TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 97/08/0618

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
AlVG 1977 §25 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2;
ASVG §5 Abs6 Z2;
AVG §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Andreas Theiss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 12. September 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über den Zeitraum vom 25. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 hinsichtlich des Widerrufs des Arbeitslosengeldes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das der Beschwerdeführerin jeweils gewährte Arbeitslosengeld in den Zeiträumen vom 25. Juli bis 31. Dezember 1995 in der Höhe von S 33.984,-- und vom 4. März bis 12. März 1996 in der Höhe von S 1.912,-- gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und den Gesamtbetrag von S 35.896,-- gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert. Nach Wiedergabe der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesvorschriften begründete die belangte Behörde diesen Bescheid im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin in den genannten Zeiträumen während des Bezuges von Arbeitslosengeld in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis zu einem näher bezeichneten Unternehmen gestanden sei. Entgegen den Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin sei im Zeitraum vom 25. Juli bis 31. Dezember 1995 kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen: Nach einer Beitragsprüfung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 8. Juni 1996 sei das "ursprünglich geringfügig versicherte Dienstverhältnis" vom 25. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 "in ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis" umgewandelt worden. Weiters sei festgestellt worden, daß das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin bei einem anderen Unternehmen nicht am 12. März 1996 begonnen habe, sondern die Anmeldung bereits am 4. März erstattet worden sei.

Gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz AlVG sei der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt werde. Eine Einschränkung auf Rückersatz des unberechtigt Empfangenen auf solche Leistungen, welche durch "genau bestimmte Mitwirkungshandlungen der Partei veranlaßt wurden", sei bei einer rückwirkenden Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich. Auch wenn die Beschwerdeführerin ihre "Unwissenheit über die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse" glaubwürdig versichere, bleibe "aufgrund der gesetzlichen Vollversicherung aufrecht, daß das Entgelt des Beschäftigungsverhältnisses vom 25.7.1995 bis 31.12.1995 über der Geringfügigkeitsgrenze liegt". Widerruf und Rückforderung seien daher berechtigt. Für den Rückforderungszeitraum 4. bis 11. März 1996 sei davon auszugehen, daß das vollversicherte Beschäftigungsverhältnis bereits am 4. März 1996 begonnen (ergänze: und daher ab diesem Tag Arbeitslosigkeit nicht mehr vorgelegen) habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin beantragt zwar, "den angefochtenen Bescheid" aufzuheben, die Beschwerde richtet sich nach dem gesamten Vorbringen jedoch nur gegen die Rückforderung für den Zeitraum vom 25. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995, nicht aber auch gegen die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei bereits ab 4. März 1996 und nicht erst ab 12. März 1996 in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden (woraus sich der weitere Rückforderungsbetrag von S 1.912,-- ergibt).

Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Widerruf und die Rückforderung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 25. Juli bis 31. Dezember 1995 wendet, ist die Beschwerde auch berechtigt:

Hinsichtlich des Widerrufs des Arbeitslosengeldes geht die belangte Behörde davon aus, daß dieses zu Unrecht zuerkannt worden sei, weil die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum in einem die Vollversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sei.

Träfe dies zu, dann wäre der Widerruf auch dann berechtigt, wenn die Beschwerdeführerin - wie sie in ihrer Beschwerde behauptet - tatsächlich kein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Bruttoentgelt während dieses Beschäftigungsverhältnisses erhalten hätte, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht auf jenes Entgelt ankommt, welches die Betreffende tatsächlich erhalten hat, sondern auf den "Anspruchslohn" im Sinne des § 49 ASVG (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106, mit ausführlichen Hinweisen auf die Vorjudikatur zu dieser Frage).

Da die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf beharrte, in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen zu sein, hätte sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen auseinandersetzen und prüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin während dieses Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden (und daher im Sinne des § 12 Abs 3 lit a iVm Abs 6 lit a AlVG Arbeitslosigkeit ausschließenden) Entgeltanspruch hatte. Sie wäre von eigenen Ermittlungen nur dann enthoben gewesen, wenn das Bestehen eines die Voll- und die Arbeitslosenversicherungspflicht für den genannten Zeitraum begründenden Beschäftigungsverhältnisses bescheidmäßig rechtskräftig festgestellt worden wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/08/0129).

Entgegen ihren Verpflichtungen hat die belangte Behörde jedoch eigene Ermittlungen nicht angestellt, sondern sich mit dem Hinweis begnügt, daß die Wiener Gebietskrankenkasse im Zuge einer Beitragsprüfung das geringfügig versicherte Dienstverhältnis in ein "vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis umgewandelt" habe. Mit diesem Hinweis hat die belangte Behörde jedoch nicht jene Tatsachen festgestellt, aus denen sich gegebenenfalls ergäbe, daß die erwähnte "Umwandlung" zu Recht erfolgt ist.

Da sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht ergibt, daß die Unterlassung diesbezüglicher Feststellungen darauf zurückzuführen wäre, daß die belangte Behörde die (diesfalls unrichtige) Rechtsauffassung vertreten hätte, an das Ergebnis im übrigen nicht näher wiedergegebener Ermittlungen der Gebietskrankenkasse, soweit diese in der Sozialversichertendatei des Hauptverbandes im Sinne einer "Umwandlung" eines geringfügigen in ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis ihren Niederschlag gefunden haben, gebunden zu sein, ohne eigene Ermittlungen anstellen zu dürfen (diesfalls wäre der Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben), war aufgrund der gegebenen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes der angefochtene Bescheid hinsichtlich des darin ausgesprochenen Widerrufs des Arbeitslosengeldes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Damit ist der angefochtene Bescheid schon aus den genannten Gründen auch in seinem - auf dem erstgenannten Spruchteil aufbauenden - Ausspruch über die Rückforderung des Betrages von S 33.984,-- rechtswidrig. Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid jedoch überdies als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet:

Der die Rückforderung regelnde § 25 Abs 1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 (mit der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 wurde ab 1. Mai 1995 lediglich der hier nicht maßgebende dritte Satz geändert) lautet:

"§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich auf Grund seines bzw. seines Angehörigen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß der Empfänger nicht arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. g war."

Die belangte Behörde untersuchte nicht, ob auch ein anderer als der von ihr in Anspruch genommene Rückforderungsgrund der nachträglichen Feststellung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 25 Abs 1 zweiter Satz Fall 2 AlVG) vorläge, weil sie die Auffassung vertrat, daß der vorliegende Sachverhalt der "Umwandlung" eines Beschäftigungsverhältnisses von einem wegen geringfügigen Entgelts teilversicherten zu einem der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer nachträglichen Beitragsprüfung unter den Begriff der "rückwirkenden Feststellung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses" zu subsumieren sei und schon deshalb der Anspruch auf Rückforderung - ohne Prüfung der übrigen, ein Verschulden der Beschwerdeführerin erfordernden Rückforderungstatbestände - zu Recht bestehe.

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106, ausgesprochen, daß jene Fälle mit der nachträglichen Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht gleichgesetzt werden können, in denen der Umstand des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG nicht strittig gewesen ist und auch nicht im nachhinein festgestellt, sondern lediglich festgestellt wurde, daß dieses Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne des § 5 Abs. 6 Z. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 ASVG als "geringfügig" von der Vollversicherung ausgenommen ist. Der von der belangten Behörde in Anspruch genommene Rückforderungstatbestand liegt daher selbst unter der Annahme nicht vor, daß sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen sollte, daß das Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin zurecht als nicht geringfügig und daher voll- und arbeitslosenversicherungspflichtig zu beurteilen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 1999

Schlagworte

Entgelt Begriff Anspruchslohn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997080618.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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