TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/24 VGW-151/023/1073/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.05.2019
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Entscheidungsdatum

24.05.2019

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z3
VwGVG §8 Abs1
VwGVG §28 Abs7
NAG §2 Abs1 Z14
NAG §52 Abs1 Z1
NAG §52 Abs1 Z2
NAG §52 Abs1 Z3
NAG §54 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fischer über die Säumnisbeschwerde des Herrn A. B., geb.: 1977, StA: Indien, Wien, C.-straße, betreffend den am 27.11.2015 bei der Magistratsabteilung 35 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte zur Zahl …,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm. 28 Abs. 1 VwGVG wird der Säumnisbeschwerde stattgegeben.

II. Gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm. 28 Abs. 1 VwGVG wird der Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers gemäß § 54 Abs. 1 NAG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 NAG abgewiesen.

III. Gemäß § 53b AVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 VwGVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der mit Beschluss vom 20. Mai 2019 zur Zahl VGW-KO-023/451/2019 mit EUR 115,50 bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 29. April 2019 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat diese erwachsenen Barauslagen in Höhe von insgesamt EUR 115,50 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der vorgeschriebene Betrag ist auf das Konto bei der UniCredit Bank Austria AG, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40, einzuzahlen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Eingabe vom 27. November 2015 brachte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG ein und legte diesem Ansuchen ein Konvolut von Unterlagen bei. Mit daraufhin ausgestellter Einreichbestätigung vom 30. November 2015 wurde der Einschreiter zur Vorlage weiterer Urkunden aufgefordert, wobei diese Unterlagen mit Ausnahme des Reisepasses des Einschreiters vorgelegt wurden. Mit behördlichem Schreiben vom 06. Juni 2016 wurde der Einschreiter neuerlich zur Vorlage u.a. seines Reisepasses oder zur Einbringung eines Zusatzantrages gemäß § 19 Abs. 8 NAG, zur Vorlage einer Heiratsurkunde oder zur Bekanntgabe aufgefordert, von wem er sein Aufenthaltsrecht abzuleiten gedenke. Nach offensichtlich unterbliebener Vorlage dieser Unterlagen wurde dem Einschreiter mit Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom 02. Dezember 2016 zur Kenntnis gebracht, dass mangels Vorlage der eingeforderten Unterlagen in Aussicht genommen sei, das eingebrachte Ansuchen zurückzuweisen. Mit Eingabe vom 19. Dezember 2016 teilte der Einschreiter sodann mit, seine Botschaft habe ihm bislang keinen Reisepass ausgestellt, wobei am 13. Februar 2017 eine diesbezügliche Bestätigung der indischen Botschaft in Österreich vorgelegt wurde.

Mit Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom 06. Juli 2017 wurde der Einschreiter aufgefordert, vor der belangten Behörde vorzusprechen, zumal dieser nach wie vor eingeforderte Unterlagen nicht vorgelegt habe. Nebst der Vorlage weiterer Urkunden, wie etwa die Geburtsurkunden seiner Kinder, legte der Einschreiter, einlangend am 24. Juli 2017, eine Kopie seines Reisepasses vor. Mit daraufhin erfolgtem Schreiben vom 30. August 2017 sowie 20. November 2017 wurde der Einschreiter erneut zur Vorlage diverser Unterlagen aufgefordert, wobei ein Konvolut korrespondierender Unterlagen im Akt befindlich ist. Mit Schreiben vom 07. Juni 2018 erfolgte eine neuerliche Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen, wobei am 12. Juni 2018 eine Urkundenvorlage erfolgte. Am 23. November 2018 urgierte der Einschreiter die Erlassung einer Entscheidung.

Am 05. Jänner 2019, beim Landeshauptmann von Wien an diesem Tage eingelangt, brachte der nunmehrige Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Diese Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht Wien samt dem Bezug habenden Verfahrensakt, bei Gericht einlangend am 18. Jänner 2019, zur Entscheidung vorgelegt.

Eine am 27. Februar 2019 erfolgte Hauserhebung an der Meldeanschrift des Beschwerdeführers ergab, dass dieser gemeinsam mit Frau D. E. und 5 weiteren Personen an der Anschrift Wien, C.-straße, wohnhaft ist. Herr F. G., welcher ebenso an dieser Anschrift gemeldet ist, sei dort unbekannt.

In weiterer Folge wurde am 08. April 2019, fortgesetzt am 29. April 2019, vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung betreffend die gegenständliche Säumnisbeschwerde im Verfahren auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte durchgeführt, zu welcher neben dem Beschwerdeführer und einem Vertreter der belangten Behörde die Damen D. und H. E. sowie die Herren J. und K. L. als Zeugen geladen waren. Der Landeshauptmann von Wien verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, Herr J. L. erschien zur Verhandlung nicht.

In seiner Einlassung zur Sache führte der Einschreiter in dieser Verhandlung Nachstehendes aus:

„Ich lebe hier mit meiner Familie, habe hier kein Problem und möchte hier weiterleben. Ich lebe ungefähr seit dem Jahr 2000 in Österreich. Ich lebe durchgehend seit damals hier. Ich hatte bislang kein Aufenthaltsrecht in Österreich. Meine Lebensgefährtin lebt seit dem Jahre 2011 in Österreich. Meine Lebensgefährtin ist im Krankenstand. Meine Lebensgefährtin ist während der Arbeit krank geworden und war 10 Tage lang im Spital. Jetzt ist sie krank.

Ich bin erwerbstätig. Ich verdiene zwischen 550,-- Euro und 700,-- Euro netto monatlich. Ich habe keine Arbeitsbewilligung. Ich habe weiters zwischen 2016 und 2017 ein Jahr gearbeitet und im Jahr 2018 für 3 Monate. Ich habe immer zwischen 500,-- Euro und 550,-- Euro verdient. Meine Lebensgefährtin erhält ungefähr 1.000,-- Euro monatlich an Krankengeld. Wir bekommen auch derzeit kein Pflegegeld. Meine Lebensgefährtin bekommt Kindergeld. Näher dazu befragt gebe ich an, dass ich dabei bleibe, dass meine Lebensgefährtin kein Pflegegeld bekommt.

Meine Lebensgefährtin hat keine Schulden. Im Zeitraum zwischen Juli 2013 und Jänner 2015 war meine Lebensgefährtin schwanger. Sie hat damals Wochengeld bekommen.

Unsere Wohnung kostet 785,-- Euro monatlich. Für Strom zahlt meine Lebensgefährtin ungefähr 200,-- Euro monatlich. Wir zahlen 22,-- Euro monatlich fürs Internet. Fürs Telefon haben wir nur Wertkarten. Das Auto haben wir verkauft. Weitere laufende Kosten haben wir nicht. Es leben in unserer Wohnung 7 Personen. Herrn F. G. kenne ich nicht. Wir haben die Wohnung seit 2017. Bevor wir in die Wohnung einzogen, lebte dort eine slowakische Familie.

Ich habe meine Lebensgefährtin kennen gelernt, als ich mit meinem Freund bei einer Firma um Arbeit nachfragte. Auch sie war dort um nachzufragen und so haben wir uns kennen gelernt. Die Firma heißt M.. Das war im Jahre 2011. Genau war das im November oder im Oktober 2011. Es muss eher im Winter gewesen sein. Meine Lebensgefährtin konnte damals nur wenig deutsch, sie hat aber schnell gelernt. Wir haben damals auf Deutsch gesprochen. Meine Lebensgefährtin kannte damals eine Freundin, deren Gatte ein Österreicher war. Sie hatte Kontakt mit dieser Familie. Daher konnte sie deutsch. Wir leben seit 18.01.2012 zusammen. Nachdem wir uns kennengelernt haben, haben wir die Telefonnummer ausgetauscht. Ich habe sie mehrmals angerufen. Ich habe sie auch am Wochenende besucht. Ich habe sie jedes Wochenende besucht. Es müssen 4 bis 5 Wochenenden gewesen sein. An Feiertagen war ich auch dort. Als ich eingezogen bin, muss ich sie schon 4-5 Monaten gekannt haben. Wenn mir nunmehr vorgehalten wird, dass meine Angaben hinsichtlich der zeitlichen Abfolge nicht stimmig sind, gebe ich an, dass ich meine Lebensgefährtin schon öfter gesehen habe. Ich bin öfter bei dieser Firma gewesen, weil es durchaus möglich war, dass es öfter dort Arbeit gibt. Wenn ich dazu befragt werde, warum wir nicht verheiratet sind, gebe ich an, dass das deswegen der Fall ist, weil ich keine gültigen Papiere habe. Ich hatte deswegen keine, weil die Botschaft Probleme machte. Ich bin das erste Mal vor 4 Jahren bei der Botschaft gewesen. Ich hatte einen indischen Führerschein. Den habe ich beim Verkehrsamt abgegeben. Beantragt habe ich den Führerschein im Jahr 2001 und bekam ihn im Jahr 2002. Ich bin mit dem Führerschein nach Österreich eingereist. Seitdem hatte ich keine Papiere mehr. Ich habe mich, näher befragt, das erste Mal im Jahr 2008 um Papiere bemüht.

Ich habe mit meiner Lebensgefährtin zwei gemeinsame Kinder. Ich habe sonst keine Kinder. Ich habe die Vaterschaft für meine Kinder erst im Juli 2017 anerkannt, weil ich keinen Reisepass hatte. Meine Lebensgefährtin und ich waren für die Geburtsurkunde in Floridsdorf. Man hat gesagt, ich müsse den Reisepass vorweisen. Meine Lebensgefährtin hat fünf Kinder. Zwei von mir und drei von jemand anderen. Meine Lebensgefährtin muss für die sämtlichen fünf Kinder aufkommen.

Meine Lebensgefährtin hat am … 1974 Geburtstag. Um die Kinder kümmere ich mich meistens. Die Pflege von N. übernehme meistens ich. Ich bin zwischen 4:00 Uhr und 4:30 Uhr bis 12:00 Uhr oder 13:00 Uhr bei der Arbeit, danach komme ich nach Hause, füttere die Kinder und übernehme auch die sanitäre Pflege von N.. Meine Lebensgefährtin gibt die Medikamente aus und wechselt auch Windeln. Wir haben niemals parallel gearbeitet. Es musste immer jemand frei haben, um zu Hause zu bleiben. Es kamen auch Pfleger aus der Slowakei, um uns zu unterstützen. Meine Tochter ist allerdings krank geworden und ich wollte das nicht mehr. Das war im Jänner 2019. Das war für 3-4 Tage. Im Jahr 2018 ist die gleiche Person ein bis zwei Mal gekommen. Sonst gab es keine Dienstleistungen von dritter Seite.

P. geht in den Kindergarten. Sie wird zwischen 7:30 Uhr und 8:30 Uhr abgeholt und ist gegen 17:00 Uhr wieder zurück. Manchmal bringt H. die Kleine in den Kindergarten. Auch der ältere Bruder bringt sie manchmal in den Kindergarten. Meistens hole ich sie vom Kindergarten wieder ab. 70% - 80% der Pflege meiner Tochter übernehme ich. Wenn ich nicht da wäre, könnte meine Lebensgefährtin meine Tochter auch alleine pflegen. Meine Lebensgefährtin hat viel Stress und ist krank. Sie hat auch Angst. Sie ist wegen der Krankheit gestresst. Näher befragt dazu, gebe ich an, dass nur ich meine, dass sie Angst hat. Ich versuche einen Großteil der Pflege zu übernehmen. So etwa beim Stuhlgang. Meine Lebensgefährtin könnte die Kinder jedoch auch alleine betreuen.“

Frau D. E., Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, legte zeugenschaftlich einvernommen Nachstehendes dar:

„Ich lebe seit September 2011 in Österreich. Ich hatte in Österreich gleich Arbeit und auch eine Wohnung. Soweit mir bekannt ist, kam mein Lebensgefährte 2001 nach Österreich. Mein Lebensgefährte lebt, seitdem ich ihn kenne, durchgehend in Österreich. Ich bin derzeit im Krankenstand und wurde im Krankenstand gekündigt. Mein derzeitiges Einkommen ist momentan ungefähr 800,-- Euro monatlich. Mein Lebensgefährte verdient ungefähr 600,-- Euro monatlich, jedoch bin ich eigentlich die Hauptverdienerin und auch meine Kinder arbeiten. Wir bekommen neben der Kinderbeihilfe auch 1.600,-- Euro an Pflegegeld. Mein Lebensgefährte weiß über das Pflegegeld Bescheid, ich bin jedoch quasi das Familienoberhaupt und bin für die Finanzen zuständig.

Wir zahlen 740,-- Euro an Miete monatlich. Für Energie fallen weitere 200,-- Euro monatlich an. Mit Internet haben wir Fixkosten von ungefähr 1.100,-- Euro. Wir leben zu 7 in unserer Wohnung. Herrn F. G. kenne ich nicht. Soweit ich weiß, war das der Freund der Pflegerin meiner Vormieterin. Ich habe keine Schulden.

Ich habe damals als Lieferantin gearbeitet und habe dort den Beschwerdeführer getroffen. Das war im Februar 2012. Ich bin mir sicher, dass es im Frühling 2012 war. Wir waren anfangs nur Kollegen mit einer guten Beziehung. Mein Lebensgefährte hat auch in dieser Firma gearbeitet. Näher befragt gebe ich an, dass ich bereits ab Oktober 2011 in dieser Firma arbeitete. Dort habe ich den Beschwerdeführer kennen gelernt. Wir haben damals beide fix dort gearbeitet. Ich gebe nunmehr an, dass ich ihn im Oktober 2011 kennen gelernt habe. Eine Beziehung haben wir dann ab Februar 2012 geführt. Im Sommer 2012 sind wir dann zusammengekommen. Seit damals hat er bei uns gelebt. Wenn mir nunmehr vorgehalten wird, dass der Beschwerdeführer schon seit 18. Jänner 2012 bei mir leben wollte, so bestreite ich dies. Wir haben bislang deswegen nicht geheiratet, weil ich der Meinung bin, dass man für eine gute Beziehung keine Heiratsurkunde braucht. Das hat auch kulturelle Gründe, zumal meine Kinder auch slowakische Staatsangehörige sind, was ich nicht ändern möchte. Das sind alle Gründe.

Wir haben gemeinsam zwei Töchter. Der Grund, warum die Vaterschaft erst im Juli 2017 anerkannt wurde ist, dass mein Lebensgefährte vorher keinen Reisepass hatte. Ich möchte festhalten, dass ich mich um den Aufenthaltsstatus meines Lebensgefährten in Österreich nicht weiter gekümmert habe, dennoch führen wir eine gute Beziehung. Wann sich mein Lebensgefährte um Dokumente bemühte, kann ich nicht angeben. Ich bin jedoch eine sehr emanzipierte Frau und schaffte bislang auch alles alleine. Ich habe schon 3 Kinder aufgezogen. Für den Lebensunterhalt bin bislang vordergründig ich alleine aufgekommen. Auch er hatte Geld. Zu den jetzigen finanziellen Verhältnissen möchte ich angeben, dass ich unsere Lebenserhaltungskosten insbesondere für Wohnung, Haushalt und Einkaufen bestreite. Meine 3 Kinder arbeiten auch schon. Ich bekomme von ihnen monatlich ungefähr 700,-- Euro ausbezahlt. Für meine großen Kinder bin ich nicht mehr unterhaltspflichtig. Nach der Geburt von N. war ich bis Mai 2017 zu Hause und bekam Kinderbetreuungsgeld. Seit Mai 2017 haben wir uns die Pflegeleistungen geteilt. Wir waren beide auf Teilzeit. Einer war zu Hause und hat die Pflege übernommen. Eine Frau kam zwar im November letzten Jahres zu uns, um N. zu betreuen, allerdings ging das nicht. Ich hätte nämlich eine Möglichkeit für Vollzeitarbeit erhalten. Wir teilen uns die Pflege von N. ungefähr 50/50. Wenn mein Lebensgefährte zu Hause ist, leistet er Dinge wie füttern oder duschen. Ich leiste auch administrative Dinge. Meine zweite Tochter ist im Kindergarten. Sie besucht ihn den ganzen Tag. Mein Lebensgefährte holt sie ab.

Für mich ist es sehr wichtig, auch aus Gründen der Psychohygiene, weiter zu arbeiten. Es ist für mich auch sehr wichtig für meine Kinder da zu sein. Ich habe derzeit zwar eine neurologische Erkrankung, es ist jedoch sehr wichtig, weiter zu machen. Wir führen eine sehr gefestigte Beziehung.“

Frau H. E., Tochter der Frau D. E., gab zeugenschaftlich einvernommen Nachstehendes an:

„Ich lebe seit acht Jahren in Österreich. Ich bin derzeit erwerbstätig. Ich verdiene ungefähr 250,-- Euro monatlich. Wir leben in unserer Wohnung zu siebent. Herrn F. G. kenne ich nicht. Der Beschwerdeführer lebt seit ungefähr sieben Jahren bei uns. Um meine minderjährige Schwester N. kümmern sich meine Mutter und ihr Lebensgefährte zu gleichen Teilen. Unterschiedliche Arbeiten leisten die beiden für meine Schwester nicht. Es kommt auch niemand von außerhalb, der die Kleine pflegt. Meine zweite Schwester geht in den Kindergarten. Ich bringe sie meistens in den Kindergarten. Meistens holt sie der Papa vom Kindergarten ab.“

Im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme legte Herr K. L., Sohn der Frau D. E., Nachstehendes dar:

„Ich lebe seit August 2011 in Österreich. Ich arbeite als KFZ Mechaniker und verdiene 1.800,-- Euro monatlich netto. Ich gebe meiner Mutter monatlich ungefähr 400,-- Euro für das Leben zu Hause. Wir leben zu siebent in der Wohnung. Herrn F. G. kenne ich nicht. Der Beschwerdeführer arbeitet derzeit. Er ist meist in der Früh weg. Der Beschwerdeführer lebt seit ungefähr fünf bis sechs Jahren bei uns. Er ist immer bei uns. Für die Pflege von N. kommen alle in der Familie auf. Die Pflege für N. übernehmen die Eltern zu gleichen Teilen. Beide leisten sämtliche Pflegeleistungen. Es wird auch kein externer Pflegedienst in Anspruch genommen. Meine Schwester geht in den Kindergarten.“

Nach Durchführung des Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Der 1977 geborene Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und reiste seinen Angaben zufolge erstmals im Jahre 2000 in das Bundesgebiet ein. Seit Oktober 2013 hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Er weist seit 19. Dezember 2000 nahezu durchgehend Meldeanschriften in Österreich auf, aktuell ist er seit 30. August 2017 an der Anschrift Wien, C.-straße hauptgemeldet. Ein Aufenthaltsrecht genoss der Einschreiter in Österreich bislang nicht. Gegen ihn wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. September 2005 ein Aufenthaltsverbot erlassen, welches mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08. März 2014 aufgehoben wurde.

Der Beschwerdeführer lebt mit Frau D. E. wie dargestellt an der Anschrift Wien, C.-straße in Lebensgemeinschaft. Diese Lebensgemeinschaft besteht seit Sommer 2012, einen gemeinsamen Wohnsitz teilt das Paar seit dem 19. September 2012. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder, nämlich die 2013 geborene P. E. und die 2015 geborene N. E., welche mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt leben. Ebenso im gemeinsamen Haushalt leben drei weitere Kinder der Frau D. E. aus früherer Ehe, nämlich der 1998 geborene K. L., die am 25. Oktober 1999 geborene H. E. und der 1995 geborene J. L..

Der Beschwerdeführer entfaltet mit Frau D. E., den gemeinsamen Kindern und den Kindern seiner Partnerin ein Familienleben tatsächlich.

Die mj. N. E., leibliche Tochter des Beschwerdeführers, ist pflegebedürftig und bezieht Pflegegeld der Stufe 7. Sie wird durch den Beschwerdeführer und Frau D. E. derart gepflegt, dass sich die Lebenspartner die Aufgaben je zur Hälfte teilen. Für das monetäre Auskommen sorgte bislang Frau D. E. durch deren Erwerbstätigkeit, wobei sie auch Zuwendungen ihrer erwerbstätigen Kinder für Kost und Logis in der Höhe von insgesamt EUR 700,-- erhält. Eine externe Pflegehilfe wird nicht beschäftigt.

Frau D. E. weist seit 14. September 2011 durchgehend Hauptmeldeanschriften im Bundesgebiet auf. Im Zeitraum zwischen 23. März 2012 und 14. Jänner 2013 war sie im Bundesgebiet durchgehend unselbständig erwerbstätig, im Zeitraum zwischen 15. Jänner 2013 und 09. Juli 2013 bezog sie Krankengeld bzw. Wochengeld. Im Zeitraum zwischen 10. Juli 2013 und 13. Jänner 2015 bezog sie pauschaliertes Kinderbetreuungsgeld, weiters war sie im Zeitraum zwischen 13. September 2013 und 28. Februar 2015 selbständig erwerbstätig. Zwischen 15. Jänner 2015 und 05. Juni 2015 war sie erneut unselbständig als Arbeiterin erwerbstätig, in weiterer Folge bezog sie erneut Wochengeld und danach pauschaliertes Kinderbetreuungsgeld. Im Zeitraum zwischen 10. Mai 2017 und 09. April 2019 war sie erneut unselbständig als Arbeiterin erwerbstätig. Aktuell ist sie auf Grund einer neurologischen Erkrankung arbeitsunfähig und bezieht Krankengeld in der Höhe von ungefähr EUR 800,-- monatlich.

Der Beschwerdeführer ging in den Jahren 2004 und 2005 sporadisch unselbständigen Erwerbstätigkeiten als geringfügig beschäftigter Arbeiter bzw. als Arbeiter nach. Im Zeitraum zwischen 09. März 2015 und 30. September 2016 ging er einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als geringfügig beschäftigter Arbeiter, im Zeitraum zwischen 01. Oktober 2016 und 02. Oktober 2017 einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach. Ebenso war er zwischen 20. September 2018 und 10. Dezember 2018 als Arbeiter unselbständig erwerbstätig. Seit 07. Jänner 2019 ist er erneut als Arbeiter unselbständig erwerbstätig und lukriert aus dieser Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von durchschnittlich EUR 600,-- Er verfügt über keine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit Frau D. E. sowie den fünf Kindern in Österreich ein gemeinsames Familienleben entfaltet, gründet sich auf die Ergebnisse der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien sowie den Akteninhalt. So steht es fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin seit nunmehr knapp sieben Jahren einen gemeinsamen Wohnsitz aufweist. Abgesehen davon ergab eine durch das Verwaltungsgericht Wien initiierte Hauserhebung an der Anschrift des Beschwerdeführers, dass dieser an der gemeinsamen Meldeadresse tatsächlich wohnhaft ist. Weiters wurde durch sämtliche in der mündlichen Verhandlung einvernommene Personen bestätigt, dass der Einschreiter mit Frau D. E. und den fünf Kindern in Lebensgemeinschaft lebt und hinterließen Frau E. und der Einschreiter vor Gericht auch einen durchaus vertrauten Eindruck. Bestärkt wurde dieser Eindruck auch dadurch, dass auch die einvernommenen, nicht leiblichen Kinder des Einschreiters diesen als Familienmitglied akzeptiert zu haben scheinen und sehr glaubwürdig über dessen Rolle in der Familie berichteten. Auch die diesbezüglich korrespondierenden Angaben der Frau D. E., welche im Übrigen einen äußerst glaubwürdigen und seriösen Eindruck vor Gericht hinterließ, bestärkten diesen Umstand. Wiewohl festzuhalten ist, dass die vergleichende Befragung des Beschwerdeführers und der Zeugin D. E. durchaus Widersprüchlichkeiten ergab – so widersprachen sich die einvernommenen Personen etwa im Hinblick auf das gemeinsame Kennenlernen und erschien es auch als bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer über den Bezug von Pflegegeld für seine Tochter nicht informiert war - überwogen die für eine bestehende Beziehung sprechenden, oben dargestellten Umstände klar. An der Entfaltung eines Familienlebens des Einschreiters mit Frau E. und den Kindern besteht daher kein Zweifel.

Die Feststellungen betreffend die materielle Versorgung der Familie sowie insbesondere die Leistungen betreffend Pflege und Unterhalt, insbesondere der mj. N. E., gründen sich auf die diesbezüglich ebenso größtenteils übereinstimmenden Aussagen sämtlicher einvernommener Personen. Insbesondere ist diesbezüglich festzuhalten, dass der Einschreiter selbst darlegte, Frau E. könnte die Pflege der mj. N. E. notwendigenfalls auch alleine bewerkstelligen und Frau E. ausdrücklich darauf hinwies, eine emanzipierte Frau zu sein, bereits drei Kinder aufgezogen zu haben und auch alles alleine zu schaffen. Auch äußerte die Zeugin ausdrücklich, trotz bestehender Krankmeldung alsbald wieder arbeiten zu wollen, womit davon auszugehen ist, dass sie auch weiterhin vordergründig für den Unterhalt der Familie aufzukommen gedenkt.

Die weiteren getätigten Feststellungen gründen sich auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie auf die Ausführungen des Beschwerdeführers sowie des einvernommen Zeugen im Zuge der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Rechtlich folgt daraus:

I. Zur Säumnisbeschwerde

Gemäß § 8 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 8 Abs. 2 VwGVG werden in die Frist nicht eingerechnet:

1.  die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2.  die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der gegenständlich beantragten Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG nicht um einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides, sondern um einen solchen auf die Ausstellung einer Urkunde handelt. Die vom Beschwerdeführer begehrte Aufenthaltskarte verschafft ihm nämlich kein Recht, wirkt also nicht konstitutiv, sondern bestätigt lediglich das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, sofern ein solches überhaupt besteht. Es handelt sich somit um einen bloß deklarativ wirkenden Verwaltungsakt in Form einer Urkunde.

Die Frage, ob bzw. inwieweit die beantragte Ausstellung einer Urkunde im Fall der Säumnis der Behörde mittels Säumnisbeschwerde an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht überhaupt geltend gemacht werden kann, ist im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere in Ansehung des Erkenntnisses vom 10.09.2003, 2002/18/0152, grundsätzlich zu bejahen. In diesem Erkenntnis hat der VwGH unter Berufung auf Rill, Säumnis bei Beurkundungen, ZfVB 1987, 619, zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ausgesprochen, dass im Fall der Säumnis der Behörde erster Instanz bei der Ausstellung einer nicht als Bescheid zu qualifizierenden Urkunde die im Devolutionsweg angerufene Behörde – falls sie den Anspruch als gegeben erachtet – mit Bescheid festzustellen hat, dass die Voraussetzungen für die Urkundenausstellung gegeben sind. Die durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit am 01. Jänner 2014 bewirkten Änderungen der Rechtslage in organisations- und verfahrensrechtlicher Hinsicht bieten keinen Anlass von dieser Judikatur abzuweichen.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 73 AVG – welche grundsätzlich auch im Säumnisbeschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten herangezogen werden kann – hat die normierte sechsmonatige Frist sowohl für die Behörde als auch für die Verfahrensparteien rechtliche Bedeutung. Dies bedeutet für die Behörde, dass sie innerhalb dieser Frist den Bescheid zu erlassen hat, für die Verfahrenspartei hingegen, dass sie vor Ablauf dieser Frist keine zulässige Säumnisbeschwerde einbringen kann (vgl. etwa VwGH 26.03.1996, Zl. 95/19/1047, so auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 1. Aufl., K 4 zu § 8).

Der Beschwerdeführer beantragte mit seinem am 27. November 2015 beim Landeshauptmann von Wien eingebrachten Antrag die Ausstellung einer Aufenthaltskarte und wäre die belangte Behörde daher verpflichtet gewesen, über diesen Antrag spätestens sechs Monate nach dessen Einlangen entweder bescheidmäßig abzusprechen oder die beantragte Aufenthaltskarte auszustellen. Dies ist jedoch nicht innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist erfolgt.

Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (VwGH 28.01.1992, Zl. 91/04/0125 u.a.). Ein „Verschulden“ der Partei ist dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Verzögerung in ihrer Person liegen (vgl. VwGH, 18. November 2003, Zl. 2003/05/0115). Ihr Verhalten muss für die Verzögerung kausal und zusätzlich schuldhaft sein (VwGH, 12. April 2005, Zl. 2005/01/0003). Ist die Säumnis sowohl durch ein Versäumnis der Behörde wie auch durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei verursacht, ist abzuwägen, wem die Verzögerung überwiegend anzulasten ist.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Landeshauptmann von Wien nach Einbringung des gegenständlichen Antrages zwar diverse Auskünfte einholte und auch Unterlagenanforderungen an den Beschwerdeführer expedierte, allerdings steht auch fest, dass es der Behörde mehrfach möglich gewesen wäre, den vorliegenden Antrag einer Entscheidung zuzuführen. Exemplarisch sei gegenständlich etwa darauf hingewiesen, dass der Einschreiter mit behördlichem Schreiben bereits im Juni 2016 unter Fristsetzung zur Vorlage eines Reisepasses aufgefordert und im Hinblick auf eine Antragstellung nach § 19 Abs. 8 NAG belehrt wurde, eine Vorlage von Unterlagen oder eine Antragstellung jedoch unterblieb. Eine Entscheidung über diesen Antrag wäre sohin bereits zu diesem Zeitpunkt in Form einer Antragszurückweisung möglich gewesen. Ebenso erscheint es als nicht erklärlich, aus welchem Grund, etwa nach der zuletzt erfolgten Unterlagenanforderung vom 07. Juni 2018, nach umgehend erfolgter Reaktion des Einschreiters, nach wie vor eine Entscheidung bis zur Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde unterblieb. Eine Verzögerung der Entscheidungsfindung, welche der Sphäre des Einschreiters zuzuzählen ist, ist im erforderlichen Ausmaß hingegen dem Verfahrensakt nicht zu entnehmen.

Da somit gegenständlich binnen der mit sechs Monaten bemessenen Entscheidungsfrist seitens der belangten Behörde keine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG vom 27. November 2015 getroffen wurde, erweist sich die am 05. Jänner 2019 erhobene Säumnisbeschwerde als zulässig, zumal im Verfahren wie bereits festgestellt nicht hervorgekommen ist und von der belangten Behörde auch nicht behauptet wurde, dass den Beschwerdeführer an der eingetretenen Säumnis ein überwiegendes Verschulden treffen würde.

Daher ist mit Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien am 18. Jänner 2019 die Zuständigkeit zur Entscheidung mit diesem Datum auf das Gericht übergegangen.

Von einem Vorgehen nach § 28 Abs. 7 VwGVG wurde aus Gründen der Verfahrensökonomie Abstand genommen.

II. Zum Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 14 NAG ist das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht im Sinne dieses Gesetzes das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen, sich im Bundesgebiet für mehr als drei Monate oder auf Dauer aufzuhalten.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Ehegatte oder eingetragener Partner sind.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 3 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

Wie oben ausführlich dargestellt, ist der Beschwerdeführer Drittstaatsangehöriger und Lebensgefährte einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Unionsbürgerin sowie Vater zweier hier ebenso unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter minderjähriger Kinder. § 54 Abs. 1 NAG normiert für Drittstaatsangehörige ausdrücklich, das diesen dann eine Aufenthaltskarte auszustellen ist, wenn diese die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis Z 3 genannte Voraussetzungen erfüllen. Da der Einschreiter jedoch nicht Ehegatte oder eingetragener Partner der Frau D. E. ist und auch nicht deren Verwandter im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 2 und Z 3 NAG ist, kann er sein Aufenthaltsrecht von dieser nicht ableiten. Aber auch eine Ableitung von seinen minderjährigen Kindern scheitert grundsätzlich aus dem Grund, weil § 52 Abs. 1 Z 3 NAG ausdrücklich als Voraussetzung für die begehrte Aufenthaltskarte normiert, dass der Unionsbürger dem zuziehenden Drittstaatsangehörigen, welcher sein Verwandter in gerader aufsteigender Linie ist, tatsächlich Unterhalt gewähren muss. Feststeht jedoch, dass die minderjährigen Kinder des Einschreiters diesem nicht Unterhalt gewähren und scheitert eine Ableitung seines Aufenthaltsrechtes von seinen minderjährigen Kindern ebenso.

Der Europäische Gerichtshof betont im gegebenen Zusammenhang in seiner ständigen diesbezüglichen Rechtsprechung ausdrücklich, dass es eine Voraussetzung zur Begründung des Aufenthaltsrechtes eines Drittstaatsangehörigen, welcher Verwandter in aufsteigender Linie des aufenthaltsberechtigten Unionsbürgers ist, darstellt, dass diesem vom Unionsbürger Unterhalt gewährt wird. Allerdings sprach er in einer Reihe von Judikaten aus, dass auch im umgekehrten Falle, dann nämlich, wenn der grundsätzlich aufenthaltsberechtigte Unionsbürger vom Drittstaatsangehörigen Unterhalt bezieht, ein Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen dann begründet wird, wenn der Unionsbürger andernfalls seiner Rechte als Unionsbürger, insbesondere seines Rechtes, sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufzuhalten, im Ergebnis verkürzt werden würde (vgl. diesbezüglich bereits EuGH, 19. Oktober 2004, Zl. C-200/02). In seinem Urteil vom 13. September 2016, Zl. C-165/2014, führte der Europäische Gerichtshof in einem vergleichbaren Falle aus:

„[…] In Bezug auf die Frage, ob Herrn Rendón Marín, einem Drittstaatsangehörigen, als Verwandtem in gerader aufsteigender Linie einer nach der Richtlinie 2004/38 über ein Aufenthaltsrecht verfügenden Unionsbürgerin ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zusteht, ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, dass sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger „Unterhalt gewährt“, aus einer tatsächlichen Situation ergibt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird, so dass sich bei der hier vorliegenden umgekehrten Situation, in der dem Aufenthaltsberechtigten von einem Drittstaatsangehörigen Unterhalt gewährt wird, Letzterer nicht auf die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem der Aufenthaltsberechtigte „Unterhalt gewährt“, im Sinne der Richtlinie 2004/38 berufen kann, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Alokpa und Moudoulou, C-86/12, EU:C:2013:645, Rn. 25).

Würde aber dem für einen minderjährigen Unionsbürger tatsächlich das Sorgerecht wahrnehmenden Elternteil, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, nicht erlaubt, sich mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten, so würde dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers jede praktische Wirksamkeit genommen, da der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein minderjähriges Kind notwendigerweise voraussetzt, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei ihm aufhalten darf und dass es demgemäß dieser Person ermöglicht wird, während des Aufenthalts mit dem Kind zusammen im Aufnahmemitgliedstaat zu wohnen (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, EU:C:2004:639, Rn. 45, und vom 10. Oktober 2013, Alokpa und Moudoulou, C-86/12, EU:C:2013:645, Rn. 28) […]“.

Somit judiziert das Gericht zusammengefasst, dass immer dann, wenn der Verwandte des Unionsbürgers in gerader aufsteigender Linie vom aufenthaltsberechtigten Unionsbürger keinen (materiellen) Unterhalt erlangt, der Drittstaatsangehörige sein Aufenthaltsrecht nicht unmittelbar aus der RL 2004/38 EG ableiten kann (vgl. dazu auch VwGH 07.06.2016, Ra 2015/22/0161, VwGH, 12. Dezember 2017, Zl. Ra 2015/22/0149). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Drittstaatsangehörige seinerseits dem Unionsbürger Unterhalt gewährt. Ein Aufenthaltsrecht kommt diesem Drittstaatsangehörigen nur dann zu, wenn der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger durch den Nichtbestand des Aufenthaltsrechtes des Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat in seinen Rechten als Unionsbürger beschnitten wird, er also insbesondere gezwungen wäre, im Falle des Wegzuges des Drittstaatsangehörigen das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der EuGH im Urteil vom 15. November 2011, Rechtssache C- 256/11, Dereci u.a., unter Hinweis auf das Urteil vom 08. März 2011, Rechtssache C-34/09, Zambrano, ausgesprochen hat, dass Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes. Es betrifft Sachverhalte, in denen - obwohl das das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen betreffende abgeleitete Recht nicht anwendbar ist – einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Staatsbürgers eines Mitgliedstaats ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, da sonst die Unionsbürgerschaft der letztgenannten Person ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Konkretisierend hat der EuGH dargelegt, die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, rechtfertige für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. VwGH, 23. Februar 2012, Zl.2009/22/0158). Diese Prüfung ist nicht mit der Beurteilung nach Art. 8 MRK gleichzusetzen (VwGH, 20. März 2012, 2008/18/0483).

Im gegebenen Zusammenhang hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren eindeutig ergeben, dass bislang und auch hinkünftig die materiellen Bedürfnisse der gesamten Familie L. einschließlich jener des Beschwerdeführers durch Frau D. E. abgedeckt wurden und werden. Zwar steht es auch fest, dass der Einschreiter fallweise im Bundesgebiet einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass es sich hierbei lediglich um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse handelte und der Einschreiter weiters in Österreich nicht berechtigt ist, einer (unselbständigen) Erwerbstätigkeit nachzugehen, womit seine so erwirtschafteten Einkünfte auch nicht weiter berücksichtigt werden können. Eine materielle Abhängigkeit der Kinder des Einschreiters dahingehend, dass diese faktisch gezwungen wären, das Gebiet der Europäischen Union im Falle des Unterbleibens der Ausstellung einer Aufenthaltskarte für den Einschreiter zu verlassen, kann sohin nicht festgestellt werden.

Allerdings steht im gegebenen Zusammenhang ebenso fest, dass eine Tochter des Beschwerdeführers, nämlich die mj. N. E., pflegebedürftig ist und einer umfassenden Betreuung bedarf. Diesbezüglich ergab das durchgeführte Ermittlungsverfahren, dass der Einschreiter für das Kind Pflegeleistungen erbringt, wobei seine Lebensgefährtin und er sich die Pflege der gemeinsamen Tochter jeweils zur Hälfte teilen. Sohin war zu untersuchen, ob durch den allfälligen Wegfall der durch den Einschreiter erbrachten Pflegeleistungen eine Situation entstünde, durch welche die Kinder des Beschwerdeführers, überhaupt die mj. N. E., gezwungen wären, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Hier ergaben sich im durchgeführten Ermittlungsverfahren jedoch keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon, dass Frau D. E. für die mj. N. E. Pflegegeld der Stufe 7 in Österreich bezieht und somit über hinreichende Mittel verfügen würde, die Pflege ihrer Tochter im allenfalls erforderlichen Ausmaß durch Dritte besorgen zu lassen, legte Frau E. im Zuge der Diskussion ihrer familiären Verhältnisse in der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich dar, eine emanzipierte Frau zu sein, drei Kinder aufgezogen und auch bislang alles alleine geschafft zu haben. Auch legte der Beschwerdeführer dahingehend befragt, ob Frau E. trotz der besonderen Pflegebedürftigkeit der gemeinsamen Tochter N. deren Pflege auch alleine bewerkstelligen könnte ausdrücklich dar, dass seine Lebensgefährtin dazu durchaus in der Lage wäre. Abgesehen davon steht auch fest, dass die Familie neben Frau D. E. auch durch das Einkommen der nunmehr eigenberechtigten Kinder, welche ebenso im gemeinsamen Haushalt leben, zusätzlich als abgesichert erscheint. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Ausreise des Einschreiters dessen Kinder faktisch gezwungen wären, das Gebiet der Europäischen Union oder auch nur das Bundesgebiet verlassen zu müssen, ergaben sich im gesamten Ermittlungsverfahren somit nicht und wurden solche Gründe auch durch den Beschwerdeführer nicht behauptet.

Das Gericht verkennt gegenständlich nicht, dass der Einschreiter seit nunmehr knapp zwanzig Jahren in Österreich - wenn auch durchgehend unrechtmäßig - aufhältig ist, hier mittlerweile ein Familienleben mit einer Unionsbürgerin und deren Familie entfaltet und ein pflegebedürftiges Kind hat. Allerdings steht auch fest, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG in dieser Norm abschließend geregelt sind und auch eine extensive Auslegung der diesbezüglichen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes sowie des Verwaltungsgerichtshofes zu keiner anderen Entscheidung als der hier getroffenen führen konnte. Es wird im gegebenen Zusammenhang jedoch ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 55 des Asylgesetzes hingewiesen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht; Säumnisbeschwerde; Aufenthaltskarte; Urkunde; Bescheid; unionsrechtliches Aufenthaltsrecht; Unterhalt; Pflegebedürftigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.023.1073.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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