TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/2 W191 2161373-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.2019
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Entscheidungsdatum

02.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W191 2161373-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Eva Velibeyoglu, Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2019, Zahl 1074280200-180951280, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG und §§ 10 und 57 Asylgesetz 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz sowie §§ 46, 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 19.06.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. In seiner Erstbefragung am 21.06.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei ledig, stamme aus dem Distrikt Amritsar, Bundesstaat Punjab, sei Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi und gehöre der Glaubensgemeinschaft der Sikhs an. Er habe zwölf Jahre lang die Grundschule besucht und anschließend drei Jahre an der Universität studiert. Im Herkunftsland würden seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester leben.

Er sei Anfang Juni von Neu-Delhi aus schlepperunterstützt per Flugzeug nach Russland geflogen und über weitere ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er sich in Indien in ein Mädchen verliebt habe, ihre Familie jedoch wegen ihrer unterschiedlichen Religionszugehörigkeit gegen die Beziehung gewesen sei. Bei einem heimlichen Treffen seien sie erwischt worden und der BF sei von ihrer Familie mit einem Messer schwer verletzt worden. Im Krankenhaus habe er erfahren, dass seine Freundin von ihrer Familie ermordet worden sei. Familienmitglieder des Mädchens seien Mitglieder einer hinduextremistischen Partei, die gegen die Sikhs sei. Er sei von ihnen mit dem Tode bedroht worden und habe sich in einer anderen Stadt versteckt, doch auch dort sei er von Mitgliedern dieser Partei verfolgt worden.

1.1.3. Mit Schreiben vom 17.07.2015 teilte der Magistrat der Stadt Wien mit, dass der BF das freie Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen [...]" angemeldet habe.

1.1.4. Bei seiner Einvernahme am 14.07.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, gab der BF Folgendes an:

Er sei Sikh und spreche Punjabi und ein wenig Hindi und Englisch. Er sei in einem Dorf im Distrikt Amritsar geboren und habe dort sein gesamtes Leben bis zur Ausreise verbracht. Er habe zehn Jahre die Grundschule und zwei Jahre ein College besucht. Anschließend habe er in der Landwirtschaft gearbeitet. Seine gesamte Familie sei im Heimatdorf verblieben.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er im Jahr 2010 ein Mädchen kennengelernt habe und sie sich regelmäßig getroffen hätten. Er habe sie heiraten wollen, aber dies sei wegen ihrer unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten nicht möglich gewesen. Als sie 2014 gemeinsam heimlich seinen Geburtstag gefeiert hätten, seien ihre Brüder gekommen und hätten den BF bedroht und ihnen verboten, sich weiterhin zu treffen. Bei einem weiteren Treffen seien ihnen die Brüder zum Treffpunkt gefolgt und es habe eine Schlägerei gegeben, bei der der BF an mehreren Stellen mit dem Messer verletzt worden sei. Nach dem Streit hätten sie das Mädchen mitgenommen. Er sei bewusstlos gewesen und jemand habe ihn ins Spital gebracht. Dort habe er von einer Freundin seiner Freundin erfahren, dass ihre Brüder sie umgebracht hätten und er vorsichtig sein solle, da sie ihn auch suchen würden. Der BF sei daraufhin im Jänner 2015 nach Neu-Delhi gefahren, aber auch dort hätte er erfahren, dass ihn Freunde der Brüder suchen würden. Er sei umgezogen und inzwischen habe der Schlepper seine Reise organisiert. Er habe in die USA gewollt, sei aber nach Österreich gebracht worden.

Auf die Frage, ob er jemals wegen seiner Religion verfolgt oder bedroht worden sei, gab der BF an, dass die Sikhs mit den Hindus Probleme hätten, vor allem mit Angehörigen einer bestimmten Partei. Er selbst sei Sympathisant der Khalistan Partei und wolle einen unabhängigen Sikh Staat haben. Sein Ziel sei es gewesen, in die USA zu gehen und dort die Sikhs für den Staat Khalistan zu begeistern.

In Österreich wohne er gemeinsam mit zwei weiteren Landsleuten in einer Wohnung. Er verteile Werbematerial, gehe Spazieren und treffe seine Landsleute.

Im Verfahren vor dem BFA legte der BF seinen österreichischen Führerschein vor. Beweismittel oder Belege für sein Vorbringen wurden nicht in Vorlage gebracht, es wurden auch keine Beweisanträge gestellt.

1.1.5. Mit Bescheid vom 18.05.2017 wies das BFA diesen (ersten) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.06.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Indien. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre.

Die Feststellungen zur Situation in Indien wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Zu seinem Fluchtvorbringen hielt das BFA fest, dass der BF dieses nicht habe glaubhaft machen können. Seine Befürchtungen würden sich lediglich auf vage, widersprüchliche und unglaubwürdige Vermutungen stützen.

1.1.6. Das gegen diesen Bescheid eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Erkenntnis vom 27.07.2018, W191 2161373-1/5, gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 AsylG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet ab.

In der Erkenntnisbegründung wurde zum Fluchtvorbringen unter anderem ausgeführt:

"[...] Der BF beschränkte sich in den Aussagen betreffend seine Liebesbeziehung weitgehend auf einige wenige ‚Eckpunkte' der Fluchtgeschichte, ohne über nähere Details der Vorgänge oder über Einzelheiten, deren Kenntnis bei tatsächlich erlebten Vorfällen geradezu vorausgesetzt werden kann, nachvollziehbar berichten zu können. Die Ausführungen des BF blieben weitgehend unpersönlich, und Details zu der angegebenen Beziehung, wie etwa der Ort des Kennenlernens, die jeweiligen Treffpunkte, die näheren Lebensumstände, der familiäre Hintergrund oder auch das Erscheinungsbild der Freundin, wurden jeweils erst auf Nachfrage des einvernehmenden Organs angegeben.

Auch das Vorbringen des BF zu seinen politischen Aktivitäten konnte er aus folgenden Gründen nicht glaubhaft darlegen: Während der BF im Rahmen der freien Schilderung zu seinem Fluchtgrund seine politischen Aktivitäten mit keinem Wort erwähnte, nahm dieses im Verlauf der weiteren Einvernahme eine zentrale Stellung ein und steigerte sich soweit, dass der BF angab, dass er junge Menschen zusammengebracht habe, damit diese die Idee von einem unabhängigen Sikh Staat unterstützen würden. In diesem Zusammenhang konnte der BF auf Nachfrage allerdings weder die Flagge des Staates noch die Idee der Partei richtig wiedergeben. Auch dass es sich beim BF - wie von ihm selbst angegeben - um einen streng gläubigen Sikh handeln soll, erscheint in Anbetracht der bei Sikhs traditionellen Kleidungs- und Erscheinungsregeln im Zusammenhalt mit dem vom BFA festgehaltenen Erscheinungsbild sowie den Fotos im Verwaltungsakt, auf denen der BF mit kurz geschnittenen Haaren, ohne Bart und ohne Turban zu sehen ist, wenig glaubhaft. [...]"

1.1.7. Diese Entscheidung erwuchs mit 01.08.2018 in Rechtskraft. Ein Gerichtshof des öffentlichen Rechts wurde dagegen nicht angerufen.

1.2. Gegenständliches Verfahren:

1.2.1. Der BF stellte am 08.10.2018 gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Landespolizeikommando Wien, Abteilung für Fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi zu seinen Fluchtgründen befragt an (Schreibfehler nicht korrigiert):

"Ich war Arbeiter, Befürworter und Werber der Akali Dal - Partei. Diese Partei ist für die Gründung des Khalistans (Unabhängigkeit des Punjabs). Vor geraumer Zeit wurde unser heiliges Buch, das Guru Grant Sahib entehrt. Jemand zerriss die Seiten des heiligen Buches. Vor kurzem hat sich heraus gestellt, dass der Führer unserer Partei für diese Tat beschuldigt wird. Der Vater meiner ehemaligen Freundin ist Befürworter der Congress und Shiv Sena Partei. Da ich zuvor mit seiner Tochter zusammen war und er sich deshalb bei mir Rächen möchte, besticht er die Polizei und Personen denen er den Auftrag gibt Anschläge auf unser Haus auszuüben. Erst gestern berichtete mir ein Freund, dass ein Anschlag auf unser Haus ausgeübt wurde. Am

14.10 wird eine Demonstration stattfinden. Die Gegenpartei möchte, dass unser Führer bestraft wird. Wenn ich zurückkehre erwartet mich der Tod. Die politische Situation kann eskalieren. Deshalb habe ich Angst um mein Leben."

Belege für sein Vorbringen legte der BF auch diesmal nicht vor.

1.2.3. Mit Verfahrensanordnung ohne Datum, dem BF nachweislich übergeben am 13.10.2018, wurde ihm mitgeteilt, dass die Behörde beabsichtige, den gegenständlichen Antrag zurückzuweisen, da sie davon ausgehen, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege.

1.2.4. In seiner Einvernahme im Zulassungsverfahren am 09.03.2018 vor einem Referenten des BFA, EAST (Erstaufnahmestelle) Ost in Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

Er habe in Wien einen Onkel und eine Tante, die seit ca. fünf bzw. 15 Jahren hier aufhältig seien und über unbefristete Aufenthaltstitel verfügten und ihn finanziell unterstützen würden, solange sein Gehalt nicht da sei. Er legte eine E-Card auf seinen Namen, eine Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs A2 und eine Gehaltsdarstellungsliste als selbständiger Zeitungszusteller vor.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF zunächst an (Schreibfehler nicht korrigiert):

"Im ersten Asylverfahren habe ich bereits angegeben, dass ich in ein Mädchen das zum Hinduismus gehört, verliebt war. Ich bin Sikh. Die Familie meiner Freundin waren völlig gegen unsere Beziehung. Die Familie hat dann ihre Tochter getötet. Ich wurde von den Brüdern des Mädchens geschlagen, attackiert und mit einem Messer auf dem rechten Unterarm und auf der Seite verletzt. Um mein Leben zu schützen reiste ich dann nach Delhi. Da die Familie politisch sehr einflussreich ist. Sie gehören zur Shiv Sena Partei. Das ist eine extremistische Hindupartei. So konnten die Brüder des Mädchens mich in Delhi ausfindig machen. Ich bin ein Mitglied der Akali Dal Young.

Unser heiliges Buch heißt Guru Grant Sahib. Es wurde Blasphemie daran begangen. Seiten aus diesem Buch wurden rausgerissen und auf Gassen verstreut. Es gesah in der Stadt Bargari. Sikh aus der Umgebung haben dort eine Demonstration organisiert in welcher sie forderten, dass die Täter festgenommen werden sollen. Die Polizei eröffnete das Feuer um die Demonstration aufzulösen. Dabei kamen einige Leute ums Leben und einige blieben dort weiterhin sitzen. Badel Singh Parkash ist der Vorsitzender der Partei Akali Dal im Punjab. Er ist ein Politiker und auch gleichzeitig ein sehr angesehener Mann in der Sikh-Gesellschaft. Er hat diese Demonstration angeführt. Badel SINGH hat veranlasst, dass die Polizei das Feuer eröffnet. Anschließend gab er bei der Polizei an, dass die jungen Mitglieder der Akali-Dal, die auch für die Gründung Khalistans tätig sind, Seiten aus dem heiligen Buch gerissen haben um für Unruhen zu sorgen.

Die Polizei und die Sikh Gesellschaft sind hinter diesen jungen Leuten her. Sie waren in unserem Haus und haben das Haus von innen zerstört. Meine Freunde die mit mir in Indien zusammen waren haben bereits das Land verlassen. Wo sie sind weiß ich auch nicht. Einer meiner Freunde wurde am Samstag in der Früh vor seiner Haustür angeschossen. Gestern ist er verstorben. Ein Freund hat mich aus Indien angerufen und hat mir das alles erzählt. Er war kein Mitglied der Akali-Dal. Er hat angerufen und mir Bescheid gegeben."

Dem BF wurden dazu mehrere Punkte vorgehalten, die unzutreffend und widersprüchlich waren.

Bezüglich seines Fluchtvorbringens legte der BF drei notariell beglaubigte Stellungnahmen von Verwandten und Freunden aus Indien vor.

1.2.5. Mit knappem Schreiben seiner gewillkürten anwaltlichen Vertreterin ohne Datum, dem BFA übermittelt am 27.12.2018, gab der BF an, dass er Hintergrundwissen zur Partei Akali Dal habe. Wenn die Behörde ihm vorhalte, dass seine Angaben falsch seien, so handle es sich dabei um Missverständnisse.

Bezüglich der Beziehung zu einem Mädchen seien keine geeigneten Erhebungen und Feststellungen getroffen worden. Die Integration des BF sei äußerst gelungen. Er arbeite als Zeitungszusteller, habe einen Deutschkurs auf A2-Niveau gemacht und wohne in ortsüblicher Unterkunft. Er sei unbescholten und habe sich in Österreich immer ordentlich benommen. Er habe Verwandte in Österreich, nämlich Onkel und Tante, zu denen ein finanzielles und emotionales Abhängigkeitsverhältnis bestehe.

1.2.6. Mit - verfahrensgegenständlich angefochtenem - Bescheid vom 13.03.2019 wies das BFA den (zweiten) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 08.10.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG bezüglich Asyl und subsidiärem Schutz wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). In den Spruchpunkten III. bis V und VII. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG getroffen und dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF.

In Spruchpunkt VI. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Das BFA traf Feststellungen zur Person des BF sowie zur Lage im Herkunftsstaat (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation). Die Identität des BF sei ungeklärt. Er leide an keinen erheblichen Erkrankungen.

Das BFA stellte fest, dass der Antrag des BF auf internationalen Schutz im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesen worden sei und er im gegenständlichen Asylverfahren - den Fluchtgrund betreffend - keinen glaubhaften neuen Sachverhalt, welcher sich nach Abschluss des Vorverfahrens ereignet hätte, vorgebracht hätte.

Da somit kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar sei, sei der Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Der BF habe in Österreich keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Ein Großteil seiner Angehörigen lebe noch immer in seinem Heimatland.

Es bestehe durch die erlassene Entscheidung kein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechte gemäß Art. 3 und 8 EMRK.

Beweiswürdigend wurde zum Fluchtvorbringen im Wesentlichen ausgeführt, dass sich dieses auf das bereits rechtskräftig im Vorverfahren als unglaubhaft beurteilte damalige Fluchtvorbringen bezöge, das um ein unglaubhaft gesteigertes Verfolgungsvorbringen ergänzt worden sei.

Die belangte Behörde setzte sich ausführlich und umfassend mit dem Vorbringen des BF auseinander und hielt ausdrücklich fest, dass mehrere seiner Angaben unwahr seien. Seine Angaben seien auch zeitlich nicht stimmig und somit nicht nachvollziehbar, und habe er sein Vorbringen auch kaum konkret, sondern lediglich in Schlagwörtern dargelegt und somit in keiner Weise eine ihn persönlich betreffende Bedrohungslage darlegen können.

Betreffend die vorgelegten, angeblich notariell beglaubigten eidesstattlichen Erklärungen wurde ausgeführt (Schreibfehler teilweise korrigiert):

"Auf einem der drei Schriftstücke fehlen zwei Stempel, welche auf den anderen beiden zwar auffindbar, aber unlesbar sind.

Der Beglaubigungsstempel liest sich ‚I Personelly Know the deponent exnent who has signed in my preseance.' (sic). Es kann ohne weitere Überlegungen als gesichert bezeichnet werden, dass es sich, zumindest bei diesem Stempel, um eine plumpe Fälschung handelt, welche offensichtlich von einer Person hergestellt wurde, die der englischen Sprache kaum mächtig ist.

Obwohl vermeintlich am selben Tag, dem 15.11.2018, ausgestellt, weist der Sicherheitsfaden (Hologrammstreifen) auf den Schriftstücken drastisch unterschiedliche Abnutzungszustände auf.

In diesen Schriftstücken wird attestiert, dass Sie Mitglied der Akali-Dal Partei sind, was aufgrund vorangegangener, ausführlicher Überlegungen, schlicht nicht möglich ist.

Es ist dem Bundesamt nicht klar, zu welchem Zweck diese Personen angeben sollten, dass Sie in Wien leben, besonders, da dies nicht der Wahrheit entspricht und Sie in LEOPOLDSDORF wohnhaft sind.

Es befindet sich keine Adresse des beglaubigenden Notars auf den Schriftstücken.

Zusätzlich beachtlich ist, dass in dem Länderbericht zu Indien genau jene notariellen Schriftstücke, sogenannte ‚Affidavit', als besonders leicht gefälscht erhältlich und besonders oft als gefälscht vorgelegt bezeichnet werden.

Aufgrund der Merkmale und des Inhalts der vorgelegten Schriftstücke und der Ausführungen des Länderberichtes zu deren Kategorie geht das Bundesamt davon aus, dass es sich bei diesen Beweismitteln um totalgefälschte Gefälligkeitsschreiben handelt."

Aufgrund dessen, dass seine Angaben offensichtlich nicht den Tatsachen entsprächen und lediglich Eckdaten aus dritter Hand ohne jegliche Sorgfalt angegeben worden seien, sei von missbräuchlicher Antragstellung auszugehen und dem BF jegliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen.

Der Sachverhalt - sowohl bezüglich der individuellen Situation des BF, als auch bezüglich der Lage im Herkunftsstaat - habe sich gegenüber dem Zeitpunkt der Vorentscheidung nicht erheblich geändert und liege sohin entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vor.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Eine umfassende Interessenabwägung wurde vorgenommen.

Die Erlassung des Einreiseverbotes, befristet auf zwei Jahre, stütze sich insbesondere auch auf das Fehlverhalten des BF, der seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, und seine Mittellosigkeit. Damit gefährde der BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit. Das gesamte Verhalten des BF zeige in aller Deutlichkeit, dass der gegenständliche Antrag einen Missbrauch des Asylsystems darstelle.

1.2.7. Mit Schreiben seiner gewillkürten anwaltlichen Vertreterin ohne Datum brachte der BF am 25.03.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG gegen den Bescheid vom 13.03.2019 wegen "inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung" ein und stellte diverse Anträge, wobei in der Beschwerdebegründung das bisherige Vorbringen des BF zusammengefasst wiederholt, knappe Rechtsausführungen getätigt, aber keinerlei neue Aspekte in das Verfahren eingebracht wurden.

1.2.8. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 29.03.2019, W191 2161373-2/3Z, wurde festgehalten, dass aus derzeitiger Sicht nach einer Grobprüfung der vorliegenden Akten nicht anzunehmen sei, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Dem angefochtenen Bescheid werde daher keine aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG zuerkannt.

1.3. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem erkennenden Gericht vorliegenden Akten und Vorakten des BFA und des BVwG samt Vorakten, insbesondere in die Niederschriften der Erstbefragung am 08.10.2018 und der Einvernahme vor dem BFA am 17.12.2018 sowie die Stellungnahme und die gegenständliche Beschwerde, jeweils ohne Datum

* Einsicht in aktenkundliche Dokumentationsquellen des BFA betreffend Indien (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017, Aktenseiten 150 bis 164 des Verwaltungsaktes)

1.4. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.4.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus einem Ort im Distrikt Amritsar, Bundesstaat Punjab. Er bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Sikhs und ist ledig. Der BF hat nach seinen Angaben die Grundschule und das College besucht und spricht Punjabi als Muttersprache sowie etwas Hindi und Englisch. Er hat in Indien bis zu seiner Ausreise bei seiner Familie gelebt.

Im Bundesgebiet hat der BF Verwandte (Onkel und Tante), die ihn finanziell und emotional unterstützen. Ein Abhängigkeitsverhältnis wurde nicht belegt, zumal der BF selbständig als Zeitungszusteller erwerbstätig ist und über eine Wohngelegenheit verfügt. Deutschkenntnisse hat der BF angegeben, aber nicht belegt. Weitere bedeutende integrationsrelevante Umstände hat der BF weder angegeben noch belegt.

1.4.2. Seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorhergehenden Asylverfahrens mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2018, W191 2161373-1/5E, sind keine maßgeblichen Änderungen des Sachverhaltes oder der im Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften eingetreten.

1.4.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur allgemeinen Lage in Indien (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.01.2019; vgl. AA 18.09.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.04.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.09.2018, der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.09.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.09.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.04.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.09.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die sogenannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht, sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.05.2014). Abgesehen von kleineren Störungen verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.09.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.09.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.05.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.09.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wiedergewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 01.01.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

[...]

3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.09.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.01.2019 wurden zwölf Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12/2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.09.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.01.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

[...]

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.09.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.09.2018).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.01.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.04.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.09.2018).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet, und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.01.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.09.2018).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.09.2018).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten.

Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.09.2018).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.09.2018).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.04.2018). Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.04.2018).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§ 61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.01.2018).

5. Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 12.2018) und untersteht den Bundesstaaten (AA 18.09.2018). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 12.2018).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2018). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt (USDOS 20.04.2018). Polizeireformen verzögerten sich 2017 erneut (HRW 18.01.2018).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 20.04.2018).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 12.2018). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 18.09.2018; vgl. BICC 12.2018). Paramilitärischen Einheiten werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC 12.2018).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von "Recht und Ordnung" herangezogen (USDOS 20.04.2018). Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz für die Streitkräfte (AFSPA) wurde am 23.04.2018 für den Bundesstaat Meghalaya nach 27 Jahren aufgehoben und im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, und Nagaland sowie in Teilen von Manipur. Für Jammu und Kaschmir existiert eine eigene Fassung (AA 18.09.2018).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 18.09.2018). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rashtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze - die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz) als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten - die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2018). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 18.09.2018).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten im Grenzgebiet zu China eingesetzt werden. Sie agieren im Rahmen der Geheimdienste, des sogenannten Aufklärungsbüros ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und dem Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst) (War Heros of India, 16.09.2018).

Das Gesetz erlaubt es den Behörden auch, Häftlinge bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Gerichtsgewahrsam zu nehmen (einschließlich der 30 Tage in Polizeigewahrsam). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder Terrorismus festzuhalten (USDOS 20.04.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet. jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 18.09.2018). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 12.2018). Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament bisher nicht verabschiedet (AA 18.09.2018).

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 18.09.2018), und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2018). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 18.09.2018). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 20.04.2018). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 18.09.2018). Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin, Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 20.04.2018).

7. Korruption

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 20.04.2018). Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 78. Rang von 180 Staaten auf (TI 2018). 2017 wurde Indien mit 40 Punkten (Rang 81 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Im Jahr 2016 wurde Indien ebenfalls mit 40 Punkten bewertet. Das entspricht dem

79. Rang von 176 gelisteten Staaten (TI 2017).

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.04.2018). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im Speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.01.2018). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 20.04.2018).

Obwohl Politiker und Beamte regelmäßig bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.01.2018). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 20.04.2018). Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal- und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 65 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 400 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.01.2018).

Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich (USDOS 20.04.2018). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.01.2018).

Gemäß Angaben des Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) unterhält jeder Bundesstaat in Indien mindestens ein Büro unter der Leitung eines Polizeichefs, in welchem Beschwerden per Post, Fax oder persönlich eingereicht werden können. Dabei kann auf Wunsch auch die Identität des Beschwerdeführers geheim gehalten werden. Vom CBI wurden im Untersuchungszeitraum [Anm.: 2016] 673 Korruptionsfälle registriert (CBI o.D.; vgl. USDOS 20.04.2018).

Eine von Transparency International und LocalCircles durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass ein Einsatz von Bestechungsgeldern immer noch das effizienteste Mittel darstellt, um die Arbeit von Regierungsstellen abzuwickeln. Die Zahl jener Personen, die zugaben, ein Bestechungsgeld bei Behörden erlegt zu haben, lag 2017 bei 45 Prozent. So hat es einen Anstieg der Bestechung um 11 Prozent gegeben. Kommunale Unternehmen, Grundbuchabteilungen wie auch Polizeidienststellen stellen dabei die korruptionsanfälligsten Regierungsstellen dar (IT 11.10.2018).

Der Bericht mit dem Titel India Corruption Survey 2018 besagt, dass 58 Prozent der Bürger angeben, dass ihre Staaten über keine Anti-Korruptions-Helpline verfügen, während bis zu 33 Prozent angaben, dass sie sich nicht über das Vorhandensein einer solchen Hotline in ihren Staaten im Klaren seien (ICS 2018).

Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 20.04.2018).

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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