TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/24 Ra 2015/11/0113

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2019
beobachten
merken

Index

L94409 Krankenanstalt Spital Wien
40/01 Verwaltungsverfahren
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

AMG 1983
AMG 1983 §1
AMG 1983 §1 Abs1
AMG 1983 §1 Abs4 Z3
ÄrzteG 1998 §43
ÄrzteG 1998 §43 Abs1
ÄrzteG 1998 §43 Abs4
ÄrzteG 1998 §43 Abs6
ÄrzteG 1998 §49 Abs1
ÄrzteG 1998 §51
KAG Wr 1987 §17
VStG §22 Abs2
VStG §44a
VStG §44a Z1

Betreff

?

Spruch

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. G K in K, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. Juli 2015, Zl. VGW-001/047/26739/2014-28, betreffend Übertretungen des Ärztegesetzes 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien),

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten I. und III., jeweils soweit damit das behördliche Straferkenntnis bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Facharzt für Chirurgie mit den Zusatzfächern Gefäßchirurgie, Herz- und Thoraxchirurgie mit Ordinationssitzen in Wien und Klagenfurt.

2 Laut Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. April 2014 habe es der Revisionswerber zu verantworten,

1) entgegen § 49 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idgF, insofern nicht das Wohl der Patienten gewahrt zu haben,

a) als er zumindest im Zeitraum von 19. September 2011 bis 30. Oktober 2013 in Wien in der V-Klinik bei insgesamt 44 Patienten und Patientinnen und zumindest im Zeitraum von 7. Februar 2012 bis 14. November 2013 in der W-Klinik bei insgesamt 44 Patienten und Patientinnen eine Stammzellentherapie angewandt beziehungsweise an deren Durchführung mitgewirkt habe. Für den Einsatz der Stammzellentherapie bei den Erkrankungen, unter denen die Patienten und Patientinnen litten, seien derzeit weder die eventuellen Wirkungen, Nebenwirkungen und/oder unerwünschte Wirkungen, Indikationen (Anwendungsgebiete) und Kontraindikationen (Gegenanzeigen) noch die Anwendungs-Altersgruppe von Patienten und Patientinnen (Kinder und Jugendliche) wissenschaftlich geprüft, weshalb derzeit eine Gesundheitsgefährdung von Patienten und Patientinnen nicht ausgeschlossen werden könne. Die Therapie sei ohne Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der neuen Therapieform im Rahmen von klinischen Studien in den klinischen Regelbetrieb übernommen worden. Die eigenständige Indikationsstellung zur Stammzellentherapie bei neurologischen, psychiatrischen, ophthalmologischen und urologischen Erkrankungen sowie Erkrankungen aus dem Bereich der Inneren Medizin ohne entsprechende Beiziehung eines diesbezüglich berechtigten Facharztes entspreche weder der Verpflichtung zur gewissenhaften Betreuung von Patienten und Patientinnen noch der Verpflichtung zur Durchführung der medizinischen Beratung und Behandlung nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft noch der Verpflichtung zur Einhaltung fachspezifischer Qualitätsstandards;

b) als er in sechs namentlich genannte Patienten und Patientinnen betreffenden Behandlungsverträgen, "welche bei der Erhebung am 20. November 2013 in der V-Klinik gesichtet wurden", und in acht namentlich genannte Patienten und Patientinnen betreffenden Behandlungsverträgen, "welche bei der Erhebung am 22. November 2013 in der W-Klinik gesichtet wurden", folgende Passage, die geeignet sei, die Patienten und Patientinnen grob zu täuschen, führe:

"Die ärztliche Untersuchung sowie Entnahme und Re-Injektion der Stammzellen werden von Fachärzten in einem eigens dafür vorgesehenen medizinischen Entnahmeverfahren durchgeführt, welches von den österreichischen Aufsichtsbehörden dem Österreichischen Gewebeschutzgesetz entsprechend genehmigt wurde (Point of Care Verfahren)."

Dieser Passus führe zu einer Täuschung der Patienten und Patientinnen, weil in Österreich kein "Gewebeschutzgesetz" existiere (gemeint sei wohl das Gewebesicherheitsgesetz (GSG, BGBl. 149/2008 idgF)), das GSG gemäß § 1 Abs. 3 aber nicht für Zellen und Gewebe, die innerhalb ein und desselben medizinischen Eingriffs als autologes Transplantat verwendet würden, gelte und daher bei der angebotenen Stammzellentherapie keine Anwendung finde. Der Verweis auf eine Genehmigung der Behandlungsmethode seitens der österreichischen Aufsichtsbehörden nach dem Point of Care-Verfahren vermittle den Eindruck, bei der angebotenen Stammzellentherapie handle es sich um eine von einer Behörde genehmigte und daher wissenschaftlich anerkannte Behandlungsform;

2) die Sonderfachbeschränkung des § 31 Abs. 3 ÄrzteG 1998 verletzt zu haben (wurde näher darstellt);

3) dass entgegen § 51 Abs 1 ÄrzteG 1998 in der V-Klinik am 20. November 2013 hinsichtlich verschiedener namentlich genannter Patienten und Patientinnen und in der W-Klinik am 22. November 2013 hinsichtlich anderer namentlich genannter Patienten und Patientinnen in einem Fall die Unterschrift des Patienten auf dem Behandlungsvertrag gefehlt habe und in anderen Fällen beim "Fragebogen zur Krankengeschichte des Patienten" (Anamnese), "Doku An 2K Narkose bei Kindern" die Einträge des Arztes sowie seine Unterschrift gefehlt hätten, die Checkliste zu "Anamnese und Status" und die "Pflegeanamnese", die Checkliste "Postoperativer Status", das Formular "Ärztevisite/Dekurs", die Checkliste "Pflegeanamnese" sowie die "Aufklärungs- und Anamnesebögen zur Anästhesie Erwachsener und Jugendlicher" nicht oder nicht vollständig ausgefüllt, unterschrieben beziehungsweise mit Datum versehen gewesen seien;

4) entgegen § 43 Abs. 4 und Abs. 6 ÄrzteG 1998 in allen von der Behörde am 20. November 2013 eingesehenen Entlassungsberichten betreffend die V-Klinik und in den am 22. November 2013 eingesehenen Entlassungsberichten verschiedener namentlich genannter Patienten und Patientinnen der W-Klinik folgende zur Täuschung der Patientinnen geeignete Signatur zu führen:

"Univ Doz. Dr. G.S. (K)

Prim. Em. Klinikum K".

Wegen Verletzung der §§ 31 Abs. 3, 43 Abs. 4 und Abs. 6, 49 Abs. 1 sowie 51 Abs. 1 iVm § 199 Abs. 3 ÄrztG 1998 wurden über den Revisionswerber (näher genannte) Geld- beziehungsweise Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

3 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1) in der Schuldfrage als unbegründet ab und hob die verhängten Strafen auf (Spruchpunkt I.). Weiters gab es der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2) Folge, behob insofern das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein (Spruchpunkt II.), gab der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 3) insoweit Folge, als die Tatanlastung in Bezug auf einen namentlich genannten Patienten entfalle (Spruchpunkt III.), und wies die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 4) als unbegründet ab (Spruchpunkt IV.). Unter einem wurde die ordentliche Revision nicht zugelassen, da die auszulegenden Rechtsfragen entweder anhand der klaren gesetzlichen Regelung oder der hg. Judikatur zu lösen gewesen seien.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen des Revisionswerbers und der Stellungnahme der beigezogenen Amtssachverständigen im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Zeitraum von 19. September 2011 bis zum 30. Oktober 2013 in der V-Klinik "bei insgesamt 44 Patienten (Beilage 2, vgl. Bl. 59 und 60) eine Stammzellentherapie" sowie im Zeitraum vom 7. Februar 2012 bis 14. November 2013 in der W. Klinik "bei insgesamt 44 Patienten (Beilage 6, vgl. Bl. 69, 75 und 76) eine Stammzellentherapie" durchgeführt beziehungsweise an einer solchen mitgewirkt.

Die 44 Patienten und Patientinnen der V-Klinik hätten an verschiedenen Krankheiten gelitten, und zwar seien bei 16 Kindern und Jugendlichen folgende Indikationen vermerkt gewesen:

-

Einmal Progressive Muskeldystrophie (vererbter fortschreitender Muskelschwund)

-

Einmal Cerebralparese (Lähmungserscheinungen des Körpers durch eine Schädigung des Großhirns) mit Mikrocephalus (angeborene Kleinheit des Kopfes verbunden mit einer geistigen Entwicklungsstörung, zerebraler Hypoplasie - Unterentwicklung des Gehirns und Epilepsie)

-

Einmal spastische Parese (Lähmungserscheinungen mit erhöhter Muskelanspannung der Extremitäten)

-

Einmal Autismus (psychiatrische Erkrankung mit Rückzug von der Außenwelt verbunden mit Kontakt und Sprachstörungen und gestörter Sprachentwicklung)

-

Einmal Epilepsie mit verzögerter Entwicklung

-

Zweimal Duchenne - Aran- Muskeldystrophie (Spezialform des fortschreitenden Muskelschwundes)

-

Siebenmal Cerebralparese (Lähmungserscheinungen des Körpers durch eine Schädigung des Großhirns)

Die 28 erwachsenen Patienten und Patientinnen hätten unter folgenden Erkrankungen gelitten:

-

17mal Amyotrophe Lateralsklerose - ALS (schwere, fortschreitende Systemerkrankung des Rückenmarks mit Muskelschwund, Krämpfen, Erhöhung des Muskeltonus, Atembeschwerden bis zur Kehlkopflähmung und damit eine zum Tod führende Erkrankung)

-

Einmal Morbus Parkinson

-

Einmal Cerebralparese (Lähmungserscheinungen des K??rpers durch eine Schädigung des Großhirns

-

Einmal Morbus Stargardt (juvenile Maculadegeneration, jugendliche Degeneration der Netzhaut des Auges, zumeist angeboren)

-

Einmal Morbus Wegener (ungeklärte systemische Erkrankung der Blutgefäße, fortschreitendes Nierenversagen und Gangrän (Zerstörung des Gewebes)

-

Einmal spastische Paraplegie (inkomplette Lähmungserscheinungen der Extremitäten mit erhöhter Muskelanspannung)

-

Einmal Myelitis (Entzündung des Rückenmarks)

-

Einmal Multiple Sklerose (neurologische Erkrankung des zentralen Nervensystems)

-

Einmal Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten)

-

Dreimal spinal cord injury (traumatische Rückenmarksverletzung)

Zur Indikationsstellung sei für die Erkrankungen:

-

Progressive Muskeldystrophie, Cerebralparese mit Mikrocephalus, zerebrale Hypoplasie und Epilepsie, spastische Parese, Epilepsie mit verzögerter Entwicklung, Duchenne-Aran-Muskeldystrophie, Cerebralparese, Amyotrophe Lateralsklerose, Morbus Parkinson, spastische Paraplegie, Myelitis, Multiple Sklerose, Tetraplegie: eine Berechtigung zum Facharzt für Neurologie bzw. Neurologie und Psychiatrie nötig

-

Autismus: eine Berechtigung zum Facharzt für Psychiatrie bzw. Psychiatrie und Neurologie nötig

-

Morbus Stargardt: eine Berechtigung zum Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie nötig

-

Spinal cord injury: eine Berechtigung zum Facharzt für Neurologie bzw. Neurologie und Psychiatrie oder Unfallchirurgie oder Neurochirurgie nötig.

Von den 44 Patienten und Patientinnen der W-Klinik seien bei 10 Kindern und Jugendlichen folgende Indikationen vermerkt gewesen:

-

Einmal Diabetes Typ I

-

Einmal Cerebralparese (Lähmungserscheinungen des Körpers durch eine Schädigung des Großhirns) mit Epilepsie

-

Viermal Cerebralparese (Lähmungserscheinungen des Körpers durch eine Schädigung des Großhirns)

-

Zweimal Autismus (psychiatrische Erkrankung mit Rückzug von der Außenwelt verbunden mit Kontakt- und Sprachstörungen und gestörter Sprachentwicklung)

-

Einmal SMA I (spinal muscular atrophy)

-

Einmal SMA III (spinal muscular atrophy)

Die 34 erwachsenen Patienten und Patientinnen hätten unter folgenden Erkrankungen gelitten:

-

14mal Amyotrophe Lateralsklerose - ALS (schwere, fortschreitende Systemerkrankung des Rückenmarks mit Muskelschwund, Krämpfen,

-

Erhöhung des Muskeltonus, Atembeschwerden bis zur Kehlkopflähmung und damit eine zum Tod führende Erkrankung)

-

Einmal Amyotrophe Lateralsklerose und Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten)

-

Einmal Cerebralparese und Encephalopathie (Lähmungserscheinungen des Körpers durch eine Schädigung des Großhirns und Degeneration des Großhirns)

-

Einmal Maculadegeneration bds. (Degeneration der Netzhaut des Auges)

-

Einmal spastische Tetraparese nach Schädelhirntrauma (inkomplette Lähmungserscheinungen der Extremitäten mit erhöhter Muskelanspannung)

-

Einmal Zustand nach Hirnblutung

-

Einmal Multiple Sklerose (neurologische Erkrankung des zentralen Nervensystems)

-

Sechsmal spinal cord injury (traumatische Rückenmarksverletzung)

-

Einmal Friedreich Ataxie (vererbte Kleinhirn Rückenmarkserkrankung mit Gangstörungen und Sensibilitätsstörungen)

-

Einmal Sertoli Zell Syndrom (angeborenes Fehlen des Keimepithels in den Hoden verbunden mit Unfruchtbarkeit)

-

Einmal Diabetes mellitus Typ I

-

Viermal Diabetes mellitus Typ II

-

Einmal diabetische Nephropathie (Nierenerkrankung durch Diabetes mellitus)

Zur Indikationsstellung seien für die Erkrankungen:

-

SMA I + III (spinal muscular atrophy), Zustand nach Hirnblutung, Cerebralparese, Cerebralparese mit Epilepsie, Cerebralparese/Encephalopathie, Amyotrophe Lateralsklerose, Amyotrophe Laterals klerose/Tetraplegie, Friedreich Ataxie, Zustand nach Schädelhirntrauma mit spastischer Tetraparese, spastische Paraplegie, Multiple Sklerose, Tetraparese: eine Berechtigung zum Facharzt für Neurologie bzw. Neurologie und Psychiatrie nötig

-

Autismus: eine Berechtigung zum Facharzt für Psychiatrie bzw. Psychiatrie und Neurologie nötig

-

Sertoli Zell Syndrom (Form der männlichen Sterilität): eine Berechtigung zum Facharzt für Urologie nötig

-

Spinal cord injury: eine Berechtigung zum Facharzt für Neurologie bzw. Neurologie und Psychiatrie oder Unfallchirurgie oder Neurochirurgie nötig

-

Maculadegeneration: eine Berechtigung zum Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie nötig

-

Diabetes mellitus Typ I und Typ II sowie Diabetische Nephropathie: eine Berechtigung zum Facharzt für Innere Medizin nötig.

5 Für den Einsatz der Stammzellentherapie seien bei allen aufgezählten Krankheiten weder die Wirkungen beziehungsweise Nebenwirkungen noch die Indikationen und Kontraindikationen oder die Anwendungsaltersgruppe wissenschaftlich geprüft. Eine Gesundheitsgefährdung könne nicht ausgeschlossen werden, da es sich bei der Stammzellentherapie um eine innovative (experimentelle) medizinische Therapie handle, die der Revisionswerber - ohne Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses im Rahmen klinischer Studien - in den klinischen Regelbetrieb übernommen habe. Die Indikationsstellung zur Stammzellentherapie bei den genannten Leiden der Patienten und Patientinnen sei vom Revisionswerber, ohne dass dieser dafür eine diesbezügliche fachärztliche Ausbildung habe, sowie ohne entsprechende Beiziehung eines jeweils berechtigten Facharztes erfolgt. Die Feststellung, dass der Einsatz der Stammzellentherapie bei den Erkrankungen, unter denen die Patienten und Patientinnen des Revisionswerbers gelitten hätten, nicht der Lege-Artis-Regel entspreche, ergebe sich aus den schlüssigen, glaubwürdigen und mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden Ausführungen der Amtssachverständigen, wonach die Stammzellentherapie eine innovative (experimentelle) medizinische Behandlung sei und eine solche erst nach Befassung einer Ethikkomission sowie Durchführung klinischer Studien angewendet werde, in deren Rahmen die Therapie für Patienten und Patientinnen kostenlos sei. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach es sich bei den durchgeführten Stammzellentherapien um zulässige Heilversuche handle, habe die Sachverständige glaubhaft und im Einklang mit den Denkgesetzen unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Belege ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines individuellen Heilversuches nicht vorlägen. Weiters habe sie ausgeführt, dass ohne die Durchführung ordnungsgemäßer klinischer Studien die Gefahr bestehe, dass nicht wirksame oder gar schädliche Therapien in den klinischen Versorgungsprozess aufgenommen würden. Dass der Revisionswerber in jedem Einzelfall eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen habe, sei nicht glaubhaft dargelegt worden. Überdies hätte eine solche Abwägung nach den Ausführungen der Amtssachverständigen im Rahmen von klinischen Studien erfolgen müssen.

6 Der Inhalt der Behandlungsverträge sei nicht bestritten worden. Den Feststellungen zu den Wahrnehmungen der Amtssachverständigen vor Ort zu den Mängeln der ärztlichen Dokumentation in den Krankenanstalten sowie der Verwendung der Signatur "Prim. Em. Klinikum K" sei der Revisionswerber nicht substantiiert entgegen getreten.

7 Der Einwand der Verfolgungsverjährung in Bezug auf die angewandte Stammzellentherapie gehe schon deshalb ins Leere, weil es sich bei der angelasteten Tathandlung um ein fortgesetztes Delikt handle. Bereits aufgrund der äußeren Begleitumstände, wie insbesondere der Planung und Organisation der medizinischen Eingriffe in den beiden Krankenanstalten, etwa hinsichtlich des Hilfspersonals und der Räumlichkeiten, sowie auf Grund der Acquise der Patienten und Patientinnen über Kollegen des Revisionswerbers oder das Internet, seien die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss des Beschwerdeführers getragen. Da die letzte einzelne Tathandlung in den Krankenanstalten mit 30. Oktober 2013 beziehungsweise 14. November 2013 angelastet worden sei, erweise sich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Dezember 2013 als rechtzeitige Verfolgungshandlung. Bedenken hinsichtlich einer mangelnden Konkretisierung der angelasteten Taten lägen nicht vor, zumal eine namentliche Nennung der behandelten Patienten und Patientinnen kein wesentliches Tatbestandselement der unter Spruchpunkt l)a) angelasteten Verwaltungsübertretung bilde und dem Umstand, ob der Revisionswerber bei einzelnen Patienten und Patientinnen die Stammzellentherapie angewendet oder an deren Durchführung mitgewirkt habe, keine Relevanz hinsichtlich einer hinreichenden Tatkonkretisierung gemäß § 44a Z 1 VStG zukomme. Die behauptete Gefahr einer Doppelbestrafung bzw. Doppelverfolgung liege nicht vor, da im Falle eines fortgesetzten Deliktes durch die Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten seien, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Setzte der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so dürfte die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen.

8 Die unter Spruchpunkt 1)b) des Straferkenntnisses angelastete Bezugnahme in den Behandlungsverträgen auf eine Genehmigung der Stammzellentherapie von den österreichischen Aufsichtsbehörden nach dem Point of Care-Verfahren stelle ein Täuschung dar, wodurch der Revisionswerber das Wohl der Patienten und Patientinnen nicht wahre und damit § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 verletze. Dass die betroffenen Patienten und Patientinnen laut Aussagen des Revisionswerbers über überdurchschnittlich hohe Vorkenntnisse verfügten, vermöge daran nichts zu ändern. Der Einwand einer mangelnden Konkretisierung der Tat treffe nicht zu, da der Zeitpunkt der Einsichtnahme in die Behandlungsverträge in den Krankenanstalten relevant sei, nicht hingegen jener des Vertragsabschlusses.

9 Die Einstellung zu Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses begründete das Verwaltungsgericht damit, dass dem Revisionswerber der Verstoß gegen die Sonderfachbeschränkung in § 31 Abs. 3 ÄrzteG 1998 bereits zu Spruchpunkt 1)a) des Straferkenntnisses angelastet wurde.

10 Hinsichtlich der dem Revisionswerber in Spruchpunkt 3) des Straferkenntnisses vorgeworfenen Verletzung der Aufzeichnungspflicht gemäß § 51 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sei dieser zwar insofern im Recht, als die Unterschrift des Patienten nicht zu den zwingenden Aufzeichnungen gehöre und daher der diesbezügliche Vorwurf der Verwaltungsbehörde hinsichtlich einer fehlenden Unterschrift eines näher genannten Patienten unrichtig sei. Jedoch könne aus dem Schutzzweck der Norm abgeleitet werden, dass die Unterschrift des behandelnden Arztes dessen Identifizierbarkeit diene. Das Vorbringen, wonach den Revisionswerber infolge der an Dr. M delegierten Dokumentationspflicht keine Verantwortung treffe, verkenne, dass die in § 49 Abs. 2 ÄrzteG 1998 geregelte Mitwirkung von Hilfspersonal die Verantwortlichkeit des behandelnden Arztes nicht ändere. Der Revisionswerber habe nicht behauptet, Dr. M sei der behandelnde Arzt der näher genannten Patienten und Patientinnen. Dass der Revisionswerber laut eigenen Aussagen die Aufzeichnungen in seiner Privatordination aufbewahrt hätte, vermöge an seiner Haftung nichts zu ändern, weil Sinn der ärztlichen Dokumentationspflicht sei, dass die medizinische Behandlung sowohl für den behandelnden Arzt als auch für diesen vertretende Ärzte am Ort der ärztlichen Behandlung nachvollziehbar sei. Die verfahrensgegenständlichen Behandlungen seien unbestritten in den genannten Krankenanstalten durchgeführt worden, weshalb die Aufzeichnungen auch an diesen Orten zu führen seien.

11 Dem Vorbringen des Revisionswerbers zu Spruchpunkt 4) des Straferkenntnisses, wonach die Träger der Krankenanstalten die Entlassungsberichte mit dem Zusatz "Prim. Em." abgefertigt hätten bzw. im Einzelfall andere Mitarbeiter der Krankenanstalten diese abgefertigt hätten, sei entgegenzuhalten, dass es unglaubwürdig erscheine, dass der Revisionswerber die Verwendung dieses gegen § 43 Abs. 4 und Abs. 6 ÄrzteG 1998 verstoßenden Beisatzes im Laufe seiner mehrjährigen Tätigkeit nicht wahrgenommen hätte. Er hätte von Beginn an die Verwendung dieser Signatur durch entsprechende Anweisungen unterbinden müssen.

12 Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handle es sich um Ungehorsamsdelikte, bei denen der Beschuldigte nach § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen habe, dass ihn kein Verschulden treffe. Der vom Revisionswerber vorgebrachte Verbotsirrtum liege schon deshalb nicht vor, weil in den vom Revisionswerber vorgelegten E-Mails der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) die Unbedenklichkeit der gegenständlichen Stammzellentherapie vor dem Hintergrund des ÄrzteG 1998 nicht bescheinigt werde. Auch das Vorbringen, der Revisionswerber habe auf das an die Ärztekammer gerichtete Schreiben keine Antwort dahin erhalten, dass stammzellenbasierte Eingriffe unzulässig seien, stelle keinen Entschuldigungsgrund dar. Der vorgebrachte Irrtum des Revisionswerbers über die vermeintliche behördliche Genehmigung der Behandlungsmöglichkeit vermöge kein mangelndes oder fehlendes Verschulden darzutun, da es am Revisionswerber gelegen wäre, eine einschlägige Rechtsauskunft bei der zuständigen Behörde einzuholen. Eine Fehlinterpretation habe er selbst zu verantworten. Hinsichtlich der Dokumentationsmängel genüge es nicht, dass er Dr. M fallweise kontrolliert habe, weil dies einerseits kein ausreichendes Kontrollsystem darstelle und andererseits die Verantwortlichkeit beim behandelnden Arzt verbleibe.

13 Da die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt 1)a) und 1)b) des Straferkenntnisses eine Gesamtstrafe verhängt habe, obwohl es sich bei den zur Last gelegten Taten hinsichtlich der Tathandlung und Tatzeit um gänzlich unterschiedliche Taten handle und somit eine Hälfteaufteilung der verhängten Gesamtstrafe wegen des Verbots der reformatio in peius nicht in Betracht komme, sei die verhängte Strafe ersatzlos zu beheben gewesen.

14 Gegen die Spruchpunkte I., III. und IV. dieses Erkenntnisses, soweit damit das behördliche Straferkenntnis bestätigt wurde, richtet sich die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegte Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, auf die der Revisionswerber repliziert hat.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

16 Die folgenden Rechtsvorschriften werden jeweils in der zum letzten vorgeworfenen Tatzeitpunkt, d.i. der 14. November 2013, geltenden Fassung wiedergegeben.

Das Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2013, lautet auszugsweise:

"Selbständige Berufsausübung

§ 31. (1) ...

(2) ...

(3) Fachärzte haben ihre fachärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. ...

...

Berufsbezeichnungen

§ 43. (1) Ärztliche Berufsbezeichnungen dürfen - unbeschadet der besonderen Vorschriften über die Führung solcher Berufsbezeichnungen als Amtstitel - nur nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen geführt werden.

(2) Die Berufsbezeichnungen ‚Arzt für Allgemeinmedizin', ‚approbierter Arzt', ‚Facharzt' oder ‚Turnusarzt' sowie sonstige Berufsbezeichnungen dürfen nur nach Erfüllung der hiefür geltenden Voraussetzungen (§§ 4, 27, 32, 33 und 44) geführt werden.

(3) Jede Bezeichnung oder Titelführung im allgemeinen Verkehr, die geeignet ist, die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes oder einzelner Zweige dieses Berufes vorzutäuschen, ist verboten.

(4) Der Bezeichnung der ärztlichen Berufstätigkeit dürfen neben den amtlich verliehenen Titeln nur nachstehende, der Wahrheit entsprechende Zusätze beigefügt werden:

auf die gegenwärtige Verwendung hinweisende Zusätze,

1. auf eine Ausbildung in einem Additivfach hinweisende Zusätze,

2. von der Österreichischen Ärztekammer verliehene oder anerkannte Diplome über die erfolgreiche Absolvierung einer fachlichen Fortbildung,

3. in- und ausländische Titel und Würden, sofern sie zur Verwechslung mit inländischen Amts- oder Berufstiteln geeignet sind, jedoch nur mit Bewilligung des zuständigen Bundesministers oder in der von diesem festgelegten Form,

4. Hinweise gemäß § 4 Abs. 9 des Bundesgesetzes über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG), BGBl. I Nr. 80/2012.

(5) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für im Ausland zur Ausübung des ärztlichen Berufes Berechtigte, die sich nur vorübergehend und nicht zum Zweck der Ausübung des ärztlichen Berufes im Inland aufhalten.

(6) Die Berufsbezeichnung ‚Primararzt' oder ‚Primarius' dürfen nur Fachärzte unter der Voraussetzung führen, dass sie in Krankenanstalten dauernd mit der ärztlichen Leitung einer Krankenabteilung, die mindestens 15 systemisierte Betten aufweist, betraut sind, und ihnen mindestens ein Arzt unterstellt ist. Zur Führung der genannten Berufsbezeichnung sind auch die mit der dauernden Leitung eines im Rahmen einer Krankenanstalt geführten Instituts oder eines selbständigen Ambulatoriums betrauten Fachärzte berechtigt, denen mindestens zwei zur selbständigen Berufsausübung berechtigte, hauptberuflich tätige Ärzte unterstellt sind.

...

Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden

§ 49. (1) Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards, insbesondere aufgrund des Gesundheitsqualitätsgesetzes (GQG), BGBl. I Nr. 179/2004, das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

(2) Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.

...

(3) Der Arzt kann im Einzelfall an Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder in Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf stehende Personen ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufes umfasst sind. Er trägt die Verantwortung für die Anordnung. Die ärztliche Aufsicht entfällt, sofern die Regelungen der entsprechenden Gesundheitsberufe bei der Durchführung übertragener ärztlicher Tätigkeiten keine ärztliche Aufsicht vorsehen.

...

Dokumentationspflicht und Auskunftserteilung

§ 51. (1) Der Arzt ist verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere über den Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Vorgeschichte einer Erkrankung, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen einschließlich der Anwendung von Arzneispezialitäten und der zur Identifizierung dieser Arzneispezialitäten und der jeweiligen Chargen im Sinne des § 26 Abs. 8 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, erforderlichen Daten zu führen und hierüber der beratenen oder behandelten oder zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugten Person alle Auskünfte zu erteilen. In Fällen eines Verdachts im Sinne des § 54 Abs. 4 sind Aufzeichnungen über die den Verdacht begründenden Wahrnehmungen zu führen. Den gemäß § 54 Abs. 5 oder 6 verständigten Behörden oder öffentlichen Dienststellen ist hierüber Auskunft zu erteilen. Der Arzt ist verpflichtet, dem Patienten Einsicht in die Dokumentation zu gewähren oder gegen Kostenersatz die Herstellung von Abschriften zu ermöglichen.

...

Strafbestimmungen

§ 199.

...

     (3) Wer den im § 3 Abs. 1 oder 3, § 12 Abs. 3, § 12a Abs. 4,

§ 15 Abs. 5, § 27 Abs. 2 oder Abs. 7 zweiter Satz, § 29 Abs. 1,

§ 31 Abs. 3, § 32 Abs. 3, § 35 Abs. 7, § 36, § 37 Abs. 1 oder 8,

§ 43 Abs. 2, 3, 4 oder 6, § 45 Abs. 3 oder 4, § 46, § 47 Abs. 1,

§ 48, § 49, § 50 Abs. 1 oder 3, § 50a, § 50b, § 51, § 52 Abs. 2,

§ 53 Abs. 1 bis 3, § 54 Abs. 1, § 55, § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1, § 63, § 89 oder § 194 erster Satz enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar."

Das Wiener Krankenanstaltengesetz 1987, LGBl. Nr. 23/1987 idF

LGBl. Nr. 30/2013, lautet auszugsweise:

"§ 17

Führung von Krankengeschichten und sonstigen Vormerkungen

(1) Die Krankenanstalten sind verpflichtet:

a) über die Aufnahme und die Entlassung der Patientinnen und Patienten Vormerke zu führen, sowie im Fall der Ablehnung der Aufnahme und bei der Aufnahme nach § 36 Abs. 1 letzter Satz die jeweils dafür maßgebenden Gründe zu dokumentieren;

b) Krankengeschichten anzulegen, in denen die Vorgeschichte der Erkrankung (Anamnese), der Zustand der Patientin oder des Patienten zur Zeit der Aufnahme (status praesens) und der Krankheitsverlauf (decursus morbi), die angeordneten Maßnahmen sowie die erbrachten ärztlichen und gegebenenfalls zahnärztlichen Leistungen einschließlich Medikation (insbesondere hinsichtlich Name, Dosis und Verordnungsform) und Aufklärung der Patientin oder des Patienten, die Durchführung der Transplantation von Organen und Organteilen sowie der Zustand der Patientin oder des Patienten und die Art der Behandlung zur Zeit des Abganges aus der Krankenanstalt darzustellen sind und die einen Hinweis auf die Niederschrift über die Entnahme von Organen und Organteilen der Spenderin oder des Spenders, sofern dies nicht möglich ist, einen Hinweis auf die Herkunft des Transplantats, zu enthalten haben; die unter lit. a bezeichneten Angaben sind in die Krankengeschichte zu übernehmen; der Krankengeschichte ist auch die Obduktionsniederschrift (§ 40 Abs. 3 und 4) beizugeben. Weiters sind sonstige angeordnete sowie erbrachte wesentliche Leistungen, insbesondere der pflegerischen, einer allfälligen psychologischen bzw. psychotherapeutischen Betreuung sowie Leistungen der medizinischtechnischen Dienste, darzustellen;

c) über Operationen eigene Operationsniederschriften zu führen und der Krankengeschichte beizulegen;

d) über die Entnahme von Organen und Organteilen nach § 5 Organtransplantationsgesetz (OTPG) sowie über Entnahmen nach § 4 Abs. 5 Gewebesicherheitsgesetz, Niederschriften zu führen, in denen der Eintritt und der Zeitpunkt des Todes, die Art der Feststellung des Todes, der Zeitpunkt der Entnahme, die entnommenen Organe und Organteile einzutragen sind, und der Krankengeschichte der Spenderin oder des Spenders beizulegen;

diese Niederschriften dürfen keine Hinweise auf die Empfängerinnen oder Empfänger enthalten;

e) sicherzustellen, dass Patientenverfügungen (§ 2 Abs. 1 Patientenverfügungs-Gesetz) durch die aufklärende Ärztin beziehungsweise den aufklärenden Arzt sowie die behandelnde Ärztin beziehungsweise den behandelnden Arzt in der Krankengeschichte dokumentiert werden;

f) im Rahmen der Krankengeschichte allfällige Widerspüche gemäß § 44 Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) und § 5 Abs. 1 Organtransplantationsgesetz (OTPG) zu dokumentieren;

g) über Maßnahmen der Pflege und deren Verlauf eigene Dokumentationsblätter zu führen und der Krankengeschichte beizulegen.

h) Weisen nachgereichte Befunde auf bösartige oder sonstige schwere Erkrankungen hin, ist die Patientin oder der Patient nachweislich hievon in Kenntnis zu setzen und zu einer Befundbesprechung einzuladen. Die nachweisliche Verständigung der Patientin oder des Patienten sowie das Ergebnis einer allfälligen Befundbesprechung ist in der Krankengeschichte zu dokumentieren.

(2) Krankengeschichten von stationär aufgenommenen Patienten und Operationsniederschriften sind bei ihrem Abschluß vom behandelnden Arzt, der für ihren Inhalt verantwortlich ist, und vom Abteilungsleiter zu unterfertigen. Der Teil der Niederschrift über die Entnahme von Organen und Organteilen, der sich mit der Feststellung des Todes befaßt, ist von dem den Tod feststellenden Arzt, und der Teil dieser Niederschrift, der sich mit der Entnahme befaßt, von dem die Entnahme durchführenden Arzt zu unterfertigen. Die Krankengeschichten (Abs. 1 lit. a bis e) sind während der Behandlung so zu verwahren, daß sie von unbefugten Personen nicht eingesehen werden können. Krankengeschichten sind nach ihrem Abschluß von der Krankenanstalt mindestens 30 Jahre, von einem Ambulatorium mindestens 10 Jahre, allenfalls in Form von Mikrofilmen oder in gleichwertiger Weise in doppelter Ausfertigung, aufzubewahren. Röntgenbilder und andere Bestandteile von Krankengeschichten, deren Beweiskraft nicht 30 Jahre hindurch gegeben ist, sind mindestens 10 Jahre aufzubewahren.

..."

Das Arzneimittelgesetz - AMG, BGBl. Nr. 185/1983 idF

BGBl. I Nr. 110/2012, lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) ‚Arzneimittel' sind Stoffe oder Zubereitungen aus

Stoffen, die

1. zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind, oder

2. im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder

a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, oder

b) als Grundlage für eine medizinische Diagnose zu dienen.

...

(4) ‚Stoffe' sind

1.

...

2.

...

3.

Tierkörper sowie Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Mensch oder Tier in jeglicher Form ...

...

Begriffsbestimmungen betreffend klinische Prüfungen

§ 2a. (1) ‚Klinische Prüfung' ist eine systematische Untersuchung eines Arzneimittels an einem Prüfungsteilnehmer, die mit dem Ziel durchgeführt wird,

1. Wirkungen von Prüfpräparaten zu erforschen oder nachzuweisen,

2.

Nebenwirkungen von Prüfpräparaten festzustellen, oder

3.

die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel und die Ausscheidung von Prüfpräparaten zu untersuchen.

..."

17 Die Revision ist, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, aus den in ihr genannten und im Folgenden dargestellten Gründen zulässig. 18 Zum Vorwurf der ungeprüften Anwendung der Stammzellentherapie im klinischen Regelbetrieb und ohne fachärztliche Indikationsstellung (Spruchpunkt I.) wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision im Wesentlichen vorgebracht, es liege keine hg. Rechtsprechung zur Anwendung neuartiger Behandlungsmethoden im Hinblick auf § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 vor. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arzt eine Behandlungsmethode anwenden dürfe, die noch nicht vollständig etabliert sei, habe eine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Hinsichtlich der hier relevanten ärztlichen Therapiefreiheit sei ausschlaggebend, dass keine Gefährdung eines Patienten festgestellt worden sei und es sich um jedenfalls zulässige Heilversuche handle. Dass nur im Rahmen klinischer Studien erprobte Behandlungsmethoden angewendet werden dürften, könne § 49 ÄrzteG 1998 nicht entnommen werden. Die Frage der Zulässigkeit sowie der Rahmenbedingungen von Heilversuchen sei eine elementare Frage des Medizinrechts, zu der keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

19 Zu Spruchpunkt III. wird zunächst ausgeführt, es fehle hg. Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit der Delegierung der ärztlichen Dokumentationspflicht nach § 51 ÄrzteG 1998 auch ohne ständige Beaufsichtigung. Angesichts des Arbeitsalltags in einer Krankenanstalt und weil Ärzte kein Hilfspersonal iSd § 49 Abs. 2 und 3 ÄrzteG 1998 seien, erscheine die Auffassung, dass bei Delegierung an einen anderen Arzt dieser nach § 49 Abs. 2 ÄrzteG 1998 ständig zu beaufsichtigen sei, unvertretbar. Weiters sei fraglich, ob sämtliche der vermissten Angaben (wie etwa alle Angaben der "Checkliste Pflegeanamnese", die kein Standardformular mit gesetzlich vorgegebenem Inhalt sei) tatsächlich gemäß § 51 ÄrzteG 1998 zwingend zu dokumentierende Informationen seien, und ob eine Pflicht zur Unterzeichnung jedes Dokumentes durch den behandelnden Arzt bestehe, auch wenn die Autorenschaft des Dokuments außer Zweifel stehe. Darüber hinaus gebe es keine Grundlage für die Auffassung, dass der Arzt seiner Dokumentationspflicht nur durch Führung der Patientenakten in der jeweiligen Krankenanstalt nachkommen könne, zumal § 17 Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 aus systematischer Sicht nahelege, dass nur die Krankenanstalten bzw. deren Rechtsträger - und nicht auch die Ärzte - zur Aufbewahrung der Akten in der Krankenanstalt verpflichtet seien. Wo und wie ärztliche Dokumente iSd § 51 ÄrzteG 1998 aufzubewahren seien, stelle auch im Hinblick auf Belegspitäler eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung dar. 20 Die Revision ist zu den Spruchpunkten I. und III., soweit damit das behördliche Straferkenntnis bestätigt wurde, im Ergebnis berechtigt:

21 Zu Spruchpunkt 1)a) des Straferkenntnisses - Übertretung des § 49 Abs. 1 ÄrzteG durch die Anwendung einer Therapieform im klinischen Regelbetrieb ohne vorhergehende Studie und ohne Beiziehung eines Facharztes:

Der Revisionswerber führt zu diesem Punkt in den Revisionsgründen aus, dass das Verwaltungsgericht § 49 Abs. 1 ÄrzteG falsch ausgelegt habe. Auch wenn man davon ausgehe, dass die vom Revisionswerber vorgenommene autologe Stammzellentherapie (Entnahme, Aufbereitung und Reinjektion im Rahmen eines Eingriffs - sogenanntes "Point of Care-Verfahren") noch nicht ausreichend erforscht sei, würde dies nicht bedeuten, dass ein Einsatz dieser Therapieform verwehrt sei. In § 49 ÄrzteG sei unter anderem auch die Therapiefreiheit verankert. Das Verwaltungsgericht meine, dass die Durchführung einer Therapie, ohne dass diesbezüglich zunächst klinische Studien hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durchgeführt worden wären, einen Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht darstelle. Dieses Verständnis ignoriere jedoch die ärztliche Therapiefreiheit und die sich daraus ergebende Zulässigkeit von Heilversuchen. Im Rahmen dieser Therapiefreiheit könne auch vom bisherigen Standard der Schulmedizin abgewichen werden, wenn dies zum Wohl der Patienten und Patientinnen erfolge. Im Fall des Revisionswerbers sei keine einzige konkrete Gefährdung eines Patienten festgestellt worden. Die Patienten und Patientinnen des Revisionswerbers hätten aus Sicht der klassischen Schulmedizin als austherapiert gegolten, es sei nach dem schulmedizinischen Standard demnach kein weiterer Heilerfolg zu erwarten gewesen. Dieser Umstand habe auf die vor jedem Eingriff vorzunehmende Nutzen-Risiko-Abwägung insofern einen Einfluss, als die Anwendung einer "Neulandmethode" in Abwesenheit therapeutischer Alternativen umso eher indiziert erscheinen könne. Dies entspreche der einhelligen medizinrechtlichen Literatur sowie der deutschen Judikatur, in der die Anwendung neuer Methoden nach Abwägung der Nutzen und Risiken unter dem Begriff "Heilversuch" zusammengef

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten