TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/29 Ra 2019/14/0136

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Daniel Ewald Jahrmann in 2620 Neunkirchen, Bahnstraße 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2019, Zl. W102 2160559-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, als Kind in den Iran ausgewandert zu sein, dorthin aber nicht mehr zurück zu können. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würden ihn die Taliban töten, weil er Schiit sei. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 17. Mai 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten ab, sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen

Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die Begründung des in Revision gezogenen Erkenntnisses entspreche nicht den vom Verwaltungsgerichtshof dafür aufgestellten Anforderungen. Das BVwG habe seiner Einschätzung, dass Übergriffe gegen den Revisionswerber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien, ein Länderinformationsblatt zugrunde gelegt, ohne dieses in seiner Gesamtheit abzubilden. Zudem bleibe offen, aus welchem Zeitraum die darin genannten Informationen stammten und ob sie im Entscheidungszeitpunkt noch die gebotene Aktualität aufwiesen. Auch habe das BVwG die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018, denen zufolge etwa in Kabul eine interne Schutzalternative nicht zur Verfügung stehe, übergangen. Die Richtlinien enthielten vergleichbare Feststellungen auch zu anderen afghanischen Städten. Die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur Gefahr, bei Rückkehr als "bacha bazi" missbraucht zu werden, sei nicht nachvollziehbar. Schließlich habe das BVwG im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK die Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes "unrichtig und nicht nachvollziehbar" vorgenommen.

8 Wenn die Revision rügt, es sei nicht erkennbar, welchen Datums die verwendeten Berichte zur Lage im Herkunftsland seien, ist darauf zu verweisen, dass im Erkenntnis hinreichend offen gelegt wird, auf welche Quellen die Feststellungen gestützt werden.

9 Insoweit der Revisionswerber vermeint, es seien die aktuellen UNHCR-Richtlinien, die eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul und anderen Städten problematisieren, übergangen worden, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative, sondern von einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz ausgegangen ist. Dagegen wendet sich die Revision nicht.

10 Insofern die Beweiswürdigung bekämpft wird, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.1.2019, Ra 2018/14/0442, mwN). Das BVwG ist nachvollziehbar auf der Basis von Länderberichten und einem in das Verfahren eingebrachten Sachverständigengutachten zu dem Schluss gekommen, dass dem im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung bereits 20 Jahre alten - Revisionswerber bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland keine Gefahr drohe, als "bacha bazi" missbraucht zu werden. Der Revision gelingt es nicht, eine Unvertretbarkeit dieser Beurteilung aufzuzeigen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 28.3.2019, Ra 2019/14/0058, mwN). Mit dem allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG habe vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine unrichtige und nicht nachvollziehbare Beurteilung vorgenommen, wird eine unvertretbare Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK nicht aufgezeigt. 12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140136.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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