ins Gewicht, weil "die Mitwirkung an einer künstlerischen Aufführung und an den vorangehenden Proben schon ihrer Natur nach an eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort gebunden" sei. Es fehle aber auch an einer für einen Dienstvertrag typischen Weisungsgebundenheit, weil sich diese nur auf ein bestimmtes Verhalten bei den Proben und bei den Aufführungen bezogen habe. Auch das Erfordernis einer persönlichen Erbringung der Leistungen - dem das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall breiten Raum widmete - führe zu keinem anderen Ergebnis, weil künstlerische Leistungen "ihrer Natur nach als unvertretbar anzusehen" seien. Art und Umfang des Unternehmerrisikos seien nicht bei jeder Erwerbstätigkeit mit den gleichen Maßstäben zu messen. Bei einer künstlerischen Betätigung liege ein Unternehmerrisiko schon dann vor, wenn im Falle der unverschuldeten Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt bestehe und damit der Einsatz von Zeit und Mühe für die Ausbildung und Aufrechterhaltung der künstlerischen Befähigung zunichte werde.

43 Auf diese Entscheidung verweisen etwa Kirchmayr/Denk in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 47 Tz 49, Tz 66, Tz 69 und Tz 79 (Stichwort "Chormitglieder"), Fellner in Hofstätter/Reichel,

Die Einkommensteuer - Kommentar, § 47 EStG 1988 Tz 183 (Stichwort "Staatsoper"), und Jakom/Lenneis EStG, 2018, § 47 Rz 9 (Stichwort "Chormitglieder").

44 Im Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 89/14/0102, trat der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht entgegen, die Entscheidung vom 19. Februar 1971 sei "veraltet". Das Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, das Dirigenten, Sänger und Musiker betraf, erging ebenfalls noch lange vor dem eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, doch lag ihm schon die Ansicht zugrunde, der Legaldefinition eines Dienstverhältnisses seien die "zwei Kriterien" der Weisungsgebundenheit und Eingliederung zu entnehmen und nur in Zweifelsfällen komme es auf weitere Kriterien wie insbesondere das Fehlen eines Unternehmerrisikos an. 45 Auch eine selbständige Tätigkeit, so das Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, könne eine verhältnismäßig starke organisatorische Eingliederung erforderlich machen. Bei reproduzierenden Künstlern, die sich sowohl zeitlich als auch räumlich an ein vom Veranstalter vorgegebenes Programm halten müssten, sei dies der Fall. Der Bindung der Dirigenten, Sänger und Musiker an bestimmte Veranstaltungszeiten und -orte komme daher keine entscheidende Bedeutung zu. Auch die Überlegung in dem Erkenntnis vom 19. Februar 1971, wonach nicht von der für einen Dienstvertrag typischen Weisungsgebundenheit gesprochen werden könne, wenn sich diese nur auf ein bestimmtes Verhalten bei den Proben und bei den Aufführungen bezogen habe, treffe weiterhin zu. Es sei auch nicht danach zu unterscheiden, ob eine Sängerin etwa einen Liederabend gebe oder an einer konzertanten Opernaufführung mitwirke. Dass eine Mehrheit von Künstlern ein Werk bei Proben "erarbeite", bedeute nicht, dass diese Künstler keinen Arbeitserfolg, nämlich die Aufführung eines bestimmten Werkes, schuldeten, sondern bloß während einer gewissen Arbeitszeit ihre Arbeitskraft nach Weisung des Arbeitgebers zur Verfügung zu stellen hätten. Im zu entscheidenden Fall seien die Künstler meist nur für ein oder zwei Aufführungen verpflichtet worden, womit ihre "Gastauftritte" auch nicht mit der Eingliederung "spielzeitverpflichteter" Künstler in einen Theaterbetrieb zu vergleichen seien.

46 Was das - in Zweifelsfällen maßgebliche - Unternehmerrisiko anlange, so spreche gerade die vertraglich vorgesehene Verpflichtung zur Anwesenheit bzw. Erreichbarkeit am Aufführungsort vom Probenbeginn bis zur öffentlichen Aufführung gegen die Annahme eines Dienstverhältnisses, wenn der Honoraranspruch bei Verhinderung des Künstlers durch Krankheit entfalle und bei höherer Gewalt beide Teile zur Vertragsauflösung berechtigt seien. Schon im Erkenntnis vom 19. Februar 1971 habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer künstlerischen Betätigung ein Unternehmerrisiko schon dann vorliege, wenn im Falle der unverschuldeten Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt bestehe. 47 Auf das Erkenntnis vom 23. Oktober 1990 verweisen etwa Kirchmayr/Denk a.a.O., § 47 Tz 36, Tz 46, Tz 66 und Tz 79 (Stichworte "Künstler" und "Musiker"), Fellner, a.a.O., § 47 Tz 140, 150 und 170 (Stichworte "Künstler, Regisseure, Schauspieler, Dirigenten", "Musiker" und "Schauspieler"), und Jakom/Lenneis, a.a.O. (Stichwort "Musiker"; vgl. dort auch die Ausführungen zum Stichwort "Sänger"); siehe auch Rz 995 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 und Rz 5404 der Einkommensteuerrichtlinien 2000.

48 Auch der vorliegende Fall betrifft keine "spielzeitverpflichteten" Sängerinnen und Sänger, sondern Mitwirkende an jeweils einzelnen Opernproduktionen mit einer jeweils beschränkten Zahl von Aufführungen. Nach den dargestellten Maßstäben der vom Bundesfinanzgericht nicht berücksichtigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Fällen dieser Art fehlt es daher unter den primär maßgeblichen Gesichtspunkten einer persönlichen Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in einen "geschäftlichen Organismus" sowie - bei Annahme eines Zweifelsfalls - mangels Fehlens eines Unternehmerrisikos und wegen fehlender Aussagekraft des vom Bundesfinanzgericht angenommenen Fehlens einer generellen Vertretungsbefugnis an den Voraussetzungen für das Vorliegen von Dienstverhältnissen. 49 Unter diesen Umständen hätte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid vom 6. Juni 2017 nur dann - und nur in Bezug auf das Jahr 2010 - abweisen dürfen, wenn der Spruch der diesbezüglichen Beschwerdevorentscheidung vom 2. März 2017 wegen nicht die strittige Tätigkeit der Chormitglieder betreffender, infolge fälschlich angenommener Verjährung nicht berücksichtigter anderer Prüfungsergebnisse unrichtig gewesen war, was das Bundesfinanzgericht auf Grund seiner unzutreffenden Beurteilung der die Chormitglieder betreffenden Streitfrage ungeprüft ließ. In Bezug auf die Jahre 2011 bis 2013 waren die übrigen Prüfungsergebnisse in der Beschwerdevorentscheidung vom 31. März 2017 berücksichtigt worden. Der Aufhebungsbescheid stützte sich insoweit nicht nur auf das Fehlen des in der Beschwerdevorentscheidung angenommenen Verstoßes gegen Treu und Glauben, sondern auch auf die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit der Chormitglieder für den Revisionswerber. Der Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid wäre insoweit stattzugeben gewesen. Eine Entscheidung über die Beschwerde vom 23. Juni 2016 wäre nur allenfalls in Bezug auf das Jahr 2010 und auch diesbezüglich nicht wie im angefochtenen Erkenntnis zu treffen gewesen.

50 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 51 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

52 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 25. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018130083.L00

Im RIS seit

02.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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