TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/3 Ra 2018/15/0125

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Index

E6J
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1994 Anh Art1
UStG 1994 Anh Art1 Abs2
UStG 1994 Anh Art7
UStG 1994 §3 Abs8
62004CJ0245 EMAG Handel Eder VORAB
62016CJ0386 Toridas VORAB
62017CJ0414 AREX CZ VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des H S in B, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. September 2018, Zl. RV/5100856/2013, betreffend u. a. Umsatzsteuer 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Umsatzsteuer 2009) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes war der Revisionswerber im Streitzeitraum hauptberuflich als Angestellter tätig und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2 Mit Eingabe vom 14. Mai 2009 zeigte der Revisionswerber dem Finanzamt den Beginn eines Handels mit Getränken per 18. Mai 2009 an.

3 Aus diesem Getränkehandel und einem Handel mit Diesel erklärte der Revisionswerber 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ca. 7.000 EUR. Im erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 19. August 2010 wurden innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von ca. 1,62 Mio. EUR steuerfrei belassen sowie innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von ca. 1,59 Mio. EUR mit entsprechendem Vorsteuerabzug berücksichtigt. Insgesamt ergab sich eine Umsatzsteuerzahllast von ca. 700 EUR.

4 Der Revisionswerber hatte mit dem Handel von Diesel im September 2009 begonnen und beendete diesen wieder Ende Dezember 2009. Diese Ware bezog er - nach zeitlich voraus gegangenen Preisabsprachen mit D (dem Geschäftsführer der H s.r.o., einer tschechischen Gesellschaft) - von der österreichischen M KG. Zum Zeitpunkt der Veräußerung an den Revisionswerber befand sich der Treibstoff im Tanklager N in Deutschland. Nach erfolgter Zahlung des Rechnungsbetrages gab die M KG dem Revisionswerber die Ladenummer bekannt, womit der Revisionswerber die Berechtigung erlangte, über den Treibstoff zu verfügen. Der Revisionswerber trat gegenüber der M KG mit seiner österreichischen UID-Nummer auf. Die Fakturierung des Dieselverkaufs an den Revisionswerber erfolgte mit dem Hinweis auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von Deutschland nach Österreich unter Angabe der deutschen UID-Nummer der M KG sowie der österreichischen UID-Nummer des Revisionswerbers. Die M KG meldete die Verkäufe als innergemeinschaftliche Lieferungen nach Österreich. Der Revisionswerber versteuerte in Österreich innergemeinschaftliche Erwerbe.

5 Der Revisionswerber fakturierte sämtliche von der M KG bezogenen Treibstoffe an die H s.r.o. (in der Folge nur H) als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und meldete die Verkäufe in den Zusammenfassenden Meldungen als innergemeinschaftliche Lieferung in die Tschechische Republik. Am 5. Juli 2011 legte der Revisionswerber korrigierte Ausgangsrechnungen mit einem nachträglich hinzugefügten und von der H geschäftsmäßig unterzeichneten Bestätigungsvermerk vor, wonach die H die Ware nach Budapest (Ungarn) verbracht habe. Frachtpapiere wurden hiezu nicht vorgelegt. H verrechnete die Treibstofflieferungen an die Z Kft. mit Sitz in Budapest. Bei der Z Kft. handelt es sich um eine "Schein- bzw. Briefkastenfirma". Ein innergemeinschaftlicher Erwerb wurde weder in der Tschechischen Republik noch in Ungarn gemeldet. Nachweise dafür, dass der Diesel tatsächlich physisch von Österreich nach Ungarn oder in die Tschechische Republik gelangte, liegen nicht vor.

6 Die Abholung des Treibstoffes vom Tanklager in N (Deutschland) erfolgte nach Vereinbarung mit dem Geschäftsführer der H (D) durch die E GmbH mit Sitz in Eugendorf bei Salzburg, wobei die Abholung teilweise mit eigenen Tankfahrzeugen und teilweise durch beauftragte Fremdfrächter durchgeführt wurde. Zuvor gab der Revisionswerber der E GmbH die ihm von der M KG übermittelte Ladenummer des Tanklagers in Neustadt bekannt. Die nach erfolgter Ladung des Treibstoffes ausgestellten Verladeanzeigen wurden vom Revisionswerber an die M KG übersandt. Die Bezahlung der Frachtkosten erfolgte nicht durch den Revisionswerber. Der Transport endete in Eugendorf (bei Salzburg), wo der Diesel in einen Erdtank der L GmbH abgeladen wurde. In der Folge wurde der Diesel mit Tankfahrzeugen der E GmbH abgesaugt und an verschiedene Endverbraucher (Frächter und Landwirte) in Österreich weiterverkauft. Sowohl die E GmbH als auch die L GmbH wurden zwischenzeitig nach Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht.

7 Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2009 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf, versagte die Steuerfreiheit für die als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelten Umsätze und setzte mit Bescheiden vom 8. Jänner 2013 die Umsatzsteuer in Höhe von ca. 267.000 EUR und die Einkommensteuer mit ca. -10.500 EUR (Gutschrift) fest.

8 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Berufung. Unter anderem machte er in der umfangreichen Berufung geltend, es sei zu prüfen, ob er betreffend die Treibstoffgeschäfte in Österreich umsatzsteuerpflichtig sei. Die Ware sei in Deutschland an eine tschechische Gesellschaft verkauft worden. Das Eigentumsrecht und die Verschaffungsmacht seien in Deutschland übergegangen.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

10 Begründend führte es - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und des eingangs geschilderten Sachverhalts - im Wesentlichen aus, die M KG habe dem Revisionswerber gegen Entgelt Diesel geliefert. Die Verschaffung der Verfügungsmacht sei durch Bekanntgabe der Ladenummer erfolgt, durch welche es dem Revisionswerber ermöglicht worden sei, über den Treibstoff frei zu verfügen. Mittels der an die M KG übermittelten Verladeanzeigen habe der Revisionswerber der M KG den Nachweis für die ordnungsgemäße Übergabe der Ware verschafft. Der Liefergegenstand sei bei der Lieferung an den Revisionswerber aus Deutschland nach Österreich gelangt. Da sich der Diesel am Ende der Versendung in Österreich befunden habe und der Revisionswerber zudem unter seiner österreichischen UID aufgetreten sei, sei der innergemeinschaftliche Erwerb (nur) in Österreich bewirkt worden. Die M KG habe die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Der Revisionswerber habe daher zu Recht den von der M KG gelieferten Treibstoff in seiner Umsatzsteuererklärung als innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt und die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb als Vorsteuer abgezogen.

11 Der Revisionswerber habe keine Belege vorgelegt, die hinreichend Gewähr dafür böten, dass der Diesel tatsächlich ins Ausland gelangt sei. Er habe auch den Frächter nicht nennen können, der den Treibstoff nach Tschechien oder Ungarn befördert haben solle. Es lägen weder die formellen noch die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung des Revisionswerbers vor.

12 Der Revisionswerber sei nicht wie ein sorgfältig und gewissenhaft agierender Kaufmann vorgegangen. Ein solcher wäre in Bezug auf die (im angefochtenen Erkenntnis und im Bericht über die Außenprüfung näher dargelegte) zweifelhafte und äußerst ungewöhnliche Vorgangsweise der Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte misstrauisch geworden und hätte nicht auf die Angaben der daran beteiligten Personen vertraut. Die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 könne daher ebenfalls nicht die Steuerfreiheit der Lieferung des Revisionswerbers begründen.

13 Feststellungen auf Sachverhaltsebene beträfen keine Rechtsfragen; in rechtlicher Hinsicht sei das Bundesfinanzgericht der im Erkenntnis näher dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des EuGH gefolgt.

14 Gegen dieses Erkenntnis (nach seinem Revisionspunkt nur betreffend Umsatzsteuer 2009) wendet sich die Revision.

15 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Der Revisionswerber macht - auch zur Zulässigkeit der Revision - geltend, auf Basis des vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhaltes liege ein Reihengeschäft vor. Die Waren seien vom Abnehmer des Revisionswerbers (der H) direkt beim Lieferanten des Revisionswerbers (der M KG) vom deutschen Tanklager abgeholt und nach Österreich transportiert worden. Im Einklang mit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 29.6.2016, 2013/15/0114, 0143) und des Europäischen Gerichtshofes (Hinweis auf EuGH 21.2.2018, C-628/16, Kreuzmayr) hätte das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass der Revisionswerber im Inland keine steuerbaren Umsätze ausgeführt habe. Bei der Lieferung der M KG an den Revisionswerber habe es sich um die "ruhende Lieferung" iSd § 3 Abs. 7 UStG 1994 gehandelt. Der Leistungsort der Lieferung liege in Deutschland; die Lieferung unterliege daher von vornherein nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Der Revisionswerber habe daher im Zuge dieses Umsatzgeschäftes keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich getätigt. Die Verwendung der österreichischen UID durch den Revisionswerber gegenüber der M KG habe auch nicht zu einem fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich führen können; eine Doppelqualifikation einerseits als steuerpflichtiger Umsatz des Erstlieferanten und anderseits ein fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb des Erwerbers sei mit Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 nicht vereinbar. Da der Transport von H beauftragt worden sei, handle es sich bei der Lieferung des Revisionswerbers an H um die "bewegte Lieferung", welche in Deutschland am Beginn des Transports als ausgeführt gelte. Die Lieferung des Revisionswerbers unterliege daher nicht der österreichischen Umsatzsteuer; die umsatzsteuerlichen Konsequenzen bestimmten sich nach deutschem Recht.

18 Als Verfahrensmangel macht der Revisionswerber geltend, das Bundesfinanzgericht habe es unterlassen, Feststellungen zur bewegten Lieferung zu treffen.

19 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision die Zulässigkeit der Revision auf; diese ist auch begründet.

20 Gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

21 Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.

22 Nach Art. 1 Abs. 1 UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt. Voraussetzung für einen innergemeinschaftlichen Erwerb ist u.a., dass ein Gegenstand bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt.

23 Nach Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist; im Fall des Nachweises gilt § 16 UStG 1994 sinngemäß.

24 Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die "bewegte Lieferung" bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen" (vgl. VwGH 29.6.2016, 2013/15/0114, mwN).

25 Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. neuerlich VwGH 29.6.2016, 2013/15/0114, mwN).

26 Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen (vgl. EuGH 26.7.2017, C- 386/16, Toridas, Rn. 31).

27 In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden. Zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. neuerlich EuGH Toridas, Rn. 34 f).

28 Dabei ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (EuGH Toridas, Rn. 36; EuGH 19.12.2018, C-414/17, Arex, Rn. 70).

29 Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (vgl. EuGH Arex, Rn. 74).

30 Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (vgl. neuerlich EuGH Arex, Rn. 75).

31 Im vorliegenden Fall erhielt der Revisionswerber nach den unbestrittenen Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts nach Zahlung des Rechnungsbetrags an die M KG von dieser "Ladenummern".

32 Die Abholung der Treibstoffe aus dem Tanklager in Deutschland erfolgte durch die E GmbH (teilweise mit eigenen Tankfahrzeugen, teilweise durch beauftragte Frachtführer). Dazu gab der Revisionswerber der E GmbH die ihm von der M KG übermittelte Ladenummer bekannt. Die nach erfolgter Ladung des Treibstoffes ausgestellten Verladeanzeigen wurden vom Revisionswerber an die M KG übersandt. Die Ware wurde von der E GmbH nach Österreich transportiert. Der Revisionswerber fakturierte die bezogenen Treibstoffe an die H.

33 Diese Feststellungen reichen für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht aus. Daraus kann nicht abgeleitet werden, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer zu verfügen, vom Revisionswerber bereits vor dem Zeitpunkt der Beförderung der Ware übertragen wurde oder nicht.

34 Hatte der Revisionswerber diese Befugnis bereits vor der Beförderung übertragen, so handelte es sich bei der Lieferung der M KG an ihn um die "ruhende Lieferung", die dort ausgeführt wurde, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung befand, also in Deutschland. Die anschließende Lieferung des Revisionswerbers an die H unterläge - wie die Revision zutreffend darlegt - deutschem Recht (also allenfalls einer Besteuerung in Deutschland).

35 Wurde hingegen diese Befugnis erst danach übertragen, so ist die Lieferung der M KG an den Revisionswerber die "bewegte Lieferung", bei der der Revisionswerber als Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung zu beurteilen wäre (dies entsprach der tatsächlichen Behandlung der Umsätze durch die M KG und den Revisionswerber). Dass die daran anschließende Lieferung des Revisionswerbers an die H die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllte, wird in der Revision nicht bekämpft.

36 Dass durch Übermittlung der Ladenummer an die E GmbH diese ermächtigt worden wäre, wie ein Eigentümer über die Gegenstände zu verfügen, wird von niemandem geltend gemacht, war die E GmbH doch (allenfalls aber nur zunächst) für den Transport der Gegenstände zuständig. Im Hinblick auf die vorzunehmende Gesamtwürdigung der Umstände ist es aber von erheblicher Bedeutung, für welche der Parteien die E GmbH tätig wurde, um beurteilen zu können, ob allenfalls durch Übermittlung dieser Ladenummern bereits eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer zu verfügen, an die H (oder allenfalls auch an weitere Personen) erfolgte oder ob diese Befugnis - wenn auch durch die E GmbH ausgeübt - beim Revisionswerber verblieb. Nach dem - im angefochtenen Erkenntnis zitierten - Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung habe der Geschäftsführer der H (D) zum Revisionswerber gesagt, die Lieferungen sollten mit der E GmbH abgewickelt werden. Ob sodann die E GmbH ihre Leistungen dem Revisionswerber (worauf weitere Darlegungen im Prüfbericht hinweisen könnten, wonach der Revisionswerber bei der E GmbH im Hinblick auf Frachtpapiere interveniert habe) oder aber der H gegenüber erbrachte, kann daraus nicht abgeleitet werden. Dass - nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - die Frachtkosten nicht vom Revisionswerber bezahlt wurden, ermöglicht ebenfalls keine eindeutige Zuordnung, da insoweit schon unklar ist, von wem die Frachtkosten bezahlt wurden; zum anderen könnte aber auch Entgelt von dritter Seite vorliegen.

37 Wenn das Bundesfinanzgericht die Erwerbsbesteuerung überdies auf Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 stützt, so würde aber eine Besteuerung nach dieser Bestimmung voraussetzen, dass der Revisionswerber als Erwerber eines innergemeinschaftlichen Erwerbs zu beurteilen wäre (der sich einer UID eines Mitgliedstaates bedienen würde, an dem die Beförderung nicht endet). Ob dies der Fall ist oder ob der Revisionswerber hingegen Empfänger einer "ruhenden Lieferung" in Deutschland war, kann - wie bereits aufgezeigt - nicht abschließend beurteilt werden.

38 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

39 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 3. April 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62004CJ0245 EMAG Handel Eder VORAB
62016CJ0386 Toridas VORAB
62017CJ0414 AREX CZ VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150125.L00

Im RIS seit

19.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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