TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/22 98/17/0316

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Veröffentlicht am 22.02.1999
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Index

L34008 Abgabenordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AbgVG Vlbg 1984 §121 Abs1;
AbgVG Vlbg 1984 §129 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
BAO §278;
BAO §311 Abs1;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen die Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten Anschlussgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz, LGBl. Nr. 23/1984, wird die Berufung des Beschwerdeführers vom 5. September 1989 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom 18. August 1989 betreffend Vorschreibung eines Anschlussbeitrages in Höhe von S 19.305,60 für das Bauwerk auf Grundstück Nr. X zurückgewiesen.

Die Gemeinde Frastanz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom 18. August 1989 wurde dem Beschwerdeführer ein Anschlussbeitrag in der Höhe von S 19.305,60 für das Bauwerk auf Grundstück Nr. X vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und seine Gattin mit Eingabe vom 5. September 1989 Berufung. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom 8. Jänner 1990 wurde der Anschlussbeitrag entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers auf S 18.446,40 reduziert. Dieser Bescheid ist formal als erstinstanzlicher Bescheid gestaltet und entsprach - wie auch in der Beschwerde zugestanden wird - vollinhaltlich dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers.

Mit Schreiben an die Marktgemeinde Frastanz vom 30. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 6 Kanalgesetz die Feststellung, dass beim gegenständlichen Gebäude die anfallende Schmutzwassermenge weniger als 40 v.H. der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge betrage, die Reduzierung des Anschlussbeitrages um drei Achtel und die Überweisung des Differenzbetrages auf sein Konto.

Mit Bescheid vom 15. April 1996 wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Frastanz diesen Antrag ab, wobei er ausdrücklich davon ausging, dass es sich um einen Antrag auf Wiederaufnahme des durch Bescheid vom 8. Jänner 1990 abgeschlossenen Verfahrens handelte. Wie auch in der Beschwerde außer Streit gestellt wird, blieb eine Anfechtung dieses Bescheides (letztlich mit Vorstellung) ohne Erfolg, sodass der Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde wird die Säumnis der Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz hinsichtlich der Berufung vom 5. September 1989 geltend gemacht. Es wird dazu ausgeführt, dass mit dem Bescheid vom 8. Jänner 1990 zwar dem Berufungsbegehren des Beschwerdeführers materiell vollinhaltlich entsprochen worden sei, dass der Bescheid jedoch keine Berufungsentscheidung sei und somit in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Berufung vom 5. September 1989 unerledigt sei. Der Antrag vom 30. Jänner 1995 sei auch als Erweiterung der Berufung zu werten und zu würdigen.

Die belangte Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz hat eine Stellungnahme abgegeben, in der darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer am 1. April 1998 darauf hingewiesen habe, dass die Berufung vom 5. September 1989 unerledigt geblieben sei und sein Antrag vom 30. Jänner 1995 auf Herabsetzung des Anschlussbeitrages deshalb auch als Erweiterung seiner Berufung vom 5. September 1989 zu werten und zu würdigen sei.

Auf Grund dieses neuerlichen Vorbringens habe der Bürgermeister der Gemeinde Frastanz mit Bescheid vom 3. Dezember 1998 dieses neuerliche Begehren abgewiesen. In der Begründung sei darauf hingewiesen worden, dass der Bescheid vom 8. Jänner 1990 in Rechtskraft erwachsen sei. Der Antrag vom 1. April 1998 sei deshalb wegen entschiedener Sache abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung eingebracht. Das Berufungsverfahren sei noch anhängig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, erging über die Berufung vom 5. September 1989 keine formelle Berufungsvorentscheidung oder Berufungsentscheidung. Der von der Gemeinde vorgelegte Bescheid vom 8. Jänner 1990 ist als erstinstanzlicher Bescheid ausgestaltet und enthält insbesondere die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen den Bescheid binnen eines Monats nach Zustellung beim Gemeindeamt schriftlich oder telegrafisch das Rechtsmittel der Berufung eingebracht werden könne. Der Bescheid kann daher nicht als Berufungsvorentscheidung über die Berufung vom 5. September 1989 aufgefasst werden. Die belangte Behörde selbst hat sich in ihrer Gegenschrift nicht darauf berufen, dass der Bescheid des Bürgermeisters eine Berufungsvorentscheidung sei, sondern dass der Bürgermeister als unzuständige Behörde entschieden habe.

Über den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Jänner 1995, den dieser nunmehr als eine Erweiterung seiner Berufung gewertet wissen will, wurde jedoch von den Gemeindebehörden rechtskräftig abgesprochen. Die Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der Vorarlberger Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

Die von der Abgabenberufungskommission in ihrer Stellungnahme genannte Entscheidung vom 3. Dezember 1998 versteht sich als eine Entscheidung über ein "neuerliches Begehren" des Beschwerdeführers vom 1. April 1998. Auch diese Entscheidung traf somit keine Entscheidung über die Berufung vom 5. September 1989, hinsichtlich der der Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde erhoben hat.

Die Entscheidungspflicht der belangten Behörde ist auch nicht dadurch weggefallen, dass nach Einbringung der Berufung ein neuerlicher erstinstanzlicher Bescheid ergangen ist, mit dem dem Standpunkt des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung getragen wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derogiert dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen (vgl. zu dieser Frage auch S. Pesendorfer, "Übergenuß" bei öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnissen, JBl 1991, Seite 152, 158 f., der allerdings von "rechtskräftigen Bescheiden" spricht). Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, vorausgesetzt, tritt der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. April 1981, Zl. 09/3279/78, 09/0536/79, vom 26. Juni 1981, Zl. 81/08/0023, vom 27. September 1984, Zl. 83/08/0215, und vom 16. September 1994, Zlen. 94/17/0159, 0160, 0161 und 0280). Doch bedeutet der dadurch eingetretene Wegfall des mit Berufung bekämpften Bescheides nicht, dass die Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde weggefallen wäre. Mangels Vorliegens eines angefochtenen Bescheides wäre die Berufung vielmehr zurückzuweisen gewesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458 A, ausgesprochen hat, ist die Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann gegeben, wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung bestehen kann.

Daraus ergibt sich, dass die Säumnisbeschwerde zulässig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher gemäß § 42 Abs. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG in der Verwaltungssache zu entscheiden.

Wie oben bereits ausgeführt, kann die Entscheidung über die Berufung nach dem Eintritt der Derogation des bekämpften Bescheides jedoch nur in der Zurückweisung der Berufung bestehen.

Diese Zurückweisung war daher vom Verwaltungsgerichtshof in Anwendung der §§ 42 Abs. 4 und 62 Abs. 2 VwGG vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998170316.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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