TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/17 99/14/0002

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Veröffentlicht am 17.02.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §245 Abs1;
BAO §308 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/14/0003 E 17. Februar 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des W L in W, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 13. November 1998, RV-076.96/1-10/1996, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 29. August 1995 zugestellten Bescheid wurde der Beschwerdeführer für Abgaben der C-GmbH zur Haftung herangezogen.

Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 1995 beantragte er beim Finanzamt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Haftungsbescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinseztungsantrag im Instanzenzug ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt:

Der Beschwerdeführer habe im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, er habe nach Erhalt des Haftungsbescheides seine Rechtsvertreter, die Rechtsanwälte Dr. B und Dr. Z, angerufen. Bei diesem Telefonat habe ihm Dr. Z mitgeteilt, die Vorgangsweise des Finanzamtes entspreche jener der Gebietskrankenkasse, die bereits Ende 1993 die Geschäftsführerhaftung geltend gemacht habe. Wenn bisher nur an den Beschwerdeführer, nicht aber an MH ein Haftungsbescheid ergangen sei, so werde MH sicherlich in den nächsten Tagen einen Bescheid erhalten. Die Haftungsbescheide sollten dann entweder an den Steuerberater oder an die Rechtsanwälte mit dem Auftrag übermittelt werden, aus den beiden Kanzleien bekannten Gründen eine Berufung zu erheben. Nachdem in der Folge auch MH ein Haftungsbescheid zugestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer beide Haftungsbescheide per Post an die Rechtsanwaltskanzlei Dr. B und Dr. Z übermittelt. Am 4. Oktober 1995 hätten der Beschwerdeführer und MH in einer anderen Sache bei Dr. B vorgesprochen. Als Dr. Z zur Besprechung hinzugekommen sei, habe ihn der Beschwerdeführer auf die Haftungsbescheide angesprochen. Dabei sei zu Tage getreten, daß die Haftungsbescheide nicht in der Rechtsanwaltskanzlei eingelangt seien. Es sei davon auszugehen, daß die übersandten Bescheide auf dem Postweg verloren gegangen seien.

Dem Finanzamt seien "eidesstattliche Erklärungen" des Beschwerdeführers und des MH vorgelegt worden. MH führe in dieser Erklärung aus, nachdem ihm der Haftungsbescheid des Finanzamtes zugestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer Kopien der beiden Bescheide per Post an die Kanzlei Dr. B und Dr. Z übersandt. In der Erklärung des Beschwerdeführers werde ausgeführt, nach Erhalt des Haftungsbescheides habe er mit Dr. Z telefoniert, der ihm gesagt habe, er solle auf den zweiten Bescheid (jenen für MH) warten und sodann Kopien der Bescheide entweder an den Steuerberater oder an die Rechtsanwaltskanzlei übermitteln. Der Beschwerdeführer habe in der Folge die beiden Bescheide an die Kanzlei Dr. B und Dr. Z übermittelt.

In der Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit welchem der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen worden war, sei u. a. ausgeführt worden, der Beschwerdeführer habe im Telefonat mit Dr. Z keinen Auftrag erteilt. Es wäre Sache des Beschwerdeführer gewesen, nach Erhalt des zweiten Haftungsbescheides zu entscheiden, ob der Steuerberater oder ob die Rechtsanwälte Dr. B und Dr. Z mit der Erstellung eines Rechtsmittel beauftragt würden. Mangels eines solchen Auftrages hätte Dr. Z keine Frist in seine Fristenvormerkung eintragen können. Dr. Z hätte nicht annehmen können, daß die Unterlagen nicht an den Steuerberater übermittelt worden seien. Es sei unrichtig, daß die Übermittlung der Unterlagen nicht hätte glaubhaft gemacht werden können. Das Finanzamt habe die angebotene Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Vertreters nicht durchgeführt. Der Verlust von Poststücken auf dem Postweg sei ein unvorhergesehenes Ereignis, an welchem den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe.

Nachdem das Finanzamt den Beschwerdeführer aufgefordert hatte, die rechtzeitige Postaufgabe der Haftungsbescheide an die Kanzlei Dr. B und Dr. Z glaubhaft zu machen, habe der Beschwerdeführer ein Schreiben eingereicht, in welchem u.a. ausgeführt werde, es liege kein Anhaltspunkt dafür vor, daß er nach der Zustellung der Haftungsbescheide noch über die Rechtsmittelfrist hinaus zugewartet hätte. Er habe die Postaufgabe in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erhalt des Bescheides betreffend MH vorgenommen.

Der Beschwerdeführer habe in der Folge eine weitere "eidesstättige Erklärung" vorgelegt, in welcher ausgeführt werde, daß die beiden Haftungsbescheide nach ihrer Zustellung in engem zeitlichen Zusammenhang zu diesem Ereignis, jedenfalls schon nach einem Bruchteil des als Rechtsmittelfrist zur Verfügung stehenden Zeitraumes, per Post an die Kanzlei Dr. B und Dr. Z übersandt worden seien. Es lasse sich kein Anhaltspunkt dafür erkennen, daß die Übermittlung erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt sei.

Im Verwaltungsverfahren sei sodann eine weitere "eidesstättige Erklärung" des MH vorgelegt worden, in welcher dieser ausführe, die in seiner früheren "eidesstättigen Erklärung" geschilderte Übermittlung der Bescheidkopien an die Kanzlei Dr. B und Dr. Z sei in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung des Bescheides an ihn erfolgt.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag vom 13. Oktober 1995 nicht zielführend, weil nicht dargelegt worden sei, die Versendung der Unterlagen sei so erfolgt, daß die Rechtsanwaltskanzlei hätte Berufung erheben können, zumal erst in einem späteren Schriftsatz die Behauptung aufgestellt worden sei, die Übersendung der Bescheidkopien sei in zeitlichem Zusammenhang mit der Zustellung an die Bescheidempfänger erfolgt.

Bedeutsam sei auch, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe darzutun, daß innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Auftrag zur Einbringung der Berufung erteilt worden sei. Bei dem im Gefolge der Zustellung des Haftungsbescheides an den Beschwerdeführer geführten Telefonat mit Dr. Z sei nach der ausdrücklichen Behauptung des Beschwerdeführers kein Auftrag erteilt worden. Nach der Darstellung des Beschwerdeführers sei es später zwar zur Übermittlung der Bescheidkopien gekommen. Ein Auftrag zur Verfassung und Einbringung einer Berufung sei aber nicht erteilt worden. Es hätte zusätzlich zur Übersendung der Bescheidkopien einer konkreten Auftragserteilung bedurft. Nach den Angaben des Beschwerdeführers habe die angeblich auf dem Postweg verloren gegangene Sendung einen solchen Auftrag nicht enthalten, sodaß der Beschwerdeführer selbst bei Einlagen der Sendung in der Rechtsanwaltskanzlei nicht mit der rechtzeitigen Erhebung eines Rechtsmittels hätte rechnen können. Das vom Beschwerdeführer behauptete unvorhergesehene Ereignis sei daher nicht für die Versäumung der Frist kausal.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei auffallend, daß es der Beschwerdeführer nach seiner Darstellung für ausreichend erachtet habe, der Rechtsanwaltskanzlei Ablichtungen von den Haftungsbescheiden zu übersenden, und sich nicht weiter um die Wahrnehmung der Rechtsmittelfrist gekümmert habe. Der Beschwerdeführer handle auffallend sorglos, wenn er zwar Bescheidkopien übersende, sich jedoch nicht rechtzeitig versichere, ob die Rechtsanwaltskanzlei für ihn tatsächlich einschreite. Hiezu komme, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Übermittlung von Haftungsbescheiden die Rechtsanwälte nicht in die Lage versetzt habe, Rechtsmittel zu erheben. Der Beschwerdeführer hätte der Kanzlei zumindest mitteilen müssen, wann die Bescheide zugestellt worden seien und wann somit die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt worden sei. Es werde nicht behauptet, eine derartige Information sei im Rahmen der Übersendung der Bescheidkopien erteilt worden. Somit sei dem Beschwerdeführer ein auffallend sorgloses Verhalten vorzuwerfen. Von einem minderen Grad des Versehens könne keine Rede sei. Dem Beschwerdeführer als ehemaligem Geschäftsführer einer GmbH sei zuzumuten, daß er bei der Wahrnehmung von behördlichen Fristen entsprechend sorgfältig handle. Wenn er zwar Bescheidkopien übersende, sich aber nicht darum kümmere, ob der Empfänger der Kopien für ihn auch einschreite, so handle er auffallend sorglos.

Zudem sei die Behauptung, der Beschwerdeführer habe Bescheidkopien der Rechtsanwaltskanzlei übersendet und diese Kopien seien auf dem Postweg verloren gegangen, in Zweifel zu ziehen. Der einschreitende Rechtsanwalt habe in mehreren Eingaben im Verwaltungsverfahren in Zusammenhang mit anderen behördlichen Erledigungen ausdrücklich vorgebracht, diese anderen Erledigungen seien ihm vom Beschwerdeführer mittels Telefax übermittelt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Berufung oder in den "eidesstättigen Erklärungen" durch Angabe eines konkreten Aufgabedatums und des Aufgabeortes dargelegt, wann und wo die angeblich verloren gegangene Sendung zur Post gegeben worden sei. MH bestätige in seiner Erklärung die Postaufgabe durch den Beschwerdeführer, habe jedoch nicht einmal behauptet, bei dieser Handlung anwesend gewesen zu sein. Den "eidesstättigen Erklärungen" komme keine allzu große Beweiskraft zu, weil sie von den von der Fristversäumnis betroffenen Personen abgegeben worden seien und daher eher den Charakter von Schutzbehauptungen hätten. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß die behauptete Übersendung von Bescheidkopien an den Rechtsanwalt gar nicht stattgefunden habe. Dafür spreche auch, daß der Beschwerdeführer andere behördliche Schriftstücke nicht im Postweg, sondern per Telefax an den Rechtsanwalt übermittelt habe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gegen die Versäumung einer Frist ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die belangte Behörde geht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht ausdrücklich davon aus, daß der Beschwerdeführer den Rechtsanwälten Dr. B und Dr. Z keinen Auftrag zur Einbringung einer Berufung gegen den Haftungsbescheid erteilt habe. Er habe sie auch nicht über den Tag der Zustellung des Haftungsbescheides informiert. Dieser Sachverhaltsfeststellung tritt die Beschwerde nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, daß bereits das Unterbleiben der Erteilung des Auftrages zur Erhebung der Berufung zur Versäumung der Berufungsfrist geführt hat. Der Beschwerdeführer selbst hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag angeführt, er hätte die Bescheidkopien dem Steuerberater oder den Rechtsanwälten "mit dem Auftrag", eine Berufung zu erheben, übermitteln sollen. Diese Auftragserteilung ist aber unterblieben. Die Übersendung von Bescheidkopien ohne entsprechenden Auftrag bewirkt für sich nicht die Erhebung einer Berufung. Andererseits hätte der Rechtsanwalt, wäre ihm ein Auftrag zur Erhebung der Berufung erteilt worden, eine (weitere) Kopie des Bescheides vom Beschwerdeführer (oder allenfalls vom Finanzamt) anfordern können, wenn die ihm zunächst übersandte Kopie am Postweg in Verlust gegangen ist.

Warum die Erteilung eines Auftrages an den Rechtsanwalt unterblieben ist, hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde - wie nach den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid auch im Verwaltungsverfahren - nicht dargetan. Schon daraus ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer nicht in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt. Selbst wenn unterstellt wird, die Fristversäumnis sei darauf zurückzuführen, daß die Bescheidkopie am Postweg in Verstoß geraten ist, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: Wird eine Bescheidkopie ohne weitere Anweisung dem Rechtsanwalt übersandt, hat es die belangte Behörde zu Recht als auffallende Sorglosigkeit qualifiziert, wenn nicht rechtzeitig mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufgenommen und der entsprechende Auftrag erteilt wird.

Im gegebenen Zusammenhang braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde, die den Verlust der Postsendung als nicht erwiesen angenommen hat, dadurch Verfahrensvorschriften verletzt hat, daß sie entgegen einem Antrag des Beschwerdeführers dessen Rechtsanwalt nicht (zu diesem Thema) einvernommen hat.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999140002.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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