TE Bvwg Beschluss 2019/3/7 W138 2215452-1

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Veröffentlicht am 07.03.2019
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Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

BVergG 2006 §172
BVergG 2006 §4
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W138 2215452-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Sanierung Altlast W30; Frachtenbahn Wien Nord Abbrucharbeiten Bereich „Freie Mitte"", der Auftraggeberin ÖBB-lnfrastruktur Aktiengesellschaft, Praterstern 3, 1020 Wien, vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der B XXXX GmbH, XXXX , vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH, Mölker Bastei 5, 1010 Wien, vom 04.03.2019 das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweillige Verfügung erlassen, in welcher "der Auftraggeberin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des BVwG im Nachprüfungsverfahren untersagt wird, im Vergabeverfahren „Sanierung Altlast W30; Frachtenbahn ,Wien Nord' Abbrucharbeiten Bereich ,Freie Mitte"' den Zuschlag zu erteilen" folgenden Beschluss:

A)

Dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge der Auftraggeberin mittels einstweiliger Verfügung die Erteilung des Zuschlags im gegenständlichen Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, wird gemäß §§ 350 Abs. 1, 351 Abs. 1, 3 und 4 BVergG 2018 stattgegeben.

Der Auftraggeberin ist für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schriftsatz vom 04.03.2019, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der am 22.02.2019 übermittelten Zuschlagsentscheidung, Akteneinsicht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin und die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Auftraggeberin habe einen Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Sektorenbereich nach dem Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Angefochtene Entscheidung sei die Zuschlagsentscheidung vom 22.02.2019. Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung gab die Antragstellerin zusammengefasst folgendes an:

1. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe durch ihre Beteiligung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens und der Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen einen wesentlichen Vorteil und Informationsvorsprung erlangt, der zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Bietern geführt habe. Die Auftraggeberin habe den anderen Bietern weder sämtliche Informationen und Unterlagen zur Verfügung gestellt, die aus den Vorarbeiten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin resultieren würden, noch habe sie eine für den Ausgleich des Informations- und Wissensvorsprungs angemessene Angebotsfrist vorgesehen.

2. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei unmittelbar, wie auch mittelbar an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt gewesen. Der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien die der Ausschreibung konkret zugrunde gelegten Sanierungsmaßnahmen bereits lange vor Bekanntmachung der Ausschreibung bekannt gewesen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe zudem die für die Entscheidung, welche der möglichen Sanierungsvarianten zur Ausführung gelangen sollen, erforderlichen Bohrproben und Analysen am Gelände durchgeführt. Überdies sei ein Großteil jener Pläne, welche den Ausschreibungsunterlagen zugrunde liegen würden, von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erstellt worden. Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin für die Auftraggeberin erstellten bzw in Auftrag gegebenen Unterlagen, Studien und Gutachten, die von der Auftraggeberin in die Ausschreibungsunterlagen übernommen worden seien, würden eine mittelbare Beteiligung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens darstellen. Die Zuschlagsempfängerin habe durch die schon im Mai 2017 beginnende Befassung mit dem auszuschreibenden Projekt spezifische Vorkenntnisse erlangt und habe ihr Angebot dadurch entsprechend vorbereiten und anpassen können. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin bzw eines ihrer Mitglieder an der Erarbeitung des Leistungsverzeichnisses jedenfalls mittelbar mitgewirkt habe.

3. Im vorliegenden Fall habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin durch die Erstellung der Variantenstudie und des Vorerkundungsberichts, durch die Durchführung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens in Vertretung der Auftraggeberin, durch die Entnahme mehrerer Bohrkerne und durch die Probenentnahme zur chemischen Materialtestung sowie durch umfangreiche weitere Vorarbeiten (Planerstellungen, Mitwirkung am SIGE-Plan etc) umfassende Vorkenntnisse erworben. Darüber hinaus sei die präsumtive Zuschlagsempfängerin wesentlich in die Gestaltung der Ausschreibung eingebunden gewesen und habe sämtliche Pläne erstellt, die als Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen beigelegt worden seien. Insgesamt seien die Vorkenntnisse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin derart tiefgehend, dass diese durch die übrigen Bieter und damit auch durch die Antragstellerin selbst bei Kenntnis der relevanten Unterlagen keinesfalls aufholbar gewesen wären.

4. Der Antragstellerin seien wesentliche, der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorliegende Unterlagen bis heute nicht übermittelt worden. Da die Auftraggeberin die von der Zuschlagsempfängerin erstellten Unterlagen, insbesondere die wasserrechtlichen Einreichunterlagen nicht mit den Ausschreibungsunterlagen und auch nicht mit späteren Nachsendungen übermittelt habe, liege jedenfalls eine Wettbewerbsverzerrung vor. Die Zuschlagsempfängerin hätte Unterlagen zur Verfügung gehabt, von denen die Antragstellerin nicht einmal Kenntnis gehabt habe. Die Auftraggeberin habe die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erstellten Unterlagen nicht zu Beginn des Vergabeverfahrens mit den übrigen Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt, sondern diese erst gegen Ende der Angebotsfrist und oft nur auf Nachfrage durch die Antragstellerin an die Bieter übermittelt. Nach Erhalt dieser wesentlichen Unterlagen, insbesondere der Variantenstudien, am 10.01.2019, seien der Antragstellerin somit lediglich elf Tage zur Berücksichtigung bei der Erstellung ihres Angebots geblieben. Der Antragstellerin sei daher keine angemessene Angebotsfrist zur Verfügung gestanden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe einen massiven Informationsvorsprung gehabt, der ihr einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre zwingend auszuscheiden gewesen, da die Auftraggeberin es verabsäumt habe, für einen fairen und transparenten Wettbewerb zwischen den Bietern zu sorgen.

5. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe sich seit Mai 2017 intensiv und umfassend mit der der Qualitätsbewertung zugrundeliegenden Fragestellung im Detail befassen können. Der Antragstellerin sei demgegenüber eine ungleich kürzere Zeitspanne von wenigen Wochen geblieben, um sich mit dem Projekt vertraut zu machen; wesentliche Unterlagen, die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angefertigt worden seien, wie insbesondere das wasserrechtliche Einreichoperat und die Variantenstudie seien der Antragstellerin erst wenige Tage vor Ablauf der Angebotsfrist übermittelt worden, und dies nicht einmal in vollständigem Umfang, sondern nur zum Teil. Im Ergebnis sei somit bereits die Wahl der Zuschlagskriterien diskriminierend und damit vergaberechtswidrig, da sie der präsumtiven Zuschlagsempfängerin einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil verschafft und daher den Wettbewerb zwischen den Bietern zu ihren Gunsten verzerrte hätten.

6. Die Auftraggeberin sei zur Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen.

7. Bei gesetzeskonformer Durchführung der vertieften Angebotsprüfung wäre die Auftraggeberin zu dem Ergebnis gelangt, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden sei. Das Angebot der Zuschlagsempfängerin weise gegenständlich schon deshalb eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auf, weil die ausgeschriebene Leistung zu dem angebotenen Preis nicht gesetzeskonform erbringbar sei. Der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erscheine zudem spekulativ.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 06.03.2019 erteilte diese allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Dienstleistungauftrag im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich mit EU-weiter Bekannmachung, der nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in der EU sei am 05.10.2018 und in Österreich am 08.10.2018 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung sei über die Plattform ProVia am 22.02.2019 und per E-Mail an die Bieter erfolgt.

Die Auftraggeberin verzichtete zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf die Abgabe einer inhaltlichen Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Auftraggeberin, die ÖBB-lnfrastruktur Aktiengesellschaft, hat einen Dienstleistungauftrag im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich der nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden soll, ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich ist am 08.10.2018 und in der EU am 05.10.2018 erfolgt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 06.03.2019).

Am 22.02.2019 erfolgte die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung zugunsten der Bietergemeinschaft XXXX T. XXXX GmbH XXXX . K XXXX Gesellschaft m.b.H. (Schreiben der Auftraggeberin vom 06.03.2019).

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.

Der Antrag ist rechtzeitig. Die Pauschalgebühren wurden entrichtet.

2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

Maßgebliche Rechtslage

Am 21. August 2018 trat das BVergG 2018 nach seinem § 376 Abs. 1 in Kraft und das BVergG 2006 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.

Nach § 376 Abs. 4 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 eingeleitet waren, nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Vergabeverfahren nach dem 21.08.2018 eingeleitet wurde, ist es nach der geltenden Rechtslage, dem BVergG 2018, zu führen und zu beurteilen.

Nach § 376 Abs. 4 BVergG 2018 sind Nachprüfungsverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, ist es nach der Rechtslage des BVergG 2018 zu führen.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

Auftraggeberin iSd § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die ÖBB-lnfrastruktur Aktiengesellschaft. Sie übt eine Sektorentätigkeit iSd § 172 Abs. 1 BVergG aus, da sie ein Netz zur Versorgung der Öffentlichkeit mit Verkehrsleistungen auf der Schiene betreibt. Sie ist öffentlicher Auftraggeberin iSd § 4 Abs 1 Z 2 BVergG, da sie durch die Bereitstellung von Schieneninfrastruktur zum Zweck der Erbringung im Allgemeininteresse stehender Aufgaben nichtgewerblicher Art gegründet wurde und diese betreibt, als Aktiengesellschaft vollrechtsfähig ist und zu 100 % im Eigentum der Republik Österreich steht. Die Auftraggeberin ist daher öffentliche Sektorenauftraggeberin gemäß § 167 BVergG (zB BVA 4. 10. 2013, N/0088-BVA/10/2013-40 mwN). Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 177 iVm § 7 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin handelt es sich gemäß § 185 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 um ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs. 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zu prüfen, ob der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Zuschlagserteilung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung - nämlich der Zuschlagsentscheidung - behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet hat, sowie dass der Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 ist somit nicht gegeben.

Gemäß § 343 Abs. 1 BVergG 2018 sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax im Oberschwellenbereich binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung erfolgte mit Schreiben vom 22.02.2019. Der Nachprüfungsantrag ist am 04.03.2019 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Der Antrag wurde auch vergebührt und erfüllt - soweit im Provisorialverfahren ersichtlich - auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Die Antragstellerin hat den Antrag auf Untersagung der Zuschlagserteilung gestellt.

Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Zuschlagsentscheidung vom 22.02.2019 die Vergabe an die Bietergemeinschaft XXXX T XXXX GmbH XXXX . K XXXX Gesellschaft m.b.H., beabsichtigt ist, diese aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Zuschlag in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht.

Die Auftraggeberin verzichtete ausdrücklich auf eine inhaltliche Stellungnahme zum Antrag der Antragstellerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und des Auftraggebers, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dauer der Maßnahme, Dienstleistungsauftrag, einstweilige Verfügung,
Entscheidungsfrist, Frist, Interessenabwägung, Nachprüfungsantrag,
Nachprüfungsverfahren, öffentliche Interessen, öffentlicher
Auftraggeber, Provisorialverfahren, Schaden, Untersagung der
Zuschlagserteilung, Vergabeverfahren, vertiefte Angebotsprüfung,
Wettbewerb, Wettbewerbsrelevanz, Zuschlagsverbot für die Dauer des
Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W138.2215452.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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