TE Vwgh Beschluss 2019/4/30 Ra 2018/19/0574

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0575

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. der B V,

2. des D C V, beide vertreten durch Dr. Alexandra Feldgrill, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Körösistraße 158, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 5. September 2018, 1) W123 2160145-1/9E und 2) W123 2160147-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Die Revisionen werden hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zurückgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Revisionen als gegenstandslos geworden erklärt und die Verfahren eingestellt.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Ehefrau des Zweitrevisionswerbers. Beide sind afghanische Staatsangehörige und gehören der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Sie stellten am 3. Oktober 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachten sie vor, dass fünf bewaffnete Männer in das Haus der revisionswerbenden Parteien eingedrungen seien, sie bedroht und ausgeraubt hätten. Die örtliche Polizei habe trotz gegenteiliger Versprechen nicht geholfen. Zudem seien die revisionswerbenden Parteien wiederholt in der Öffentlichkeit von Muslimen bedroht und zur Konversion zum islamischen Glauben aufgefordert worden.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge mit Bescheiden vom 11. Mai 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass eine Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen vom 5. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Gegen diese Erkenntnisse hatten die revisionswerbenden Parteien (parallel) beim Verfassungsgerichtshof Beschwerden eingebracht. Mit Erkenntnis vom 26. Februar 2019, E 4076-4080/2018- 20, hob der Verfassungsgerichtshof die angefochtenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurden, wegen nicht ausreichend nachvollziehbarer Beurteilung einer den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK auf.

5 Im Übrigen - somit hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab.

Ad I.:

6 Die auf diesen Punkt bezogenen außerordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof erweisen sich als nicht zulässig. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 In den Zulässigkeitsgründen der Revisionen wenden sich die revisionswerbenden Parteien - soweit hier relevant - gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Sie bringen dazu näher vor, dass dieses aufgrund kleinlicher und nicht von den revisionswerbenden Parteien stammender Gründe die fehlende Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens abgeleitet habe, ohne sich auch mit dem Kernvorbringen auseinanderzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht sei wegen einer Detailaussage der Schwiegertochter zur Unglaubwürdigkeit der Kernaussage der Familie gelangt. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe die Behörde ausreichend zu begründen, warum die Fluchtgründe der revisionswerbenden Parteien nicht der Wahrheit entsprächen. Das Bundesverwaltungsgericht habe die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass er als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0657, mwN). 12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - unter Heranziehung von Länderberichten beweiswürdigend mit dem gesamten Fluchtvorbringen der revisionswerbenden Parteien auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft hätten machen können. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung fallbezogen in unvertretbarer Weise erfolgt wäre.

13 In den Revisionen werden somit insoweit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie waren daher hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Ad II.:

14 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach seiner Anhörung die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. 15 Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt u. a. dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung - wie hier - durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0358, mwN). Dem trat die Vertreterin der revisionswerbenden Parteien auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Stellungnahme vom 2. April 2019 auch nicht entgegen.

16 Die Revisionen waren daher im übrigen Umfang als gegenstandslos geworden zu erklären und die Verfahren einzustellen.

17 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf dessen § 55, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190574.L00

Im RIS seit

21.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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