TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/17 98/01/0297

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Veröffentlicht am 17.02.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Datenschutz;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
DSG 1978 §14 Abs3;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §28;
SPG 1991 §3;
SPG 1991 §51;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §88 Abs6;
SPG 1991 §90 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des N, geboren am 26. Oktober 1973, vertreten durch Dr. Friedrich Staudacher, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 16. Juni 1998, Zl. E 47/01/98.003/3, betreffend eine Beschwerde gemäß § 88 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz iVm § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1998 erhob der Beschwerdeführer gestützt auf § 88 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) Beschwerde an die belangte Behörde. Er sei kongolesischer Staatsangehöriger und habe am 6. Februar 1998 den Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. Das Verfahren sei noch anhängig. Trotz dieses Umstandes habe die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg am 14. April 1998 ein Schreiben an die Botschaft der Volksrepublik Kongo in Bonn gerichtet, mit welchem ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert werde. In einer niederschriftlichen Einvernahme der Bundespolizeidirektion Villach sei gegenüber dem Beschwerdeführer festgehalten, daß seine Schubhaft deswegen verlängert werden müsse, weil seine Identität nicht festgestellt werden könne. Bei der Maßnahme der Beantragung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates handle es sich um schlichtes Polizeihandeln. Die Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg stehe im Widerstreit zu § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (AsylG). Der Beschwerdeführer habe ein konkretes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme. Die Zuständigkeit der belangten Behörde sei deswegen gegeben, weil sie "schon allein für behauptete Verletzungen von Bestimmungen über den Datenschutz zuständig ist (VfGH 1997/06/26, B 1565/96)". Mit dem Schriftsatz vom 9. Juni 1998 ergänzte der Beschwerdeführer, daß für "die zulässige Datenübermittlung" gemäß § 21 Abs. 2 dritter Halbsatz AsylG kumulativ drei Voraussetzungen gegeben sein müssen. Mit dem weiteren Inhalt dieser Stellungnahme stellt der Beschwerdeführer klar, daß er sich nicht durch die bloße Beantragung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates, sondern durch die bei diesem Vorgang erfolgte Übermittlung seiner personenbezogenen Daten in dem Recht verletzt erachtet, daß personenbezogene Daten des Beschwerdeführers als Asylwerber nicht an den Herkunftsstaat übermittelt würden. Seine Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf § 1 Abs. 1 und 2 Datenschutzgesetz und § 21 Abs. 2 AsylG.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Juni 1998 die Beschwerde unter Auferlegung von Kostenersatz als unzulässig zurück. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung unter anderem folgendermaßen:

"Die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte (vgl. für viele das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25 04 1991, Zl. 91/06/0052) ist davon ausgegangen, daß Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde nicht etwas sein kann, was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann. Eine solche Beschwerdemöglichkeit ist, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, als subsidiärer Rechtsbehelf anzusehen. Gleiches muß auch für Beschwerden gemäß § 88 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz gelten.

Dem Beschwerdeführer, der sich durch die Übermittlung personenbezogener Daten entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 2 Asylgesetz erschwert erachtet, steht nun diesbezüglich die Möglichkeit einer Anrufung der Datenschutzkommission gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 DSG zu. Die auf § 88 Abs. 2 gestützte Beschwerde ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt als unzulässig anzusehen.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, der Verwaltungssenat sei nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26 06 1997, B 1565/96, für die behauptete Verletzung von Bestimmungen über den Datenschutz zuständig, so ist ihm zu entgegnen, daß dies gemäß § 88 Abs. 6 Sicherheitspolizeigesetz nur für die Verwendung sicherheitspolizeilicher Daten nach den Bestimmungen des vierten Teiles dieses Gesetzes gilt. Um solche Daten geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr ist Gegenstand der Beschwerde die Übermittlung personenbezogener Daten, welche nicht nach dem Sicherheitspolizeigesetz, sondern in einem Verwaltungsverfahren nach dem Fremdengesetz und dem Asylgesetz stattgefunden hat. Für diese Fälle gilt aber die allgemeine Regelung des Datenschutzgesetzes."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier wesentlichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/1997, lauten:

"Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

§ 88. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129 a Abs. 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

...

(6) Ist für die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß Abs. 2 die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwendung personenbezogener Daten nach den Bestimmungen des 4. Teiles maßgeblich, so hat der unabhängige Verwaltungssenat nach § 14 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes vorzugehen.

Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen

über den Datenschutz

§ 90. (1) Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 14 des Datenschutzgesetzes über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes oder des 4. Teiles dieses Bundesgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung von Befugnissen nach den Bestimmungen des 3. Teiles dieses Bundesgesetzes.

(2) Soweit sich eine Beschwerde auf Daten des Beschwerdeführers bezieht, die gemäß § 62 Abs. 2 Z 2 der Geheimhaltung unterliegen, hat die Datenschutzkommission das Geheimnis auch in ihren Erledigungen zu wahren."

Der Beschwerdeführer stellte mit der Stellungnahme vom 9. Juni 1998 klar, daß er sich gegen die im Zuge der Stellung eines Antrages auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg erfolgte Übermittlung seiner personenbezogenen Daten beschwere.

Es handelt sich somit um eine Verwendung personenbezogener Daten in Vollziehung des Fremdengesetzes. Sowohl der dritte Teil des SPG (Befugnisse der Sicherheitsbehörden und der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der Sicherheitspolizei) als auch dessen vierter Teil (Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei) sind nur dann anzuwenden, wenn es um ein Handeln im Rahmen der Sicherheitspolizei geht. Gemäß § 3 SPG besteht diese aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht. Im gegenständlichen Fall handelte die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg jedoch in Besorgung der Fremdenpolizei, somit eines anderen Gebietes der Sicherheitsverwaltung. Denn gemäß § 2 Abs. 2 SPG besteht die Sicherheitsverwaltung aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

Aus dem Verhältnis der beiden Sätze des § 90 Abs. 1 SPG ergibt sich, daß grundsätzlich eine Zuständigkeit der Datenschutzkommission betreffend aller Datenschutzverletzungen besteht. Ausgenommen sind nur die im zweiten Satz genannten (3. Teil des SPG) Fälle, da der erste Satz die Grundregel formuliert.

Im gegenständlichen Fall wurde nicht im Rahmen der Sicherheitspolizei gehandelt, weshalb auch die in § 90 Abs. 1 zweiter Satz SPG normierte Ausnahme von den im ersten Satz des § 90 Abs. 1 SPG der Datenschutzkommission übertragenen Aufgaben nicht zum Tragen kommt.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Juni 1997, B 1565/96, ausgesprochen, daß der unabhängige Verwaltungssenat im Falle einer Beschwerde wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten entgegen den Bestimmungen des vierten Teiles des SPG bloß eine zweite Einbringungsstelle ist.

Da es sich um keine Verwendung von Daten nach dem vierten Teil des SPG handelt, ist der unabhängige Verwaltungssenat aber nicht zu einem Vorgehen im Sinne des § 88 Abs. 6 SPG in Verbindung mit § 14 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes (DSG) verpflichtet.

Dieses Ergebnis steht auch mit verfassungsrechtlichen Überlegungen im Einklang. Es würde nämlich das Gebot mißachten, strikte Zuständigkeitsgrenzen festzulegen, wie es sowohl dem Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 B-VG als auch Art. 83 Abs. 2 B-VG zu entnehmen ist (vgl. erneut das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wenn auf Grund des § 88 Abs. 2 SPG eine neben der Datenschutzkommission zuständige weitere Behörde über die Verwendung personenbezogener Daten in der Weise des gegenständlichen Falles zu entscheiden hätte. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, wonach Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde nicht etwas sein kann, was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1991, Zl. 91/06/0052), wurde sohin auch für Beschwerden gegen "schlichtes Polizeihandeln" in Angelegenheiten, in denen - außer in den im SPG gesondert geregelten Fällen - die Anrufung der Datenschutzkommission zusteht, keine (zusätzliche) Entscheidungsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates normiert.

Die belangte Behörde ist daher im Recht, daß sie das ausdrückliche Begehren auf ihre Entscheidung nach § 88 Abs. 2 SPG als unzulässig zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010297.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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