TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/30 Ro 2019/04/0013

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E13309900
E3L E15202000
E3L E15203000
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
21/01 Handelsrecht
26/01 Wettbewerbsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

EURallg
FBG 1991 §3 Abs1 Z4
MRK Art6
SpielzeugkennzeichnungsV 1994 §2 Z2 idF 2012/II/139
SpielzeugkennzeichnungsV 1994 §7 idF 2012/II/139
UWG 1923 §32 Abs2
UWG 1923 §32 Abs4
UWG 1984 §32 Abs1 Z2 lita
VStG §5 Abs2
VwGG §39 Abs2 Z6
31979L0112 Etikettierungs-RL Art3 Abs1 Z6
32009L0048 Spielzeugsicherheits-RL Art4 Abs6
61996CJ0083 Provincia autonoma di Trento / Dega VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Mag. M K in G, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franziskanerplatz 5/2/15a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. Oktober 2018, Zl. LVwG-800285/4/BMa/TK, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 18. September 2017 legte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz dem Revisionswerber zur Last, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P Handelsges.m.b.H. zu verantworten, dass die Gesellschaft am 26. Jänner 2017 das Spielzeug "P Rundballons verschiedene Farben" in einer näher genannten Betriebsstätte gewerbsmäßig feilgehalten habe, obwohl das Produkt wegen Fehlens der vollständigen Kontaktanschrift des Herstellers nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 1 iVm § 2 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Kennzeichnung von Spielzeug, BGBl. Nr. 1029/1994, (Spielzeugkennzeichnungsverordnung)

entsprochen habe, verhängte über ihn gemäß § 33 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe und verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines Kostenbeitrags in der Höhe von EUR 20,--.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Oktober 2018 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge, als es den Strafausspruch aufhob, von der Verhängung einer Strafe gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG iVm § 38 VwGVG absah und dem Revisionswerber als nach § 9 Abs. 2 VStG verantwortlichen Beauftragten für eine näher genannte Filiale der P Handelsges.m.b.H. unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilte (Spruchpunkt I.). Überdies sprach das LVwG aus, dass der Revisionswerber weder zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren, noch zum Beschwerdeverfahren einen Kostenbeitrag zu leisten habe (Spruchpunkt II.), und dass eine Revision zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3 Das LVwG legte seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren wesentlich - zusammengefasst nachstehenden Sachverhalt zugrunde:

Der Revisionswerber sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der P Handelsges.m.b.H. und gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten unter anderem für alle P-Filialen in Österreich und die sachlichen Bereiche "Vertrieb, Sortiment, Einkauf (stationär sowie einschließlich Onlinehandel), Abfallwirtschaft, Arbeitsrecht und Personalwesen,

Lebensmittelrecht und Verbraucherschutz (insbesondere LMSVG) u.a."

bestellt.

In einer näher genannten Betriebsstätte in Linz sei am 26. Jänner 2017 das Spielzeug "P Rundballons, verschiedene Farben" mit näher genannter Artikelnummer gewerbsmäßig feilgehalten worden. Auf der Verpackung dieses Artikels finde sich als Hinweis auf den Hersteller dessen Marke, die Postleitzahl und der Ort des Sitzes des Herstellers in Deutschland samt Hinweis "Germany", nicht jedoch der Straßenname mit Hausnummer bzw. eine örtliche Bezeichnung, sowie die Angaben zweier Webseiten des Herstellers. 4 Rechtlich führte das LVwG aus, dass die Kontaktadresse des Herstellers, der Firma P, nicht vollständig auf der Verpackung angegeben gewesen sei. Computerunterstützt sei es zwar problemlos möglich, die vollständige Adresse auf der Homepage des Herstellers zu finden, dies bedürfe jedoch einer technischen Infrastruktur und eines weiteren Arbeitsschrittes. Sinn der Bestimmung des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung sei es, jedermann eine problemlose Kontaktaufnahme mit dem Hersteller zu ermöglichen. Dies sei konkret in Bezug auf jemandem, der in der Benutzung von Computer nicht versiert sei, nicht der Fall, weil der Hersteller nicht ohne weiteren Aufwand kontaktiert werden könne. Eine Anschrift umfasse neben dem Land, der Postleitzahl und dem Ort auch die Straße, damit auch "örtlich nicht versierte Personen" das Ziel erreichen könnten.

Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handle es sich gemäß § 5 Abs. 1 VStG um ein Ungehorsamsdelikt, hinsichtlich dessen es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, ein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Dem Hinweis des Revisionswerbers auf das von ihm installierte Kontrollsystem sei entgegen zu halten, dass die Ballons ausgeliefert worden seien, ohne dass Prüfberichte oder eine Konformitätserklärung vorhanden gewesen seien. Der Revisionswerber habe zumindest fahrlässig gehandelt, weil es an ihm gelegen gewesen wäre, dafür zu sorgen, dass die gewerblich feilgehaltenen Produkte über die entsprechenden Aufschriften verfügen.

Dem Revisionswerber sei jedoch nur geringes Verschulden vorwerfbar, weil die Bedeutung und Intensität der Beeinträchtigung des in § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung geschützten Rechtsgutes durch die dem Revisionswerber angelastete Tat gering erscheine. Es lägen somit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vor, weshalb von einer Strafe abzusehen und sowohl aus general- wie auch aus spezialpräventiven Gründen mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden könne.

Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umfang einer Kontaktadresse gemäß Spielzeugkennzeichnungsverordnung nicht vorliege.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das Erkenntnis ersatzlos kostenpflichtig zu beheben. Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung ohne Kostenersatzbegehren die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

6 Die Revision ist zu der vom LVwG dargelegten Rechtsfrage, ob gemäß § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung für die Angabe der Kontaktanschrift des Herstellers das Anführen der Postleitzahl, des Ortes und Staates samt Hinweis auf die Webseite des Herstellers ausreiche oder es zusätzlich der Angabe der Straße und Hausnummer bedürfe, zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtslage

7 § 32 Abs. 1 Z 2 lit. a des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BGBl. Nr. 448/1984 (Wiederverlautbarung), sowie § 33 Abs. 1 UWG, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, lauten:

"4. Vorschriften über Kennzeichnungen

§ 32. (1) Mit Verordnung kann angeordnet werden, dass bestimmte Waren ...

2. nur unter Ersichtlichmachung

a) des Namens (Firma) und des Geschäftssitzes des Erzeugers

oder Händlers, ...

gewerbsmäßig feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt

werden dürfen.

...

§ 33. (1) Wer den Vorschriften einer auf Grund des § 32 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 2 900 EUR zu bestrafen."

§ 1 Abs. 1, § 2 Z 2 sowie § 7 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Kennzeichnung von Spielzeug (Spielzeugkennzeichnungsverordnung), BGBl. Nr. 1029/1994 idF BGBl. II Nr. 139/2012, lauten:

"§ 1. (1) Spielzeug im Sinne der Spielzeugverordnung, BGBl. II Nr. 203/2011, darf im Inland nur gewerbsmäßig feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, wenn es nach den Bestimmungen dieser Verordnung gekennzeichnet ist.

...

§ 2. Die Kennzeichnungselemente sind

...

2. die Kontaktanschrift des Herstellers, seines Bevollmächtigten oder des Importeurs im Europäischen Wirtschaftsraum,

...

§ 7. Durch diese Verordnung werden die Kennzeichnungsbestimmungen der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug, ABl. Nr. L 170 vom 30.06.2009 S. 1, in österreichisches Recht umgesetzt."

Die konkret maßgeblichen Bestimmungen und zwar Art. 1, 4 Abs. 6, 7 Abs. 1 und 2, sowie 51 der Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug, ABl. L 170 vom 30. Juni 2009, lauten auszugsweise wie folgt:

"Artikel 1

Gegenstand

In dieser Richtlinie werden Vorschriften für die Sicherheit

von Spielzeug und dessen freien Verkehr innerhalb der Gemeinschaft

festgelegt.

Kapitel II

VERPFLICHTUNGEN DER WIRTSCHAFTSAKTEUERE

Artikel 4

Pflichten der Hersteller

...

(6) Die Hersteller geben ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke und ihre Kontaktanschrift entweder auf dem Spielzeug selbst oder, wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in den dem Spielzeug beigefügten Unterlagen an. In der Anschrift muss eine zentrale Stelle angegeben sein, unter der der Hersteller kontaktiert werden kann.

...

Artikel 7

Verpflichtungen der Händler

(1) Händler berücksichtigen die geltenden Anforderungen mit der gebührenden Sorgfalt, wenn sie ein Spielzeug in Verkehr bringen.

(2) Bevor sie ein Spielzeug auf dem Markt bereitstellen,

überprüfen die Händler, ... ob der Hersteller ... die

Anforderungen von Artikel 4 Absätze 5 und 6 ... erfüllt haben.

...

Artikel 51

Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen gegen Wirtschaftsakteure, bei schweren Verstößen gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen, fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um deren Durchsetzung zu gewährleisten.

..."

Anforderungen an die gemäß § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsvero rdnung anzuführende Kontaktanschrift des Herstellers 8 Der Revisionswerber vermeint, der Verordnungsgeber habe nicht die Angabe einer für Zustellungen maßgeblichen Geschäftsanschrift gewollt, sonst hätte er dieses Kennzeichnungselement und zwar jene Geschäftsadresse, die im Firmenbuch einzutragen sei, ausdrücklich vorgesehen. Sinn und Zweck der Vorschrift sei der Schutz der Interessen des Verbrauchers, indem der Konsument wisse, wo er reklamieren, sich beschweren oder einfach nachfragen könne. Eine postalische Kontaktaufnahme müsse ohne weiteren Aufwand möglich sein. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Angesichts der Größe und Bekanntheit des konkreten Herstellers in Bezug auf die Größe der Gemeinde, in der der Hersteller seinen Unternehmenssitz habe, sei die Angabe der Postleitzahl und des Orts als Kontaktanschrift ausreichend, um die Zustellung von Poststücken an den Hersteller zu gewährleisten. Bei bekannten Unternehmen - wie im konkreten Fall - sei neben der Postleitzahl und der politischen Gemeinde die Nennung der Straße und Hausnummer nicht erforderlich, um den Sinn und Zweck einer Kontaktanschrift zu erfüllen. In diesen Fällen müsse die Kontaktanschrift nicht vollständig sein. Es genüge die Angabe der Postleitzahl und des Ortes.

9 Das LVwG hat unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2009/48/EG, die durch die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Sicherheit von Spielzeug (Spielzeugverordnung 2011), BGBl. II Nr. 203/2011, umgesetzt wurde, sowie die Konformitätserklärung des Herstellers der gegenständlichen Luftballons nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem von der P Handelsges.m.b.H. zum Verkauf angebotenen Produkt um Spielzeug iSd Spielzeugverordnung 2011 handelt und daher die Spielzeugkennzeichnungsverordnung zur Anwendung kommt. Dies wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen.

10 Gemäß § 7 Spielzeugkennzeichnungsverordnung setzt diese Verordnung die Kennzeichnungsbestimmungen der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug, ABl. Nr. L 170 vom 30. Juni 2009, in österreichisches Recht um. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Spielzeug umfasst gemäß § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung unter anderem die Angabe der Kontaktanschrift des Herstellers, womit die in Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2009/48/EG normierte Pflicht des Herstellers, seine Kontaktanschrift am Spielzeug, auf der Verpackung oder in den dem Spielzeug beigefügten Unterlagen anzugeben, umgesetzt wird, indem der Verordnungsgeber den Begriff "Kontaktanschrift" aus dem Richtlinientext übernahm.

11 Da § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung unter anderem in Umsetzung des Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2009/48/EG erlassen wurde, ist der Begriff "Kontaktanschrift" auf dem Boden des Unionsrechts so weit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auszulegen und anzuwenden, um das mit ihr angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. VwGH 19.6.2018, Ra 2017/03/0104, Rn. 23, mwN).

12 Die Verpflichtung des Herstellers zur Angabe einer "Kontaktanschrift" auf seinen Erzeugnissen bzw. deren Verpackung findet sich neben der Richtlinie 2009/48/EG in einer Reihe weiterer Richtlinien (beispielsweise in Art. 12 Abs. 7 der Richtlinie 2014/90/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über Schiffsausrüstung und zur Aufhebung der Richtlinie 96/98/EG des Rates; Art. 5 Abs. 5 lit. b der Richtlinie 2014/28/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung auf dem Markt und die Kontrolle von Explosivstoffen für zivile Zwecke; Art. 7 lit. h der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten) und Verordnungen (beispielsweise in Art. 13 Abs. 8 der Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG) über die Produktsicherheit bestimmter in der Union in Verkehr gebrachter Erzeugnisse und entspricht insofern Art. R2 Abs. 6 der mit Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates festgelegten Musterbestimmungen für Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft für Produkte.

13 Zweck der Verpflichtung des Herstellers zur Angabe einer Kontaktanschrift ist es, dem Verbraucher in erster Linie zu ermöglichen, mit den für die Herstellung eines Produktes Verantwortlichen Kontakt aufzunehmen, um diesen gegebenenfalls positive oder negative Bemerkungen zum gekauften Produkt zukommen zu lassen (vgl. EuGH 17. September 1997, Dega, C-83/96, Rn. 17, in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 Z 6 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, wonach die Etikettierung eines Lebensmittels unter anderem die "Anschrift" des Herstellers zu enthalten habe, unter Hinweis auf die Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage E-2170/95 vom 28. Juli 1995, ABl. C 340, S 19).

14 Ebenso dient die Angabe der Kontaktanschrift des Herstellers (sowie auch jener des Einführers von in den Wirtschaftsraum der Europäischen Union importierten Produkten) neben dessen Namen, seines eingetragenen Handelsnamens bzw. seiner eingetragenen Handelsmarke der Rückverfolgbarkeit von Produkten. Dadurch soll den Marktaufsichtsbehörden die Möglichkeit gegeben werden, schnell mit dem Wirtschaftsakteur in Kontakt zu treten, der für das Inverkehrbringen eines unsicheren oder nichtkonformen Produkts auf dem Unionsmarkt verantwortlich ist (vgl. etwa Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 ("Blue Guide"), ABl. EU Nr. C 272 vom 26. Juli 2016 S. 52; Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Umsetzung der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit vom 14. Jänner 2009, KOM(2008) 905 endgültig, S. 15).

15 Unter dem Begriff "Anschrift" versteht man die Adresse im Sinne von Name und Bezeichnung der Wohnung (vgl. Duden-Online, www.duden.de/rechtschreibung/Anschrift bzw. www.duden.de/rechtschre ibung/Adresse), bei juristischen Personen die Adresse an deren Sitz bzw. deren Niederlassungen ("Geschäftsanschrift"). 16 Unter Berücksichtigung des Gebots der autonomen und einheitlichen Auslegung des Unionsrechts besteht kein vernünftiger Zweifel, dass die "Kontaktanschrift des Herstellers" iSd Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2009/48/EG (vgl. den Begriff "Kontaktanschrift" in der englischen Version: "adress at which they can be contacted") sowie des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsve rordnung sämtliche Angaben zu enthalten hat, die erforderlich sind, eine gesicherte Zustellung eines Schriftstücks auf dem normalen Postweg ohne Verzögerungen und Hindernisse zu gewährleisten, um der unionsrechtlichen Zielsetzung der Erreichbarkeit des Herstellers und raschen Kontaktaufnahme mit diesem zu entsprechen.

17 Üblicherweise besteht eine Postanschrift aus der Postleitzahl, dem Ort, der Straße und Hausnummer (vgl. Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 ("Blue Guide"), ABl. EU Nr. C 272 vom 26. Juli 2016 S. 53). Dies gilt unstrittig auch für die Bundesrepublik Deutschland. So führt selbst die Revision aus, dass eine genaue Geschäftsadresse auch die Angabe der Straße und Hausnummer umfasst (Seite 9 der Revision). Postalische Vorschriften in Deutschland, wonach die Angabe des Empfängers, der Postleitzahl und des Orts für eine vollständige Postanschrift genüge, sind entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht ersichtlich.

18 Ebenso ist in Anbetracht der Zielsetzung der Richtlinie 2009/48/EG, durch die Angabe einer Kontaktanschrift des Herstellers dessen uneingeschränkte Erreichbarkeit für die Verbraucher sowie die schnelle Kontaktaufnahme für die Marktaufsichtsbehörden zu gewährleisten, nicht davon auszugehen, dass der Umfang der als Kontaktanschrift anzugebenden Postanschrift im jeweiligen Einzelfall von der Bekanntheit des Herstellers und der Größe des Orts, in dem sich die Kontaktstelle befindet, abhängig sein soll, zumal dies nicht notwendigerweise die Anschrift sein muss, an der der Hersteller tatsächlich seinen Sitz hat (vgl. Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 ("Blue Guide"), ABl. EU Nr. C 272 vom 26. Juli 2016 S. 53).

19 Die Angabe einer deutschen Kontaktanschrift eines Herstellers hat somit gemäß § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnu ng neben der Postleitzahl und dem Ort - falls vorhanden - auch die Straße und die Hausnummer (bzw. allenfalls die Nummer eines Postfachs) zu umfassen. Die bloße Angabe der Postleitzahl und des Orts neben dem Namen, dem eingetragenen Handelsnamen oder der eingetragenen Handelsmarke des Herstellers reicht für eine vollständige Angabe der Kontaktanschrift iSd § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung nicht aus.

Angabe einer Webseite des Herstellers

20 Der Revisionswerber vertritt überdies die Rechtsansicht, dass neben der Angabe der Firma und des Sitzes des Herstellers auf der Verpackung auch die Angabe der Webseite des Herstellers als Angabe der Kontaktanschrift iSd § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsvero rdnung ausreichend gewesen sei, um den Zweck des umfassenden Verbraucherschutzes zu erfüllen. Über die angegebene Webseite seien sämtliche Standorte des Herstellers sowie ein eingerichtetes System für eine schnelle und praktische Anfragebeantwortung und Kontaktaufnahme abrufbar gewesen. Im Gegensatz zum traditionellen Postweg funktioniere die heute gebräuchliche E-Mail-Korrespondenz ebenso wie andere moderne Kommunikationswege schneller. Traditionelle Postadressen seien daher heute nicht mehr üblich und erforderlich.

21 Dieser Rechtsansicht steht bereits der Wortlaut der Spielzeugkennzeichnungsverordnung sowie der Richtlinie 2009/48/EG entgegen. Der Begriff "Kontaktanschrift" kann nur so verstanden werden, dass es sich dabei um eine Adresse handelt, an der mit dem Hersteller unmittelbar Kontakt aufgenommen werden kann. Dies ist bei der Angabe einer Webseite nicht der Fall. Hier muss erst diese Webseite aufgerufen werden, um zur Kontaktanschrift zu gelangen. 22 Überdies gewährleistet die Angabe einer Webseite nicht für alle Verbraucher die Möglichkeit mit dem Hersteller zu kommunizieren, weil dies einen Internetzugang des Verbrauchers voraussetzt. Dem Unionsrechtsgesetzgeber ist nicht zu unterstellen, dass er die Kontaktaufnahme eines Verbrauchers von der Möglichkeit eines Internetzugangs abhängig machen und dadurch im Ergebnis einschränken wollte. Schließlich gewährleistet die Angabe einer Webseite selbst für Verbraucher mit Internetzugang nicht in jedem Fall mit dem Hersteller in Kontakt treten zu können. Dies ist etwa dann nicht möglich, wenn die Webseite in einer für den Verbraucher nicht verständlichen Sprache abrufbar ist.

23 Der Hinweis auf eine Webseite ist daher bloß eine zusätzliche Angabe, kann jedoch die gemäß § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung geforderte Angabe einer Kontaktanschrift nicht ersetzen (vgl. Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 ("Blue Guide"), ABl. EU Nr. C 272 vom 26. Juli 2016 S. 53).

Verhältnis des Begriffs "Kontaktanschrift" zum Begriff "Geschäftssitz" in § 32 Abs. 1 Z 2 lit. a UWG

24 Der Revisionswerber argumentiert überdies, die Auslegung des Begriffs "Kontaktanschrift" habe sich am Begriff "Geschäftssitz" der Verordnungsermächtigung des § 32 Abs. 1 Z 2 lit. a UWG zu orientieren. Demnach beschreibe der Begriff "Geschäftssitz" stets den Sitz eines Unternehmens, somit den Ort oder unter Umständen den Ortsteil, wo sich das Unternehmen befinde. Insofern habe der Hersteller im konkreten Fall mit der Angabe seines Namens und seines Geschäftssitzes auf der Verpackung der Kennzeichnungspflicht des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverord nung entsprochen.

25 Die Verordnungsermächtigung in § 32 Abs. 1 Z 2 lit. a UWG geht auf die Bestimmung des § 32 Abs. 2 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz des Bundesgesetzes vom 26. September 1923 gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl. Nr. 531/1923, zurück, wonach für den Verkehr mit Bedarfsartikeln der Land- und Forstwirtschaft mit Verordnung die Angabe des Namens oder der Firma und des Geschäftssitzes des Erzeugers der Ware vorgeschrieben werden kann (Abs. 2 letzter Satz) und dies ebenso für die eine bestimmte Bezeichnung vorschreibenden, zulassenden oder verbietenden Verordnungen nach Maßgabe ihrer Anwendbarkeit gilt (Abs. 4 letzter Satz). Grundsätzlich sollte nach den Materialien (GP I 464 AB 913, S 8, 9) die Bestimmung des § 32 leg.cit. zur Erlassung von Verordnungen als "vorbeugende Maßnahmen zur Verhütung unlauterer Handlungen im Wettbewerb" dienen. Diese Zielsetzung umfasst, soweit die Verordnungsermächtigung die Vorschreibung des Geschäftssitzes des "Erzeugers" ermöglicht, auch dessen Erreichbarkeit. Unabhängig davon, dass - wie bereits dargelegt - der Begriff "Kontaktanschrift" des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung auf dem Boden des Unionsrechts so weit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie 2009/48/EG auszulegen und anzuwenden ist, kann somit der Begriff "Kontaktanschrift" auch nicht unter Berücksichtigung des Begriffs "Geschäftssitz" in § 32 Abs. 1 Z 2 lit. b UWG eingeschränkt auf den Ort des Unternehmens, vergleichbar mit dem Begriff "Sitz" des § 3 Abs. 1 Z 4 Firmenbuchgesetz, verstanden werden.

26 Dementsprechend bestehen entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers auch keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Verordnungsermächtigung und daher eine Gesetzwidrigkeit des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung in Bezug auf § 32 Abs. 1 Z 2 lit. b UWG.

27 Das Verwaltungsgericht ist somit zu Recht von der Verwirklichung der objektiven Tatseite des § 33 UWG iVm § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung ausgegangen.

Subjektive Tatseite

28 Der Revisionswerber moniert schließlich, dass er nach Prüfung der Verpackung von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Kennzeichnung ausgegangen sei, weil ein durchschnittlich interessierter, informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher, ohne weitere Nachforschungen anstellen zu müssen, wisse, wie und wo er den Hersteller schriftlich erreichen könne. Ihm könne nicht der Vorwurf gemacht werden, das von ihm eingerichtete Kontrollsystem habe nicht funktioniert. Er habe daher nicht schuldhaft gegen die Spielzeugkennzeichnungsverordnung verstoßen. Damit behauptet der Revisionswerber das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums iSd § 5 Abs. 2 VStG.

29 Ein solcher Rechtsirrtum setzt voraus, dass dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es (zur Einhaltung der einen am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht) einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer - allenfalls sogar plausiblen - Rechtsauffassung vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen. Selbst guter Glaube stellt den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht dar, wenn es - wie im Revisionsfall - Sache des Revisionswerbers ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen (vgl. etwa VwGH vom 24.9.2017, Ra 2017/03/0007, mwN).

30 Dass der Revisionswerber solche Erkundigungen eingeholt habe, hat er nicht behauptet. Ihn trifft somit ein Verschulden an dem ihm zur Last gelegten Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht des § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung.

Ergebnis

31 Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Verwirklichung sowohl der objektiven, als auch der subjektiven Tatseite der Verwaltungsübertretung des § 33 Abs. 1 UWG durch Verstoß gegen § 2 Z 2 Spielzeugkennzeichnungsverordnung durch den Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P Handelsges.m.b.H zur Last gelegt.

32 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. 33 Von der Durchführung der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 EMRK stand dem nicht entgegen, weil der Revisionswerber schon Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorzutragen (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2017/10/0221).

34 Die belangte Behörde hat in ihrer Revisionsbeantwortung keinen Aufwandersatz geltend gemacht, weshalb sich ein Kostenausspruch erübrigt.

Wien, am 30. April 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 61996CJ0083 Provincia autonoma di Trento / Dega VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019040013.J00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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