TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/3 98/04/0223

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Veröffentlicht am 03.03.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des PS in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Mai 1998, Zl. MA 63-St 99/98, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides entzog der Landeshauptmann von Wien mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Mai 1998 dem Beschwerdeführer gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 im Zusammenhalt mit § 13 Abs. 1 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Platten- und Fliesenleger (§ 94 Z. 3 GewO 1994) an einem näher bezeichneten Standort. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging der Landeshauptmann davon aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. November 1996 wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten verurteilt worden. Sein strafbares Verhalten habe darin bestanden, daß er gemeinsam mit Mittätern zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen Dezember 1991 und Oktober 1995 in Wien und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte verschiedener Versicherungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, die an den besichtigten bzw. in der Versicherungsmeldung genannten Personenkraftwagen festgestellten oder behaupteten Beschädigungen stammten von nachstehend angeführtem, fahrlässig verschuldeten Verkehrsgeschehen, sowie durch falsche Darstellung von Schadenshergängen und Nennung falscher Beteiligter zur Auszahlung von Entschädigungsbeträgen bzw. Reparaturrechnungsbeträgen, somit zu Handlungen, die die Versicherungsunternehmungen am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, wobei der Schaden S 500.000,-- überstiegen habe, verleitet habe, und zwar durch Versicherungsmeldung an die A-Unfallversicherung in W betreffend einen Verkehrsunfall vom 12. Juli 1992 mit einem Schaden von insgesamt S 359.161,-- und ebenfalls durch Versicherungsmeldung an die A-Unfallversicherung in W betreffend einen Verkehrsunfall vom 24. Juli 1993 mit einem Schaden von insgesamt S 342.572,-- und schließlich durch die Versicherungsmeldung an die F-Versicherung in F betreffend einen Verkehrsunfall vom 17. September 1995 mit einem Schaden von insgesamt S 69.653,--. Die Ausübung des Platten- und Fliesenlegergewerbes biete zweifellos Gelegenheit zur Begehung von vorsätzlich zu begehenden, gerichtlich strafbaren Delikten gegen fremdes Vermögen, sei doch die gegenständliche gewerbliche Tätigkeit mit einem intensiven Kontakt mit Menschen (Dienstnehmern, Lieferanten und Kunden) verbunden. Es müsse befürchtet werden, daß gleiche oder ähnliche Straftaten in Ansehung der durch das ausgeübte Gewerbe gebotenen Gelegenheiten begangen würden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei unschuldig verurteilt worden, sei entgegenzuhalten, daß das genannte Strafurteil unbekämpft geblieben und noch am Tag der Verhandlung in Rechtskraft erwachsen sei. § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ordne die Entziehung der Gewerbeberechtigung u.a. dann an, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei. Bei der Prüfung der Frage der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales sei aber nicht nur auf die Eigenart der strafbaren Handlung, sondern auch auf die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen, wobei wesentlich auf den Umfang der gerichtlichen Verurteilung abzustellen sei. Die erlittene Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten liege weit jenseits der im § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannten drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe. Der Beschwerdeführer habe die der genannten Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten in einem Alter (geboren am 1. Februar 1968) begangen, in dem die Charakterbildung eines Menschen erfahrungsgemäß längst abgeschlossen sei. Sohin sei zu befürchten, daß der Beschwerdeführer bei der weiteren Gewerbeausübung gleiche oder ähnliche, gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten begehen könnte. Die seit der Rechtskraft der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. November 1996 verstrichene Zeit von ungefähr eineinhalb Jahren sei zu kurz, um eine andere Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten erwarten zu lassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. September 1998, B 1334/98-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben eines gesetzwidrigen und existenzgefährdenden Entzuges seines Gewerbescheines verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt er vor, der von der belangten Behörde zur Beurteilung seiner Persönlichkeit herangezogene Vergleich zwischen der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten mit der im § 13 GewO 1994 genannten Freiheitsstrafe von drei Monaten entspreche nicht dem im § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 geforderten Prüfungsumfang. Es hätte vielmehr von der Behörde ein Vergleich der für das begangene Delikt verhängten Strafe unter Berücksichtigung der dafür maßgeblichen Gründe mit der möglichen zu verhängenden Strafe durchgeführt werden müssen. Dergestalt wäre die Behörde zu dem Schluss gekommen, daß die über den Beschwerdeführer verhängte Strafe eine Mindeststrafe darstelle und zudem vom Strafgericht eine Wertung dergestalt getroffen worden sei, daß spezialpräventiv ausreichend bestraft worden sei. Hätte eine eminente Rückfallgefahr bzw. eine Wiederholungsgefahr bestanden, so hätte der Beschwerdeführer zudem zumindest einen Teil der Strafe verbüßen müssen. Nach § 361 GewO 1994 sei in einem Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft sowie für den Fall, daß Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt seien, auch die dafür zuständige Kammer zu hören. Der Beschwerdeführer habe während der gesamten Dauer seiner Tätigkeit als Fliesenleger niemals Arbeitnehmer beschäftigt. Dennoch sei die Kammer für Arbeiter und Angestellte zur Stellungnahme aufgefordert worden und es habe diese ohne Durchführung jeglicher Ermittlungstätigkeit eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, daß einer Entziehung nicht entgegen getreten werde. Diese Stellungnahme, welche jedoch weder gesetzlich vorgeschrieben sei noch objektiv zur Beurteilung seiner Person hätte herangezogen werden dürfen, sei mit ein Entscheidungsfaktor der den Bescheid erlassenden Behörde gewesen. Zudem habe die Behörde nicht das Geringste unternommen, ein Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers zu erlangen bzw. die Eigenart der durch ihn begangenen Handlungen zu bewerten. Er sei weder zum Tathergang befragt worden, noch habe die Behörde von der durch den Beschwerdeführer bekleideten untergeordneten Rolle (es seien KFZ-Zulassungen auf seinen Namen ausgestellt worden) gewusst, noch habe sie ein Persönlichkeitsbild erstellt. Die mögliche Anwendung der §§ 87 Abs. 3 und 6 GewO 1994 sei außer Acht gelassen worden. Ein nicht differenziertes Anknüpfen an jedwede Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung als Ausschließungsgrund für eine Berechtigung sei als sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zu werten. Zu all dem habe die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen. Die Gewerbebehörde dürfe die im Entziehungsverfahren vorzunehmende Untersuchung des Charakterbildes des Gewerbeberechtigten nicht allein auf die Tatsache abstellen, daß über diesen verwaltungs- und gerichtliche Strafen verhängt worden seien. Sie hätte vielmehr das Verhalten vor bzw. nach der Verurteilung des Beschwerdeführers zu prüfen gehabt und feststellen müssen, daß ein einwandfreies Verhalten bis auf die zitierte Verurteilung vorhanden gewesen sei und so die Besorgnis des Missbrauches der Gewerbeberechtigung nicht vorliege, zumal die begangene Straftat nicht im Zusammenhang mit der Gewerbeberechtigung gestanden sei. Es sei im Gesetz nicht vorgesehen, daß bei Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung ohne weiteres ein Eingriff in das Gewerberecht erfolgen müsse. Überdies müsse die Anwendbarkeit der Abs. 3 und 6 einer Prüfung unterzogen werden. Zu alle dem habe die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen. Die Behauptung, auf Grund des Alters des Beschwerdeführers sei die Charakterbildung längst abgeschlossen, weshalb die genannte Verurteilung alleine genüge, zu befürchten, der Beschwerdeführer werde bei der weiteren Gewerbeausübung gleiche oder ähnliche, gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten begehen, entspreche keiner gesetzeskonformen Überprüfung seiner Persönlichkeit. Die Behörde habe wohl die Bindung an das in Betracht kommende rechtskräftige Urteil anzunehmen, es obliege aber auch in diesen Fällen der Gewerbebehörde die selbstständige Beurteilung, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen bei der Entziehung gegeben seien. In eine Prüfung der Eigenart der strafbaren Handlung habe überdies auch einzufließen, welches Strafausmaß für die jeweils begangene Strafhandlung festgesetzt worden sei. Daß über den Beschwerdeführer eine bedingte Strafe verhängt worden sei, habe die belangte Behörde nicht gewürdigt.

Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist von der Ausübung eines Gewerbes u.a. ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 und 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

Gemäß § 87 Abs. 6 leg. cit. kann die Gewerbeberechtigung, wenn die für die Entziehung der Gewerbeberechtigung vorgesehenen Voraussetzungen nur auf einen Teil der gewerblichen Tätigkeit zutreffen, auch nur zum Teil entzogen werden, wenn auch durch die nur teilweise Entziehung der Gewerbeberechtigung der Zweck der Maßnahme erreicht wird.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorwirft, ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, daß, wie sich aus § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ergibt, nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz darzulegen ist, sofern sie nicht offenkundig ist, Sache des Beschwerdeführers.

Mangels Darlegung einer solchen Relevanz vermag der Beschwerdeführer daher mit seinen Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der Einholung einer Stellungnahme der Kammer der Arbeiter und Angestellte durch die belangte Behörde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht darzustellen.

Ähnliches gilt für sein Vorbringen über die mangelnde Erhebung seines Persönlichkeitsbildes durch die belangte Behörde wie auch für den Vorwurf, die belangte Behörde habe die für eine Beurteilung der Rechtssache im Sinne des § 87 Abs. 3 und 6 GewO 1994 erforderlichen Feststellungen nicht getroffen.

Zu Unrecht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe bei Beurteilung der Schwere der Straftat in rechtswidriger Weise auf das im § 13 Abs. 1 leg. cit. normierte Strafausmaß und nicht auf die nach dem Strafgesetzbuch drohende Höchststrafe Bedacht genommen. Aus der Regelung des § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist nämlich eine Wertung dahingehend zu entnehmen, daß strafgerichtliche Verurteilungen unter dem dort genannten Maß als geringfügig zu werten, in einem darüber hinausgehenden Maß jedoch (in zunehmendem Umfang) für die Frage der Entziehung der Gewerbeberechtigung von Gewicht sind. Der Verwaltungsgerichtshof vermag es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde bei Beurteilung des aus der Straftat ersichtlichen Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers auch auf das Ausmaß Bedacht nahm, in dem die über ihn verhängte Strafe die im § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannte Grenze überstieg.

Es mag sein, daß der Beschwerdeführer, wie von ihm in der Beschwerde behauptet, in dem zur strafgerichtlichen Verurteilung führenden Geschehen nur eine untergeordnete Rolle bekleidet hat. Das vermag aber nichts daran zu ändern, daß auch dieser untergeordneten Rolle ein derartiges Gewicht zukam, das die Höhe der über ihn verhängten Strafe rechtfertigte. Der Beschwerdeführer vermag daher mit seinem diesbezüglichen Vorbringen keinen Umstand aufzuzeigen, der im Rahmen der Beurteilung seines Persönlichkeitsbildes eine mildere Betrachtung seines kriminellen Handelns rechtfertigen könnte. Auch unter Beachtung des Beschwerdevorbringens ist damit in der Beurteilung der belangten Behörde, bereits aus der Straftat, derer der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, ergebe sich ein Charakter des Beschwerdeführers, der die Befürchtung der neuerlichen Begehung einer derartigen Tat zumindest nach der seit Rechtskraft der Verurteilung verstrichenen kurzen Zeit noch rechtfertige, eine Rechtswidrigkeit nicht erkennbar.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 3. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040223.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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