TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/18 97/07/0010

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Veröffentlicht am 18.02.1999
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

ChemG 1987 §55 Z10;
LösungsmittelV 1995 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des Dkfm. PK in W, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Dezember 1996, Zl. Senat-MD-95-137, betreffend Übertretung des Chemikaliengesetzes (weitere Partei: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Dezember 1996 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der K HandelsgesmbH mit Sitz in P zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft am 12. Oktober 1994 entgegen dem Verbot gemäß § 2 Abs. 1 der Lösungsmittelverordnung (BGBl. Nr. 492/1991), CKW-haltige Zubereitungen unter den Bezeichnungen "Radex Tinner" und "Kores Fluid und Tinner Set" in Verkehr gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 55 Z. 10, § 14 Abs. 1 Chemikaliengesetz iVm § 2 Abs. 1 der Lösungsmittelverordnung übertreten. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 30.000,-- gemäß § 55 erster Strafsatz Chemikaliengesetz verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, unter die im § 1 Abs. 1 der hier anzuwendenden Lösungsmittelverordnung genannten Zubereitungen fielen auch Farben, Lacke und Anstrichmittel. Bei den im Spruch genannten Produkten handle es sich unzweifelhaft um Anstrichmittel im Sinne dieser Norm, da sie für eine dauerhafte Beschichtung der Papieroberfläche vorgesehen seien. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Behandlung lediglich punktuell erfolgt oder großflächig wie bei Oberflächenbehandlung von Holz und dergleichen. Die Lösungsmittelverordnung sehe nämlich keine diesbezügliche Unterscheidung zwischen geringfügiger und großflächiger Anwendung vor. Demnach sei auch die geringflächige bzw. punktuelle Behandlung von Oberflächen vom Verbot des § 2 Abs. 1 Lösungsmittelverordnung umfasst, sodass das Inverkehrbringen dieser Zubereitungen, die chlorierte Kohlenwasserstoffe enthielen, verboten gewesen sei. Die Ausnahmeregelung des § 5 Lösungsmittelverordnung sei auf den konkreten Fall nicht anzuwenden. Abgesehen davon, dass nach den vorliegenden Unterlagen die Produkte lediglich zum großen Teil, nicht jedoch ausschließlich dem Export gedient hätten, sei die Ausnahmeregelung des § 5 Lösungsmittelverordnung lediglich auf die hier bezogenen Produkte (Schaumstoffkleber) anzuwenden und beziehe sich diese Ausnahmeregelung nicht auf Produkte nach § 1 Abs. 1 Z. 1 Lösungsmittelverordnung, welche im konkreten Fall in Verkehr gesetzt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht bestraft zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie gab eine Äußerung ab. Hiezu replizierte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 1997. Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie ergänzte seine Stellungnahme mit Schreiben vom 21. Jänner 1998.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 55 Z. 10 des Chemikaliengesetzes, BGBl. Nr. 326/1987, macht sich, wer einer gemäß § 14 Abs. 1 oder 2 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 200.000,--, im Wiederholungsfall bis zu S 400.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, soweit es zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt erforderlich ist, nach Anhörung der Chemikalienkommission durch Verordnung festzulegen, dass bestimmte gefährliche Stoffe, gefährliche Zubereitungen oder gefährliche Fertigwaren nicht, nur in bestimmter Beschaffenheit, Menge, Aufmachung, Verpackung oder Kennzeichnung, nur für bestimmte Zwecke oder nur mit Beschränkungen, hergestellt, in Verkehr gesetzt oder verwendet werden dürfen.

Gemäß § 2 Abs. 9 leg. cit. ist "in Verkehr setzen" das zu Erwerbszwecken erfolgende Einführen, Ausführen, Vorrätig halten, Feilhalten, Abgeben und Ankündigen einschließlich der Werbung, sofern diese nicht ausschließlich für Gewerbetreibende bestimmt ist.

Aufgrund des § 14 Abs. 1 des Chemikaliengesetzes wurde vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Verordnung über Verbote und Beschränkungen von organischen Lösungsmitteln am 11. September 1991, BGBl. Nr. 492/1991, erlassen, welche bis 31. Dezember 1995 in Kraft gestanden ist (siehe hiezu § 12 Abs. 2 der Lösungsmittelverordnung 1995, BGBl. Nr. 872/1995).

Gemäß § 1 Abs. 1 enthält die Lösungsmittelverordnung Bestimmungen über organische Lösungsmittel in

1. Farben (einschließlich Druckfarben und Holzbeizen), Lacken und sonstigen, in den folgenden Ziffern nicht genannten Anstrichmitteln,

2.

Holzschutzmitteln,

3.

Bautenschutzmitteln (einschließlich Bitumenkaltklebern),

4.

Klebstoffen und

5.

Abbeizmitteln.

Gemäß § 2 Abs. 1 dieser Verordnung ist das Inverkehrsetzen von Zubereitungen gemäß § 1 Abs. 1, die als Lösungsmittel chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) oder Benzol enthalten, durch Hersteller und Importeure ab 1. Juli 1992 verboten. Als benzol- bzw. CKW-frei gelten Zubereitungen mit einem jeweiligen Masseanteil von weniger als 0,1 vH.

Abweichend von Abs. 1 dürfen im Abs. 2 dieses Paragrafen näher aufgezählte - im Beschwerdefall nicht in Betracht kommende - Zubereitungen noch mit einem höheren CKW-Gehalt in Verkehr gesetzt werden.

§ 5 der Lösungsmittelverordnung hat folgenden Wortlaut:

"Ausnahmen

§ 5. Ausgenommen von § 2 Abs. 1 hinsichtlich der im § 2 Abs. 2 Z. 2 genannten Zubereitungen sowie von den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 ist das Inverkehrsetzen zu Exportzwecken, wenn der ausländische Abnehmer eine von diesen Bestimmungen abweichende Zusammensetzung der Zubereitungen gemäß § 1 Abs. 1 verlangt und die technischen Lieferbedingungen auf Verlangen abschriftlich dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vorgelegt werden. Die Mitteilungspflicht des § 16 Abs. 4 Chemikaliengesetz bleibt unberührt."

Die §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Lösungsmittelverordnung sowie § 16 Abs. 4 Chemikaliengesetz sind im Beschwerdefall nicht weiter von Bedeutung.

Der Beschwerdeführer trägt in der Beschwerde vor, die Lösungsmittelverordnung sei auf die von der K C. GmbH hergestellten Produkte "Radex Tinner" und "Kores Fluid und Tinner Set" deshalb nicht anwendbar, weil sie keine sonstigen Anstrichmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 der hier anzuwendenden Lösungsmittelverordnung seien. Die im § 1 Abs. 1 Z. 1 dieser Verordnung angeführten "sonstigen Anstrichmittel" dienten - im Gegensatz zu den Produkten der K C. GmbH - der großflächigen Oberflächenbehandlung von Baustoffen, Holz, Metallen etc.

§ 2 Abs. 1 der hier anzuwendenden Lösungsmittelverordnung verbietet das Inverkehrsetzen von Zubereitungen gemäß § 1 Abs. 1 ab 1. Juli 1992 durch Hersteller und Importeure, sofern diese Zubereitungen als Lösungsmittel chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) oder Benzol mit einem Masseanteil von zumindest 0,1 vH enthalten. Zu welchem Zweck und wie diese Zubereitungen verwendet werden, ist nicht von entscheidender Bedeutung.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Berufung aus, die hier zu beurteilenden Produkte dienten dazu, auf beschriebenem Papier punktuell Schreibfehler zu überdecken, um dann die betreffende (meist winzige Stelle) mit dem oder den richtigen Buchstaben zu beschreiben. Ausgehend von dieser Angabe hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - vom Beschwerdeführer unbekämpft - festgestellt, diese Produkte dienten einer dauerhaften Beschichtung der Papieroberfläche. Der belangten Behörde kann bei diesem Ergebnis daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen ist, dass es sich bei diesen Produkten um Anstrichmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 Lösungsmittelverordnung handelt. Unerheblich ist nämlich, ob die Behandlung der Papieroberfläche lediglich punktuell oder großflächig erfolgt.

Den Vorwurf der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer hergestellten Zubereitungen seien entgegen dem Verbot des § 2 Abs. 1 Lösungsmittelverordnung in Verkehr gesetzt worden, hat der Beschwerdeführer nie mit dem Hinweis bestritten, die Produkte seien "CKW-frei". In seiner Stellungnahme vom 21. April 1995 an die Strafbehörde erster Instanz hat vielmehr der Beschwerdeführer die Verwendung von 1.1.1.-Trichlorethan zugestanden, ohne in diesem Zusammenhang vorzubringen, dass dieser Stoff einen Masseanteil an Kohlenwasserstoffen enthalte, der als CKW-frei im Sinne des § 2 Abs. 1 letzter Satz Lösungsmittelverordnung gilt. Bei dieser Sachlage bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die belangte Behörde diesbezüglich von Amts wegen keine weiteren Beweiserhebungen durchgeführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1992, Zl. 91/17/0054, u.v.a.).

Die Ausnahmebestimmung des § 5 Lösungsmittelverordnung kommt im Beschwerdefall nicht zur Anwendung. Die Ausnahmeregelung bezieht sich nur auf die im § 2 Abs. 2 Z. 2 genannten Zubereitungen. Anstrichmittel gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Lösungsmittelverordnung sind jedoch im § 2 Abs. 2 leg. cit. nicht angeführt. Ob daher die hier zu beurteilenden Produkte ausschließlich zu Exportzwecken in Verkehr gesetzt worden sind, ist für im Beschwerdefall zu lösende Rechtsfrage ohne Bedeutung.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997070010.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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