TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/12 98/19/0027

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Veröffentlicht am 12.03.1999
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Index

20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1 idF 1995/351;
AVG §58 Abs2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1969 geborenen DK in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Dezember 1997, Zl. 106.536/8-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit ihrem vom 18. Februar 1994 datierten Antrag, der am 23. Februar 1994 bei der österreichischen Botschaft in Ankara einlangte, die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 9. August 1994 ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte vor der belangten Behörde einvernommen.

Bei ihrer Einvernahme am 22. August 1997 gab die Beschwerdeführerin folgendes an:

"Ich reiste am 17. Februar 1992 aus Deutschland kommend nach Österreich ein. Ich kam von Frankfurt und fuhr mit dem Auto über den Grenzübergang Passau (...) nach A.

Ich reiste mit einem deutschen Sichtvermerk (Aufenthaltsgenehmigung, Besuchsreise, Erwerbstätigkeit nicht gestattet) ausgestellt von der Deutschen Botschaft in Ankara am 16. Jänner 1992 (gültig vom 17. Jänner 1992 bis 16. April 1992) in Österreich ein.

Ich arbeitete vor meiner Ausreise aus der Türkei ca. dreieinhalb Monate als Sekretärin in Ankara.

Ich habe zwei Schwestern in Deutschland, darum kam ich als Tourist nach Deutschland, um diese zu besuchen. Ich lebte ca. vier Monate bei meinen Schwestern in Frankfurt. Da ich auch eine Schwester in Österreich habe (...) kam ich auch besuchsweise nach Österreich.

Da mir Österreich gefiel, blieb ich weiterhin in Österreich und verließ Österreich nicht mehr.

Ich erhielt von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten (...) vom 19. Mai 1992 bis 31. Juli 1992 einen Wiedereinreisesichtvermerk.

Ich lebte zum damaligen Zeitpunkt bei meiner Schwester unter oben angeführter Adresse, und diese kam auch für meinen Lebensunterhalt auf.

Ca. Mitte März 1992 lernte ich meinen späteren Ehegatten P. in einem Wienerwald-Restaurant am Wiedner Gürtel gegenüber dem Südbahnhof kennen.

Ich besuchte das Wienerwald-Restaurant in Begleitung einer Freundin (...). Da auch P. dort anwesend war und uns türkisch reden hörte - und er selbst einige Worte türkisch spricht - wurden wir von ihm angesprochen.

Wir kamen miteinander ins Gespräch und da P. und ich uns sympathisch waren, gab ich ihm meine Telefonnummer und er rief mich an.

Einerseits sprach ich ein wenig Deutsch bzw. P. etwas Türkisch, andererseits dolmetschten für mich sowohl Schwager als auch Schwester als auch Freundin. Außerdem sprachen wir beide ein wenig Englisch. Ich lebte damals bei meiner Schwester wie oben angeführt, kam aber öfters nach Wien um mich mit P. zu treffen. Nach dem Treffen in Wien fuhr ich immer wieder zurück zu meiner Schwester. Vor der Trauung mit P. wohnte bzw. übernachtete ich nicht bei ihm. Aber ich besuchte ihn öfters an seiner Adresse in Wien (...).

Vor der Trauung mit P. ging ich in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Damals dachte ich nicht daran in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

P. war damals Versicherungsangestellter (...). Aufgrund einer Verpflichtungserklärung meiner Schwester erhielt ich von der BH Amstetten vom 19. Mai 1992 bis 31. Juli 1992 einen Sichtvermerk.

Ca. zwei Wochen vor unserer Trauung machte P. mir den Vorschlag zu heiraten. Die Trauung fand am 28. Juli 1992 vor dem Standesamt (...) in Niederösterreich statt.

Unmittelbar nach der Trauung zog ich zu meinem Gatten nach Wien (...).

An oben genannter Adresse wohnte ich mit meinem Gatten P. bis Juni 1995.

Anfangs funktionierte unsere Ehe sehr gut, später (ca. nach einem Jahr) begann er Alkohol zu trinken. Aus diesem Grund gab es häufig Streit zwischen uns. Weiters waren seine Eltern gegen eine ausländische Schwiegertochter. Weiters hat P. eine Schwester, die ich aber nicht kenne. Meine Schwiegereltern habe ich einmal gesehen.

Ich arbeite seit dem 17. August 1992 bei der oben angeführten Firma F. Ca. im Juni 1995 verließ P. unsere gemeinsame Wohnung in Wien (...), daraufhin zog ich zu meiner Schwester. Ca. im Jänner 1995 kündigte P. bei der Versicherung. Anschließend war P.

arbeitslos.

     Wir waren beide berufstätig, jedoch half P. mir auch im

Haushalt.

     Im Juli 1993 fuhren P. und ich für eine Woche nach Klagenfurt

an den Wörthersee. Dort lebten wir zwei oder drei Tage in einer Pension in der Nähe des Wörthersees bzw. zwei oder drei Tage bei meiner Cousine, welche eine Wohnung in Klagenfurt hat (...).

Ich suche meinen Gatten seit ca. eineinhalb Jahren. Scheiden lassen möchte ich mich jetzt noch nicht. Ich möchte noch einmal mit P. reden, denn normalerweise ist er ein sehr guter Mann. Wo er sich derzeit aufhält, weiß ich noch nicht."

Der Ehemann der Beschwerdeführerin gab bei seiner Einvernahme beim Bundesministerium für Inneres am 29. August 1997 folgendes an:

"Ich lernte meine Gattin D. ca. im Jänner/Februar 1992 in Wien, genaue Adresse nicht mehr erinnerlich, bei einem Kunden (der auch ein Freund von mir war und den ich in meiner damaligen Funktion als Versicherungsangestellter (...) beruflich besuchte kennen.

Den Namen des Freundes kann ich heute nicht mehr angeben (...). Genaueres könnte ich unter Umständen nach Einsicht in meine Kartei bekanntgeben. Bei diesem Freund war, wie oben angeführt, auch die Beschwerdeführerin zu Besuch. Soweit ich mich erinnern kann, befand sie sich in Begleitung eines Verwandten (vermutlich Cousine oder Bruder). Ich kam mit D. ins Gespräch und wir kommunizierten, da ich der türkischen Sprache nicht mächtig bin und die Beschwerdeführerin kaum Deutsch verstand, mit Hilfe eines Dolmetschers (wie oben angeführt mein Freund bzw. ihr Cousin oder Bruder).

Mein oben angeführter Freund (von dem ich vermute, daß er mehrmals Scheinehen vermittelte), fragte mich im Laufe des Gespräches, ob ich nicht auch ein andermal vorbeikommen könnte, er habe etwas mit mir zu besprechen.

Ca. eine Woche später traf ich mich mit dem Freund wieder. Dabei fragte mich dieser, ob ich bereit wäre, gegen ein Entgelt von S 40.000,-- D. zu heiraten.

Da ich zum damaligen Zeitpunkt eine Gehaltsexekution bis zum Extenzminimum hatte, also auf Geld angewiesen war und mir D. außerdem auch sympathisch war und ich ihr helfen wollte, daß sie in Österreich eine Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung bekommt, war ich mit der Heirat einverstanden.

Die Trauung fand am 28. Juli 1992 (...) statt.

Hiemit stelle ich folgendes richtig:

Der Termin des Kennenlernens wie oben angeführt wird berichtigt auf ca. drei Monate vor der Trauung haben wir uns kennengelernt.

Ca. vier bis sechs Wochen erledigte ich mit D. die erforderlichen Behördenwege bei der Türkischen Botschaft in Wien.

Am Tag meiner Hochzeit erhielt ich die vereinbarten S 40.000,--. Ausgemacht war außerdem eine Ehedauer von eineinhalb Jahren.

Nach der Trauung meldete sich D. an meiner damaligen Adresse (...) an. Tatsächlich hat sie jedoch nie bei mir gewohnt. Allerdings war sie einige wenige Male, wenn sie Wege auf der Türkischen Botschaft in Wien hatte, welche gleich in der Nähe meiner Wohnung gelegen ist, erledigte, auf Besuch.

Eine Ehe im Sinne der Zielsetzung des Ehegesetzes, nämlich das Führen einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft wurde von uns nie gegründet. Mein einziges Motiv, diese Ehe einzugehen, waren lediglich die S 40.000,--, da ich in Geldnöten war und die Bereitschaft ihr zu helfen, da sie mir leid tat.

Das Motiv meiner Gattin mich zu heiraten, war die Erlangung eines Befreiungsscheines, damit sie in Österreich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen konnte bzw. die Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung, damit sie Österreich nicht mehr verlassen mußte.

(...)

Weiters gebe ich an, daß ich kein Türkisch spreche - nicht

einmal ein Wort.

(...)

Zusammenfassend gebe ich noch einmal an, daß es sich im gegenständlichen Fall um eine Scheinehe handelt, die nur aus dem Grund geschlossen wurde, um mir materielle Vorteile (in Form von S 40.000,-- und Spesen) zu verschaffen bzw. um meiner Gattin die Möglichkeit zu verschaffen, mit der Heiratsurkunde fremdenrechtliche Bewilligungen zu erschleichen.

Die Ehe wurde nie vollzogen. Gemeinsamen Wohnsitz gab es keinen. Gemeinsame Interessen wurden nicht realisiert. Unsere Kontakte begrenzten sich auf einige wenige Male und erfolgten nur im Zusammenhang mit bevorstehenden Behördenwegen.

Wie meine Gattin heute ausschaut, weiß ich nicht und ich habe sie seit ca. dreieinhalb bis vier Jahre nicht gesehen."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 1. September 1997 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert zu den oben angeführten Aussagen ihres Ehegatten Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin mit Schreiben, datiert vom 17. September 1997, nach. In dieser Stellungnahme führte sie wie folgt aus:

"Ich bringe vor, daß ich sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erfülle. Hinsichtlich des Vorbringens meines Ehegatten P. gebe ich an, daß seine Äußerungen nicht den Tatsachen entsprechen. Es handelte sich auf meiner Seite um eine Liebesheirat, die Ehe wurde auch tatsächlich vollzogen. Die Ehe ist auch nach wie vor aufrecht. Aufgrund von Alkoholproblemen kam es aber zu Auseinandersetzungen und zur Trennung. Ich habe meinen Ehegatten seit rund zweieinhalb Jahren nicht gesehen. Ich vermute, daß seine Angaben aus Gehässigkeit gemacht wurden, da ich mich längere Zeit - wie oben dargelegt - nicht um ihn gekümmert habe und es deswegen nach einer Auseinandersetzung eine Ehekrise gegeben hat. Weiters möchte ich noch vorbringen, daß auch die Eltern meines Ehegatten gegen die bestehende Ehe mit mir waren, da ich eben eine Türkin bin. Ein Betrag von S 40.000,-- wurde von meinem Geld aufgewendet, allerdings nicht für die Eheschließung, sondern wurden damit Haushaltsartikel finanziert. Aufgrund der Tatsache, daß ich mich nunmehr seit fünf Jahren in Österreich aufhalte und hier einer ständigen geregelten Arbeit nachgehe, somit vollkommen integriert bin und auch eine starke Bindung zum Bundesgebiet Österreich besteht, ersuche ich inständig, meiner Bitte um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nachzukommen und mir eine Aufenthaltsbewilligung mit dem Zweck 'unselbständige Erwerbstätigkeit' zu erteilen."

Aufgrund dieses Ermittlungsverfahrens erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid. Mit diesem wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Diesen Bescheid begründete die belangte Behörde folgendermaßen:

Nach der Schilderung des Verfahrensganges wurden die im Ermittlungsverfahren durchgeführten Einvernahmen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten in den wesentlichen Punkten wiedergegeben. Gänzlich unbeachtet blieb dabei die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Aussagen ihres Ehegatten. Weiters führte die belangte Behörde aus, daß "aufgrund der auch auf Ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage, aber auch aufgrund behördlicher Recherchen" von folgendem Sachverhalt auszugehen sei:

"Sie reisten laut Ihren eigenen Angaben am 17. Februar 1992 mit einem deutschen Sichtvermerk in Österreich ein. Schon damals war Ihre Intention darauf ausgerichtet, Ihr weiteres Leben in Österreich zu verbringen. Aufgrund einer Verpflichtungserklärung Ihrer Schwester erhielten Sie von der Bezirkshauptmannschaft A. vom 19. Mai 1992 bis 31. Juli 1992 einen kurzfristigen Sichtvermerk. Da Sie offensichtlich davon ausgehen mußten, daß Ihr kurzfristiger Sichtvermerk nicht mehr verlängert werden wird, Sie weiters auch keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz hatten, versuchten Sie der drohenden 'Gefahr', Österreich wieder verlassen zu müssen, dahingehend zu begegnen, als daß Sie Ihren Status zur Republik Österreich änderten.

Sie fanden einen österreichischen Staatsbürger, welcher bereit war, Sie gegen einen Schillingbetrag zum Schein zu 'heiraten'.

Als 'Ehegattin' eines österreichischen Staatsbürgers erhielten Sie anschließend einen Befreiungsschein und in weiterer Folge auch den Sichtvermerk des ÖGK München vom 26. April 1995 bis 25. Juli 1995.

Sohin steht eindeutig fest, daß Sie die 'Ehe' mit einem Österreicher nur eingingen, um sich dadurch fremdenrechtliche Bewilligungen zu erschleichen. Dabei wurden von Ihnen inländische Behörden (Standesamt; AMS; ÖGK München; MA 62 ...) über Tatsachen, Ihre Person betreffend (bzw. Ihre personenbezogene Daten) durch 'Falschangaben' (bzw. erschlichene 'Tatsachen'), getäuscht und 'zwangen' Sie somit österreichische Behörden, Ihnen Berechtigungen zu erteilen, die Ihnen ansonsten nicht oder nicht in diesem Umfang zugestanden hätten."

In weitwendigen, teils unsachlichen Ausführungen würdigte die belangte Behörde den oben angeführten Sachverhalt rechtlich, wobei sie zu folgenden (relevanten) Ergebnissen kam:

Durch das Eingehen einer Scheinehe zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlicher Bewilligungen lege die Beschwerdeführerin ein Verhalten zutage, das darauf schließen lasse, ihr weiterer Aufenthalt gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, weshalb ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzuweisen gewesen sei.

Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5.(1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§10.(1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,

wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

..."

In ihrer Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, gemäß § 3 Abs. 1 AufG hätten Ehegatten österreichischer Staatsbürger ein subjektives Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn keine Ausschließungsgründe gemäß § 5 Abs. 1 AufG vorlägen. Im angefochtenen Bescheid gehe die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen sei, weil ihr Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährden würde. Die belangte Behörde begründe diese Rechtsansicht mit der Behauptung, die zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Gatten aufrechte Ehe wäre als Scheinehe zu qualifizieren, weil der Ehegatte von der Beschwerdeführerin den Betrag von S 40.000,-- erhalten habe, damit er sie heirate. Es sei zwar richtig, daß sie ihm den Betrag von S 40.000,-- überlassen habe, aber nicht, damit er sie heirate, sondern um davon die gemeinsame Wohnung einzurichten. Bei dem Betrag von S 40.000,-- handle es sich um ein von der Beschwerdeführerin in die Ehe eingebrachtes Heiratsgut im Sinne des § 1218 ABGB.

In ihrer Stellungnahme habe sie darauf hingewiesen, daß sie ihrem Gatten den Betrag von S 40.000,-- zur Einrichtung der gemeinsamen Ehewohnung übergeben habe. In der Folge sei sie jedoch gezwungen gewesen, wegen des unerträglichen Verhaltens des Ehegatten die Ehewohnung zu verlassen, nachdem sie mehrere Jahre zusammengelebt hätten. Ausschlaggebend dafür sei der Alkoholmißbrauch ihres Ehegatten gewesen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. Die unvollständige Begründung des angefochtenen Bescheides stelle eine Außerachtlassung einer Verfahrensvorschrift dar, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die entscheidungswesentlichen Feststellungen der belangten Behörde würden sich ausschließlich auf die Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin gründen. Anläßlich seiner Einvernahme am 3. November 1992 im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Amstetten habe er jede dahingehende Behauptung, er hätte mit der Beschwerdeführerin eine Scheinehe geschlossen, unterlassen. Vielmehr habe er angegeben, daß die Beschwerdeführerin als seine Ehegattin schon in der nächsten Zeit zu ihm nach Wien ziehen werde. Diese Aussage habe er unter Wahrheitspflicht und nach entsprechender Rechtsbelehrung durch den Leiter der Amtshandlung gemacht. Auch ergebe sich aus den Erhebungen der Kriminalabteilung der Bundespolizeidirektion Wien, daß sie tatsächlich mit ihrem Gatten gewohnt habe. Sie sei seit 22. Mai 1995 dort gemeldet gewesen. Über die Umstände, die sie dazu veranlaßten, die eheliche Gemeinschaft zu verlassen, habe sie in der Niederschrift am 22. August 1997 vor der belangten Behörde Auskunft gegeben. Ihre Angaben seien schlüssig und nachvollziehbar gewesen. Daraus habe sich kein Anhaltspunkt für die später von der belangten Behörde behauptete Scheinehe ergeben. Am 29. August 1997 sei der Gatte der Beschwerdeführerin von derselben Behörde vernommen worden, ohne daß er ihr gegenübergestellt worden sei. Seine Behauptungen seien unrichtig, unglaubwürdig und widersprüchlich, denn er widerspräche nicht nur seinen oben wiedergegebenen Angaben anläßlich seiner Vernehmung vom 3. November 1992, vielmehr habe er sogar die am Beginn seiner Einvernahme am 29. September 1997 gemachten Angaben berichtigen müssen.

Die Änderung seiner Aussage könne sie nur als Racheakt betrachten, weil sie ihn aus guten Gründen verlassen habe. Seinen Behauptungen würden ihre unbedenklichen Angaben gegenüberstehen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Glaubwürdigkeit der Angaben des Gatten der Beschwerdeführerin zu prüfen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides habe die belangte Behörde keine Überlegungen darüber angestellt, warum nicht die Beschwerdeführerin sondern ihr Ehegatte glaubwürdig sei.

Durch diese Unterlassung sei die belangte Behörde zu der unrichtigen Tatsachenfeststellung gelangt, die Beschwerdeführerin habe eine Scheinehe geschlossen. Die kritiklose Übernahme der wahrheitswidrigen und unglaubwürdigen Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin in die Feststellungen des angefochtenen Bescheides entspräche einer Scheinbegründung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Mißachtung der dem Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, daß die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).

Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes (...) zu überprüfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus der Bestimmung des § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG die Geltung des Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuleiten. Neues Sachverhaltsvorbringen ist daher im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässig. Das Neuerungsverbot bezieht sich auf tatsächliches Vorbringen und auf solches Rechtsvorbringen, zu dessen Beurteilung weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1993, Zl. 92/10/0360).

Nach der Aktenlage bringt die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vor, daß ihr Gatte anläßlich seiner Einvernahme am 3. November 1992 im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Amstetten jede dahingehende Behauptung unterlassen habe, daß es sich bei der gegenständlichen Ehe um eine Scheinehe handle. Bei diesem Vorbringen handelt es sich um ein neues Sachverhaltsvorbringen, das unzulässig und deshalb im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachten war.

Bei ihrer Einvernahme am 22. August 1997 sowie in der Stellungnahme am 17. September 1997 bestreitet die Beschwerdeführerin, daß es sich bei der gegenständlichen Ehe um eine Scheinehe handelt. In der Stellungnahme vom 17. September 1997 gibt sie an, zwar S 40.000,-- aufgebracht, dies aber nicht für die Eheschließung, sondern zur Anschaffung von Haushaltsartikeln getan zu haben.

Mit diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt.

Wenngleich die Leistung eines Entgelts für die Annahme, es liege eine "Scheinehe" im Sinne der zitierten Judikatur vor, nicht vorausgesetzt ist, hätte sich die belangte Behörde im Zuge ihrer Beweiswürdigung auch mit diesem Vorbringen auseinandersetzen müssen.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722).

Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muß die Behörde dazu in der Begründung, soll diese dem Gesetz entsprechen, im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie veranlaßt hat, dem einen mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1990, 89/09/0164).

Im gegenständlichen Verfahren liegen, wie oben ausführlich dargestellt, zwei einander widersprechende Beweisergebnisse vor. Die Beschwerdeführerin gibt in ihrer Einvernahme vom 22. August 1997 und in ihrer Stellungnahme vom 17. September 1997, wie oben wiedergegeben, mehrfach an, daß es sich bei gegenständlicher Heirat nicht um das Eingehen einer Scheinehe handelte und begründet auch, weshalb sie glaube, daß ihr Gatte dem widersprechende Aussagen mache.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde im Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage des Gatten der Beschwerdeführerin ergibt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen des Gatten der Beschwerdeführerin glaubhafter seien als die der Beschwerdeführerin.

Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen des Gatten der Beschwerdeführerin höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der Darstellung der Beschwerdeführerin, geht aus dem angefochtenen Bescheid somit nicht hervor und entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

Der angefochtene Bescheid, der jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vermissen lässt, entspricht nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung.

Da, wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt, nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des geltendgemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998190027.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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