TE Bvwg Beschluss 2019/2/21 W257 2205655-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AVG §52
BDG 1979 §14 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W257 2205655-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA, als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter XXXX und XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , vertreten durch XXXX RA in XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 01.08.2018, AZ XXXX , betreffend die Versetzung in den Ruhestand (§ 14 BDG 1979) von Amts wegen, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesministerium für Justiz beauftragte XXXX , Nervenarzt, am 19.03.2018 mit einem Ergänzungsgutachten. In diesem Gutachten vom 26.03.2018 von wurde zusammenfassend ausgeführt, dass zwar keine absolute Arbeitsunfähigkeit bestehe, zumal kein Schlafapnöe-Syndrom festgestellt worden sei. Jedoch seien die im eigenen Gutachten formulierten Einschränkungen im Leistungskalkül aus dem nervenärztlichen Gebiet weiterhin zu beachten, insbesondere der Ausschluss von der Erbringung von Nachtdiensten und Einschränkungen beim Führen von Waffen, va. Schusswaffen (Zittrigkeit der Finger).

Im ärztlichen Gutachten von XXXX (Arzt für Allgemeinmedizin) vom 24.04.2018 wurden folgende Diagnosen angeführt: eine bipolare affektive Störung, eine massive Adipositas, eine Hypertonie, ein Tinnitus, Psoriasis vulgaris, Steatosis hepatis, eine Hyperuricämie und eine Niereninsuffizienz. Aus allgemeinmedizinischer Sicht liege - unter Außerachtlassung der neuropsychiatrischen Problematik - unter Berücksichtigung der Arbeitstätigkeiten des Beschwerdeführers keine Dienstunfähigkeit vor. Die vorliegende Adipositas wirke sich nur leichtgradig leistungseinschränkend aus. Im gegenständlichen Fall seien die psychiatrischen Ausführungen entscheidend.

Dem neurologisch psychiatrischen Gutachten von XXXX (Fachärztin für Psychiatrie) vom 03.05.2018 ist u.a. zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer anamnestisch über nur mehr gelegentlich auftretende Verschlechterungen seiner Stimmungslage berichtet habe, er könne sich manche Dinge nur schwer merken und lebe sehr zurückgezogen. Aufgrund der Schlafstörungen habe er schon keine Nachtdienste leisten können. Zum neurologischen Status wurden keine Auffälligkeiten dokumentiert, zum psychopathologischen Status wurden u. a. keine kognitiven oder intellektuellen Defizite angeführt. Der Antrieb sei leicht herabgesetzt, die Stimmung sei gedrückt, biorhythmische Störungen in Form von Durchschlafstörungen und vermehrter Tagesmüdigkeit wurden dokumentiert. Diagnostisch wurden eine bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert, ein Alkoholismus (Abstinenz seit dem Jahr 2014) und eine Essstörung ohne gegensteuernde Maßnahmen festgehalten. Aus gutachtlicher Sicht sei die Schlafstörung vordergründig zu beachten gewesen und eine gelegentlich vermehrte Tagesmüdigkeit. Auf den Bedarf einer durchgehend hohen Medikation an Psychopharmaka wurde hingewiesen, die eine Kontraindikation für Nachtdienste darstellen würde. Als wesentliche Einschränkungen im Leistungskalkül wurden der Gebrauch an Waffen aller Art sowie die Erbringung von Nachtdiensten und auch Schichtarbeit ausgeschlossen. Eine Besserungsmöglichkeit wurde bejaht und eine Nachuntersuchung in zwölf Monaten empfohlen.

In der nachfolgenden Stellungnahme der Oberbegutachtung bzw. im Rahmen der Zusammenfassung der vorliegenden Gutachten von XXXX vom 05.06.2018 wurden folgende Diagnosen festgestellt:

"1. starkes Übergewicht

mit Fettleber, Fettstoffwechselstörung, erhöhten Harnsäurewerten im Blut,

Nierenfunktionsstörung II°, medikamentös eingestelltem Bluthochdruck,

kein Hinweis auf Ausgleichsstörungen am Herz- Kreislaufsystem,

Zustand nach Magen-operation (pouch-Verkleinerung XXXX .2018)

2. bipolar-affektive Störung, unter laufender hoher Medikation derzeit in Remission

Schuppenflechte an den Ellbogen"

Weiters wurde u.a. ausgeführt, dass sich die bipolar-affektive Störung des Beschwerdeführers unter laufender hoher Medikation derzeit in Remission befinde. Der Psychostatus zeige eine gedrückte Stimmung, Durchschlafstörungen würden zu gelegentlich vermehrter Tagesmüdigkeit führen und sei ihm Nachtarbeit nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer sei durchschnittlich psychisch belastbar und könne besonderem Zeitdruck nur fallweise standhalten. Durchschnittliche Fähigkeiten bezüglich beruflicher Anpassung, Handlungsplanung und Strukturgabe, Durchhaltevermögen sowie Personenführung seien gegeben. Die konkrete leitende Tätigkeit erfordere im Umgang mit Justizanstaltsinsassen eine jederzeit abrufbare überdurchschnittliche psychische Belastbarkeit, welche beim Beschwerdeführer derzeit nicht bestehe, auch seien Nachtdienste nicht zuzumuten, ebenso nicht Dienst mit Waffen aller Art. Psychiatrisch sei in einem Jahr eine Besserung zu erwarten. Seitens des Bewegungs- und Stützapparat würden sich keine signifikanten Leistungsbeeinträchtigungen zeigen. Es bestehe va. starkes Übergewicht, mit Bluthochdruck und Überlastungen des Fetthaushaltes. Unter medikamentöser Einstellung komme es zu keinen Ausgleichsstörungen. Seit 2014 werde kein Alkohol mehr konsumiert. Nach Magenoperation bestehe ein guter Allgemeinzustand. Arbeiten an allgemeinen Gefahren und exponierten Stellen sowie bei Höhenexposition seien nicht zumutbar. Schwere körperliche Arbeiten seien ebenfalls nicht geeignet, mittelschwere körperliche Anstrengungen seien nur fallweise zumutbar. Leichte körperliche Arbeit sei in jeder Körperhaltung zuzumuten. Eine wesentlich höhere körperliche Belastbarkeit könne nicht mehr erwartet werden. Die konkrete Tätigkeit könne jederzeit zu schwerer körperlicher Belastung führen, dies könne auf Dauer nicht mehr zugemutet werden.

Mit oa. Bescheid vom 01.08.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 von Amts wegen in den Ruhestand versetzt. In der Begründung wurde - soweit hier wesentlich und zusammenfassend - ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe E 2a den Arbeitsplatz " XXXX " in der Justizanstalt XXXX innehabe. In dieser Funktion habe er turnusweise Tag-, Nach-, Sonn- und Feiertagsdienst zu versehen. Über Beauftragung der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen habe die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - Pensionsservice eine ärztliche Untersuchung durch eine Fachärztin für Psychiatrie und einen Arzt für Allgemeinmedizin zur Frage seiner Exekutivdienstfähigkeit veranlasst. In weiterer Folge zitierte die belangte Behörde das ärztliche Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung vom 05.06.2018 des Oberbegutachters des BVA-Pensionsservices. Weiter wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit einer Weiterverwendung bzw. einer Zuweisung eines Alternativarbeitsplatzes nicht einverstanden gewesen sei. Die Prüfung der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes im Wirkungsbereich der Dienstbehörde habe ergeben, dass alle in Frage kommenden Arbeitsplätze zumindest den Anforderungen des bisherigen Arbeitsplatzes entsprechen würden und der Beschwerdeführer wegen der Art und Schwere der vorliegenden Leiden auch nicht mehr imstande sei, die mit diesen Arbeitsplätzen verbundenen dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Daher sei der Beschwerdeführer amtswegig gemäß § 14 Abs. 1 und 3 BDG in den Ruhestand zu versetzen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 03.09.2018 fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde, wobei als Beschwerdegründe eine formelle und materielle Rechtswidrigkeit geltend gemacht wurden. Darin führte der Beschwerdeführer näher aus, seit 2014 trocken zu sein und keine Alkoholproblematik mehr aufzuweisen. Aktuell arbeite er an einer Reduktion seines Übergewichts und sei sein Magen im Zuge einer Operation im XXXX 2018 neuerlich verkleinert worden. Die im Bescheid angeführten Erkrankungen seien Folgen seines bisherigen Übergewichts und habe daher eine Gewichtsabnahme einen positiven Effekt auf die angeführten Erkrankungen und sollten in absehbarer Zeit kein relevantes Problem mehr darstellen. Auch stelle die diagnostizierte bipolare affektive Störung keine Einschränkung dar, da er medikamentös gut eingestellt und dementsprechend auch voll belastbar sei. Selbst das im Bescheid zitierte Gutachten führe an, dass die Medikation derzeit in Remission sei. Er habe kaum mehr Durchschlafstörungen oder Tagesmüdigkeit, sodass er den Belastungen seines Arbeitsplatzes wieder gewachsen sei. Auch gehe aus dem Gutachten hervor, dass psychiatrisch eine Besserung in einem Jahr zu erwarten sei. Unter einem legte der Beschwerdeführer den ärztlichen Entlassungsbericht vom 05.02.2018 vor, welchem u.a. zu entnehmen sei, dass er bereits 5,1 Kg abgenommen habe. Abschließend wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Psychiatrie und Allgemeinmedizin beantragt.

Unter Zugrundelegung der im Rahmen der BVA eingeholten Gutachten und dem von Dr. XXXX erstellten Ergänzungsgutachten vom 12.02.2018 und der ergänzenden Stellungnahme vom 26.03.2018 sowie dem Entlassungsbericht aus dem Rehabilitationszentrum XXXX , ist dem nervenärztlichen Ergänzungsgutachten vom 10.09.2018 von XXXX , zu dem der Arzt nochmals nach dem Einlagen der Beschwerde am 04.09.2018 ersucht wurde, u.a. zu entnehmen, dass eine inhaltliche vollständige Übereinstimmung zwischen den Konklusionen der eigenen Begutachtung und jener der BVA bestehe. In Bezug auf die Beurteilung des künftigen Verlaufs der Gesundheitssituation habe die BVA ein Kontrollgutachten in einem Jahr empfohlen. Diesbezüglich ist auszuführen, dass tatsächlich eine Besserung im gesundheitlichen Zustand möglich sei, insbesondere in Bezug auf die Adipositas und der damit im Zusammenhang stehenden Kurzatmigkeit und eine mögliche Reduktion der Dosierung der Psychopharmaka. Der Ausschluss von Nachtdiensten sei aus nervenärztlicher Sicht aber dennoch aufrechtzuerhalten aufgrund der bipolaren affektiven Erkrankung mit der Gefahr der massiven Störungen der biorhythmischen Abläufe durch regelmäßigen Entzug des Nachtschlafes im Nachtdienst und der Gefahr einer plötzlichen Destabilisierung der affektiven Situation in Form einer Manie oder auch einer schweren depressiven Episode. Auch könne wiederholter Schlafentzug auch neuerliche epileptische Anfälle auslösen, wenngleich diese Gefährdung aber als gering einzustufen sei.

Daher sei für den Beschwerdeführer zwar insgesamt eine günstige gesundheitliche Prognose durchaus möglich (anhaltende Stabilisierung der psychischen Befindlichkeit, Gewichtsreduktion, Abnahme der Panikattacken und Verminderung der Tagesmüdigkeit), jedoch sei davon auszugehen, dass das Leistungskalkül in Bezug auf Nachtdienste und mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf das Führen von Waffen weiterhin eingeschränkt verbleiben werde, sodass seine uneingeschränkte Tauglichkeit für den Dienst in der Justiz auch längerfristig nicht zu erwarten sein werde.

In Bezug auf den Entlassungsbericht aus dem Rehabilitationszentrum wurde ausgeführt, dass aus nervenärztlicher Sicht nicht weiter darauf einzugehen gewesen sei, weil es sich um ein Rehabilitationszentrum mit Schwerpunkt in der Behandlung von Stoffwechselparametern und Diabetes handle und keine psychosoziale Rehabilitation durchgeführt worden sei.

Mangels Vorliegen von Gutachten mit unterschiedlichen Aussagen sei dem Auftrag, ein Obergutachten zu erstatten, nicht entsprochen worden.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 13.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe E 2a in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. In dieser Funktion hat er den Arbeitsplatz des XXXX " in der Justizanstalt XXXX inne.

Am 24.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von einem Facharzt für Allgemeinmedizin und am 03.05.2018 von einer Fachärztin für Psychiatrie untersucht. Die Ergebnisse wurden im nachfolgenden Obergutachten vom 05.06.2018 zusammengefasst. Dabei wurden u.a. ein starkes Übergewicht und eine bipolar-affektive Störung, welche derzeit unter laufender hoher Medikation derzeit in Remission stehe, diagnostiziert. Dabei wurde auch festgehalten, dass psychiatrisch in einem Jahr mit einer Besserung zu rechnen ist.

Das nervenärztliche Ergänzungsgutachten vom 10.09.2018 ging von der Möglichkeit einer günstigen gesundheitlichen Prognose aus. Hingegen wurde das Leistungskalkül in Bezug auf Nachtdienste und mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf das Führen von Waffen weiterhin als eingeschränkt beurteilt. Eine uneingeschränkte (längerfristige) Tauglichkeit für den Dienst in der Justiz wurde verneint.

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen konnten aufgrund der Aktenlage getroffen werden. Dabei ist festzuhalten, dass alle eingeholten medizinischen Gutachten u.a ein starkes Übergewicht und eine bipolar-affektive Störung des Beschwerdeführers festgestellt haben. Den festgestellten Diagnosen wurde auch in der Beschwerde nicht konkret entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Zufolge § 135a Abs. 1 BDG 1979, liegt gegenständlich - da eine Angelegenheit einer Ruhestandsversetzung von Amts wegen gemäß § 14 BDG betreffend - eine Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt nach § 28 Abs. 2 Ziffer 2 voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. jüngst auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. 01.2017, Ra 2016/12/0109).

§ 14 Abs. 1 bis 4 BDG 1979 lautet:

"Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten - Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, wirksam."

§ 14 Abs. 2 BDG verlangt für die Annahme der Dienstunfähigkeit das kumulative Vorliegen zweier Voraussetzungen, nämlich die Unfähigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben des Beamten an seinem Arbeitsplatz infolge seiner gesundheitlichen Verfassung und die Unmöglichkeit der Zuweisung eines den Kriterien der zitierten Gesetzesbestimmung entsprechenden mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes (vgl. VwGH 23.06.2014, 2010/12/0209, mwN).

Voraussetzung für eine amtswegige Ruhestandsvoraussetzung ist gemäß § 14 Abs.1 BDG die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist demnach alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt (VwGH, 29.3.2012, Zl. 2008/12/0184).

Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. VwGH 29.03.2012, Zl. 2008/12/0184 mwN; 04.09.2012, Zl. 2012/12/0031, mwN).

Die Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten ist zunächst in Ansehung seines aktuellen beziehungsweise des zuletzt inne gehabten Arbeitsplatzes zu prüfen. Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Ergibt diese, dass der Beamte nicht mehr in der Lage ist, die konkreten dienstlichen Aufgaben seines Arbeitsplatzes in diesem Sinne zu erfüllen, ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Zuweisung eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes nach § 14 Abs. 2 BDG in Betracht kommt (Sekundärprüfung) (vgl. z.B. VwGH 14.10.2009, Zl. 2008/12/0212; 23.06.2014, Zl. 2010/12/0209, mwN).

Maßgebend ist daher primär jener Arbeitsplatz der dem Beamten zuletzt dienstrechtlich zugewiesen war (VwGH, 30.6.2010, Zl. 2009/12/0154 mwN). Darunter ist jener Arbeitsplatz zu verstehen, welcher ihm zuletzt dienstrechtlich wirksam zugewiesen war. In diesem Zusammenhang vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass es für die Feststellung der Wertigkeit eines Arbeitsplatzes nicht auf einen nach Organisationsnormen gesollten Zustand ankommt; entscheidend sind vielmehr die nach Maßgabe der herrschenden Weisungslage wirksam zugewiesenen Arbeitsplatzaufgaben. Dies gilt auch für die Beurteilung der Frage, von welcher aktuellen Verwendung (von welchem Arbeitsplatz) als Maßstab für weitere zu setzende Personalmaßnahmen auszugehen ist. Diese für Personalmaßnahmen getroffene Aussage ist auch auf die hier maßgebliche Frage zu übertragen, von welchem Arbeitsplatz für die im Ruhestandsversetzungsverfahren gebotene Primärprüfung auszugehen ist (VwGH 19.10.2016, Ra 2015/12/0041 mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der angefochtene Bescheid schon hinsichtlich dieser Primärprüfung als mangelhaft:

Im gegenständlichen Fall geht aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheids nicht hervor, welche konkreten Aufgaben bzw. Tätigkeiten der Beschwerdeführer an seinem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz zu erfüllen bzw. auszuführen hatte. Auch ist eine wörtliche Beschreibung seiner Tätigkeit dem Akt nicht zu entnehmen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den konkreten Aufgaben an diesem Arbeitsplatz hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid somit unterlassen.

Auch sind die Feststellungen über seine Fähigkeiten zur Verrichtung seiner dienstrechtlichen Tätigkeiten nicht ausreichend. Die ausschließlich auszugsweise Zitierung des ärztlichen Sachverständigengutachtens zur Leistungsfeststellung vom 05.06.2018, reicht hierfür keinesfalls aus, da im angefochtenen Bescheid insbesondere keine nähere Auseinandersetzung zwischen den konkreten dienstlichen Aufgaben und den ärztlichen Gutachten durchgeführt worden ist.

Ferner wurde dem gegenständlichen Verfahren auch keine aktuelle Arbeitsplatzbeschreibung oder ein Anforderungsprofil zu Grunde gelegt. Auch hat die belangte Behörde keine sachverhaltsmäßigen Feststellungen der dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers auf seinem zuletzt inne gehabten Arbeitsplatz getroffen (siehe schon oben). Auch aus den ärztlichen Gutachten lassen sich keine hinreichend genauen Angaben über die konkreten Tätigkeiten, die mit dem Arbeitsplatz verbunden sind, ableiten. Damit liegt insgesamt gesehen ein unvollständiger bzw. ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt vor. Dabei ist in diesem Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber anzuführen, dass dem nervenärztlichen Ergänzungsgutachten vom 26.03.2018 zwar zu entnehmen ist, dass dem Gutachter das Anforderungsprofil und die Beschreibung des Arbeitsplatzes des Beschwerdeführers übermittelt worden sei, eine daraus ableitbare Beschreibung der konkreten Tätigkeiten des Beschwerdeführers war dem Gutachten allerdings nicht zu entnehmen.

Unterbleibt die sachverhaltsmäßige Feststellung der dienstlichen Aufgaben des aktuellen Arbeitsplatzes, liegt schon aus diesem Grund ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH, 04.09.2012, Zl. 2012/12/0031; ähnlich VwGH 20.05.2009, Zl. 2008/12/0082 und VwGH 30.05.2011, 2007/12/0197 mwN). Die Frage, ob potenzielle Verweisungsarbeitsplätze für den Beschwerdeführer in Betracht zu ziehen sind, stellt sich erst bei negativem Ausgang der Primärprüfung an Hand des zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatzes (VwGH 30.05.2011, 2007/12/0197, mwN).

Damit hat die belangte Behörde iSd der eingangs angeführten Judikatur den Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt. Auf die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers war daher nicht näher einzugehen. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst die konkreten dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers auf dem zuletzt von ihm inne gehabten Arbeitsplatz und bei Bedarf (siehe die oben angeführte Judikatur) die Verweisarbeitsplätze festzustellen haben. Erst auf dieser Grundlage kann aufgrund ärztlicher Begutachtung eine fundierte Beurteilung seiner Dienstfähigkeit erfolgen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass die im angefochtenen Bescheid enthaltene Prüfung allfälliger Verweisarbeitsplätze völlig unsubstantiiert geblieben ist und damit auch in diesem Punkt ergänzungsbedürftig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die belangte Behörde besonders "nahe am Beweis" ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Da somit die erforderlichen entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Somit war der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines allfälligen neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitsplatz, dauernde Dienstunfähigkeit, dienstliche Aufgaben,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Ruhestandsversetzungsverfahren, Sachverständigengutachten,
Unschlüssigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W257.2205655.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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