TE Vwgh Beschluss 2019/5/15 Ra 2018/20/0496

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-G 2014 §5
BFA-G 2014 §5 Abs2 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, in der Rechtssache der Revision des M A M, vertreten durch die Verfahrenshelferin Mag. Astrid Altenburger-Böhm, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kohlmarkt 5/3, diese vertreten durch Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, 2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2018, Zl. W210 2174836- 1/9E, betreffend Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, er habe aufgrund seiner Tätigkeit als Operation Manager in einem Transportunternehmen Drohbriefe von den Taliban erhalten. 2 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser behob mit Erkenntnis vom 25. Februar 2019, E 4137/2018-15, das Erkenntnis des BVwG, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen worden war. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 In der Folge erhob der Revisionswerber gegen die abweisende Entscheidung des BVwG in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten die vorliegende außerordentliche Revision. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit - auf das Wesentliche zusammengefasst - vorgebracht, die vorgenommene Beweiswürdigung sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden. Es würden Feststellungsmängel vorliegen und das BVwG sei seiner Ermittlungspflicht hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit, der Arbeitsstelle des Revisionswerbers sowie der vorgelegten Drohbriefe der Taliban nicht nachgekommen. Im Hinblick auf die geäußerten Zweifel an der Echtheit der Drohbriefe der Taliban wären eine konkrete Anfrage an die Staatendokumentation zu richten und erforderlichenfalls weitere Sachverständigengutachten einzuholen gewesen, ebenso hinsichtlich der Arbeitsstelle des Revisionswerbers, da die berufliche Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit der asylrelevanten Bedrohung stehe. 10 Sofern sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung wendet, ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2019/20/0056, mwN).

11 Das BVwG hat sich im angefochtenen Erkenntnis in umfangreicher Beweiswürdigung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, welches er in insgesamt drei Befragungen - zuletzt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG - darlegen konnte, auseinandergesetzt.

12 Hinsichtlich der beiden Drohbriefe hat das BVwG beweiswürdigend ausgeführt, der Revisionswerber habe zunächst Kopien vorgelegt. Bei den nachgereichten - nach den Angaben des Revisionswerbers originalen - Drohbriefen handle es sich augenscheinlich um eine Schwarzweiß-Kopie und um eine Farbkopie, zumal der Stempel auf beiden Schriftstücken kopiert erscheine. Die Übersetzung der Drohbriefe würde keine logische Abfolge aufweisen, auch habe der Revisionswerber den Inhalt der Bedrohungen vor dem BFA und dem BVwG in umgekehrter Reihenfolge angegeben. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA gehe hervor, dass gefälschte Drohbriefe käuflich erworben werden könnten. 13 Vor dem Hintergrund, dass das Vorbringen insgesamt als nicht glaubwürdig gewertet werde, könnten auch die vorgelegten Beweismittel (angeblicher Dienstausweis und Arbeitszertifikat des Revisionswerbers) zu keinem anderen Ergebnis führen, zumal diese Beweismittel augenscheinlich ebenfalls einer Bearbeitung zugeführt worden seien.

14 In einer Gesamtschau habe der Revisionswerber aufgrund der dargestellten Unstimmigkeiten nicht glaubhaft machen können, das Geschilderte in dieser Form tatsächlich erlebt zu haben. 15 Das BVwG hat sich somit - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Fluchtgründen ausführlich auseinandergesetzt und ist beweiswürdigend in einer nicht unvertretbaren Weise zum Ergebnis gekommen, das behauptete Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig. Auch wenn die Revision einzelne Begründungselemente der umfassenden Beweiswürdigung zu relativieren versucht, gelingt es ihr nicht, die Beweiswürdigung des BVwG insgesamt derart zu erschüttern, dass diese auf vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Bedenken stoßen würde.

16 Werden Verfahrensmängel - wie hier Begründungsmängel und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0009; 28.2.2019, Ra 2019/14/0029, jeweils mwN).

17 Der Revisionswerber sieht Ermittlungsmängel darin begründet, dass das BVwG hinsichtlich der Beschäftigung des Revisionswerbers in dem namhaft gemachten Unternehmen und dessen Existenz sowie bezüglich der Echtheit der vorgelegten Drohbriefe der Taliban keine Auskunft der Staatendokumentation eingeholt habe. Dem ist zu entgegnen, dass die Staatendokumentation nach ihrem gesetzlichen Auftrag nicht Ermittlungen dahingehend anstellen soll, ob sich bestimmte, vom Asylwerber behauptete Ereignisse, die für ihn fluchtauslösend gewesen sein sollen, tatsächlich ereignet haben, soweit es sich dabei nicht um solche handelt, die die Situation im Herkunftsstaat allgemein betreffen (vgl. erneut VwGH 20.3.2019, Ra 2019/20/0056, mwN). 18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0018, mwN).

19 Dass die zuletzt genannte Voraussetzung im Hinblick auf das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren erfüllt wäre, wird von der Revision vor dem Hintergrund, dass das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in einer vertretbaren Beweiswürdigung das gesamte Vorbringen des Revisionswerbers zur behaupteten Verfolgung als nicht glaubwürdig qualifiziert hat, die von der Revision geforderten Ermittlungen aber auf diesem Vorbringen aufbauen, nicht aufgezeigt.

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - zurückzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018200496.L00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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